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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 09.03.2005
Aktenzeichen: 7 U 198/04 (L)
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 594 a
Bei einem Zupachtvertrag über mehrere landwirtschaftliche genutzte Flurstücke ist die Kündigung einzelner Flurstücke mit besonderen Flurstücksbezeichnungen zulässig, wenn die gekündigten Flurstücke ohne wesentliche Nachteile für den Pächter aus dem Gesamtpachtverhältnis herausgelöst werden können.
Oberlandesgericht Celle

Im Namen des Volkes

Urteil

7 U 198/04 (L)

Verkündet am 9. März 2005

In der Landwirtschaftssache

hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht K., den Richter am Oberlandesgericht K. und die Richterin am Oberlandesgericht H. als Berufsrichter sowie die Landwirte H. und B. als ehrenamtliche Richter auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2005

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das am 10. August 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Langen wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der angefochtenen Entscheidung unter den Ziffern I. und II. unverändert bleibt und unter der Ziffer III. folgende Fassung erhält:

Der Beklagte wird verurteilt, die Anlagen zum Antrag auf Ausstellung der Übergangsbescheinigung gemäß dem Formular (ZAVA2) der Landwirtschaftskammer H. auszufüllen und unmittelbar an die Landwirtschaftskammer H. zu übersenden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer des Beklagten: unter 20.000 EUR.

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hat mit seiner Berufung keinen Erfolg. Denn er ist verpflichtet, das 1,1048 ha große Flurstück 106/76 (Lage "I. S.") der Flur 17 Gemarkung L. an den Kläger herauszugeben. Außerdem ist die Feststellung zu treffen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den sich daraus ergebenden Schaden zu ersetzen, dass er ihm das Grünland nicht mit Ablauf des 31. Dezember 2003 zurückgegeben hat. Schließlich hat der Beklagte gegenüber dem Kläger für eine Bescheinigung nach § 17 Abs. 1 Ziffer 1 Zusatzabgabenverordnung über den Übergang von MilchReferenzmengen Angaben über bewirtschaftete Nutzflächen, Flächenveränderungen und ihm zugeteilte/übertragene Milchquoten zu machen und dazu die von der Landwirtschaftskammer H. herausgegebenen Formulare - "Anlage zum Antrag auf Übertragung einer Referenzmenge" (Bl. 132 d.A.) nebst umseitig abgedruckter "Einzelaufstellung der Pachtflächen, die zur Zeit bewirtschaftet werden" (Bl. 133 d. A.) - auszufüllen und dieser unmittelbar zu übersenden.

1. Das Herausgabebegehren des Klägers rechtfertigt sich aus § 596 BGB.

Der Beklagte hat das streitgegenständliche Flurstück 107/76 im Besitz. Sein Pachtverhältnis über dieses Grünland, das er unter dem 20. Januar 1976 mit der später verstorbenen Landwirtin A. R. begründete, ist vom Kläger durch das Schreiben vom 16. Oktober 2001 wirksam zum 31. Dezember 2003 gekündigt worden. Seit dem 1. Januar 2004 ist der Beklagte nicht mehr berechtigt, das Flurstück weiterhin zu besitzen und zu nutzen. Er muss es an den Kläger, in dessen Eigentum die Fläche steht, zurückgeben.

a) In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ist anhand von Karten festgestellt worden, dass das Flurstück 107/76 der Flur 17 Gemarkung L. Gegenstand des zwischen A. R. und dem Beklagten im Jahre 1976 begründeten Pachtverhältnis war. Der Beklagte hat diese Fläche auf der von ihm vorgelegten Flurkarte, in der sie als Flurstück 106/76 gekennzeichnet ist, mit einem roten Kreis als Pachtland markiert. In dem Auszug aus der Liegenschaftskarte, der sich in den beigezogenen Grundakten von D. Blatt 1435 befindet, ist dieses Flurstück mit gelber Markierung entsprechend eingezeichnet (Bl. 112 der Grundakten). Ferner hat der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, von Frau R. die gesamte Flur 17 der Gemarkung L. gepachtet zu haben. Es steht danach außer Zweifel, dass das Flurstück 106/76 mit der katasteramtlichen LageBezeichnung "I. S." und der Größe von 1,1048 ha dasjenige ist, das ihm A. R. unter der Eigenbezeichnung "W. H." und der von ihr (insoweit unzutreffend) auf 1,25 ha geschätzten Fläche verpachtete.

b) Das Pachtverhältnis vom 20. Januar 1976 auch über das streitgegenständliche Grünland wurde nach Ablauf der vertraglich vorgesehenen Pachtzeit von 12 Jahren fortgesetzt und von Jahr zu Jahr verlängert. A. R. verstarb am 17. November 1993 und wurde von A.L. B. und L. B. beerbt, die das Flurstück 106/76 durch den Kaufvertrag vom 9. Februar 2001 an den Kläger veräußerten. Es wurde am 26. Juni 2001 vom Grundbuch von D. Blatt 1435 zum Grundbuch von N. Blatt 500 abgeschrieben und ins Eigentum des Klägers übertragen. Durch den Eigentumserwerb trat der Kläger gemäß § 593 b BGB i. V. m. § 566 BGB auf der Verpächterseite in das Pachtverhältnis mit dem Beklagten ein.

c) Der Kläger hat das Pachtverhältnis über das Flurstück 106/76 - Lage "I. S." der Flur 17 Gemarkung L. wirksam gekündigt. Durch den im Kündigungsschreiben angegebenen Kündigungszeitpunkt 1. November 2003 hat er zwar die Kündigungsfrist des § 594 a BGB nicht gewahrt. Ein auf unbestimmte Zeit laufendes Landpachtverhältnis ist nämlich spätestens am dritten Werktag eines Pachtjahres für den Schluss des nächsten Pachtjahres kündbar. Da das Pachtjahr im Pachtvertrag vom 20. Januar 1976 vom 1. Januar bis zum 31. Dezember eines jeden Jahres festgelegt wurde, hätte der Kläger die Kündigung zum 31. Dezember 2003 aussprechen müssen. Es ist aber unschädlich, dass er die Kündigungsfrist um zwei Monate zu gering berechnet hat. Denn er hat für den Beklagten hinreichend erkennbar zum Ausdruck gebracht, dass er das Kündigungsverhältnis auf jeden Fall beenden will, sodass die Kündigung als bis zum nächstmöglichen Termin, nämlich den 31. Dezember 2003, als ausgesprochen gilt (dazu Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, Landpachtrecht, 3. Aufl., § 594 a, Rn. 8).

Der Beklagte hat zwar nur eine Teilkündigung erhalten, weil noch drei weitere Flächen Gegenstand des Pachtverhältnis vom 20. Januar 1976 zur damals geschätzten Größe von ca. 4,25 ha sind. Im Rahmen eines Landpachtverhältnisses wird eine Teilkündigung jedoch als zulässig angesehen, wenn das entsprechende Grundstück ohne wesentliche Nachteile für den Pächter aus dem Pachtverhältnis herausgelöst werden kann (dazu Lange/Wulff/Lüdtke-Handjery, a. a. O., § 594 f Rn. 5 und § 594 e Rn. 15. auch Faßbender/Hötzel/Lukanow, Landpachtrecht,

3. Aufl., § 594 f Rn. 5). Davon ist vorliegend auszugehen. Der Beklagte betreibt Milchwirtschaft und bewirtschaftet nach seinen Angaben bei der persönlichen Anhörung etwa 120 ha Grünland und etwa 3 ha Ackerland, von denen die Fläche des Klägers nicht einmal 1 % ausmacht. Auch die Hofesnähe des Flurstücks 106/76 führt nicht zu einem anderen Ergebnis, da die beiden ferner gepachteten Flurstücke 130/34 (ebenfalls Lage "I. S.") und 139/33 (ebenfalls Lage "I. S.") der Flur 17 Gemarkung L. nahezu ebenso hofnah sind. Die Entfernung der weiteren Pachtfläche Flurstück 97/46 (ebenfalls Lage "I. S.") der Flur 17 Gemarkung L. zur Hofstelle beträgt keinen Kilometer. Der Pachtzins von 300 DM bzw. 153,39 EUR pro ha und Jahr erscheint keineswegs übersetzt und rechtfertigt nicht die Sorge, dass die verbleibenden drei Flurstücke - nach der Rückgabe des Flurstücks 106/76 - ihr Geld nicht mehr wert wären. Wirtschaftlich wäre der Beklagte nicht gezwungen, das Pachtverhältnis über die restlichen drei Flächen zur Größe von gut 4 ha zu kündigen, und würde deshalb nicht Gefahr laufen, einen Pächterschutz zu verlieren.

2. Der Beklagte ist dadurch, dass er das Flurstück 106/76 nicht mit Ablauf des 31. Dezember 2003 an den Kläger herausgegeben hat, nach § 286 Abs. 2 BGB automatisch in Verzug geraten. In der Kündigung vom 18. Oktober 2001 ist ein Ereignis i. S. d. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB zu sehen, das eine Mahnung entbehrlich gemacht hat (dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 286 Rn. 23). Dem Beklagten war - wie es aus dem Anwaltsschreiben vom 12. Dezember 2003 hervorgeht - bekannt, dass die Kündigungsfrist bis zum 31. Dezember 2003 lief. Im vorangegangenen Anwaltsschreiben vom 3. November 2003 ging er selbst davon aus, dass das Flurstück 106/76 der Flur 17 Gemarkung L. das im Pachtvertrag mit Frau R. bezeichnete Grünland "W. H." sei. Außerdem müsste er aufgrund seiner Flurkarte und Kenntnis der Örtlichkeiten darüber im Bilde gewesen sein. Spätestens mit dem Anwaltsschreiben vom 13. November 2003 wurden ihm die Eintragungsbelege über den Übergang des Eigentums an dem Flurstück auf den Kläger übermittelt. Aufgrund all dieser Umstände ist das für den Herausgabeverzug nötige Verschulden des Beklagten (dem der Entlastungsbeweis nicht gelungen ist) zu bejahen.

Durch seinen Verzug hat sich der Beklagte dem Kläger gegenüber nach §§ 280, 286 BGB schadensersatzpflichtig gemacht. Er ist gehalten, dem Kläger den Vermögensschaden zu ersetzen, der diesem dadurch entstanden ist, dass er seiner Herausgabeverpflichtung nicht genügt hat. Das besondere rechtliche Interesse des Klägers an der Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Schadensersatz ist gegeben. Es spricht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass dem Kläger durch die verzögerte Herausgabe Schaden entstanden ist.

3. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte anerkannt, dem Kläger gegenüber verpflichtet zu sein, die von der Landwirtschaftskammer H. herausgegebenen Formulare als Anlagen zum Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 17 Abs. 1 Ziffer 1 Zusatzabgabenverordnung auszufüllen und der Landwirtschaftskammer H. zu übersenden. Zu einer entsprechenden Auskunft (über bewirtschaftete Nutzflächen, Flächenveränderungen und Milchreferenzmengen), die für die MilchquotenBerechnung durch die Landwirtschaftskammer benötigt wird, ist ein Verpächter aufgrund einer vertraglichen Nebenpflicht des Pächters bereits dann berechtigt, wenn es nicht gänzlich unwahrscheinlich ist, dass mit der Rückgabe der Fläche auch eine Milchquote auf ihn übergeht, oder dass der Verpächter Inhaber eines Anspruchs auf Übertragung einer Milchquote geworden ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht den §§ 91, 97 ZPO. Das gilt auch hinsichtlich der Auskunft durch Abgabe einer Flächenaufstellung gegenüber der Landwirtschaftskammer. Der Beklagte hat zwar die Verpflichtung dazu umgehend anerkannt, nachdem der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom Feststellungsbegehren zum Leistungsbegehren übergegangen ist. Er hat jedoch Veranlassung zum Rechtsstreit gegeben, weil er ursprünglich einer Abgabe der Flächenaufstellung abgelehnt hat, wie es bereits im Anwaltsschreiben vom 3. November 2003 und noch in der Klageerwiderungsschrift geschehen ist, sodass § 93 ZPO keine Anwendung findet.

Weitere Nebenentscheidungen ergehen nach den §§ 708 Ziffer 10, 713, 543 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.



Ende der Entscheidung

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