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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 21.07.2004
Aktenzeichen: 4 W 129/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 348
ZPO § 888
Im Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887 ff. ZPO kann eine Zuständigkeit des Einzelrichters nicht nach § 348 ZPO begründet werden, wenn im Erkenntnisverfahren die voll besetzte Kammer entschieden hat.
4 W 129/04

Beschluss

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H. sowie die Richter am Oberlandesgericht R. und S. auf die am 21. Juni 2004 eingegangene sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den am 7. Juni 2004 zugestellten Beschluss der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 13. Mai 2004 am 21. Juli 2004 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zu erneuten Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht als Kollegialgericht zurückverwiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Beschwerdewert: 100.000 EUR.

Gründe:

Die gemäß §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 793 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Schuldners hat einen vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht als Kollegialgericht in seiner vollen Besetzung gemäß § 75 letzter Halbsatz GVG.

Die Einzelrichterin war nicht befugt, den Zwangsmittelbeschluss gemäß § 888 ZPO zu erlassen, weil Prozessgericht des ersten Rechtszuges im Sinne dieser Vorschrift nach wie vor die Kammer als Kollegialgericht war, die das rechtskräftige Urteil vom 6. November 2003 erlassen hat.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einem Verstoß gegen den gesetzlichen Richter und damit auf einem von Amts wegen zu berücksichtigenden unheilbaren Verfahrensmangel im Sinne von § 295 Abs. 2 ZPO, weil sie nicht von der vollbesetzten Kammer als Prozessgericht im Sinne von § 888 ZPO, sondern von der Einzelrichterin erlassen worden ist. Dies führte zwingend zur Zurückverweisung der Sache an die Kammer als Kollegialgericht, weil der angefochtenen Entscheidung eine ordnungsgemäße prozessuale Grundlage fehlt. Zwar beruhte die Entscheidung der Kammer in voller Besetzung im Erkenntnisverfahren ausweislich des richterlichen Vermerks vom 26. September 2003 (Bl. 45 d. A.) darauf, dass die ursprünglich als originäre Einzelrichterin zuständige Richterin am Landgericht S. ausgeschieden und der Kammer an deren Stelle die noch nicht ein Jahr mit bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten betrauten Richterin W. gemäß § 348 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugewiesen worden war. Ob es für den Übergang der Sache auf die Kammer damals eines Beschlusses gemäß § 348 a ZPO bedurft hätte (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 24. Aufl. § 348 Rdnr. 6a), kann nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils der Kammer offen bleiben.

Die in einem weiteren richterlichen Aktenvermerk vom 11. März 2003 (Bl. 79 d. A.) vertretene Rechtsauffassung, dass mit der erneuten Zuweisung der Richterin am Landgericht S. an die 19. Zivilkammer mit Wirkung vom 1. März 2004 das Verfahren wieder Einzelrichtersache geworden sei, begegnet jedoch durchgreifenden Bedenken. Die Regelung des § 348 ZPO gilt lediglich für das abgeschlossene Erkenntnisverfahren. In dem Zwangsvollstreckungsverfahren nach §§ 887, 888 ZPO ist lediglich das Prozessgericht des ersten Rechtszuges als ausschließlich zuständiges Gericht bezeichnet. Damit ist das Gericht des Erkenntnisverfahrens in der im ersten Rechtszug maßgeblichen Besetzung als Kammer oder Einzelrichter bezeichnet. Einen Übergang der im Erkenntnisverfahren begründeten Zuständigkeit des voll besetzten Kollegiums auf den Einzelrichter für das anschließenden Zwangsvollstreckungsverfahren vor dem Prozessgericht sieht das Gesetz nicht vor. Der Einzelrichter ist nur dort Vollstreckungsorgan gemäß §§ 887 ff. ZPO, wo er in der Hauptsache entschieden hat (vgl. Zöller-Greger a. a. O. § 348 Rdnr. 2). Dagegen bleibt die vollbesetzte Kammer, die im Erkenntnisverfahren entschieden hat, auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren Prozessgericht des ersten Rechtszuges. Ebenso wenig wie die Übertragung der Sache auf den Einzelrichter nach § 348 ZPO a.F. (= § 348 a ZPO) erstmalig im Vollstreckungsverfahren erfolgen darf (vgl. OLG München MDR 1983, 499; OLG Koblenz NJWRR 2002, 1724), kann die Anwendung der Regeln über die originäre Zuständigkeit des Einzelrichters im Erkenntnisverfahren gemäß § 348 ZPO dazu führen, dass erstmalig im Vollstreckungsverfahren der Einzelrichter an Stelle der in der Hauptsache tätig gewesenen voll besetzten Kammer entscheidet.

Nach alledem bedarf es keiner Entscheidung, ob das Landgericht mangels weiterer tatsächlicher Anhaltspunkte im Vorbringen der Parteien zutreffend davon ausgegangen ist, dass sich die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil vom 6. November 2003 nicht nach § 887 ZPO, sondern nach § 888 ZPO richtet (vgl. BGH NJW 1986, 1676, 1677).

Die Entscheidung über die Gerichtskosten folgt aus § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F..

Ende der Entscheidung

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