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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 11.06.2008
Aktenzeichen: 7 U 226/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 346
BGB § 437 Nr. 2
Ein neuwertiges reimportiertes EU-Fahrzeug mit 100 km Laufleistung im Zeitpunkt des Verkaufs ist jedenfalls dann mangelhaft, wenn zwischen dem Herstellungsdatum und der Erstzulassung in Deutschland mehr als 18 Monate liegen.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

7 U 226/07

Verkündet am 11. Juni 2008

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. K.#######, den Richter am Oberlandesgericht V.####### und die Richterin am Oberlandesgericht H.####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 23. November 2007 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 8.470,11 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 7. März 2007, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pkw VW Polo 1.2 Comfortline, Fahrzeugidentitätsnummer WVWZZZ9N3Y183235, sowie weitere 396,60 EUR an außergerichtliche Kosten zu zahlen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer für die Beklagte: unter 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Von der Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und die Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Klägerin kann, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, die Beklagte gemäß § 346 BGB i.V.m. §§ 323, 437 Nr. 2 BGB auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs VW Polo in Anspruch nehmen. Denn das Fahrzeug weist in Bezug auf sein Alter nicht die vereinbarte Beschaffenheit auf und ist deshalb mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Nach dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Kaufvertrag vom 30. November handelt es sich bei der Kaufsache, einem Gebrauchtwagen, um ein reimportiertes EU-Fahrzeug mit einer Laufleistung von 100 km und einer Erstzulassung laut Fahrzeugbrief am 6. Juli 2005. Über das Baujahr des Fahrzeugs, also über den Zeitpunkt seiner Fertigstellung, der unstreitig am 8. September 2003 war, haben die Parteien zwar keine ausdrückliche Vereinbarung getroffen. Die vereinbarte Beschaffenheit im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB umfasst vorliegend aber auch ohne ausdrückliche Abrede den Umstand, dass zwischen dem Baujahr des Fahrzeugs und dem im Vertrag angegebenen Datum der Erstzulassung ein überschaubarer Zeitraum liegt, der mit 22 Monaten hier überschritten ist.

Der Abschluss eines Kaufvertrages über ein fabrikneues Fahrzeug beinhaltet nach allgemeiner Ansicht konkludent die Vereinbarung, dass zwischen der Herstellung des Fahrzeugs und dem Datum des Kaufvertrages nicht mehr als 12 Monate liegen (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 9. Auflage, Rdnr. 256, 261. BGH, NJW 2004, 160). Gleiches gilt, wenn ein Kraftfahrzeughändler ein Gebrauchtfahrzeug als Jahreswagen verkauft (BGH, NJW 2006, 2694). Denn nicht nur für den Käufer eines Neufahrzeugs, sondern auch für den eines Jahreswagens ist die vor der Erstzulassung liegende Standdauer des Fahrzeugs als wertbildender Faktor von erkennbar wesentlicher Bedeutung.

Aber auch allgemein beim Kauf eines Gebrauchtwagens kann der Käufer bei Fehlen ausdrücklicher Altersangaben berechtigterweise erwarten, dass das Baujahr nicht wesentlich von dem Datum der Erstzulassung abweicht (OLG Karlsruhe, NJW 2004, 2456. OLG Celle, OLGR 2006, 670). Denn das Alter (Baujahr) eines Wagens gehört grundsätzlich zu seinen Beschaffenheitsmerkmalen, weil es sich auf seinen Wert auswirkt. Wird das Datum der Erstzulassung in den Kaufvertrag aufgenommen, liegt darin die konkludente Vereinbarung, dass das Fahrzeug in dem Jahr gebaut worden ist, auf das der Zeitpunkt der Erstzulassung schließen lässt (Reinking/Eggert, a. a. O., Rdnr. 1253, Seite 816, 2. Absatz).

Diese Grundsätze beziehen sich auch auf Kaufverträge über Reimporte. Bei ihnen kann zwar ein höheres Alter nicht ausgeschlossen werden. Hiervon muss der Käufer solch eines Fahrzeugs ohne Vorliegen besonderer Anhaltspunkte aber nicht ausgehen. Vielmehr trifft dem Fahrzeughändler, der ein Reimport insbesondere als neuwertiges Fahrzeug verkauft, eine gesteigerte Hinweispflicht. Er ist verpflichtet, den Käufer über die Vorgeschichte des Reimports aufzuklären, soweit diese sich negativ auf den Wert des Fahrzeugs auswirkt, und zwar selbst dann, wenn er ein Verkaufsformular über einen Gebrauchtwagen gewählt hat (Reinking/ Eggert, a. a. O., Rdnr. 617).

Vorliegend hat der Beklage der Klägerin ein sogen. neuwertiges reimportiertes Fahrzeug verkauft, weil dieses mit 100 km ersichtlich noch nicht zu Verkehrszwecken in Gebrauch genommen worden ist. Bei einem derartigen reimportierten Wagen kann ein Durchschnittskäufer wie die Klägerin darauf vertrauen, dass das Baujahr des Wagens nicht Jahre, sondern allenfalls einige Monate vor seiner Erstzulassung liegt, weil er nicht mit jeder beliebigen Lager und Transportzeit im Ausland zu rechnen hat. Um diese berechtigte Erwartung der Klägerin auszuschließen, hätte die Beklagte die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass das Baujahr des streitgegenständlichen Fahrzeugs bereits im September 2003 war (was ihr ausweislich ihrer Rechnung vom 14. Februar 2007 bekannt war). Da sie der Klägerin unstreitig diesen Hinweis nicht erteilt hatte, konnte diese bei Vertragsabschluss annehmen, dass das Baujahr des Fahrzeugs, welches am 6. Juli 2005 erstmals zugelassen war, zumindest noch im Jahre 2004 war. Tatsächlich wurde das Fahrzeug schon im September 2003 hergestellt, so dass mit dem Landgericht wegen des höheren Alters des Fahrzeugs ein Sachmangel nach § 434 Abs. 1 BGB gegeben ist.

Soweit die Beklagte einwendet, das höhere Alter des Fahrzeugs habe sich bereits auf den Kaufpreis ausgewirkt, geht ihr Einwand fehl, weil sie dies gegenüber der Klägerin nicht offen gelegt hat. Reimporte Neufahrzeuge sind bekanntlich regelmäßig günstiger als inländische Neufahrzeuge (Reinking/Eggert, a. a. O., Rdnr. 616, Seite 393 letzter Absatz). Darüber hinaus mag der Klägerin hier bekannt gewesen sein, dass die Beklagte ihr das Fahrzeug noch günstiger verkauft hatte als es von dieser zunächst angeboten war (vgl. Bl. 40 GA). Hieraus musste sie aber nicht von sich aus den Schluss ziehen, dass es sich um ein älteres Fahrzeug handelt. Denn der Preisnachlass kann aus Sicht der Klägerin verschiedene Gründe gehabt haben. so kann die Beklagte den Preis deshalb herabgesetzt haben, weil sie den Wagen zuvor selbst billig eingekauft hatte. Der Umstand, dass die Klägerin wusste, dass es sich um ein reimportiertes Fahrzeug handelt, welches sie zu einem günstigen Preis erworben hat, reicht deshalb für die Annahme nicht aus, dass sich die Parteien konkludent auf einen längeren Zeitraum zwischen Herstellung und Erstzulassung des Fahrzeugs verständigt haben. Dass der Wagen mit seinem konkreten Baujahr nicht zu teuer war, sondern, wie die Beklagte vorträgt, durchaus seinen Preis wert war, ist hier deshalb unbedeutend.

Mit dem Landgericht liegen sonach die Voraussetzungen für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages über das streitgegenständlich Fahrzeug vor. Von dem Kaufpreis ist, weil die Klägerin zwischenzeitlich weitere 4.103 km mit dem Wagen zurückgelegt hat, eine weitere Nutzungsentschädigung in Höhe von 286,32 EUR in Abzug zu bringen, so dass ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin von 8.470,11 EUR verbleibt.

Ferner kann die Klägerin von der Beklagten außergerichtliche Kosten von 396,60 EUR erstattet verlangen, die als solche in der Berufungsinstanz ohnehin nicht mehr im Streit sind.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.

Von dem Landgericht ist schließlich zutreffend festgestellt worden, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Soweit die Parteien in der Berufungsinstanz den Rechtsstreit in der Hauptsache wegen eines Betrages von 286,32 EUR übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat die Beklagte diesbezüglich gemäß § 91a ZPO die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Denn ohne das erledigende Ereignis, das Anfallen der weiteren Nutzungsentschädigung, wäre der Zahlungsanspruch der Klägerin auch wegen der 286,32 EUR gegeben gewesen.

Ansonsten beruht die Kostenentscheidung auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 708 Nr. 10, 713, 543 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 EGZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

Ende der Entscheidung

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