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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 22.12.2005
Aktenzeichen: 5 U 111/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 78 Nr. 1 S. 1
ZPO § 244
ZPO § 249
1. Wird während eines laufenden Verfahrens ein Rechtsanwalt aus der Liste der zugelassenen Anwälte gelöscht, tritt gemäß § 244 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens ein.

2. Prozesshandlungen des Gerichts, die während der Unterbrechung vorgenommen werden, sind grundsätzlich wirkungslos. Ein auf Grund einer mündlichen Verhandlung, an der ein nicht mehr zugelassener Anwalt teilgenommen und für die Partei Anträge gestellt hat, ist nicht nichtig, sondern kann mit den zulässigen Rechtsmitteln angefochten werden.

3. Die Aufnahme eines unterbrochenen Verfahrens kann durch Einlegung der Berufung gegen das verfahrensfehlerhaft ergangene Urteil erfolgen.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

5 U 111/05

Verkündet am 22. Dezember 2005

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2005 durch den Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die Richterinnen am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 28. April 2005 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Hannover zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens überlassen bleibt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagten als Gesamtschuldner wegen einer angeblichen Verletzung von Pflichten aus dem Architektenvertrag auf Schadensersatz in Anspruch.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils (Bl. 103 d. A.) verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 25. August 2004 (Bl. 37 d. A.) zeigte der Rechtsanwalt J. F. K. die Vertretung der Beklagten an. Das Landgericht Hannover hat aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. März 2005 ein Urteil verkündet, in dem es die Beklagten zur Zahlung von 167.763,01 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Ersatzpflicht für weitere Schäden festgestellt hat. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 108 d. A.) des landgerichtlichen Urteils verwiesen.

Nach dem Inhalt des Vermerks einer Justizangestellten vom 30. Mai 2005 (Bl. 130 d. A.) war die Zulassung des Rechtsanwalts K., der für die Beklagten den Termin zur mündlichen Verhandlung wahrgenommen hat, schon seit dem 14. Dezember 2004 gelöscht.

Die Beklagten haben gegen das Urteil Berufung eingelegt, mit der sie Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht Hannover begehren. Sie meinen, dem Antrag sei schon deshalb stattzugeben, weil die Beklagten nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen seien. Der von dem Beklagtenvertreter gestellte Klagabweisungsantrag sei als Prozesshandlung unwirksam. Die Beklagten seien im Termin zur mündlichen Verhandlung am 3. März 2005 nicht vertreten gewesen. Es hätte daher Versäumnisurteil ergehen müssen. Dass das Landgericht durch kontradiktorisches Urteil entschieden habe, stelle einen zu Lasten der Beklagten gehenden Verfahrensfehler dar. Zu Unrecht habe das Landgericht den Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 1. März 2005 (Bl. 96 a d. A.) als verspätet gemäß § 296 Abs. 1 und 2 ZPO zurückgewiesen, da die Voraussetzungen der Vorschriften nicht vorlägen. Bei richtiger Verfahrensweise des Landgerichts durch Verkündung eines Versäumnisurteils wäre zudem eine etwaige Verspätung des Vortrags der Beklagten im nachfolgenden Einspruchsverfahren entfallen. Soweit das Landgericht bezweifele, ob die mit der Anlage B 1 überreichten Anlagen (Bl. 50 ff d. A.) dem Erfordernis von Fugenplänen genügten, hätte dies das Landgericht nur mit Hilfe eines Sachverständigen beurteilen können. Dass das Landgericht selbst die notwendige Sachkenntnis habe, sei weder dargelegt noch anzunehmen. Die Beklagten hätten auch ihrer Pflicht zur Bauüberwachung genügt. Fugen seien auf den überreichten Lichtbildern (Bl. 64 ff d. A.) zu erkennen. Dass der Unternehmer die Dämmstreifen nach unten nicht bis zum Dämmmaterial verlegt habe, sei für die Beklagten nicht feststellbar gewesen.

Hilfsweise tragen die Beklagten vor, dass eine etwa bestehende Schadensersatzforderung der Klägerin um den Restvergütungsanspruch der Beklagten gemäß Schlussrechnung vom 24. März 2000 (Bl. 198 d. A.) zu kürzen sei.

Die Beklagten beantragen,

das Urteil des Landgerichts Hannover vom 28. April 2005 aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen,

hilfsweise

das Urteil der Einzelrichterin der 14. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 28. April 2005 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die hilfsweise vorgetragene Gegenforderung auf Resthonoraransprüche bestreitet die Klägerin dem Grunde und der Höhe nach. Sie erhebt die Einrede der Verjährung und beruft sich auf Verwirkung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen bis zur mündlichen Verhandlung vom 30. November 2005 gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die form und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist insoweit begründet, als die angefochtene Entscheidung aufzuheben und an das Landgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen ist.

Nach § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO darf das Berufungsgericht eine Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen, soweit das Verfahren im ersten Rechtszuge an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist und eine Partei die Zurückweisung beantragt.

Vorliegend leidet das Verfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Das rechtliche Gehör der Beklagten ist verletzt worden (Art. 103 Abs. 1 GG), da die Beklagten seit Dezember 2004 nicht mehr ordnungsgemäß, nämlich nicht durch einen zugelassenen Anwalt vertreten waren. Bei einer Revision stellt dies einen absoluten Revisionsgrund im Sinne des § 547 Nr. 4 ZPO dar. Die Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts bei einem Gericht ist Prozesshandlungsvoraussetzung und muss im Zeitpunkt der Vornahme der Prozesshandlung gegeben sein (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2005 - XI ZR 398/04). Die Postulationsfähigkeit ist von Amts wegen zu prüfen.

Im Anwaltsprozess tritt darüber hinaus nach § 244 Abs. 1 ZPO eine Unterbrechung des Verfahrens dann ein, wenn der Rechtsanwalt einer Partei unfähig wird, die Vertretung der Partei fortzuführen. Dies ist der Fall, wenn er an der Fortführung des Mandats rechtlich gehindert wird (vgl. BGHZ 111, 104, 106). Ein solches Hindernis stellt die Löschung in der Liste der zugelassenen Rechtsanwälte dar.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten, der die Vertretung der Beklagten mit Schriftsatz vom 25. August 2004 (Bl. 37 d. A.) dem Landgericht angezeigt hatte, war bereits seit dem 14. Dezember 2004 in der Rechtsanwaltsliste gelöscht. Die Beklagten waren damit seit Dezember 2004 nicht mehr wirksam vertreten. Das hatte mithin nicht nur zur Folge, wie die Beklagten meinen, dass der Prozessbevollmächtigte der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 3. März 2005 wirksam keinen Antrag mehr stellen konnte, sondern das Verfahren war spätestens seit dem 14. Dezember 2004 gemäß § 244 Abs.1 ZPO unterbrochen.

Während der Unterbrechung sind aber nicht nur die von einer Partei in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung (§ 249 Abs. 2 ZPO). § 249 ZPO ist vielmehr zu entnehmen, dass auch Handlungen des Gerichts, die nach außen vorgenommen werden, grundsätzlich unwirksam sind (vgl. dazu BGHZ a. a. O. mit weiteren Nachweisen).

Daher sind die Prozesshandlungen des Landgerichts, die die Hauptsache betreffen wie z. B. die mit Verfügung vom 25. Januar 2005 veranlassten Ladungen zum Termin am 3. März 2005, die mündliche Verhandlung vom 3. März 2005 und das auf diese Verhandlung ergangene Urteil vom 28. April 2005 während der Unterbrechung beiden Parteien gegenüber grundsätzlich wirkungslos.

Das Verfahren hätte daher vor dem Landgericht aufgenommen werden müssen. Hier ist eine Aufnahme des Verfahrens erst mit Schriftsatz der zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 9. Juni 2005 durch Einlegung der Berufung erfolgt. Vorliegend ist eine Aufnahme des Verfahrens zusammen mit der Berufungseinlegung zulässig. Denn der Mangel der Postulationsfähigkeit macht das Urteil nicht zu einem Nicht oder nichtigen Urteil, sondern das Urteil ist mit den zulässigen Rechtsmitteln anfechtbar (Grundsatz der Meistbegünstigung).

Eine Genehmigung der Prozessführung des nicht mehr postulationsfähigen Rechtsanwalts durch die Beklagten ist vorliegend zwar grundsätzlich möglich, wie § 547 Nr. 4 ZPO zeigt. Eine Genehmigung kann jedoch nicht festgestellt werden. Vielmehr erstreben die Beklagten mit dem eingelegten Rechtsmittel gerade eine Aufhebung der landgerichtlichen Entscheidung und des ihr zugrunde liegenden erstinstanzlichen Verfahrens.

Da die Beklagten die Zurückverweisung ausdrücklich beantragen, ist das Urteil, das in dieser Weise nicht hätte ergehen dürfen, aufzuheben und der Rechtsstreit in den Verfahrenstand zu versetzen, in dem er sich zu Beginn der Unterbrechung befunden hat. Das Landgericht wird sich deshalb auch mit dem Vorbringen auseinander zu setzen haben, das die Beklagten in der Berufungsinstanz, teilweise unter Bezugnahme auf den Schriftsatz der Beklagten vom 1. März 2005 (Bl. 96 a d. A.), vorgetragen haben, ohne dass eine Anwendung der Verspätungsvorschriften des § 296 ZPO in Betracht kommen dürfte. Über den Schadensersatzanspruch wird das Landgericht nicht ohne eine Beweisaufnahme, insbesondere die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, entscheiden können, zumal den Parteien nicht die Möglichkeit verwehrt ist, in dem Verfahren erster Instanz noch ergänzend vorzutragen. Sollte ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten bestehen, wird das Landgericht auch über die hilfsweise geltend gemachte Forderung der Beklagten auf Zahlung restlichen Architektenhonorars entscheiden müssen, wozu ebenfalls aber Voraussicht nach noch ein Sachverständigengutachten einzuholen sein wird.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 8. Dezember 2005 (Bl. 291 d. A.) hat dem Senat keine Veranlassung gegeben, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, § 156 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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