Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 17.02.2003
Aktenzeichen: 5 W 3/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO §§ 485 ff
1. Keine Zulässigkeitsvoraussetzung des selbstständigen Beweisverfahrens ist die Erfolgsaussicht der möglichen Hauptsache.

2. Das rechtliche Interesse an der Beweiserhebung darf nicht mit der Begründung verneint werden, der mögliche Hauptsacheanspruch sei verjährt.


5 W 3/03

Beschluss

In dem selbstständigen Beweisverfahren

wegen Feststellung von Mängeln an einem Keller

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle am 17. Februar 2003 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 16. Dezember 2002 aufgehoben. Dem Landgericht wird die erforderliche Beweisanordnung übertragen.

Gründe:

Die Antragsteller haben am 14. Juni 1996 mit notariellem Vertrag von der Antragstellerin ein Baugrundstück erworben. In dem notariellem Vertrag verpflichtete sich die Antragsgegnerin darüber hinaus, auf diesem Baugrundstück ein Wohnhaus zu errichten. Der Kaufpreis belief sich auf insgesamt 793.625 DM. Das Grundstück liegt in einem Gebiet mit hohem Grundwasserspiegel. Aus diesem Grund wurde für den Keller eine wasserdichte Stahlbetonwanne vereinbart.

Die Antragsteller haben behauptet, dass der Keller schwere Mängel aufweise. Es komme zu gravierenden Feuchtigkeitsschäden. Sie begehren deshalb die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zur Feststellung der Mängel, zur Ursachenergründung sowie zu Art und Kosten der Mängelbeseitigung.

Die Antragsgegnerin hat die Einrede der Verjährung erhoben und gemeint, dass für das Bauvorhaben die 2-jährige Verjährungsfrist der VOB/B gelte.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht den Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen, weil ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung dann nicht bestehe, wenn die Ansprüche der Antragsteller ersichtlich verjährt seien. Aus dem überreichten Bauvertrag ergebe sich, dass die Beteiligten die Geltung der VOB Teil B vereinbart hätten. Es gelte deshalb die Verjährungsfrist von 2 Jahren für die Gewährleistungsansprüche der Antragsteller. Diese Verjährungsfrist sei abgelaufen. Die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens würde mithin zu Feststellungen führen, die in einem folgenden Hauptsacheprozess Ansprüche wirksam nicht begründen könnten.

Gegen diesen Beschluss wenden sich die Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, mit der sie weiterhin die Ansicht vertreten, dass die Gewährleistungsansprüche nicht verjährt seien.

Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsteller ist begründet.

Nach § 485 Abs. 2 ZPO können die Antragsteller die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran haben, dass der Zustand des von der Antragsgegnerin hergestellten Kellers, die Ursachen für Mängel und der Aufwand für die Beseitigung der Mängel festgestellt werden soll. Ein rechtliches Interesse ist nach § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann. Der Begriff des rechtlichen Interesses ist dabei weit auszulegen (vgl. OLG Celle BauR 1992, 405, 406). Kommen materiellrechtliche Ansprüche der Antragsteller wie hier Gewährleistungsansprüche in Betracht, ist das Feststellungsinteresse auch dann zu bejahen, wenn der Antragsgegner vorprozessual schon jede Vergleichsbereitschaft hat vermissen lassen und sich auf Verjährung beruft. Ob die Gewährleistungsansprüche der Antragsteller verjährt und damit möglicherweise nicht mehr durchsetzbar sind, kann im Rahmen des selbstständigen Beweisverfahrens dahinstehen, denn das rechtliche Interesse des § 485 Abs. 2 ZPO setzt nicht voraus, dass das Beweisthema in einem späteren Prozess erheblich sein muss. Die Erfolgsaussichten eines späteren Hauptprozesses sind nicht zu prüfen. Bereits aus § 487 ZPO ergibt sich, dass der Antrag auf Einleitung des selbstständigen Beweisverfahrens lediglich die Angabe des Gegners, die Bezeichnung der Tatsachen, über die Beweiserhoben werden soll, die Benennung der Beweismittel und die Glaubhaftmachung der Tatsachen, die die Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens und die Zuständigkeit des Gerichts begründen sollen, enthalten muss. Die Prüfung der Erfolgsaussicht des Hauptprozesses macht demgegenüber die dezidierte Darlegung des Streitverhältnisses erforderlich. Dieses zu klären, wozu auch die Prüfung der materiell-rechtlichen Wirkungen der Verjährungseinrede gehört, ist grundsätzlich Aufgabe des Hauptsacheverfahrens selbst (OLG Düsseldorf, MDR 2001, 50).

Ein rechtliches Interesse kann daher nur zu verneinen sein, wenn es an jeglichem rechtlichen Bezug zur Antragsgegnerin fehlte. Das wäre der Fall, wenn die nachgesuchte Beweiserhebung unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt einem Rechtsstreit zugeordnet werden kann (vgl. KG BauR 1992, 303, 304; OLG Celle BauR 2000, 601; Zöller-Herget, ZPO, 22. Aufl., § 485 Rn. 7 a m. w. N.).

Würde man für das Beweisverfahren eine rechtliche Begründung der verfolgten Ansprüche und die Klärung der Frage der Verjährung verlangen, liefe dies durch eine Überfrachtung des auf schnelle Ergebnisse zielenden Verfahrens mit Rechts- und Tatsachenfragen dessen Zweck gerade zuwider. Jede andere Betrachtungsweise würde auch der Zielvorstellung des Gesetzgebers bei Einführung des selbstständigen Beweisverfahrens widersprechen, die Gerichte von vermeidbaren Prozessen zu entlasten und eine Beschleunigung und Erleichterung der Prozesse für den Sachverständigenbeweis im Fall des § 485 Abs. 2 ZPO zu erreichen.

Die Begutachtung kann vorliegend auch der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen. Zum einen besteht die Möglichkeit, dass die Antragsteller bei negativem Ausgang des Beweisverfahrens von einem Rechtsstreit absehen. Zum anderen haben die Parteien nicht nur die Geltung der VOB/B vereinbart, sondern die Regelungen der VOB/B werden durch eine Vielzahl weiterer Bestimmungen wie z. B. das Bauherrenleistungsverzeichnis 1/1996 sowie die allgemeinen Vertragsbedingungen der Antragsgegnerin ergänzt. Zudem hat die Antragsgegnerin mit ihrem Subunternehmer eine Gewährleistung hinsichtlich der Wasserdichtigkeit der Wanne von 5 Jahren vereinbart, sodass es durchaus denkbar ist, dass vorliegend nicht von der 2-jährigen Verjährungsfrist der VOB/B auszugehen ist.

Stehen aber aufgrund der Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen die Mängel fest und hat er sich zu der Art und Weise der Beseitigung und dem dazu erforderlichen Beseitigungsaufwand geäußert, ist es nicht nur denkbar, sondern auch sinnvoll, dass sich die Parteien gütlich einigen, auch wenn sie jetzt noch unverrückbar an ihrem Rechtsstandpunkten festhalten. Ein Hauptsacheprozess ließe sich, wie es dem Willen des Gesetzgebers entspricht, auf diese Weise vermeiden.

Der Senat hat von der Möglichkeit des § 572 Abs. 3 ZPO Gebrauch gemacht, um dem Landgericht die Auswahl des zu beauftragenden Sachverständigen zu überlassen.

Im selbstständigen Beweisverfahren ergeht, sieht man von dem hier nicht in Betracht kommenden Fall des § 494 a Abs. 2 Satz 1 ZPO ab, keine Kostenentscheidung. Das gilt auch für die Beschwerdeinstanz.

Ende der Entscheidung

Zurück