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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 06.07.2006
Aktenzeichen: 6 U 29/06
Rechtsgebiete: InsO, BGB


Vorschriften:

InsO § 55
BGB § 816
1. Die Veräußerung von Vorbehaltsware und Einziehung abgetretener Forderungen durch den Insolvenzverwalter kann eine sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Nr. 1 InsO und nicht nur eine Insolvenzforderung begründen.

2. Dies setzt aber voraus, dass durch eine Handlung des Insolvenzverwalters nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Masseverbindlichkeit begründet worden ist.

3. Insoweit trifft den jeweiligen Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast für die Handlung des Insolvenzverwalters - und zwar dafür, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entweder Eigentum der Klägerin verarbeitet und veräußert oder eine der Klägerin zustehende Forderung eingezogen hat.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

6 U 29/06

Verkündet am 6. Juli 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 2006 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxxxx, die Richterin am Oberlandesgericht xxxxx und den Richter am Amtsgericht Dr. xxxxx für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 12. Januar 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die Berufung ist unbegründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Anspruch auf Vorabbefriedigung aus der Insolvenzmasse.

1. Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus § 48 S. 2 InsO.

Die Weiterveräußerung durch die Schuldnerin an die K. GmbH war nicht unberechtigt im Sinne von § 48 Satz 1 InsO. Als die Schuldnerin diese Ende Mai/ Anfang Juni 2004 vornahm, bestand noch ihre Ermächtigung zur Weiterveräußerung seitens der Klägerin gemäß deren dem Vertrag zugrundeliegenden AGB, in denen es heißt:

"1. Alle gelieferten Waren bleiben unser Eigentum (Vorbehaltsware)...

2. Bearbeitung und Verarbeitung der Vorbehaltsware erfolgen für uns als Hersteller im Sinne von § 950 BGB...

3. Bei Verarbeitung, Verbindung und Vermischung der Vorbehaltsware mit anderen Waren durch den Käufer steht uns das Miteigentum an der neuen Sache zu...

4. Der Käufer darf die Vorbehaltsware nur im gewöhnlichen Geschäftsverkehr und nur solange er nicht im Verzug ist, veräußern...

5. Die Forderungen des Käufers aus der Weiterveräußerung der Vorbehaltsware werden bereits jetzt an uns abgetreten...

6. Der Käufer ist berechtigt, Forderungen aus der Weiterveräußerung bis zu unserem jederzeitigen Widerruf einzuziehen..."

Die Klägerin hat diese Ermächtigung erst mit Anwaltsschreiben vom 11. Januar 2005 dem Beklagten gegenüber widerrufen. Das in der Verhandlung vor dem Senat von Klägerseite überreichte Schreiben an den Beklagten enthält einen solchen Widerruf nicht und datiert ebenfalls erst aus der Zeit nach Weiterveräußerung der Bleche an die K. GmbH (19. August 2004).

2. Ferner kann die Klägerin keine Vorabbefriedigung beanspruchen wegen einer Handlung des Beklagten als Insolvenzverwalter (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO).

Es lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte die der Klägerin zur Sicherheit abgetretene Forderung aus dem Verkauf der Bleche, die dem Absonderungsrecht der Klägerin unterlag, zur Masse eingezogen hat, § 51 Nr. 1, § 166 Abs. 2 InsO.

Zuzugeben ist, dass die Veräußerung von Vorbehaltsware und Einziehung abgetretener Forderungen durch den Insolvenzverwalter eine sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Nr. 1 InsO und nicht nur eine Insolvenzforderung begründen kann, die dann auch vorab zu befriedigen ist, § 53 InsO. Dies setzt aber voraus, dass durch eine Handlung des Insolvenzverwalters nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Masseverbindlichkeit begründet worden ist (Jaeger/Henckel, § 55 Rn. 79; MünchKomm/ Hefermehl, § 55 Rn. 206; Kuebler/Prütting/Pape, § 55 Rn. 54). Insoweit trifft den jeweiligen Gläubiger die Darlegungs- und Beweislast für die Handlung des Insolvenzverwalters - und zwar dafür, dass der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entweder Eigentum der Klägerin verarbeitet und veräußert oder eine der Klägerin zustehende Forderung eingezogen hat. Dabei kann, anders als die Klägerin meint, auch nicht zu ihren Gunsten die Darlegungs- und Beweislast umgekehrt werden. Der Grund hierfür liegt darin, dass, wenn die Klägerin schon ihren Anspruch vor den "einfachen" Insolvenzforderungen befriedigt wissen will, sie dann auch die Voraussetzungen dafür dartun und beweisen muss.

Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass die Klägerin diesen Anforderungen nicht gerecht geworden ist. Die Klägerin hat schon nicht dargetan, mit welchen Anteilen die Klägerin überhaupt an welchen einzelnen Verarbeitungsprodukten Miteigentum erworben haben könnte. Der Beklagte hat hierzu detailliert vorgetragen, dass die Förderkanäle zwar auch mit Blechen der Klägerin hergestellt wurden, keinesfalls aber ausschließlich, sondern dass anhand der entsprechenden Baupläne dargestellt werden kann, wie viele weitere Teile ganz unterschiedlicher Art und Weise in einen solchen Förderkanal eingebaut werden. Darüber hinaus hat die Klägerin nicht verdeutlichen können, welche Zahlungen auf diejenigen Verträge erfolgt sind, die die oben genannten Verarbeitungsprodukte zum Gegenstand hatten. Insofern bleibt schon nach ihrem Vortrag offen, ob tatsächlich Zahlungen geleistet worden sind. Es bleibt aber auch offen, auf welche einzelnen Verträge. Die Angabe von Rechnungsnummern ist hier ohne Aussagekraft.

Vor allem bleibt aber unklar - was das Landgericht zu Recht hervorhebt -, wann derartige Zahlungen erfolgt sind. Aus den Angaben der Klägerin ergibt sich nur, dass, falls die K. GmbH tatsächlich Zahlungen an die Schuldnerin geleistet haben sollte, der ganz überwiegende Teil vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt ist. Nicht dargetan hat die Klägerin jedoch, dass die Schuldnerin für die Weiterveräußerung der ihr am 28. April und 12. Mai 2004 von ihr - der Klägerin - berechneten Bleche erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 22. Juli 2004 Zahlung erhalten hat. Die K. GmbH zahlte ausweislich ihres Schreibens vom 10. März 2006 am 24. Juni, 1., 6., 15. und 22. Juli 2004, ohne dass vorgetragen ist, mit welcher Zahlung sie gerade diejenigen Produkte vergütet hat, welche die Schuldnerin aus den von der Klägerin gelieferten und berechneten Blechen herstellte.

3. Die Klägerin hat gegen den Beklagten schließlich keinen Anspruch gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 InsO i. V. m. § 816 Abs. 2 BGB. Die Insolvenzmasse hätte die Leistung der K. GmbH, auch wenn die Kaufpreisforderung, auf welche die K. GmbH leistete, an die Klägerin abgetreten war, nicht als Nichtberechtigte erlangt, § 816 Abs. 2 BGB. Der Beklagte, auf den das Verfügungsrecht der Schuldnerin mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens übergegangen war, § 80 Abs. 1 InsO, war wie zuvor die Schuldnerin ermächtigt, die der Klägerin zustehende Leistung der K. GmbH im eigenen Namen entgegenzunehmen § 185 Abs. 1, § 362 Abs. 2 BGB. Diese Ermächtigung aus Nr. 6 Satz 1 der AGB "Eigentumsvorbehalt" hat die Klägerin, wie bereits ausgeführt, erst am 11. Januar 2005 dem Beklagten gegenüber widerrufen.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO für die Zulassung nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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