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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 02.04.2009
Aktenzeichen: 8 U 206/08
Rechtsgebiete: ZPO, InsO


Vorschriften:

ZPO § 829
InsO § 50
InsO § 140
1. Werden in einer Kapitallebensversicherung alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners gegen den Versicherer gepfändet, so erfasst die Pfändung das Recht auf die Hauptleistung des Versicherers in jeder Erscheinungsform, d. h. auf Ablaufleistung, Rückkaufwert und Überschussbeteiligung, ohne dass es auf den Eintritt des Versicherungsfalles und die Fälligkeit der Forderung ankommt.

2. Wird nach wirksamer Pfändung das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Versicherungsnehmers/Schuldners eröffnet, und wird der Anspruch auf die Ablaufleistung der Lebensversicherung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig, so steht dem Pfändungsgläubiger ein Recht auf abgesonderte Befriedigung nach § 50 InsO zu. Dem steht § 140 InsO nicht entgegen, da es hiernach auf das Entstehen, nicht auf die Fälligkeit der Forderung ankommt.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

8 U 206/08

Verkündet am 2. April 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2009 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht G., den Richter am Oberlandesgericht Dr. K. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. D. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 14. Oktober 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger macht als Insolvenzverwalter Ansprüche gegen die Beklagte als Lebensversicherer des Insolvenzschuldners W. T. geltend und begehrt die Auszahlung von Lebensversicherungsleistungen nach Versicherungsablauf.

Am 6. November 2007 wurde über das Vermögen des W. T. das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt (Bl. 7 f. d. A.). Der Insolvenzschuldner unterhielt bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der K. Lebensvers. AG, drei Lebensversicherungen zu den Versicherungsnummern ... , ... und ... , die seit 1995 beitragsfrei geführt wurden. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind ausschließlich die Lebensversicherungen zu Nrn. ... und ... . Bereits am 26. November 1986 hatte das Finanzamt ... wegen rückständiger Steuerzahlungen des Insolvenzschuldners die Ansprüche aus den Lebensversicherungen gepfändet (Bl. 3 d. A.). Diese Pfändung wurde am 4. April 2007 wiederholt (Bl. 9 f. d. A.).

Der Beklagten ihrerseits steht ausweislich des Vollstreckungsbescheids des Amtsgerichts Stuttgart vom 2. Oktober 2003 eine Forderung in Höhe von 18.007,82 EUR nebst Zinsen von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2. Juli 2003 gegen den Insolvenzschuldner zu (Bl. 46 d. A.). Auf die Mitteilung des Finanzamtes von der Pfändung erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 24. April 2007, dass eine Auszahlung wegen eigener Ansprüche gegen den Insolvenzschuldner nicht in Betracht komme (Bl. 13 f. d. A.). Durch Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Celle vom 13. Juni 2007 pfändete die Beklagte die Ansprüche des Insolvenzschuldners aus den drei Lebensversicherungen (Bl. 18 f. d. A.). In dem Beschluss heißt es u. a.:

"Gepfändet

werden alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners auf alle mit der K. Lebensvers. AG geschlossenen Lebensversicherungen (z. B. Versicherungssumme) sowie auf Gewinnanteile und auf Rückzahlung des Rückkaufwertes, u. a. hinsichtlich des LV-Nr. ... , ... und ... ."

Die Pfändung erfolgte hinsichtlich einer Gesamtsumme von 22.679,06 EUR. Die Beklagte meldete die Forderungen ferner am 12. Dezember 2007 vorsorglich beim Kläger zur Insolvenztabelle an (Bl. 15 f. d. A.). Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 7. Februar 2008 zur Zahlung aus den Lebensversicherungen auf (Bl. 21 f. d. A.), was die Beklagte mit Schreiben vom 20. Februar 2008 ablehnte (Bl. 23 f. d. A.). Die Lebensversicherungen ... und ... sind am 1. März 2008 bzw. 1. Dezember 2007 zur Auszahlung fällig geworden (Bl. 5 d. A.).

Das Finanzamt ... verzichtete am 11. Februar 2008 (Bl. 26 d. A.) und am 11. März 2008 (Bl. 53 d. A.) auf Rechte aus dem zu seinen Gunsten ergangenen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Am 3. März 2008 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger, dass sie aus den Verträgen ... und ... Ablaufleistungen in Höhe von insgesamt 22.989,83 EUR entnommen und mit ihren Forderungen aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Celle vom 13. Juni 2007 verrechnet hat (Bl. 25 d. A.).

Der Kläger hat vorgetragen, die fraglichen Beträge stünden der Insolvenzmasse zu. Eine Aufrechnung seitens der Beklagten mit ihr zustehenden Ansprüchen sei nicht erfolgt, da sie ihre eigenen Ansprüche selbst zur Tabelle angemeldet habe, ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss sonst überflüssig gewesen wäre und eine vorangegangene Pfändung durch das Finanzamt erfolgt sei (Bl. 4, 62 d. A.). Ferner hat der Kläger die Aufrechnung nach § 133 InsO angefochten, da die Beklagte von der Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners gewusst habe (Bl. 5 d. A.). Schließlich hat der Kläger die Ansicht vertreten, die Beklagte habe nach §§ 91, 140 InsO keine Rechte an den Lebensversicherungen mehr erwerben können, da diese erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig geworden seien. Es sei unklar, wann die Beklagte zu ihren Gunsten die Überweisung vorgenommen habe. Bei einem Zugriff vor den Ablaufdaten habe nur ein Anspruch in Höhe des Rückkaufswertes bestanden.

Der Kläger hat beantragt (Bl. 2, 74 d. A.),

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 22.989,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt (Bl. 29, 74 d. A.),

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, Forderungen seien auch schon vor Fälligkeit pfändbar (Bl. 43 d. A.). § 140 InsO sei deshalb nicht anwendbar. Die vorhergehende Pfändung durch das Finanzamt sei unerheblich, da sie eine Anschlusspfändung nach § 804 Abs. 3 ZPO ausgebracht habe (Bl. 43 f. d. A.). Das Einziehungsrecht an der gepfändeten Forderung stehe nach §§ 50, 166 InsO ihr zu (Bl. 44 f. d. A.). Die §§ 88, 129 f. InsO gälten wegen der Frist des § 139 InsO nicht. Eine Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO komme nicht in Betracht, da er sich nur auf Zwangsvollstreckungen beziehe und dessen Voraussetzungen auch im Übrigen nicht vorlägen. Die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle sei schließlich nur vorsorglich erfolgt.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 14. Oktober 2008 die Klage abgewiesen (Bl. 78 f. d. A.). Die Pfändung der Beklagten an den beiden Lebensversicherungen ... und ... sei mit der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 15. Juni 2007 wirksam geworden. Das Insolvenzverfahren sei dagegen erst am 6. November 2007 eröffnet worden. Durch den Verzicht des Finanzamtes sei die Beklagte auch hinsichtlich der Pfändung an dessen Stelle getreten. Die Beklagte habe deshalb die streitigen Beträge aus den Lebensversicherungen auf ihre Ansprüche verrechnen dürfen. Eine Aufrechnung sei dagegen nicht erfolgt.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.

Er vertritt die Auffassung, durch die Pfändung der Beklagten habe sie kein zur Absonderung berechtigendes Pfändungspfandrecht erworben. Ansprüche bei der KapitalLebensversicherung entstünden nämlich erst mit Ablauf des Vertrages (Bl. 102 f. d. A.). Vorher handele es sich nur um künftige Forderungen. Ein Rechtserwerb sei hier dann nach § 91 InsO ausgeschlossen. Der Anspruch auf Auszahlung der Versicherungssummen sei dagegen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden. Die Beklagte habe ihre Ansprüche entsprechend auch selbst zur Insolvenztabelle angemeldet. Eine Aufrechnung der Beklagten komme nach § 96 InsO nicht in Frage (Bl. 104 d. A.). Der Beklagten stehe auch kein Anspruch auf den Rückkaufswert zu, da die Versicherung nicht gekündigt worden sei und die Beklagte ein Kündigungsrecht auch nicht habe pfänden können (Bl. 116 d. A.).

Der Kläger beantragt (Bl. 102, 117 d. A.),

das am 14. Oktober 2008 verkündete Urteil des Landgerichts Lüneburg aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.989,83 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 112, 117 d. A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, die Pfändung in der Kapitallebensversicherung könne auch schon vor Ablauf des Versicherungsvertrages erfolgen (Bl. 113 f. d. A.). Erfasst von der Pfändung werde die Hauptleistung in jeder Erscheinungsform einschließlich des Rückkaufswertes, der Ansprüche auf die Überschussbeteiligung und sämtlicher Gestaltungsrechte. Der Pfändungsgläubiger könne mit der Einziehung der Forderung auch bis zur Fälligkeit der Ablaufleistung zuwarten. Aus § 88 InsO ergebe sich ferner, dass eine außerhalb der Sperrfrist veranlasste Forderungspfändung wirksam sei. Schließlich erfasse die Pfändung hier jedenfalls auch die Rückkaufswerte, die sich für den Vertrag Nr. ... auf 16.368,27 EUR und für den Vertrag Nr. ... auf 8.023,92 EUR belaufen hätten (Bl. 114 f. d. A.).

II.

Die Berufung ist unbegründet. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO). Dem Kläger steht gem. § 1 Abs. 1 S. 2 VVG a. F. (auf den Rechtsstreit findet noch das VVG in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung Anwendung) i. V. m. § 80 InsO kein Anspruch auf Zahlung von 22.989,83 EUR aus der Ablaufleistung aus den beiden vom Gemeinschuldner W. T. bei der Beklagten geschlossenen Lebensversicherungen Nr. ... und ... zu. Die Beklagte hat die Versicherungen wirksam gepfändet (zu 1). Die nachträgliche Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht der Verwertung durch die Beklagte nicht entgegen (zu 2).

1. Die Kapitallebensversicherung ist eine Geldforderung, so dass die Pfändung in diese gem. §§ 829, 835 ZPO erfolgt (Stöber, Forderungspfändung, 14. Aufl., Rdnr. 192 f.. Zöller-Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 829 Rdnr. 33 "Lebensversicherung"). Drittschuldner ist die Versicherungsgesellschaft. Die Pfändung kann hierbei auch durch den Drittschuldner selbst wegen eigener Ansprüche gegen den Schuldner erfolgen. So liegt es hier, da der Beklagte aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 2. Oktober 2003 eine Forderung gegen den Schuldner über 18.007,82 EUR nebst Zinsen zustand. Die Beklagte konnte die Forderungen aus den Lebensversicherungen daher durch den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des Amtsgerichts Celle vom 13. Juni 2007 wirksam pfänden. Hierbei spielt es zunächst keine Rolle, dass der Anspruch auf die Ablaufleistung zu diesem Zeitpunkt noch nicht fällig war, sondern die Lebensversicherungen erst am 1. März 2008 bzw. 1. Dezember 2007 zur Auszahlung fällig wurden. Die Pfändung nach § 829 ZPO setzt keine Fälligkeit der Forderung voraus, sondern kann schon vorher erfolgen (Zöller, a. a. O., Rdnr. 2. Stöber, Rdnr. 203). Hieraus folgt, dass sämtliche Forderungsrechte aus einer Lebensversicherung grundsätzlich pfändbar sind, auch wenn es sich dabei um künftige, bedingte oder befristete Rechte handelt und ohne dass es darauf ankommt, ob der Versicherungsfall bereits eingetreten ist oder nicht (Stöber, Rdnr. 192. Hasse VersR 2005, 15, 17. Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 13 ALB Rdnr. 63).

Der Umfang der tatsächlich erfolgten Pfändung richtet sich nach dem Inhalt des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Pfändbar sind grundsätzlich alle Forderungen und Rechte aus dem Versicherungsverhältnis, also zunächst das Recht auf die Hauptleistung des Versicherers in jeder Erscheinungsform, d. h. auf Ablaufleistung, Rückkaufwert, Überschussbeteiligung (Hasse, a. a. O., 18. Stöber, Rdnr. 194). Ferner werden, soweit die Hauptleistung gepfändet ist, zugleich sämtliche Gestaltungsrechte wie Kündigung, Umwandlung etc. erfasst (Stöber, a. a. O.. Hasse, a. a. O., 18 f.). Hier ist die Formulierung im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss umfassend erfolgt, da

"gepfändet werden alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners auf alle mit der K. Lebensvers. AG abgeschlossenen Lebensversicherungen (z. B. Versicherungssumme) sowie auf Gewinnanteile und auf Zahlung des Rückkaufwertes, u. a. hinsichtlich LV-Nr. ... , ... und ... ."

Infolge der Pfändung war die Beklagte auch nicht etwa verpflichtet, sofort die Rechte aus der Versicherung auszuüben, diese also etwa zu kündigen und (nur) den Rückkaufwert geltend zu machen. Vielmehr kann der Gläubiger mit der Verwertung nicht fälliger Versicherungen bis zum Eintritt des Versicherungsfalles zuwarten, was insbesondere dann sinnvoll ist, wenn die Ablaufleistung deutlicher höher als der Rückkaufwert liegt (Stöber, Rdnr. 203).

Der Wirksamkeit der Pfändung steht schließlich auch nicht entgegen, dass das Finanzamt ... am 26. November 1986 und 4. April 2007 ebenfalls eine Pfändung in die Lebensversicherungen ausgebracht hat. Grundsätzlich ist auch eine mehrfache Pfändung derselben Forderung möglich und hat lediglich zur Folge, dass die zeitlich frühere Pfändung der späteren vorgeht (§ 804 Abs. 3 ZPO). Dieses Prioritätsprinzip ändert aber nichts daran, dass auch die zeitlich spätere Pfändung wirksam ist. Sie geht lediglich im Rahmen der Verwertung der Forderung ins Leere, wenn die zeitlich frühere Pfändung die gepfändete Forderung bereits erschöpft. Erlischt das vorrangige Pfandrecht, z. B. durch Verzicht des Gläubigers (vgl. Zöller-Stöber, § 804 Rdnr. 13), so tritt der nachrangige Gläubiger mit der zeitlich späteren Pfändung an die Stelle des bisher rangbesseren Gläubigers. Dies führt dazu, dass das bereits durch die Pfändung vom 13. Juni 2007 wirksam begründete Pfandrecht der Beklagten durch den Verzicht des Finanzamtes ... vom 11. Februar 2008 und 11. März 2008 an dessen Stelle gerückt ist.

2. Auch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 6. November 2007 führt nicht dazu, dass die Verwertungsbefugnis hinsichtlich der beiden Lebensversicherungen nunmehr beim Kläger als Insolvenzverwalter liegt. Zwar geht nach § 80 Abs. 1 InsO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und darüber zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über. Entsprechend bestimmt § 91 Abs. 1 InsO zu Lasten der Gläubiger, dass Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden können, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger vorliegt. Voraussetzung für diese Verwertungsbefugnis des Insolvenzverwalters ist aber immer, dass der betreffende Gegenstand überhaupt noch zur Insolvenzmasse zählt und nicht bereits vorher aus dieser ausgeschieden ist.

Gem. § 35 Abs. 1 InsO erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Allerdings sind Gläubiger, die an einem Gegenstand der Insolvenzmasse ein durch Pfändung erlangtes Pfandrecht haben, nach Maßgabe der §§ 166 - 173 InsO für Hauptforderung, Zinsen und Kosten zur abgesonderten Befriedigung berechtigt (§ 50 Abs. 1 InsO). Maßgebend ist somit alleine, ob der Beklagten im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens ein wirksames Pfandrecht an den Forderungen aus den beiden Lebensversicherungen zustand, das auch das Recht auf die Ablaufleistung erfaste, welches jeweils erst nach Insolvenzeröffnung fällig wurde. Das ist hier der Fall. Insoweit regelt § 140 Abs. 1 InsO, dass eine Rechtshandlung in dem Zeitpunkt als vorgenommen gilt, in dem ihre rechtliche Wirkungen eintreten. Bei der Abtretung, Pfändung oder Verpfändung einer künftigen Forderung ist hierbei das Entstehen, nicht dagegen der erst zukünftige Fälligkeitstermin der Forderung maßgeblich (BGH ZIP 2000, 932. 2004, 1819. Wimmer, Frankfurter Kommentar zur InsO, 4.Aufl., § 140 Rdnr. 6). Unerheblich ist bei der Pfändung und Überweisung einer Forderung deshalb auch der Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung durch den Drittschuldner (BGH ZIP 2000, 898. Wimmer, a. a. O.).

Hieraus folgt, dass es vorliegend alleine auf den Zeitpunkt der Pfändung in die Forderungen aus den beiden Lebensversicherungen am 13. Juni 2007 durch die Beklagte ankommt. Zu diesem Zeitpunkt war das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet. Da die Pfändung hier alle gegenwärtigen und zukünftigen Ansprüche des Schuldners auf die mit der K. Lebensvers. AG abgeschlossenen Lebensversicherungsverträgen erfasst und die Versicherungssumme ausdrücklich beispielhaft erwähnt wird, wird auch das Recht auf die Ablaufleistung nach Ende des Versicherungsverhältnisses von der Pfändung umfasst. Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Anspruch auf die Ablaufleistung erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig wurde. Entgegen der Ansicht des Kläger ist das Entstehen des Anspruchs auf die Ablaufleistung auch nicht erst mit dem Ablauf des Versicherungsvertrages verbunden. Dem Grunde nach sind sämtliche Ansprüche des Versicherungsnehmers aus dem Versicherungsverhältnis bereits mit dem Abschluss des Versicherungsvertrages entstanden, also das Recht auf die Versicherungssumme nach Vertragsablauf, der Anspruch auf den Rückkaufwert bei vorzeitiger Vertragsauflösung, Gewinn und Überschussbeteiligung etc. Lediglich die Fälligkeit ist noch nicht gegeben, weil sie vom reinen Zeitablauf oder der Ausübung eines Gestaltungsrechts abhängt. Entsprechend werden von der Pfändung gerade alle Rechte auf die Hauptleistung des Versicherers in jeder Erscheinungsform erfasst, ohne dass es darauf ankommt, ob die sich daraus ergebenden Einzelansprüche zu diesem Zeitpunkt schon fällig sind oder nicht (Stöber, Rdnr. 203. Hasse VersR 2005, 15, 18 f.). Dagegen handelt es sich bei der Ablaufleistung hinsichtlich der Versicherungssumme nicht erst um eine künftige Forderung, die überhaupt erst am 1. Dezember 2007 und 1. März 2008 entstanden wären. Entsprechend hat auch der Kläger selbst erstinstanzlich lediglich davon gesprochen, dass die Auszahlungsansprüche am 1. Dezember 2007 und 1. März 2008 fällig geworden sind (Bl. 5, 63 d. A.).

Der Umstand, dass der Vertrag unter Umständen auch ein anderes Schicksal nehmen könnte, wenn etwa die Prämien nicht gezahlt werden oder zwischenzeitlich eine Kündigung erfolgt, so dass dann nur der Rückkaufwert geltend gemacht werden kann, ändert nichts daran, dass dem Grunde nach ein Anspruch auf die Ablaufleistung bereits mit dem Vertragsschluss entstanden ist und bei regelmäßigem Vertragsablauf dann lediglich nach einer bestimmten Zeit fällig würde. Würde man demgegenüber davon ausgehen, dass der Anspruch auf die Ablaufleistung überhaupt erst zum Zeitpunkt ihrer Fälligkeit entsteht, hätte dies nicht gerechtfertigte nachteilige Auswirkungen für den Pfändungsgläubiger und den Versicherungsnehmer/Schuldner. Der Pfändungsgläubiger wäre dann nämlich entgegen den oben dargestellten Grundsätzen gezwungen, möglichst schnell nach der Pfändung den Vertrag zu kündigen und nur den (geringeren) Rückkaufwert der Versicherung zu verwerten. Anderenfalls liefe er nämlich, wenn erst einige Zeit nach der Pfändung die Ablaufleistung geltend gemacht werden kann, Gefahr, dass der Schuldner zwischenzeitlich in Insolvenz fällt und er trotz seines Pfandrechts die Versicherungssumme in Gestalt der Ablaufleistung nicht geltend machen kann, weil sie in die Masse fiele. Eine frühzeitige Kündigung des KapitalLebensversicherungsvertrages entspricht auch nicht dem Interesse des Versicherungsnehmers, da der Rückkaufwert in der Regel geringer als die Ablaufleistung ist, so dass entsprechend auch seine Verbindlichkeiten gegenüber dem Pfändungspfandgläubiger nur zu einem geringeren Teil getilgt werden.

Wegen dieses mithin bestehenden Absonderungsrechtes an der Forderung aus den beiden Lebensversicherungen konnte die Beklagte diese gem. § 50 InsO bei Fälligkeit auch verwerten. Die in § 50 InsO genannten Einschränkungen der §§ 166 - 173 InsO greifen nicht ein. Zwar bestimmt § 166 Abs. 2 InsO, dass der Verwalter eine Forderung, die der Schuldner zur Sicherheit eines Anspruchs abgetreten hat, einziehen oder in anderer Weise verwerten darf. Diese Vorschrift findet indessen auf ge- oder verpfändete Forderungen keine Anwendung, so dass diese nicht dem Verwertungsrecht des Verwalters unterliegen (OLG Hamm VersR 1996, 878. Wimmer, § 160 Rdnr. 6). Unter den Begriff der Forderung nach § 166 Abs. 2 InsO fallen hierbei auch Ansprüche aus Versicherungsverträgen (Wimmer, a. a. O., Rdnr. 6 a). Nach § 173 InsO bleibt hier deshalb das Recht der Beklagte als Gläubigerin und Absonderungsberechtigte zur Verwertung bestehen.

Schließlich stehen auch weitere Bestimmungen der InsO dem Verwertungsrecht der Beklagten nicht entgegen. Zunächst findet die sog. Rückschlagsperre des § 88 InsO keine Anwendung. Hat hiernach ein Insolvenzgläubiger im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag durch Zwangsvollstreckung eine Sicherung an dem zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögen des Schuldners erlangt, so wird diese Sicherung mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam. Hier ist der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss indessen bereits am 13. Juni 2007 erlassen und am 15. Juni 2007 zugestellt worden, während die Eröffnung des Insolvenzverfahrens erst am 6. November 2007 erfolgte. Immerhin kann aber im Umkehrschluss aus § 88 InsO der Rechtsgedanke entnommen werden, dass Vollstreckungen vor Ablauf der Monatfrist, die dem Gläubiger eine Sicherung gewährt haben, grundsätzlich bestehen bleiben sollen. Dieser Regelungsgehalt würde indessen umgangen, wenn zwar die Vollstreckung mehr als einen Monat vor Verfahrenseröffnung erfolgte, gleichwohl aber ihre Unwirksamkeit angenommen wird, weil für die Entstehung des der Pfändung zugrunde liegenden Anspruchs erst auf einen Zeitpunkt nach Insolvenzeröffnung abgestellt wird, obwohl es sich in der Sache nur um eine Frage der hinaus geschobenen Fälligkeit handelt.

Der Kläger ist nach § 133 InsO auch nicht zur Insolvenzanfechtung befugt. Hiernach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und dass die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Diese Vorschrift findet indessen keine Anwendung, da sie gerade eine Rechthandlung voraussetzt, die der Schuldner selbst vorgenommen oder an der er mitgewirkt hat. Vollstreckungsmaßnahmen sind daher nach § 133 InsO grundsätzlich mangels Mitwirkung des Schuldners nicht anfechtbar (BGH ZIP 2005, 494. Wimmer, § 133 Rdnr. 5 f. ). Im übrigen ist auch gar nicht ersichtlich, dass die Beklagte im Zeitpunkt der durchgeführten Pfändung etwas von einer Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste.

Schließlich liegt keine unzulässige Aufrechnung nach § 96 Abs. 1 Ziff. 1 InsO vor, weil die Beklagte nach Insolvenzeröffnung keine Aufrechnung erklärt hat. Sie hat nicht mit ihrem Anspruch aus dem Titel des Amtsgerichts Stuttgart vom 2. Oktober 2003 gegen den Anspruch des Insolvenzschuldners bzw. Insolvenzverwalters auf Auszahlung der Ablaufleistung aufgerechnet, sondern nach Fälligkeit der beiden Lebensversicherungen diese entsprechend ihrem Pfändungspfandrecht verwertet und dann eine entsprechende Verrechnung mit ihrem Anspruch vorgenommen. Hierbei handelt es sich indessen nur um den üblichen Fall einer Befriedigung einer Forderung durch Vollstreckung, bei der lediglich die Besonderheit bestand, dass der die Pfändung betreibende Gläubiger und der Drittschuldner personenidentisch sind. Mit einer Aufrechnung hat das nichts zu tun.

Unerheblich ist schließlich, dass die Beklagte ihre Forderung am 12. Dezember 2007 auch beim Kläger zur Tabelle im Insolvenzverfahren angemeldet hat. Das erfolgte ausdrücklich nur fürsorglich und hatte lediglich den Grund, dass das Finanzamt zum damaligen Zeitpunkt noch nicht auf seine vorrangigen Rechte aus der Pfändung verzichtet hatte, so dass bei einer Verwertung durch das Finanzamt die Beklagte mit ihren Rechten aus der nachrangigen Pfändung ausgefallen wäre. Das bedeutet indessen nicht, dass die Beklagte auf ihre Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss verzichten wollte oder selbst davon ausging, ihr stehe nur eine einfache Insolvenzforderung zu.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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