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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 26.06.2008
Aktenzeichen: 4 W 73/08
Rechtsgebiete: RVG VV


Vorschriften:

RVG VV Nr. 3104
Führen die Parteien in einem gerichtlichen Termin ein Gespräch über weitere, nicht rechtshängige Ansprüche, ist die Terminsgebühr unter Berücksichtigung des Wertes dieser Ansprüche sowie desjenigen des Streitgegenstands festzusetzen, selbst wenn es insoweit nicht zu einer Einigung kommt.
4 W 73/08

Beschluss

In der Beschwerdesache

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter am 26. Juni 2008 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführer vom 5. Mai 2008 wird der Beschluss des Landgerichts Lüneburg vom 28. April 2008 i. d. F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 7. Mai 2008 teilweise abgeändert.

Der Streitwert für die Terminsgebühr wird auf 130.000 EUR festgesetzt.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 1.500 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes auf 11.000 EUR für das gesamte Verfahren.

I.

Mit dem Antrag auf Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens haben die Antragsteller einen vorläufigen Streitwert von 20.000 EUR angegeben. In der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2008, in der der Sachverständige angehört wurde, erörterten die Beteiligten ausweislich des Protokolls im Anschluss an die Beweisaufnahme die Möglichkeit einer vergleichsweisen Einigung. angedacht wurde, dass sich der Antragsgegner zur Rücknahme des Hauses verpflichte. Streitig war der Ersatz der auf das Haus getätigten Verwendungen sowie die Verrechnung von Nutzungen. Angedacht war ferner, dass die Antragsteller das Grundstück in eigener Regie veräußerten und nur eine Regelung bezüglich der Differenz zum an den Antragsgegner gezahlten Kaufpreis getroffen werde.

Das Landgericht hat einen Gegenstandswert von 11.000 EUR festgesetzt und eine Differenzierung zwischen Verfahrens und Terminsgebühr nicht vorgenommen. Hierzu hat es im wesentlichen ausgeführt, dass mangels Antragstellung eine Verhandlung zu einem höheren Wert nicht stattgefunden habe.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Bevollmächtigten der Antragsteller.

II.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig. Zugunsten der Bevollmächtigten des Antragstellers wird davon ausgegangen, dass die sofortige Beschwerde im eigenen Namen eingelegt ist, worauf die Formulierung "wir" im Beschwerdeschriftsatz hindeutet.

2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Heraufsetzung des Streitwertes für die Terminsgebühr.

a) Abs. 3 der Vorbemerkungen zu Teil 3 Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG besagt, dass die Terminsgebühr für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts entsteht. Nach VV 3104 Abs. 2 RVG wird für den Fall, dass in dem Termin auch Verhandlungen zur Einigung über diesen in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt wurden, die Terminsgebühr, soweit sie den sich ohne Berücksichtigung der nicht rechtshängigen Ansprüche ergebenden Gebührenbetrag übersteigt, auf eine Terminsgebühr angerechnet, die wegen desselben Gegenstands in einer anderen Angelegenheit entsteht.

Hierzu wird in der Literatur die Auffassung vertreten, dass sich die Terminsgebühr für einen Verhandlungs- oder Erörterungstermin nach dem Wert des Gegenstands bemesse, zu dessen Verhandlung oder Erörterung der Termin bestimmt sei, sofern nicht der Wert des Gegenstands, der verhandelt oder erörtert werde, ein höherer sei. Unabhängig davon, ob ein Vergleich zustande käme, sei der Wert der nicht rechtshängigen Ansprüche für die Terminsgebühr dem Wert des Streitgegenstands hinzuzurechnen, sofern in diesem Termin Vergleichsverhandlungen unter Einbeziehung von Ansprüchen, die in diesem Verfahren nicht rechtshängig sind, geführt werden (Riedel/Sußbauer-Keller, RVG, 9. Aufl., VV Teil 3 Vorbemerkung 3 Rn. 51). Dies gelte auch bei Führung von Vergleichsverhandlungen in einem gerichtlichen Termin (Riedel/Sußbauer-Keller, a. a. O., VV Teil 3 Abschnitt 1 Rn. 5). Der Regelung des VV 3104 Abs. 2 RVG wird entnommen, dass eine Terminsgebühr auch dann anfalle, wenn Einigungsgespräche über in diesem Verfahren nicht rechtshängige Ansprüche geführt würden, da nur eine entstandene Gebühr angerechnet werden könne (Gerold/Schmidt/ MüllerRabe, RVG, 17. Aufl. VV 3104 Rn. 73). Dabei ist für den Anfall der Terminsgebühr ohne Bedeutung, dass es tatsächlich nicht zu einer gütlichen Einigung kommt (BGH, Beschl. v. 20. November 2006, Az.: II ZB 6/06).

b) Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Der Streitwert für die Terminsgebühr ist auf 130.000 EUR festzusetzen. Bei dem Termin hat sich um einen Beweisaufnahmetermin i. S. d. oben genannten Vorschriften gehandelt, für den die Bevollmächtigten eine Terminsgebühr, auch im selbständigen Beweisverfahren abrechnen können. Am Ende des Termins ist über die Rückabwicklung des zwischen den Parteien einst geschlossenen Kaufvertrags über ein Haus geredet worden. Dabei kann es dahinstehen, ob - wie der Bevollmächtigte des Antragsgegners meint - es weder zu einem verbindlichen noch zu einem konkreten Verhandeln gekommen sei. Es reicht aus, wenn zwischen den Parteien hierüber Gespräche geführt werden und der Anwalt hieran mitwirkt. Auf die Intensität dieser Gespräche kommt es nicht an. Will eine Partei eine Gebührenerhöhung vermeiden, steht es ihr frei, ein solches Gespräch bereits im Ansatz abzulehnen.

Der Anfall einer höheren Terminsgebühr erscheint auch sachgerecht. Nach der Intention des Gesetzgebers sollte das neue RVG insbesondere dazu dienen, Gebührenanreize für die Vermeidung eines Gerichtsverfahrens und den Abschluss vorgerichtlicher Vergleiche zu schaffen. Dies wird durch eine höhere Terminsgebühr für das Verhandeln über nicht rechtshängige Ansprüche umgesetzt. Sollte es dennoch in der Folgezeit zu einem Gerichtsverfahren kommen, ist eine entsprechende Anrechnungsbestimmung bereits in VV 3104 Abs. 2 RVG erfolgt, sodass die Parteien nicht unangemessen benachteiligt werden.

c) Erhebliche Einwendungen gegen die Höhe des Streitwerts hat der Antragsgegner nicht vorgebracht. Diese beziehen sich nicht auf den Wert der besprochenen Vergleichsmöglichkeiten.

Es kommt im Übrigen entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht darauf an, ob ein Antrag i. S. v. § 137 Abs. 1 ZPO gestellt wird, zumal dieser im selbständigen Beweisverfahren ohnehin nicht gestellt wird.

III.

Das Verfahren ist gemäß § 68 Abs. 3 GKG gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Der Wert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus der Differenz der Gebühren des beschwerdeführenden Anwalts nach dem festgesetzten und dem angestrebten Streitwert (Zöller-Herget, ZPO, 26. Aufl., § 3 Rn 16 Stichwort "Streitwertbeschwerde").

Ende der Entscheidung

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