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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 03.02.2000
Aktenzeichen: 8 U 263/98
Rechtsgebiete: VVG, BGB


Vorschriften:

VVG § 22
BGB § 123
BGB § 142
BGB § 242
Zur Anfechtung eines Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung über die Gefahrenumstände.
8 U 263/98

Verkündet am 3. Februar 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ############## und der Richter am Oberlandesgericht ############## und ############## für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 28. Oktober 1998 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer: 42.188,01 DM.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Rente aus der Berufsunfähig-keitszusatzversicherung, die er zusammen mit einer kapitalbildenden Lebensver-sicherung zum 1. Dezember 1992 bei der Beklagten abgeschlossen hat (Bl. 10 f.). Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte den (gesamten) Versicherungsvertrag mit ihrem Schreiben vom 26. August 1997 (Bl. 15) gemäß § 22 VVG i. V. m. § 123 Abs. 1 BGB wirksam wegen arglistiger Täuschung ange-fochten hat und der Vertrag daher nach § 142 Abs. 1 BGB als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Der Senat teilt diese Einschätzung und nimmt zur Vermei-dung von Wiederholungen auf die Ausführungen, mit denen das Landgericht seine Auffassung begründet hat, Bezug.

Es ist unstreitig, dass die Gesundheitsfragen in dem vom Versicherungsvertreter der Beklagten ####### ############## ausgefüllten Versicherungsantrag vom 18. Januar 1993 (Bl. 8 f.) falsch beantwortet sind. So sind weder die am 5. April 1991 im Kreiskrankenhaus ############## erfolgte Operation am Meniskus des rechten Knies des Klägers und der damit einhergehende stationäre Aufenthalt in diesem Krankenhaus vom 4. bis zum 13. April 1991 noch der weitere vom 3. bis zum 8. August 1992 währende stationäre Aufenthalt im Kreiskrankenhaus ####### aufgeführt. Selbst wenn man zu Gunsten des Klägers davon ausgeht, dass er den Versicherungsvertreter der Beklagten von der Meniskusoperation unterrichtet hat - dies hat ############## bei seiner zeugenschaftlichen Vernehmung durch das Landgericht ausdrücklich bestätigt (vgl. Bl. 61 unten) -, und dass er - der Kläger - als Anlass des stationären Aufenthalts im Kreiskrankenhaus ####### vom August 1992 einen Schwächeanfall nach übermäßigem Alkoholkonsum bei einer Fest-lichkeit angegeben hat, so stellt jedenfalls die Mitteilung der Ursache für den zuletzt genannten Krankenhausaufenthalt keine vollständige Unterrichtung der Beklagten dar. Vielmehr hat der Kläger mit seiner (unterstellten) Erklärung den tatsächlichen Grund für seine stationäre Behandlung im Kreiskrankenhaus ####### vom August 1992 verschleiert und erheblich bagatellisiert. Dies folgt aus den schriftlichen Auskünften, die der Verwaltungsleiter und der Chefarzt der Inneren Abteilung des Kreiskrankenhauses ####### dem Landgericht gegenüber erteilt haben (Bl. 80 ff.). Danach ergibt sich aus den dort geführten Krankenpapieren, dass der Kläger gegenüber dem aufnehmenden Arzt und einer Krankenschwester am 3. August 1992 zweimal angegeben hat, 5 Tage zuvor selbst mit dem Alkoholentzug begonnen zu haben. Beim Kläger wurden alsdann u. a. 'Alkoholentzugssyndrom bzw. Delir' und 'Erhöhung der Leberwerte' diagnostiziert. Nach 5-tägiger medikamentöser Behandlung des Deliriums verließ der Kläger die Klinik auf eigenen Wunsch und erklärte dabei, mit den Anonymen Alkoholikern Kontakt aufnehmen zu wollen.

Aus diesen im August 1992 im Kreiskrankenhaus ####### getroffenen Fest-stellungen ergibt sich, dass beim Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht nur ein Schwächeanfall nach einem einmaligen übermäßigen Alkoholgenuss bei einer Festlichkeit, sondern ein bereits seit Längerem andauernder Alkoholmissbrauch vorlag, der - wie auch dem Kläger bewusst war - die eigentliche Ursache für seine stationäre Behandlung im Kreiskrankenhaus ####### vom August 1992 darstellte. Auch wenn der Kläger das Krankenhaus seinerzeit nicht planmäßig aufsuchte, um sich dort von seiner Sucht befreien zu lassen, ändert dies doch nichts daran, dass er im Kreiskrankenhaus ####### wegen seines Alkoholmissbrauchs in einer Weise behandelt worden ist, die von der Gesundheitsfrage im Antragsformular 'Wurden Sie ... wegen Alkohol-/Drogenmissbrauchs behandelt?' erfasst wird. Diese Frage ist erkennbar allgemeiner gefasst, als der Kläger sie nunmehr verstehen will. Sie ist insbesondere nicht etwa auf die Teilnahme an einer Entziehungskur be-schränkt. Der Umstand, dass der Kläger die Klinik am 8. August 1992 auf eigenen Wunsch, d. h. bevor die stationäre Behandlung aus ärztlicher Sicht abgeschlossen war, verließ und dabei erklärte, mit den Anonymen Alkoholikern Kontakt aufneh-men zu wollen, zeigt im Übrigen, dass er sich sehr wohl der Tatsache bewusst war, dass die einmal im Kreiskrankenhaus ############## begonnene Behandlung seines Alkoholmissbrauchs eigentlich hätte fortgesetzt werden müssen.

Da nach alledem kein Zweifel daran besteht, dass der Kläger im August 1992 im Kreiskrankenhaus ####### wegen seines Alkoholmissbrauchs behandelt worden ist, hätte er den Versicherungsvertreter der Beklagten bei der Antragstellung entsprechend wahrheitsgemäß (vollständig) unterrichten und darauf hinwirken müssen, dass dieser die diesbezügliche Gesundheitsfrage in dem Antragsformular bejahte. Dass er dies etwa (vergeblich) getan hätte, behauptet der Kläger selbst nicht. Außerdem wäre er bei einer wahrheitsgemäßen Bejahung der Frage nach einer Behandlung wegen Alkoholmissbrauchs auch verpflichtet gewesen, in der nachfolgenden Rubrik des Antragsformulars die Klinik, nämlich das Kreiskrankenhaus #######, anzugeben, in der im August 1992 die Behandlung seines Alkoholsyndroms stattgefunden hatte. Auf diese Weise hätte die Beklagte die Möglichkeit erhalten, sich alsdann dort vor der Annahme des Versicherungs-antrags im Einzelnen nach der Art und dem Umfang der beim Kläger diagnostizierten Alkoholkrankheit zu erkundigen.

Der Senat teilt auch die Auffassung des Landgerichts, dass das Verhalten des Klägers eine arglistige Täuschung der Beklagten darstellt. Angesichts der Eindeu-tigkeit der vom Kläger falsch beantworteten Gesundheitsfrage und seiner (unterstellten) bagatellisierenden Antwort gegenüber ############## ist davon auszu-gehen, dass er sich - jedenfalls im Sinne bedingten Vorsatzes - durchaus darüber im Klaren war, dass die richtige Beantwortung der Frage nach einer Behandlung wegen Alkoholmissbrauchs von maßgeblicher Bedeutung für die Annahme seines auf den Abschluss einer Lebens- und einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung gerichteten Antrags durch die Beklagte war. Dies gilt hier umso mehr, als der stationäre Aufenthalt im Kreiskrankenhaus ####### wegen seines Alkoholmiss-brauchs zum Zeitpunkt der Antragstellung erst gut 5 Monate zurücklag.

Nach alledem hat die Beklagte durch ihr an den Kläger gerichtetes Schreiben vom 26. August 1997 den Versicherungsvertrag wirksam wegen arglistiger Täuschung angefochten. Die Anfechtungserklärung ist auch innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB erfolgt. Sie hat zur Folge, dass der Vertrag zwischen den Parteien als von Anfang an nichtig anzusehen ist und dem Kläger daraus deshalb keine Rentenansprüche zustehen. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Beklagte dem Kläger noch nach ihrem Anfechtungsschreiben unter dem 24. September 1997 einen Nachtrag zum Versicherungsschein übersandt hat, aus dem sich u. a. eine Erhöhung der monatlichen Berufsunfähigkeitsrente auf 763,30 DM ergibt (vgl. Bl. 12). Diese Vorgehensweise der Beklagten stellt im Gegensatz zu der vom Kläger in seiner Berufungsbegründung zum Ausdruck gebrachten Auffassung kein widersprüchliches Verhalten mit der Folge dar, dass es der Beklagten etwa nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt wäre, sich auf die zuvor mit Schreiben vom 26. August 1997 erklärte Anfechtung des Ver-sicherungsvertrages zu berufen. Die Übersendung des noch nach der Anfechtungserklärung ausgestellten Nachtrags zum Versicherungsschein beruht - wie auch für den Kläger erkennbar war - allein auf dem Umstand, dass der von ihm geltend gemachte Entschädigungsanspruch und die Betreuung seines Versicherungsvertrages im Hause der Beklagten in zwei verschiedenen Abteilungen statt-fanden und die Vertragsabteilung zum Zeitpunkt der Übersendung des Versiche-rungsnachtrags offenbar noch nicht von der Anfechtung des Vertrages durch die Leistungsabteilung unterrichtet war. Aus dem Nachtrag zum Versicherungsschein zum 24. September 1997 könnte der Kläger nur dann etwas für sich herleiten, wenn darin etwa ein ausdrücklicher Hinweis enthalten wäre, dass die Beklagte nicht mehr an ihrer zuvor erklärten Anfechtung des Versicherungsvertrages festhalte. Daran fehlt es hier aber.

Die gegen das die Klage abweisende erstinstanzliche Urteil gerichtete Berufung des Klägers erweist sich folglich unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt als begründet. Sie war daher zurückzuweisen, ohne dass es darauf ankommt, ob beim Kläger überhaupt bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliegt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Den Wert der Beschwer hat der Senat gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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