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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Beschluss verkündet am 19.06.2000
Aktenzeichen: 7 W (L) 23/00
Rechtsgebiete: FGG


Vorschriften:

FGG § 72
FGG § 73
Rechtsgrundlagen und Zuständigkeit für die Erteilung eines Anerbenzeugnisses über einen Grundbesitz
Beschluss

7 W (L) 23/00 38 Lw 3/00 AG Lüneburg

In der Landwirtschaftssache

betreffend den Antrag auf Erteilung eines Anerbenzeugnisses über den im Grundbuch von ##################### eingetragenen Grundbesitz nach dem Höfegesetz für die Provinz Hannover in der Fassung des Gesetzes vom 28. Juli 1909

Beteiligte:

pp.

hat der 7. Zivilsenat - Senat für Landwirtschaftssachen - des Oberlandesgerichts Celle durch die Richterin am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### als Berufsrichter sowie die Landwirtin ####### und den Landwirt ########### als ehrenamtliche Richter am 19. Juni 2000 beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgerichts - Lüneburg vom 7. März 200 aufgehoben.

Das Verfahren wird an das Amtsgericht - Nachlassgericht - ########### zur Entscheidung in eigener Zuständigkeit abgegeben.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 begehrt nach seinem Vater, dem am ##################### in ###################################, seinem letzten Wohnsitz, verstorbenen Landwirt ########################### ###### (Erblasser), die Erteilung eines Anerbenzeugnisses nach dem Höfegesetz für die Provinz Hannover i. d. F. des Gesetzes vom 28. Juli 1909 (Hannoversches Höfegesetz).

Der Erblasser war verheiratet mit ################################### ############################. Aus dieser Ehe gingen die am ########### ####### geborene ############################, die Beteiligte zu 2, und der am #################### geborene Beteiligte zu 1, der als ####### in ############## tätig ist, hervor. Nach dem Tode des Erblassers erteilte das Kreisgericht ############################### ############## den gemeinschaftlichen Erbschein vom 10. Januar 1991, durch den nach gesetzlicher Erbfolge seine Ehefrau zu 1/2 und die Beteiligten zu je 1/4 als Erben ausgewiesen wurden. Nach dem Tode der Ehefrau des Erblassers und Mutter der Beteiligten am 12. Januar 1979 erteilte das Amtsgericht ############## am 8. November 1990 einen auf 'Eigentum und andere Rechte an Grundstücken und Gebäuden, die sich in der ehemaligen DDR befinden' beschränkten gemeinschaftlichen Erbschein, durch den die beiden Beteiligten als Erben zu je 1/2 ausgewiesen wurden.

Der Erblasser war Eigentümer des im Grundbuch von ############## ########################################## eingetragenen Grundbesitzes zur Größe von 53.26.46 ha, der bis zur Eintragung des Erbhofvermerks nach dem Reichserbhofgesetz am 22. Januar 1935 Hof i. S. des Hannoverschen Höfegesetzes war. 1952 wurde der Erblasser enteignet und verlegte seinen Wohnsitz nach #########. Der Grundbesitz wurde als 'Eigentum des Volkes' (der DDR) geführt und 1988 mit anderem landwirtschaftlichem Besitz auf das gemeinsame Grundbuch von ##################### eingetragen. Am 22. Juli 1994 wurden die im Grundbuch von ####### ########### eingetragenen Flächen auf das Grundbuch von ####### ############## übertragen. Auf Ersuchen des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen am 7. Juli 1998 wurde das Grundbuch von ##################### geschlossen und das Grundbuch von ############################ gem. § 34 Abs. 2, 4 Vermögensgesetz i. V. m. § 38 GBO dahin berichtigt, dass die in Frage stehenden Flächen zur Größe von insgesamt 53.97.64 ha auf das Grundbuch ################################ übertragen und als Eigentümer in Erbengemeinschaft die Beteiligten zu 1 und 2 eingetragen wurden. Unter Berufung auf § 21 des Hannoverschen Höfegesetzes und auf den nach dessen § 14 geltenden Mannesvorzug hat der Beteiligte zu 1 beantragt, ihm ein Anerben- bzw. Hoffolgezeugnis zu erteilen, durch das er als alleiniger Erbe (Anerbe) des im Grundbuch von ##################### eingetragenen Grundbesitzes ausgewiesen wird.

Die Beteiligte zu 2 ist gehört worden.

Das angerufene, als für das ############## zuständige Landwirtschaftsgericht Lüneburg hat durch Beschluss vom 7. März 2000, der dem Beteiligten zu 1 am 13. März 2000 zugestellt worden ist und auf den Bezug genommen wird, den Antrag abgewiesen.

Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er seinen Antrag weiter verfolgt. Die Beteiligte zu 2 hat sich am Beschwerdeverfahren nicht beteiligt. Der Beteiligte zu 1 ist zur Möglichkeit einer Abgabe der Sache an das Amtsgericht ####### gehört worden.

II.

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 1 ist zulässig, § 22 Abs. 1 LwVG. Der Senat ist zur Entscheidung berufen, § 2 Abs. 1 Satz 3 LwVG.

Die sofortige Beschwerde ist insofern begründet, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und auch unter Beachtung des § 23 LwVG zur Abgabe des Verfahrens an das Amtsgericht - Nachlassgericht - ########################################## führt. Das Landwirtschaftsgericht Lüneburg war weder örtlich noch geschäftlich zur Entscheidung berufen.

1. Die Erteilung eines Hoffolgezeugnisses kommt nicht in Betracht. Hoffolgezeugnisse als die Erbfolge in bestimmte landwirtschaftliche Betriebe ausweisende Erbscheine (§ 2353 BGB) gab bzw. gibt es nur im Geltungsbereich des hier nicht einschlägigen Reichserbhofgesetzes und der gleichfalls unanwendbaren Höfeordnung. Der maßgebliche Erbfall war am 7. Februar 1959. In diesem Zeitpunkt war das für das ganze ehemalige Deutsche Reich geltende Reichserbhofgesetz nicht mehr in Kraft, nachdem es durch das Kontrollratsgesetz Nr. 45 mit Wirkung ab 24. April 1947 aufgehoben worden war. Die gleichzeitig in Kraft getretene Höfeordnung gilt nur im Bereich der ehemaligen britischen Besatzungszone, jetzt in den Ländern Schleswig-Holstein, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Allerdings gehört heute auch das ####### #######, in dem der vererbte Grundbesitz liegt, zum Land Niedersachsen. Es gehörte auch früher zum Königreich Hannover und zur ehemaligen Preußischen Provinz Hannover, allerdings nur, bis es 1945 im Zuge einer Bereinigung der Zonengrenze zwischen der britischen und der sowjetischen Besatzungszone vereinbarungsgemäß als rechtselbisch gelegener Teil der sowjetischen Besatzungszone zugeordnet und damit Teil des Landes ############################ wurde. Da für die Erbfolge das im Zeitpunkt des Erbfalls geltende Recht maßgebend ist, galt für den hier fraglichen Erbfall unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt die Höfeordnung, vgl. auch OLG Celle, Agrarrecht 1998, 63 mit Anmerkung von Steffen, Agrarrecht 1998, 255. Die Entscheidung des Senats vom 19. Mai 1950 in RdL 1950, 208, dass die Ausstellung eines Erbscheins, in dem lediglich die Erbfolge in einen Hof im Sinne des Hannoverschen Höfegesetzes bezeugt wird, zulässig sei, spricht nicht dagegen, vgl. auch Wöhrmann/Stöcker, Landwirtschaftserbrecht, 7. Aufl., Rd. 34 zu § 18 HöfeO.

2. Ist für die Erbfolge das im Zeitpunkt des Erbfalls geltende Recht maßgebend, so hat sich die Erbfolge nach dem Erblasser in erster Linie nach dem BGB gerichtet. 1959 galt auch im Bereich der ehemaligen DDR das BGB. Insoweit hat das Kreisgericht ############## offensichtlich auf dieser Basis die Erbfolge im Erbschein von 1991 ausgesprochen, wenn es zu Erben des Erblassers aufgrund gesetzlicher Erbfolge dessen Ehefrau zu 1/2 und die Beteiligten zu je 1/4 auswies.

3. Der Beteiligte zu 1 hat geltend gemacht, dass das Kontrollratsgesetz Nr. 45, das auch in der ehemals sowjetischen Besatzungszone in Kraft trat, die alten Anerbengesetze der Länder, wie sie vor Inkrafttreten des Reichserbhofgesetzes 1933 gegolten hatten, wieder in Kraft gesetzt worden seien, darunter auch für die ehemalige preußische Provinz Hannover, zu der der rechtselbische Teil des ################### und damit der fragliche Grundbesitz gehört haben, das Hannoversche Höfegesetz von 1909. Im Geltungsbereich der Höfeordnung war das allerdings nicht der Fall. Ob der Militärregierungs-, der Landes- oder der zentrale DDR-Gesetzgeber das Hannoversche Höfegesetz irgendwann aufgehoben hat oder nicht, ob er überhaupt gesehen hat, dass in dem kleinen Bereich des ####### ####### in seinem Machtbereich dieses Gesetz galt, ist nicht erkennbar. Das Land ############################ jedenfalls hat erst 1951 sein 1947 wieder in Kraft gesetztes Anerbenrecht aufgehoben. Eine andere Frage ist, ob nicht das Hannoversche Höfegesetz in der ehemaligen DDR der Natur der Sache nach aufgehoben worden ist, wie es im Schrifttum und auch in der Entscheidung des Senats von 1996, Agrarrecht 1998, 63, vertreten wird, vgl. auch Wöhrmann/Stöcker, a. a. O., Einleitung Rn. 42, und wofür Einiges spricht. Der Senat hat das indessen nicht zu entscheiden.

Über die Erbfolge nach dem Erblasser liegt bereits ein Erbschein vor, nämlich der gemeinschaftliche Erbschein des Kreisgerichts ####### vom 10. Januar 1991. Dieser Erbschein ist umfassend und verhält sich über das gesamte Vermögen des Erblassers, also auch über etwaige Entschädigungsansprüche, die dem Erblasser im Zusammenhang mit der Enteignung seines landwirtschaftlichen Grundbesitzes zustanden. Begehrt der Beteiligte zu 1 ein Zeugnis über sein Anerbenrecht hinsichtlich dieses Grundbesitzes, so macht er die Unrichtigkeit, weil Unvollständigkeit, des erlassenen Erbscheins geltend, der mithin als unrichtig eingezogen werden muss. Zuständig für die Einziehung des unrichtigen Erbscheins ist gemäß § 2361 BGB das Nachlassgericht, das den Erbschein erteilt hat, ohne Rücksicht darauf, ob es zuständig war (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., Rn. 8 zu § 2361 BGB).

Das Hannoversche Höfegesetz sah das Anerbenrecht als ein Rechtsverhältnis zwischen dem als Anerben bevorzugten Erben und seinen Miterben. Die Hofesmasse fällt, von der Erbengemeinschaft ausgeschlossen, im Zeitpunkt des Todes des Erblassers dem Anerben als Teil der Erbschaft zu Eigentum zu. Zum Übergang des Eigentums am Hofe auf den Anerben bedurfte es nicht der Auflassung, die Umschreibung auf seinen Namen erfolgte als Berichtigung des Grundbuches. Die Miterben waren verpflichtet, an der Berichtigung des Grundbuches mitzuwirken. Ihrer Mitwirkung bedurfte es jedoch nicht, wenn die Unrichtigkeit des Grundbuchs in einer der Grundbuchordnung entsprechenden Weise nachgewiesen werden konnte. Das war möglich durch Vorlage eines Erbscheins. Dieser Erbschein, meist ein gemeinschaftlicher Erbschein, sah dafür lediglich den Vermerk vor, dass zum Nachlass ein in die Höferolle eingetragener Hof gehörte und wer der Anerbe war. Ein besonderes Anerbenzeugnis gab es nicht, was nicht ausschließt, dass dies auch getrennt erteilt werden kann vom übrigen Erbschein (vgl. OLG Celle, RdL 1950, 208). Das Hannoversche Höfegesetz kannte auch kein Landwirtschaftsgericht, sondern der Erbschein mit Anerbenzeugnis wurde gemäß §§ 72, 73 Abs. 1 FGG vom Nachlassgericht des Amtsgerichts erteilt, in dessen Bezirk der Hofeseigentümer zur Zeit des Todes seinen Wohnsitz hatte (vgl. zu allem Linckelmann, Kommentar zum Höfegesetz für die Provinz Hannover, 3. Aufl. 1929, Vorbemerkung S. 13, 17 ff). Dieses Gericht brauchte nicht notwendig mit dem Gericht zusammenzufallen, bei welchem die Höferolle geführt wurde, Linckelmann a. a. O., S. 21.

Wenn ein Anerbenzeugnis nach Hannoverschem Höfegesetz erteilt werden soll, ist dieses Verfahren weiterhin anzuwenden. Das bedeutet einerseits, dass das Landwirtschaftsgericht Lüneburg und auch der Senat nicht nur örtlich, sondern insbesondere geschäftlich nicht zuständig sind, vielmehr das Nachlassgericht, in zweiter Instanz das Landgericht und erst im Beschwerdeverfahren das Oberlandesgericht. Daraus folgt weiter, dass die evtl. notwendig werdende Einziehung des erteilten Erbscheins und die Neuerteilung nur durch dasselbe Gericht, das auch den Erbschein erteilt hat, erfolgen kann. Für den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Anerbenzeugnisses war und ist mithin das Kreisgericht bzw. jetzt das Amtsgericht ####### zuständig und dort die allgemeine Nachlassabteilung.

Der Senat ist zur Abgabe der Sache an das zuständige Nachlassgericht gemäß § 12 LwVG befugt. Einer Kostenentscheidung bedurfte es nicht, vgl. Barnstedt/Steffen, LwVG, 5. Aufl., Rn. 62 f. zu § 12 LwVG.



Ende der Entscheidung

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