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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 20.11.2003
Aktenzeichen: 8 U 6/03
Rechtsgebiete: BGB, VVG, WG 1994, VGB 88, ZPO


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 278
VVG § 56
WG 1994 § 16 Nr. 3 b)
WG 1994 § 16 Nr. 3 c)
VGB 88 § 4 Nr. 1 a)
VGB 88 § 13 Nr. 1
VGB 88 § 15 Nr. 1 b)
VGB 88 § 16 Nr. 3 b)
VGB 88 § 16 Nr. 3 c)
VGB 88 § 16 Nr. 4
ZPO § 287
1. Beim Abschluss eines (Folge)Vertrages bei einer Wohngebäudeversicherung trifft den Versicherer nach Treu und Glauben die Verpflichtung, den Versicherungsnehmer auf die Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Versicherungswertes auf der Basis des Neuwertes 1914 sowie die Gefahren einer falschen Festsetzung (Unterversicherung) hinzuweisen. Dieser Verpflichtung kann der Versicherer u. a. dadurch genügen, dass er dem Versicherungsnehmer empfiehlt, zur Bestimmung des Versicherungswertes einen Sachverständigen hinzuzuziehen, oder er ihm seine eigene sachkundige Beratung anbietet.

2. Dieser Verpflichtung genügt ein Versicherer nicht, wenn er bei Abschluss eines Folgevertrages einen vom Versicherungsnehmer genannten Wert des Hauses ungeprüft in den Versicherungsvertrag übernimmt, obwohl der Versicherungsnehmer ausdrücklich erklärt hat, er wünsche eine "100%ige Absicherung", und ohne nachzufragen, ob sich seit Abschluss des Ursprungsvertrages wertsteigernde Veränderungen an dem Objekt ergeben haben, sowie einen Hinweis auf eine sachverständige Beratung zur Vermeidung einer drohenden Unterversicherung unterlässt.

3. In einem solchen Fall fällt dem Versicherungsnehmer kein Mitverschulden gem. § 254 BGB zur Last.


Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil

8 U 6/03

Verkündet am 20. November 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 7. November 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht #######, den Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richterin am Oberlandesgericht ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 19. November 2002 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Verden wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Leistungen aus einer Wohngebäudeversicherung nach einem Brandschaden in Anspruch.

Im Jahre 1985 errichtete der Kläger das von ihm bewohnte Wohnhaus ####### in #######. Ausweislich des Versicherungsscheins vom 10. Oktober 1985 versicherte er es bei der Beklagten u.a. gegen Feuer zum gleitenden Neuwert unter Zugrundelegung einer Versicherungssumme von 16.000 Mark 1914 (Bl. 46 d.A.). Nach endgültiger Fertigstellung des Hauses wurde mit Vertrag vom 6. Februar 1986 die Versicherungssumme zum gleitenden Neuwert auf "18.800 Mark 1914 errechnet mit dem Bauindex 1400 aus der für 1986 angegebenen Summe von 263.000 DM" angepaßt (Bl. 45 d.A.). Die Versicherung lief zum 12. Januar 1996 aus, wobei die Vertragsdauer sich stillschweigend um jeweils ein Jahr verlängert, wenn die schriftliche Kündigungserklärung nicht spätestens drei Monate vor Ablauf dem anderen Vertragspartner zugegangen ist (Bl. 45 R d.A.).

Im Jahr 1995 suchte der für die Beklagte tätige Zeuge ####### den Kläger wegen einer Aktualisierung des Vertrages auf und nahm am 15. Dezember 1995 einen Versicherungsantrag auf, der eine Wohngebäudeversicherung zum gleitenden Neuwert ohne Unterversicherungsverzicht vorsieht (Bl. 35f. d.A.). Bei der Angabe der Versicherungssumme setzte der Zeuge ####### die Versicherungssumme in M 1914 mit 18.800 und die Versicherungssumme in DM (Vers. zum Neuwert/ Zeitwert) mit 375.000 DM ein. Ferner ergänzte er die Rubrik "Die Versicherungssumme in M 1914 wurde ermittelt" durch den handschriftlichen Zusatz "Angaben VN".

Dem Vertrag liegen u.a. die Allgemeinen WohngebäudeVersicherungsbedingungen (VGB 88) als Teil der Versicherungsbedingungen WG 94 zugrunde (Bl. 61 - 78 d.A.), die in § 16 zu "Unterversicherung; Unterversicherungsverzicht" u.a. bestimmen (Bl. 64f. d.A.):

1. Ist die Versicherungssumme niedriger als der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles (Unterversicherung), so wird nur der Teil des nach § 15 Nr. 1 bis 3 ermittelten Betrages ersetzt, der sich zu dem ganzen Betrag verhält wie die Versicherungssumme zu dem Versicherungswert.

2. ...

3. In der Gleitenden Neuwertversicherung gilt die Versicherungssumme 1914 als richtig ermittelt, wenn

a) sie aufgrund einer vom Versicherer anerkannten Schätzung eines Bausachverständigen festgesetzt wird;

b) der Versicherungsnehmer im Antrag den Neuwert in Preisen eines anderen Jahres zutreffend angibt und der Versicherer diesen Betrag auf seine Verantwortung umrechnet;

c) der Versicherungsnehmer Antragsfragen nach Größe, Ausbau und Ausstattung des Gebäudes zutreffend beantwortet und der Versicherer hiernach die Versicherungssumme 1914 auf seine Verantwortung berechnet.

4. Wird die nach Nr. 3 ermittelte Versicherungssumme 1914 vereinbart, nimmt der Versicherer abweichend von Nr. 1 und Nr. 2 sowie von § 56 VVG keinen Abzug wegen Unterversicherung vor (Unterversicherungsverzicht)."

Am 14. Juni 2001 wurde das Wohnhaus durch ein Feuer stark beschädigt. Der Schaden beträgt ausweislich der Feststellungen des von der Beklagten eingeschalteten Gutachters ####### 399.693, DM (Bl. 9 d.A.). Die Beklagte leistete Abschlagszahlungen von insgesamt 292.948, DM (Bl. 3, 13, 32 d.A.). Die Zahlung der Restsumme von 116.746, DM = 59.690,77 EUR lehnte sie mit Schreiben vom 4. Februar 2002 (Bl. 13f. d.A.) ab, da nach den Feststellungen des Gutachters ####### eine Unterversicherung vorgelegen habe (S. 50 des Gutachtens vom 28.11.2001, Bl. 50 d.A.).

Der Kläger hat behauptet, nach Einzug in das Haus im Jahr 1986 seien umfangreiche Um und Anbauarbeiten durch Eigenleistungen sowie Eigen und Fremdkapital erbracht worden, z.B. Ausbau des Kellers, Einbau einer neuen Heizungsanlage, Isolierung Geschossdecke, Ausbau und Isolierung des Dachgeschosses (Bl. 40f. d.A.). Die Beklagte, die bereits in der Bauphase ein Darlehen über 150.000 DM zur Verfügung gestellt habe, habe ihm 1987 deshalb u.a. ein weiteres Darlehen von 20.000 DM gewährt. Bei der 1995 erfolgten Vertragsanpassung sei es ihm darum gegangen, dass er vollumfänglich abgesichert sein wollte (Bl. 41, 84 R d.A.). Die Neubaukosten von 375.000 DM habe er gegenüber dem Zeugen ####### bezogen auf das Jahr 1985 angegeben, was dieser unrichtig in den Antrag übernommen habe. Ferner habe der Regulierungsbeauftragte ####### der Beklagte ihm nach dem Brand mehrfach eine vollständige Zahlung zugesagt, so dass er den kompletten Wiederaufbau des Hauses bei dem Bauunternehmer ####### in Auftrag gegeben habe (Bl. 3, 5 d.A.). Erst nach Erledigung der Arbeiten habe die Beklagte sich Ende 2001 erstmals auf die Unterversicherung berufen (Bl. 42 d.A.).

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 59.690,77 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 14.12.2001 zu zahlen (Bl. 2, 84 R d.A.).

Die Beklagte, die Klagabweisung beantragt hat (Bl. 23, 84 R d.A.), hat behauptet, der Kläger habe 1995 dem Zeugen ####### gegenüber die Neubaukosten für das Jahr 1995 mit 375.000 DM angegeben (Bl. 33, 59 d.A.). Beim Bau des Hauses 1985 habe er noch eine Summe von 225.000 DM angegeben (Bl. 33 d.A.). Da der Bauindex 1995 bei 20,46 gelegen habe, habe der Zeuge ####### entsprechend den Wert für 1914 errechnet und in den Antrag eingetragen (Bl. 34 d.A.). Tatsächlich hätten die Baukosten indessen nach den Berechnungen des Sachverständigen bereits 1985 bei 370.000 DM gelegen, so dass sich auf der Basis des damaligen Umrechnungsfaktors von 14,03 ein Wert 1914 von 26.366 ergebe (Bl. 33 f., 58 f. d.A.). Der Zeuge ####### habe auch von nachträglichen Umbauarbeiten nichts gewußt (Bl. 83 d.A.). Der Kläger sei vielmehr für seine Angaben zum Neuwert selbst verantwortlich, zumal die Beklagte auf den Unterversicherungseinwand ausdrücklich nicht verzichtet habe (Bl. 34 d.A.). Schließlich habe der Regulierungsbeauftragte ####### auch keine uneingeschränkte Zahlung zugesagt (Bl. 32, 59 d.A.).

Das Landgericht hat den Kläger angehört und den Zeugen ####### vernommen (Bl. 84 R, 85 d.A.).

Mit Urteil vom 19. November 2002 hat das Landgericht die Beklagte unter Klagabweisung i.ü. verurteilt, an den Kläger 59.690,77 EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.2.2002 zu zahlen (Bl. 99 - 104 d.A.). Zur Begründung hat es ausgeführt, es habe zwar objektiv eine Unterversicherung vorgelegen, weil die Versicherungssumme von 18.800 MK 1914 nicht ausreichend gewesen, sondern eine solche von 26.366 MK 1914 erforderlich gewesen sei. Die Beklagte könne sich jedoch gem. § 16 Nr. 3 b) und c) WG 1994 hierauf nicht berufen, weil die Parteien einen Unterversicherungsverzicht vereinbart hätten. Die Beklagte sei für die Festlegung der Versicherungssumme bei Vertragsschluss im Dezember 1995 verantwortlich gewesen. Sie habe ihre Beratungspflichten verletzt. Dem Zeugen ####### habe auffallen müssen, dass die jeweils für 1914 angegebene Versicherungssumme von 18.800 M sowohl in dem Vertrag von 1986 als auch dem von 1995 nicht hätten identisch sein können. Die vom Kläger genannte Summe von 375.000 DM habe sich offensichtlich nur auf den Neubauwert von 1995 beziehen können. Diese Summe sei indessen nicht ausreichend gewesen, was auch der Zeuge ####### habe erkennen können, zumal der Kläger ihm auch nach seinen Angaben erklärt habe, er wünsche, dass sein Haus 100%ig gegen Schäden versichert sein solle. Dem Kläger sei auch kein Mitverschulden zur Last zu legen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Diese behauptet, der Kläger selber habe für 1995 einen Neubauwert von 375.000 DM angegeben, der zu niedrig gewesen sei (Bl. 137 d.A.). Für diese allein von ihm stammende Angabe der Versicherungssumme sei er auch selbst verantwortlich. Ein Unterversicherungsverzicht gem. § 16 Nr. 3b) und c) WG 94 sei gerade nicht vereinbart worden (Bl. 137f. d.A.). Auch ein Beratungsverschulden des Zeugen ####### liege nicht vor. Ihm sei insbesondere nicht vorzuwerfen, dass auch bei dem Vertrag von 1995 wie schon bei dem aus dem Jahre 1986 die Versicherungssumme M 1914 jeweils mit 18.800 bewertet worden sei, da er von zusätzlichen Arbeiten des Kläger nichts gewußt habe (Bl. 139f., 168 d.A.). Ihm sei deshalb die Gefahr einer Unterversicherung überhaupt nicht bewußt gewesen (Bl. 140 d.A.).

Die Beklagte beantragt (Bl. 136 d.A.),

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Verden vom 19. November 2002 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt (Bl. 124 d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Beklagte könne sich nicht auf Unterversicherung berufen, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme feststehe, dass der Kläger bei Vertragsschluss 1995 eine 100%ige Versicherung gegen Schäden gewünscht habe. Dem Zeugen #######, der den Kläger elf Jahre betreut habe, seien auch die wirtschaftlichen Verhältnisse einschließlich der seit 1985 erfolgten Maßnahmen bekannt gewesen (Bl. 149f., 169 d.A.). Es habe gerade eine Vertragsanpassung erfolgen sollen. Anderenfalls hätte man den alten Vertrag unverändert fortlaufen lassen können. Die angegebene Versicherungssumme von 375.000 DM habe sich auf das Jahr 1986 bezogen, so dass ein Fall von § 16 Nr. 3b) WG 94 vorliege (Bl. 150 d.A.). Jedenfalls liege in Beratungsverschulden des Zeugen ####### vor (Bl. 150, 169f. d.A.).

II.

Das angefochtene Urteil beruht im Ergebnis weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546, § 561 analog ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung restlicher 59.690,77 EUR aus der Feuerversicherung gem. § 1 Abs. 1 S. 1, §§ 49, 82 VVG i.V.m. § 4 Nr. 1a), § 13 Nr. 1, § 15 Nr. 1b) VGB 88 zu. Zwar lag im Ergebnis eine Unterversicherung vor. Die in dem Vertrag von 1995 zugrundegelegte Versicherungssumme von 18.800 Mark Wert 1914 war nicht ausreichend, um den entstandenen Schaden der Höhe nach abzudecken. Wie der von der Beklagte eingeschaltete Sachverständige ####### ausgeführt hat, hätte bei tatsächlichen Baukosten von 370.000 DM im Jahre 1985 eine Versicherungssumme von 26.366 Mark Wert 1914 vereinbart werden müssen (vgl. Bl. 10 d.A.). Tatsächlich ist demgegenüber der Neubauwert von 375.000 DM für das Jahr 1995 zugrundegelegt worden, was unter Berücksichtigung des Bauindexes von 20,46 zu der vertraglich vereinbarten Versicherungssumme von 18.800 M Wert 1914 führte.

1.

Zu Unrecht ist das Landgericht allerdings zunächst davon ausgegangen, die Beklagte könne sich bereits nach § 16 Nr. 3 b) und c) VGB 88 nicht auf die Unterversicherung berufen.

a)

Gem. § 16 Nr. 3b) VGB 88 gilt in der gleitenden Neuwertversicherung die Versicherungssumme 1914 als richtig ermittelt - mit der Folge des Unterversicherungsverzichtes gem. § 16 Nr. 4 VGB 88, wenn der Versicherungsnehmer im Antrag den Neuwert in Preisen eines anderes Jahres zutreffend angibt und der Versicherer diesen Betrag auf seine Verantwortung umrechnet. Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor. Vielmehr ist im Versicherungsantrag bei der Rubrik "Die Versicherungssumme in M 1914 wurde ermittelt" das Feld "aus dem Neubauwert von ... des Jahres" gerade nicht angekreuzt, sondern von dem Zeugen ####### handschriftlich das Feld "Angaben VN" hinzu gefügt worden. Auch die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, dass der Kläger dem Zeugen ####### den Neubauwert von 375.000 DM gerade bezogen auf das Jahr 1985 mitgeteilt hat. Der Zeuge ####### hat vielmehr angegeben, die Eintragung in dem Antrag habe den Wert wiedergegeben, den das Objekt zu diesem Zeitpunkt nach den Angaben des Kläger gehabt haben soll. Entsprechend erkläre sich die Differenz der im Versicherungsschein von 1986 angegebenen Summe von 263.000 DM und der im Antrag vom 15. Dezember 1995 angegebenen Summe von 375.000 DM aus dem veränderten Baukostenindex. Auch der Kläger selbst hat in seiner Anhörung lediglich erklärt, er habe eine 100%ige Absicherung seines Hauses gegen Schäden gewünscht. Wie es zu der Eintragung der 375.000 DM gekommen sei, könne er nicht sagen.

b)

Auch ein Fall des § 16 Nr. 3c) VGB 88 liegt nicht vor. Dieser setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer Antragsfragen nach Größe, Ausbau und Ausstattung des Gebäudes zutreffend beantwortet und der Versicherer hiernach die Versicherungssumme 1914 auf seine Verantwortung berechnet. Das hierfür vorgesehene Feld "nach Gebäudetyp, Ausstattung, Fläche ... qm" in der Rubrik "Die Versicherungssumme in M 1914 wurde ermittelt" ist indessen ebenfalls im Antrag nicht angekreuzt. Auch der Kläger hat selbst nicht behauptet, dass eine derartige Abklärung stattgefunden hat.

Insoweit zutreffend ist deshalb auch auf dem ersten Blatt des Versicherungsantrages angegeben, dass ein gleitender Neuwert ohne Unterversicherungsverzicht vereinbart wurde.

2.

Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich jedoch aus einem anderen Grunde als richtig (§ 561 ZPO analog). Dem Kläger steht gegen die Beklagte nämlich ein Schadensersatzanspruch wegen unterlassener bzw. fehlerhafter Beratung anläßlich des Abschlusses des (Folge)Vertrages vom 20. Dezember 1995 und der damit verbundenen Angabe des Neubauwertes aus Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) zu, den sie der Beklagten dergestalt entgegenhalten kann, dass dieser die Berufung auf die Unterversicherung verwehrt ist.

a)

Zwar ist es grundsätzlich Sache des Versicherungsnehmers, den Wert der zu versichernden Sache anzugeben und für ausreichenden Versicherungsschutz zu sorgen (OLG Frankfurt/M. VersR 2002, 1022f.; OLG Koblenz r+s 1997, 93, 94; OLG Köln r+s 1997, 30, 31; OLG Hamm VersR 1996, 93, 94;1992, 49, 50). Der Versicherungsnehmer, der in aller Regel besser über die zu versichernden Sachen informiert ist als der Versicherer, hat daher selbst gegenüber dem Versicherer anzugeben, in welchem Umfang und mit welcher Versicherungssumme er ein bestimmtes Risiko abzudecken wünscht.

Allerdings unterliegt das Versicherungsvertragsverhältnis in besonderem Maß den Geboten von Treu und Glauben. Voraussetzung für die dem Versicherungsnehmer obliegende Verantwortung hinsichtlich der Angabe des Neubauwertes und der danach zu berechnenden Versicherungssumme in der Feuerversicherung ist indessen, dass der Versicherungsnehmer weiss, welche Werte für die Versicherung maßgebend sind (Neuwert/gleitender Neuwert/Zeitwert/gemeiner Wert), wie die Versicherungssumme zeitlich bestimmt wird (Umrechnung des Neubauwertes entsprechend dem Baukostenindex auf das Jahr 1914) und welche Gefahren bei einer vom Versicherungsnehmer lediglich abgegebenen Schätzung eines bestimmten Betrages bestehen (OLG Koblenz, a.a.O.). Hierbei spielt es auch eine Rolle, ob und inwieweit der Versicherungsnehmer aufgrund seiner Vorbildung und beruflichen Stellung überhaupt selbst in der Lage ist, sachgerechte Angaben zum Neuwert zu machen. Hieraus folgt, dass der Versicherer den Versicherungsnehmer bei der Bestimmung des Versicherungswertes auf der Basis des Neuwertes 1914 auf die Schwierigkeiten der richtigen Festsetzung und die Gefahren einer falschen Festsetzung hinzuweisen hat (BGH VersR 1989, 472, 473; Urteil des Senats vom 3. März 1994 - 8 U 58/93, in: VersR 1995, 333; OLG Koblenz, OLG Köln, OLG Hamm a.a.O.).

Zu einer ordnungsgemäßen Belehrung gehört deshalb grundsätzlich auch der Hinweis, dass ein im Bauwesen nicht sachverständiger Versicherungsnehmer mit der Bestimmung des Versicherungswertes 1914 in aller Regel überfordert sein wird und es sich deshalb empfehlen kann, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Dieser Hinweispflicht kann der Versicherer auch dadurch genügen, dass er dem Versicherungsnehmer seine eigene sachkundige Beratung anbietet (BGH, OLG Celle, a.a.O.).

b)

Diesen Verpflichtungen ist die Beklagte, die sich das Verhalten ihres Versicherungsagenten ####### gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss, nicht nachgekommen. Der Kläger hat in seiner Anhörung angegeben, er habe gegenüber dem Zeugen ####### bei der Antragsaufnahme erklärt, dass er eine volle Absicherung des Hauses wünsche. Dies sei auch der Grund für den von ihm gewünschten Besuch des Versicherungsvertreters gewesen. Er habe gegenüber dem Zeugen ####### klargemacht, dass sein Haus zu 100% gegen Schäden abgesichert sein solle. Der Zeuge ####### habe ihm dann erklärt, es könne nichts passieren. Im Kern werden diese Angaben des Klägers durch die Aussage des Zeugen ####### bestätigt. Hiernach hat der Kläger ihm gegenüber erklärt, er wolle das Haus 100%ig gegen Schäden abgesichert haben. Der Kläger habe ihm dann wohl die Summe von 375.000 DM genannt, die den Wert des Objekts zum Zeitpunkt der Eintragung in den Antrag darstellen sollte. Diese Summe habe er dann anhand des Baukostenindexes auf das Jahr 1914 umgerechnet.

Der Zeuge ####### hat damit die Angaben des Kläger zum Neubauwert des Hauses im Jahr 1995 ungeprüft und ohne weiteren Hinweis gegenüber dem Kläger in den Versicherungsantrag aufgenommen. Dieser enthielt indessen - wie oben dargelegt - gerade keinen Unterversicherungsverzicht. In dieser Situation hätte der Zeuge ####### den Kläger indessen ausdrücklich darauf hinweisen müssen, dass die Eintragung der Versicherungssumme auf sein Risiko erfolgt und die Gefahr der Unterversicherung in sich birgt, wenn sie sich als zu niedrig herausstellen sollte. Der Zeuge ####### hätte den Kläger deshalb darauf hinweisen müssen, dass eine korrekte Festlegung der Versicherungssumme etwa durch die Schätzung eines Sachverständigen oder eigene sachkundige Hilfe der Beklagten erfolgen kann.

Zumindest hätte der Zeuge ####### den Kläger aber danach befragen müssen, wie er denn überhaupt auf die Versicherungssumme von 375.000 DM gekommen ist und ob diese sich auf den aktuellen Neubauwert des Hauses 1995 oder nicht bereits auf den Wert im Zeitpunkt der Errichtung 1985 bezog. Hierzu bestand um so mehr Anlass, als in dem Versicherungsvertrag vom 6. Februar 1986 noch eine Versicherungssumme von 263.000 DM angegeben war. Der Zeuge ####### hat hierzu bekundet, diese Differenz zu der Angabe der 375.000 DM in dem Antrag vom 15. Dezember 1995 ergebe sich aus dem unterschiedlichen Baukostenindex. Tatsächlich ist der Zeuge #######, der nach seinen Angaben die Umrechnung der vom Kläger angegebenen Summe von 375.000 DM in die Versicherungssumme M 1914 vorgenommen hat, hier zu einer Versicherungssumme von 18.800 M 1914 gelangt. Genau dieselbe Versicherungssumme M 1914 ergab sich indessen bereits für den Vertrag vom 6. Februar 1986.

Diese identische Versicherungssumme M 1914 hätte dem Zeugen #######, der auch schon den ursprünglichen Vertrag vermittelt hatte, indessen auffallen müssen. Sie bedeutete in der Sache nämlich eine schlichte Fortschreibung des Vertrages von 1986 unter Anpassung an die höheren Baukosten entsprechend der gleitenden Neuwertversicherung. Hierzu wäre indessen der Abschluss eines neuen Vertrages überhaupt nicht erforderlich gewesen. Der Vertrag vom 6. Februar 1986 lief zwar zum 12. Januar 1996 aus, verlängerte sich nach den Vertragsbestimmungen jedoch stillschweigend um jeweils ein Jahr, wenn nicht spätestens drei Monate vor Vertragsablauf eine schriftliche Kündigung erfolgt. In dieser Hinsicht wäre also eine Aktualisierung des Vertrages überhaupt nicht erforderlich gewesen. Entgegen der Behauptung der Beklagten wurde auch keineswegs erstmals im Vertrag aus dem Jahre 1995 eine Versicherung zum gleitenden Neuwert vereinbart. Vielmehr ergibt sich aus den Versicherungsscheinen vom 6. Februar 1986 und vom 10. Oktober 1985, dass bereits damals eine Versicherung zum gleitenden Neuwert auf der Basis des Jahres 1914 vereinbart worden war.

Unter diesen Umständen machte deshalb der Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages für den Kläger überhaupt keinen Sinn, was auch dem Zeugen ####### hätte auffallen müssen. Er hätte deshalb beim Kläger nachfragen müssen, ob sich seit Abschluss des Vertrages im Jahre 1985/86 Änderungen am Haus durch bauliche Maßnahmen etc. ergeben hatten, die den Neuabschluss eines Vertrages erforderlich machten. Hierfür bestand insbesondere angesichts des vom Kläger geäußerten Wunsches einer 100%igen Absicherung Veranlassung. Angesichts dieser Nachfragepflicht kommt es deshalb auch nicht darauf an, ob die durchgeführten Baumaßnahmen dem Zeugen ####### ohnehin bekannt waren. Hierfür spricht immerhin seine Aussage, er habe mit der Familie des Klägers ständig in Kontakt gestanden, weil noch weitere Verträge bei der Beklagten liefen. Tatsächlich hatte die Beklagte zum Teil die Finanzierung des Objektes des Klägers übernommen, so durch zwei durch Grundschulden abgesicherte Darlehensgewährungen 1985 über 150.000 DM und 1987 über 20.000 DM.

Die Beklagte konnte auch nicht davon ausgehen, der Kläger werde schon selbst erkennen, dass sich in dem Vertrag von 1995 die Versicherungssumme gegenüber dem Vertrag aus dem Jahr 1986 in Wahrheit gar nicht geändert hatte, sondern für das Basisjahr 1914 jeweils übereinstimmend 18.800 M angegeben waren. Zwar ergibt sich aus dem Antragsformular, dass die Ermittlung der Versicherungssumme 1914 auf Angaben des Versicherungsnehmers beruht. Das ist indessen unzutreffend. Wie sich aus den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Zeugen ####### ergibt hat der Zeuge ####### jedenfalls die Umrechnung des ihm angegebenen Wertes von 375.000 DM auf das Jahr 1914 selbst vorgenommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass dem Kläger die Bedeutung dieser Angabe des Versicherungswertes 1914 bekannt gewesen wäre. Der Kläger, von Beruf Arbeiter, ist bau und versicherungstechnischer Laie. Von ihm kann ohne weitere Aufklärung nicht erwartet werden, dass ihm die Bedeutung der Angabe von Versicherungssummen zu bestimmten Zeitpunkten sowie die Umrechnung anhand des Baukostenidices auf das Jahr 1914 geläufig waren. Vielmehr treffen in den Fällen, in denen der Versicherer Versicherungsbedingungen verwendet, nach denen die Bestimmung des Versicherungswertes selbst für einen Fachmann schwierig ist, den Versicherer gesteigerte Hinweis und Beratungspflichten, wenn er gleichwohl die Bestimmung des Versicherungswertes wie hier - dem Versicherungsnehmer überläßt (BGH VersR 1989, 472, 473).

Dieser Hinweispflicht hat die Beklagte - wie oben dargelegt - nicht genügt.

c)

Rechtsfolge dieser Verletzung der Aufklärungspflicht durch die Beklagte ist, dass sie den Kläger so zu stellen hat, wie wenn er ordnungsgemäß beraten worden wäre. Dabei kann nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass ein Versicherungsnehmer einem entsprechenden Hinweis gefolgt und die Versicherungssumme dementsprechend höher festgesetzt worden wäre. Dies kann dann dazu führen, dass der Versicherer gehindert ist, sich auf die Unterversicherung zu berufen (BGH, a.a.O.). So liegt es hier. Dem Kläger ging es ersichtlich darum, eine vollständige Absicherung seines Hauses zu erreichen und nicht etwa darum, aus Kostengründen eine möglichst günstige Versicherung mit der Gefahr der Unterversicherung abzuschließen.

d)

Dem Kläger ist auch kein Mitverschulden gem. § 254 BGB anzulasten. Er hat aus seiner Sicht dem Versicherer alle erforderlichen Informationen zutreffend mitgeteilt und im übrigen erklärt, er wünsche eine vollständige Absicherung seines Hauses. Wenn der Versicherungsagent diese Angaben dann kommentarlos in den Antrag übernimmt und nicht auf die Gefahr einer Unterversicherung bei unzutreffendem Neuwert des Gebäudes hinweist, kann dies jedenfalls einem bau und versicherungstechnischen Laien wie dem Kläger nicht angelastet werden (vgl. auch Urteil des Senats vom 3.3.1994 - 8 U 58/93, in: VersR 1995, 333, 334; ferner OLG Koblenz r+s 1997, 93, 95). Wegen der Schwierigkeit der Berechnung des Versicherungswertes M 1914 kann es dem Kläger deshalb auch nicht zum Nachteil gereichen, dass er den identischen Wert von 18.800 M 1914 in den Verträgen vom 6. Februar 1986 und vom 20. Dezember 1995 hätte erkennen müssen.

e)

Der Kläger muss sich auf seinen somit dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf Zahlung der restlichen 59.690,77 EUR grundsätzlich zwar im Wege der Vorteilsausgleichung die ersparten höheren Versicherungsprämien anrechnen lassen, die er bei einer Versicherung mit der richtigen Versicherungssumme von Anfang an hätte zusätzlich bezahlen müssen (vgl. OLG Koblenz VersR 2001, 51, 53; r+s 1997, 93, 95). Die Beklage hat jedoch nicht dargelegt, welche Prämien für eine derartige Versicherung zu zahlen gewesen wären, so dass dem Senat insoweit eine Berechnung - auch unter Berücksichtigung des § 287 ZPO - nicht möglich ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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