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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 06.12.2006
Aktenzeichen: 7 U 75/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 249
Eine innerhalb des Nutzungszeitraums einer die Polizeikräfte beherbergenden ehemaligen Kaserne, aber nach Eintreffen des Castor-Transports erfolgte Beschädigung des die Kaserne umgebenden Zauns begründet keinen Anscheinsbeweis dahin, dass es sich um eine gegen das beklagte Land gerichtete Aktion gehandelt hat.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

7 U 75/06

Verkündet am 6. Dezember 2006

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 16. November 2006 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14. März 2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschwer für den Kläger: unter 20.000 EUR.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land (im Folgenden Beklagter) auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger ist Eigentümer einer ehemaligen Bundeswehrkaserne. Mit Vertrag vom 20. März 2002 hat er wesentliche Teile dieses Kasernengeländes mit zugehörigen Gebäuden an den Beklagten zur zeitweiligen Nutzung und Unterbringung von Polizeikräften während der Castor-Transporte zu einem jährlichen Mietzins von 870.000 EUR zzgl. einer Pauschale von 30.000 EUR für Nebenkosten vermietet. Dabei zeigt der Beklagte sowohl den Anfang als auch das Ende des jeweiligen Nutzungszeitraums dem Kläger an. § 3 des Mietvertrags regelt u. a. Folgendes: "Schäden während des Nutzungszeitraumes, die aus gegen den Mieter gerichteten Aktionen entstehen, trägt der Mieter."

Die Nutzungszeit für 2005 lief vom 1. September bis zum 23. Dezember 2005. Der Castor-Transport traf am 22. November 2005 in G. ein. In der Nacht vom 4. zum 5. Dezember 2005 wurde der die Kaserne umgebende Zaun auf einer Länge von ungefähr 290 m beschädigt. Der Kläger legt einen Kostenanschlag über die Reparatur des Zauns von 11.488,06 EUR brutto vor. Dieser Betrag stellt die Klagforderung dar.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass nach den Regeln des Anscheinsbeweises der Beklagte für während des Nutzungszeitraums am Mietobjekt entstandene Schäden einzustehen hat. Er hat beantragt, das beklagte Land zur Zahlung von 11.488,66 EUR nebst Zinsen zu verurteilen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Einzelrichterin ausgeführt, dass der Kläger nicht hinreichend dargelegt und bewiesen habe, dass es sich bei der Beschädigung des Zauns um eine gegen das Land gerichtete Aktion gehandelt habe. Der Kläger könne sich nicht auf die Regeln des Anscheinsbeweises berufen, da deren Anwendung ausscheide, wenn es - wie hier - um die Feststellung eines individuellen menschlichen Willensentschlusses ginge. Dieser sei vorliegend darzulegen, was aber nicht erfolgt sei. Auch aus dem Sinn und Zweck der betroffenen Vereinbarung sei eine entsprechende Beweiserleichterung nicht herzuleiten.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Dieser rügt im Wesentlichen, dass das Landgericht die Regeln des Anscheinsbeweises falsch angewandt habe, da es nicht um die Feststellung eines individuellen Willensentschlusses gehe. Er behauptet, dass ein typischer Geschehensablauf vorliege, da es zu keinem Zeitpunkt außerhalb der vertraglichen Nutzungszeiten der Polizei zu Angriffen von Demonstranten und Beschädigungen des Außenzauns gekommen sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 21. Februar 2006 - zugestellt am 21. März 2006, Geschäftsnummer 2 O 403/05 - abzuändern und das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 11.488,66 EUR nebst jährliche Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Klagzustellung zu zahlen.

Der Beklagte stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint, dass die Regeln des Anscheinsbeweises keine Anwendung finden könnten. Es liege schon deswegen kein typischer Geschehensablauf vor, weil in der Vergangenheit gegen die Polizei gerichtete Aktionen immer vor oder während des Castor-Transports stattgefunden hätten. Eine am 25. November 2005 vorgefallene Zaunbeschädigung sei vom Beklagten zwar beseitigt worden; dies sei aber - unstreitig - auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarung, dass kleine Instandhaltungen bis zu 250 EUR im Einzelfall selbst auszuführen seien, geschehen.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteien und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Zahlung von Schadensersatz verneint.

Ein Anspruch des Klägers aus der allein in Betracht kommenden Regelung in § 3 des zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrags besteht nicht. Der Kläger hat weder ausreichend dargelegt noch bewiesen, dass die Zerstörung des Zauns auf einer gegen den Beklagten gerichteten Aktion beruht. Dem Kläger kommt ferner ein Anscheinsbeweis nicht zugute.

1. Die Parteien haben keine Vereinbarung dahin getroffen, dass der Beklagte alle während des Nutzungszeitraums entstandene Schäden zu tragen hat. Hierfür spricht schon der Wortlaut der oben zitierten Regelung, die während des Nutzungszeitraums entstandene Schäden, die der Mieter zu tragen hat, auf gegen diesen gerichtete Aktionen beschränkt. Eine Beweiserleichterung wäre nur dann anzunehmen, wenn ein anderer Wortlaut gewählt worden wäre, z. B. dass der Mieter - alle - Schäden während des Nutzungszeitraums zu tragen habe. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Kläger hat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass die Polizei eine solche Vereinbarung gerade nicht abschließen wollte.

b) Der Kläger kann sich nicht auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises berufen. Dieser gilt nur für typische Geschehensabläufe, also in Fällen, in denen ein bestimmter Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolgs hinweist (BGH NJW 2006, 2262, 2263), ist also ausgeschlossen, wenn individuell geprägte Verhaltensweisen zu beurteilen sind (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl., vor § 249 Rn. 166 m. w. N.). Kann der Schaden auf mehrere typische Geschehensabläufe zurückzuführen sein, von denen nur einer zur Haftung des Beklagten führt, muss der Geschädigte diesen Ablauf beweisen, sofern auch die anderen Abläufe ernsthaft in Betracht kommen (BGH NJW 1978, 2033). Dabei bedeutet Typizität nicht, dass die Ursächlichkeit einer bestimmten Tatsache für einen bestimmten Erfolg bei allen Sachverhalten dieser Fallgruppe notwendig immer vorhanden ist; sie muss aber so häufig gegeben sein, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist (BGH NJW 2006, 2262, 2263). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.

Vorliegend kommt es nicht auf die Frage an, ob die Beschädigung des Zauns eine solch individuell geprägte Verhaltensweise darstellt, was allerdings zweifelhaft ist. Vielmehr hat der Kläger schon keinen typischen Geschehensablauf dargelegt bzw. für einen solchen Beweis angetreten.

aa) Der Kläger hat nicht mit Substanz dargelegt und schon gar nicht unter Beweis gestellt, dass es in der Vergangenheit nach Durchführung eines Castor-Transportes häufiger zu - gegen den Beklagten gerichteten - Vorfällen gekommen ist. Es tritt hinzu, dass nach Ansicht des Senats verschiedene Gründe für die Beschädigung nach dem Castor-Transport ernsthaft in Betracht kommen.

(1) Angesichts des immerhin zweiwöchigen Zeitraums, der zum Zeitpunkt der Beschädigung seit Ankunft des Castor-Transports vergangen war, sind folgende Gründe ernsthaft in Erwägung zu ziehen:

Rache an dem Vermieter für die Vermietung der Kaserne an die Polizei sinnlose Zerstörungswut (insbesondere unter Alkoholeinfluss) eine gegen die Polizei / das Land gerichtete Aktion.

Zwar ist dem Kläger zuzugestehen, dass in der restlichen Zeit des Jahres, in dem die Polizeikräfte die Kaserne nicht nutzen, bislang keine gegen ihn gerichteten Aktionen stattgefunden haben - wobei nicht davon auszugehen ist, dass die konkreten Nutzungszeiten außenstehenden Dritten bekannt sind; jedenfalls ist dies nicht vorgetragen . Im Umkehrschluss lässt sich daraus aber allenfalls ableiten, dass innerhalb des Nutzungszeitraums nach Eintreffen des Castor-Transports die Wahrscheinlichkeit dafür, dass eine Beschädigung des Zauns eine gegen den Mieter gerichtete Aktion ist, im Verhältnis zu den anderen Möglichkeiten höher ist. Dies ist aber nicht ausreichend. Es ist nicht zwingend, dass für diesen Zeitpunkt eine gegen den Beklagten gerichtete Aktion die einzig ernsthaft in Betracht kommende Alternative ist. Eine Verhinderung oder Beeinträchtigung dieses Transports - die das Vorliegen einer gegen den Beklagten gerichteten Aktion wahrscheinlicher machen würde - war zu diesem Zeitpunkt jedenfalls nicht mehr möglich. Weiteres hat der Kläger nicht aufgezeigt.

(2) Die Aktion selbst stellt keinen typischen, gegen den Beklagten gerichteten Geschehensablauf dar. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich bei der Beschädigung des Zauns um die Vorbereitung einer gegen die Polizeikräfte gerichteten Aktion gehandelt hätte. Die Polizeikräfte waren zudem im Wesentlichen abgezogen.

2. Eine Haftung des Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass die Zerstörung des Zauns sich gegen den Kläger in seiner Eigenschaft als Vermieter für den Beklagten und die Polizeikräfte gerichtet haben könnte. Eine solche mittelbare Haftung des Beklagten ergibt sich nicht aus dem Vertragswortlaut. Sie lässt sich auch nicht im Wege der Auslegung herleiten. Der Kläger hat nicht behauptet, dass während der Verhandlungen mit der Beklagten eine solche Haftung in Rede stand und gewollt war.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO lagen in diesem konkreten Einzelfall nicht vor.

Ende der Entscheidung

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