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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 11.03.2003
Aktenzeichen: 6 W 16/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 2229
1. Ohne weitere Anhaltspunkte kann alleine aus einem etwa 8 Monate nach Testamentserrichtung erstatteten fachärztlichen Gutachten in einem Betreuungsverfahren nicht geschlossen werden, dass die Erblasserin bereits im Zeitpunkt der Testamentserrichtung an einer Altersdemenz in einem Umfang litt, die ihre Testierfähigkeit gem. § 2229 Abs. 4 BGB ausschloss.

2. Kein Indiz für eine fehlende Testierfähigkeit stellt hierbei der Umstand dar, dass die Erblasserin statt ihres einzigen Sohnes eine Familienfremde und ihr erst seit einiger Zeit bekannte Person zum Erben einsetzt.


6 W 16/03

Beschluss

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde des Klägers vom 18. Februar 2003 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 5. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und den Richter am Oberlandesgericht ####### am 11. März 2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 569 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 127 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO), in der Sache jedoch nicht begründet. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung des Klägers bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg gem. § 114 ZPO.

1. Soweit der Kläger mit dem Antrag zu 1 die Feststellung der Unwirksamkeit des am 29. Juni 1999 errichteten Testamentes seiner am 17. Oktober 2002 verstorbenen Mutter ####### begehrt, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin im Zeitpunkt der Testamentserrichtung bestehen.

Gem. § 2229 Abs. 4 BGB kann ein Testament nicht errichten, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Entsprechend dem Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ist ein Erblasser dabei so lange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts nachgewiesen wird (OLG Frankfurt/M. FamRZ 1996, 635; BayOblG FamRZ 1994, 593; Palandt-Edenhofer, BGB, 63. Aufl., § 2229 Rdnr. 11). Die Darlegungs- und Beweislast für die mangelnde Testierfähigkeit trifft im Rechtsstreit denjenigen, der sich auf sie beruft, hier also den Kläger.

Zunächst lässt sich dem im Betreuungsverfahren beim Amtsgericht Gifhorn (Az.: 17 XVII 3.348) eingeholten Gutachten der Ärztin für Psychiatrie ####### vom 23. Februar 2000 (Bl. 20 - 23 d. A.) nichts dafür entnehmen, dass die Erblasserin bereits im Zeitpunkt der Errichtung des Testamentes am 29. Juni 1999 testierunfähig war. Die Gutachterin bescheinigt der Erblasserin zwar eine Altersdemenz auf dem Boden einer cerebralen Durchblutungsstörung. Ihre Exploration beruht jedoch auf einem Hausbesuch bei der Erblasserin am 20. Februar 2000, während das Testament bereits am 29. Juni 1999 errichtet wurde.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin bereits im Juni 1999 infolge Altersdemenz nicht in der Lage war zu beurteilen, dass sie ein Testament errichtet oder welchen Inhalt und welche Tragweite dies hat, lassen sich dem Gutachten nicht entnehmen. Nicht ausreichend hierfür ist die Mitteilung der Befundtatsache seitens der Gutachterin, die Mutter des Beklagten habe ihr berichtet, die Erblasserin habe bereits Anfang 1999 recht hilflos gewirkt, sei sehr vergesslich gewesen und habe sich nur noch schlecht versorgen können. Dies mögen zwar Umstände sein, die gegebenenfalls die Einrichtung einer Betreuung gem. § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB rechtfertigen. Den Schluss auf eine darüber hinausgehende Testierunfähigkeit erlauben sie indessen nicht (zur grundsätzlichen Unmaßgeblichkeit der Einrichtung einer Betreuung für die Testierfähigkeit vgl. OLG Frankfurt, BayOblG, a. a. O.).

Zu berücksichtigen ist ferner der Umstand, dass die Erblasserin am 31. Mai 1999 das Amtsgericht Gifhorn aufsuchte, um ihre bisherigen Testamente aus der amtlichen Verwahrung zu nehmen. Durch die Rechtspflegerin ist hierzu vermerkt (Bl. 85 d. A.).:

'Die Erschienene war, wie die mit ihr geführte Unterhaltung ergab, testierfähig.'

Ferner heißt es im Vorspann des notariellen Testamentes vom 29. Juni 1999 (Bl. 14 d. A.).:

'Die Erschienene ist, wie ich, die Notarin, mich durch ein mit ihr geführtes längeres Gespräch überzeugte, voll geschäftsfähig.'

Zwar handelt es sich weder bei einer Rechtspflegerin noch bei einer Notarin um medizinisch geschultes Fachpersonal, das alleine zu beurteilen in der Lage ist, ob eine gesundheitliche Störung vorliegt, die die Fähigkeit zur Errichtung eines Testamentes ausschließt. Indessen kann bei einer Altersdemenz nur aufgrund des Gesamtverhaltens und des Gesamtbildes der Persönlichkeit zur Zeit der Testamentserrichtung beurteilt werden, ob der Erblasser Inhalt und Reichweite seiner letztwilligen Verfügung noch beurteilen und hiernach handeln konnte (OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1064, 1065; BayOblG FamRZ 1997, 1511, 1512). Bei dieser Beurteilung können auch die Wahrnehmungen der Notarin und der Rechtspflegerin von Bedeutung sein.

Kein hinreichender Anhaltspunkt für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin stellt schließlich der schlichte Umstand dar, dass die Erblasserin den familienfremden und ihr erst seit einiger Zeit vor Testamentserrichtung bekannten Beklagten zum Erben eingesetzt hat und nicht den Kläger als ihren Sohn. Zunächst folgt schon aus der grundgesetzlich garantierten Testierfreiheit (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG), dass der Erblasser eine Erbeinsetzung nach seinem freien Willen vornehmen kann und hierfür weder vernünftige noch von Dritten nachvollziehbare Gründe erforderlich sind (vgl. OLG Frankfurt/M. FamRZ 1996, 635, 636). Hinzu kommt, dass die Erblasserin - wie sich aus dem Bericht der Ärztin für Psychiatrie ####### ergibt - durch die Familie des Beklagten versorgt wurde, in diese integriert schien und recht zufrieden wirkte (Bl. 20 f. d. A.).

Dem weiteren Vortrag des Klägers, der Beklagte und seine Familie hätten die Erblasserin bei Abfassung des Testamentes getäuscht, fehlt schließlich die hinreichende Substanz. Es ist nicht ersichtlich, durch welche konkreten Täuschungshandlungen die Erblasserin von dem Beklagten zur Errichtung des Testamentes veranlasst worden sein soll. Entsprechend geht auch die am 18. November 2002 gegenüber dem Nachlassgericht erklärte Testamentsanfechtung ins Leere.

2. Aus den oben genannten Gründen bestehen ebenso wenig hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Erblasserin bei Abschluss des Mietvertrages vom 1. Mai 1999 mit dem Beklagten geschäftsunfähig gewesen (§ 104 Nr. 2, § 105 Abs. 2 BGB) oder täuschungsbedingt zum Abschluss dieses Vertrages veranlasst worden wäre. Auch für eine Sittenwidrigkeit dieses Vertrages ist nichts ersichtlich, selbst wenn der vereinbarte Mietzins deutlich unter dem ortsüblichen gelegen haben sollte. Schließlich fehlt dem Kläger insoweit ohnehin ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit des Mietvertrages (§ 256 Abs. 1 ZPO), da nicht ersichtlich ist, dass er die Erblasserin beerbt hat und deshalb Rechte gegenüber dem Beklagten wegen des Mietgrundstücks geltend machen könnte.

Ende der Entscheidung

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