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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 26.09.2006
Aktenzeichen: 4 W 178/06
Rechtsgebiete: InsO, StGB
Vorschriften:
InsO § 174 Abs. 2 | |
InsO § 302 Nr. 1 | |
StGB § 266 a | |
StGB § 266 a |
4 W 178/06
Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht H. und die Richter am Oberlandesgericht R. und P. am 26. September 2006 beschlossen:
Tenor:
Die am 7. September 2006 beim Landgericht Hannover eingegangene sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den ihm am 24. August 2006 zugestellten Beschluss der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 21. August 2006 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 5.368,93 EUR.
Gründe:
Der Beklagte, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und der einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung gegen eine Klage, mit der die klagende Krankenkasse die Feststellung begehrt, dass ihr in Höhe von 21.475,70 EUR eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gegen ihn zusteht. Die Klägerin macht geltend, der Beklagte hafte in dieser Höhe aus § 266a StGB in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB, weil er ihr Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung für den Zeitraum Juli bis Dezember 1999 pflichtwidrig - vorsätzlich - vorenthalten habe. Sie habe ein rechtlich geschütztes Interesse an dieser Feststellung, weil der Beklagte - unstreitig - der Anmeldung ihrer Ansprüche im Insolvenzverfahren insofern widersprochen habe, als sie diese im Hinblick auf § 302 Nr. 1 InsO als Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung angemeldet habe.
Das Landgericht hat dem Beklagten Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg versagt, weil der Beklagte dem Vorbringen der Klägerin nicht mit ausreichender Substanz entgegengetreten sei. Er habe die von der Klägerin anhand der ihr übermittelten Beitragsnachweise schlüssig dargelegten Einzelforderungen nur pauschal bestritten. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Landgericht ist mit Recht von der fehlenden Erfolgsaussicht der Verteidigung des Beklagten ausgegangen. Der im Strafverfahren wegen Beitragsvorenthaltung i. S. d. § 266a StGB zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 15 DM verurteilte Beklagte (vgl. dazu das am 7. September 2000 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover in dem Verfahren ... Ds - ... Js ...../99 - .../00) ist dem Vortrag der Klägerin, in Höhe von 21.475,70 EUR Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung der Einzugsstelle vorenthalten zu haben und deshalb gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 a StGB wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zu haften, nicht mit Substanz entgegengetreten. Das Landgericht hat dem Beklagten deshalb mit Recht Prozesskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung gegen die seitens der I. erhobene Feststellungsklage versagt.
Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die I. berechtigt ist, den Beklagten im Rahmen einer Feststellungsklage entsprechend § 184 InsO auf Feststellung in Anspruch zu nehmen, dass der Beklagte in Höhe von 21.475,70 DM aufgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung haftet. Diese Feststellung hat zur Folge, dass die im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten von der Klägerin angemeldete Forderung in dieser Höhe von der Erteilung einer Restschuldbefreiung gemäß § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen ist. Hierbei spielt es keine Rolle, ob das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten möglicherweise - dafür spricht das Aktenzeichen, das bereits aus dem Jahr 2000 stammt - schon vor dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden ist und es sich damit um ein "Altverfahren" handelt, auf das die Vorschriften des am 1. Dezember 2001 in Kraft getretenen Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 2001 noch nicht anzuwenden sind. Auch in diesen Verfahren besteht für eine Klage gegen den Schuldner auf Feststellung des Bestehens einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung schon vor Erteilung der Restschuldbefreiung ein rechtlich geschütztes Interesse (s. OLG Celle, ZInsO 2003, 280 = ZVI 2004, 46 = Rpfleger 2003, 465), wenn der Schuldner diesem Anspruchsgrund widersprochen hat.
Der Beklagte hat im Insolvenzverfahren als Insolvenzschuldner der Anmeldung der Forderung der Klägerin insoweit widersprochen, als er in Abrede stellt, aufgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, konkret wegen einer nach § 266a StGB strafbaren Beitragsvorenthaltung, zu haften. Hat der Schuldner, der einen Antrag auf Restschuldbefreiung gestellt hat, im Rahmen des insolvenzrechtlichen Anmeldungs- und Prüfungsverfahren der Geltendmachung einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners widersprochen, weil er verhindern will, dass die Forderung von einer am Ende des Verfahrens zu erteilenden Restschuldbefreiung ausgenommen ist, so ist nach nahezu einhelliger Auffassung, die auch vom Senat geteilt wird, ein Rechtschutzbedürfnis für die Erhebung einer Feststellungsklage gegeben, mit der festgestellt werden soll, dass der Widerspruch des Schuldners unbegründet ist und die Forderung damit von einer später zu erteilenden Restschuldbefreiung ausgeschlossen ist (s. für Insolvenzverfahren, die seit dem 1. Dezember 2001 eröffnet worden sind OLG Rostock, ZInsO 2005, 1175 = ZVI 2005, 433; LG Dresden, ZInsO 2004, 988; LG Mülhausen, ZInsO 2004, 1046; Hattwig, ZInsO 2004, 636 ff.; Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht/Herchen, § 184 Rz. 13; Kübler/Prütting/Pape, InsO, § 174 Rz. 46).
Der Beklagte kann mit dem Vorwurf nicht gehört werden, die Klägerin habe ihre Forderung nicht schlüssig dargelegt, weil sie hinsichtlich der Beitragsrückstände, die sie für die Monate August - Dezember 1999 geltend mache, nicht dargelegt habe, dass es sich um Forderungen handele, die aus der vorsätzlichen Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen stammten. Sie habe nicht weiter aufgeschlüsselt, für welche Arbeitnehmer diese Forderungen entstanden seien. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat die Klägerin insoweit der sie treffenden Darlegungslast mit der Angabe der monatlich abzuführenden Beträge, gegen die der Beklagte im Übrigen gar nichts erhebliches einwendet, genügt.
Die vorgelegten Abrechnungen, die zumindest teilweise auf den eigenen Angaben des Beklagten basieren, soweit dieser noch ordnungsgemäß Meldungen gefertigt hat, reichen aus, um schlüssig darzulegen, welche Beträge der Beklagte zurückbehalten hat, obwohl die Nichtabführung gemäß § 266 a StGB strafbar war. Dies hat im Übrigen auch der Beklagte selbst so gesehen. Insofern ist den beigezogenen Strafakten nämlich nicht zu entnehmen, dass der Beklagte sich dort gegen die Aufstellungen - u. a. der Klägerin - damit verteidigt hat, die Arbeitnehmer gar nicht mehr beschäftigt zu haben oder sonst zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge nicht mehr verpflichtet gewesen zu sein.
Es ist deshalb nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auch Sache des Beklagten gewesen, mit Substanz zu bestreiten, dass in den fraglichen Monaten tatsächlich Arbeitnehmeranteile von Sozialversicherungsbeiträgen in der fraglichen Höhe nicht abgeführt worden sind. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung nicht darauf an, ob Löhne tatsächlich gezahlt worden sind oder nicht. Zu diesen Darlegungen ist der Beklagte, der selbst Arbeitgeber war, ohne weiteres in der Lage. Dass er sich - auch in der Beschwerdebegründung vom 7. September 2006 - hierzu nicht erklärt, lässt lediglich den Schluss zu, dass er keine begründeten Einwendungen geltend machen kann.
Entsprechendes gilt im Übrigen auch im Hinblick auf die vom Beklagten pauschal behaupteten anderweitigen Verrechnungen und Verrechnungsmöglichkeiten, bezüglich derer er es ebenfalls unterlassen hat, die von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen mit Substanz anzugreifen und im Einzelnen vorzutragen, welche Leistungen die Klägerin - anders als in ihren Konten dargestellt - nicht auf die jeweiligen Sollpositionen hätte verrechnen dürfen. Der Beklagte verkennt insoweit, dass es seine Aufgabe ist, dem schlüssigen Vortrag der Klägerin zu entgegenzutreten und eine eigene Abrechnung vorzulegen, aus der sich ergibt, dass die "Beitragsbuchauskunft" der Klägerin nicht stimmt und der Beklagte tatsächlich nicht in der zweiten Jahreshälfte 1999 mit den angegebenen Beträgen, die teilweise über 40.000 EUR liegen, im Soll war. Ein Guthaben ergibt sich für den Beklagten aus diesen Abrechnungen zuletzt im Monat Juni 1996, danach ist sein Beitragskonto ständig im Soll geführt worden.
Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass erst aufgrund seines Widerspruchs gegen die Anmeldung der Klägerin der ursprünglich geltend gemachte Betrag von 35.678,14 EUR auf 21.475,70 EUR herabgesetzt worden sei, belegt dies nur, dass der Beklagte in der Lage ist, die Forderung der Klägerin nachzuvollziehen und begründete Einwendungen zu erheben. Insoweit macht er sich allerdings nicht die Mühe, sich mit den Forderungen der Klägerin Punkt für Punkt auseinander zu setzen, vielmehr bestreitet er lediglich pauschal die Darlegungen der Klägerin zu seinem Beitragskonto. Dies reicht nicht aus, um der auch ihn treffenden Substantiierungspflicht zu genügen.
Der Beklagte kann sich weiterhin nicht darauf berufen, die Klägerin könne wenigstens für den Monat Dezember 1999 gar keinen Schadensersatzanspruch mehr geltend machen, weil sie in diesem Monat Zahlungen aufgrund der Gewährung von Insolvenzgeld bekommen habe. Dieser Einwand ist schon deshalb nicht erheblich, weil es für den Anspruch aus § 266 a StGB i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB keine Rolle spielt, ob der Gläubiger aufgrund einer cessio legis von einem privaten oder gesetzlichen Versicherer etwas erhält (s. auch Kübler/Prütting/Wenzel, InsO, § 302 Rz. 2). Der Schuldner muss für die ihn treffenden deliktischen Verbindlichkeiten auch dann eintreten, wenn diese aufgrund bestimmter gesetzlicher Regelungen auf einen anderen Träger übergegangen sind.
Der Beklagte kann sich schließlich auch nicht darauf berufen, mit der Einzugstelle eine Ratenzahlungsvereinbarung gehabt zu haben. Abgesehen davon, das er diesen Einwand im Strafverfahren nicht erhoben hat, fehlt Vortrag dazu, dass er eine entsprechende Vereinbarung tatsächlich eingehalten und die rückständigen Verbindlichkeiten getilgt hat. Auch hierauf kommt es deshalb nicht an, sodass seine Rechtsverteidigung insgesamt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO, Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG. Die Wertfestsetzung erfolgt mit Rücksicht auf die anwaltlichen Gebühren nach dem für die Hauptsache, maßgebenden Gegenstandswert, Nr. 3335 Abs. 1 1. Halbsatz des Vergütungsverzeichnisses zu § 2 Abs. 2 RVG. Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes des Verfahrens ist der Senat davon ausgegangen, dass die Forderung der Klägerin nicht mit ihrem vollen Nennwert geltend gemacht werden kann, sondern vielmehr im Hinblick darauf, dass es sich lediglich um einen Streit um die Feststellung handelt, dass der Beklagte nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Erteilung der Restschuldbefreiung für die hier in Rede stehenden Verbindlichkeiten weiterhin haftet, weil sie aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung stammen, ein erheblicher Abschlag von der Forderung zu machen ist. Insoweit soll zwar nach einer Entscheidung des LG Mülhausen (ZVI 2004, 504) im Verfahren der vorliegenden Art der volle Wert der Forderung maßgeblich sein, weil es nicht um die Berücksichtigung des Anspruchs im Insolvenzverfahren gehe - dies hätte zur Folge, dass als Wert lediglich die zu erwartende Insolvenzquote anzusetzen wäre (dazu Senat, Beschl. v. 23.06.2005 - 4 U 83/05, ZIP 2005, 1571 = ZInsO 2005, 776 = OLGR Celle 2005, 558) - sondern vielmehr ein anderer Betrag zu wählen ist, der der Tatsache Rechnung trägt, dass sich der Gläubiger die Forderung auch im Fall der Erteilung einer Restschuldbefreiung erhalten will. Auch insoweit sind aber deutliche Abschläge vom Wert der Forderung zu machen, weil zu berücksichtigen ist, dass es sich lediglich um eine Feststellungsklage handelt und die Frage, ob aus der Forderung tatsächlich einmal vollstreckt werden kann, äußerst ungewiss ist. Es geht deshalb auch nicht an, im Rahmen des auf die Festsetzung des Wertes anzuwendenden § 3 ZPO die Forderung mit ihrem vollen Nennwert zu berücksichtigen. Vielmehr muss ein Abschlag gemacht werden, dem der Senat vorliegend mit 75 % für angemessen hält. Hierbei ist berücksichtigt, dass im Hinblick auf das Alter des 1964 geborenen Beklagten zumindest noch eine theoretische Möglichkeit besteht, dass die Klägerin tatsächlich einmal nach Erteilung der Restschuldbefreiung eine Chance erhält, ihre Forderung zu vollstrecken. Ein höherer Wert als ein Viertel der Forderung erscheint jedoch in jedem Fall unangemessen. Insoweit würde man negieren, dass sich der Schuldner bereits im Insolvenzverfahren befindet und künftige Vollstreckungsaussichten - auch unter Berücksichtigung einer möglichen Erteilung der Restschuldbefreiung - eher zurückhaltend zu beurteilen sind. Soweit die Klägerin hinsichtlich der Wertfestsetzung darauf verweist, dass § 182 InsO im Verfahren nach § 184 InsO nicht anzuwenden sei und bei einer Insolvenzfeststellungsklage gegen den Schuldner der volle Wert in Ansatz zu bringen sei, trifft dies zwar grundsätzlich zu (s. Kübler/Prütting/Pape, § 182 Rz. 6). Vorliegend muss aber weiter berücksichtigt werden, dass der Schuldner nicht die Forderung an sich bestreitet, sondern lediglich geltend macht, der Schuldgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung bestehe nicht. Dies muss nach der Überzeugung des Senats zu deutlichen Abschlägen führen.
Ende der Entscheidung
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