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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 08.11.2000
Aktenzeichen: 9 U 4/00
Rechtsgebiete: GmbHG


Vorschriften:

GmbHG § 7 Abs. 2 S. 1
GmbHG § 9a
GmbHG § 16 Abs. 3
GmbHG § 19
Forderungen auf Leistung von Stammeinlagen können nicht unbeschränkt abgetreten oder gepfändet werden. Das ist jedoch dann möglich, wenn die Forderung, deretwegen gepfändet oder abgetreten wird, entweder 'vollwertig' ist oder wenn der Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt, anderes Vermögen als die Einlageforderung nicht mehr vorhanden ist und mit dem Auftreten anderer Gläubiger als dem durch Abtretung oder Pfändung begünstigten nicht mehr gerechnet werden muss
9 U 4/00

Verkündet am 8. November 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### und die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senats vom 31. Mai 2000 wird aufrecht erhalten.

Der Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckgbar.

Dem Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherleitsleistung von 150.000 DM abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Parteien können die Sicherheit durch eine schriftliche, unbedingte, unbefristete, unwiderrufliche und selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen Großbank, Volksbank oder öffentlichen Sparkasse erbringen.

Wert der Beschwer: über 60.000 DM.

Tatbestand:

Die Klägerin beansprucht vom Beklagten aus abgetretenem Recht die Einzahlung auf die Stammeinlage der jetzigen #######

Der Beklagte und ein Herr ####### gründeten die ####### mit einem Stammkapitel von 250.000 DM. Davon übernahmen der Beklagte 122.500 DM und ####### 127.500 DM. Beide traten ihren Geschäftsanteil in notariellen Verträgen vom 5. Oktober 1993 an den Ehemann der Klägerin ab. Sie erklärten wahrheitswidrig, die Stammeinlagen gezahlt zu haben. Der Ehemann der Klägerin benannte die Gesellschaft in ####### um.

Im August 1995 wurde das Konkursverfahren über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet.

Der Konkursverwalter erwirkte gegen den Ehemann der Klägerin am 12. März 1997 ein Urteil auf Zahlung von 100.000 DM nebst Zinsen. Alsdann erhob er gegen die Klägerin eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein dieser gehörendes Grundstück. Er vertrat die Ansicht, der Ehemann der Klägerin habe ihr dieses im Jahre 1994 in der Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, geschenkt (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 und § 4 Anfechtungsgesetz). Nunmehr kaufte die Klägerin vom Konkursverwalter dessen Forderungen gegen ihren Ehemann, den Beklagten und Herrn ####### für 40.000 DM.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klägerin könne von ihm nur Zahlung auf die Stammeinlage beanspruchen, wenn auch ihr Ehemann diesen Anspruch gehabt hätte. Das sei jedoch nicht der Fall, weil dieser zur Zeit der Abtretung gewusst habe, dass nichts gezahlt worden sei. Ihm sei bekannt gewesen, dass er - der Beklagte - nur als Strohmann für einen Herrn ####### aufgetreten sei. Deshalb habe der Ehemann der Klägerin auch kein Entgelt gezahlt. Die Abtretung sei darüber hinaus auch unwirksam, weil die Zahlung der 40.000 DM, die im Übrigen gar nicht nachgewiesen sei, kein vollwertiges Entgelt für den Erwerb der Forderungen gewesen sei.

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang unter Bezugnahme auf § 9 a Abs. 1, § 7 Abs. 2 S. 1 und § 16 Abs. 3 GmbH-Gesetz stattgegeben.

Der Beklagte hat frist- und formgerecht Berufung eingelegt. Diese ist durch ein Versäumnisurteil des Senats vom 31. Mai 2000 zurückgewiesen worden. Der Beklagte hat frist- und formgerecht Einspruch eingelegt.

Er vertritt weiterhin die Ansicht, die Abtretung sei mangels Vollwertigkeit der Leistung der Klägerin unwirksam. Der Konkursverwalter hätte von dem Ehemann der Klägerin weit über 100.000 DM erlangen können, wenn dieser sein Grundstück nicht auf die Klägerin übertragen hätte. Auch habe lediglich der Konkursverwalter die Abtretung erklärt; dass die Klägerin das Angebot angenommen habe, sei aus der Urkunde Bl. 25 d.A. nicht erkennbar. Ferner habe der Ehemann der Klägerin gewusst, dass er - der Beklagte - auf die Stammeinlage nichts gezahlt habe. Da aber seine Verpflichtung im Außenverhältnis fortbestanden habe und er sowie der Ehemann der Klägerin nunmehr als Gesamtschuldner hafteten, könne der unentgeltliche Erwerb in Kenntnis der Nichtzahlung auf die Stammeinlage nur dahin verstanden werden, dass der Ehemann der Klägerin im Innenverhältnis allein verpflichtet sei und den Beklagten von allen Ansprüchen auf Zahlung der Einlageforderung freizustellen habe. Die Durchsetzung der Forderung sei unter diesen Umständen gemäß § 242 BGB ausgeschlossen. Denn wenn er - der Beklagte - zur Zahlung verurteilt werde, könne er gegen den Ehemann der Klägerin infolge der Übertragung des Eigentums an dem Grundstück nicht mehr mit Erfolg Rückgriff nehmen.

Der Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil vom 31. Mai 2000 aufzuheben und die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Versäumnisurteil aufrecht zu erhalten.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Der Beklagte besitze keinen Rückgriffsanspruch gegen ihren Ehemann, weil dieser den Erwerb der Geschäftsanteile wegen arglistiger Täuschung angefochten habe. Er sei entsprechend der Erklärung des Beklagten in dem notariellen Vertrag davon ausgegangen, dass dieser der Gesellschaft die 122.500 DM zur Verfügung gestellt habe. Die Verpflichtung zur Zahlung von 40.000 DM sei vollwertig, weil die Einlageforderungen des Konkursverwalters nach handelsrechtlichen Grundsätzen nur noch mit einem Erinnerungswert von 1 DM hätten bewertet werden können. Abgesehen davon komme es hier auf die Vollwertigkeit gar nicht mehr an.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Versäumnisurteil des Senats ist aufrecht zu erhalten, weil die nunmehr zu erlassende Entscheidung mit der in dem Versäumnisurteil enthaltenen übereinstimmt (§§ 343 S. 1, 523 ZPO).

Der Beklagte nimmt nicht in Abrede, dass der Gesellschaft die Einlageforderung gegen ihn in Höhe von 122.000 DM zustand.

1. Wegen der in § 19 GmbH-Gesetz bestimmten Zweckbindung der Stammeinlagen zur Schaffung einer wirtschaftlichen Grundlage der Gesellschaft in deren eigenem Interesse und dem der Gesellschaftsgläubiger können Forderungen auf Leistung von Stammeinlagen nicht unbeschränkt abgetreten oder gepfändet werden. Das ist jedoch dann möglich, wenn die Forderung, deretwegen gepfändet oder abgetreten wird, entweder 'vollwertig' ist oder wenn der Geschäftsbetrieb endgültig eingestellt, anderes Vermögen als die Einlageforderung nicht mehr vorhanden ist und mit dem Auftreten anderer Gläubiger als dem durch Abtretung oder Pfändung begünstigten nicht mehr gerechnet werden muss (Gummert in Münch. Handbuch des Gesellschaftsrechts, Bd. 3, § 51 Rdn. 58 f. m.w.N.).

Es spricht alles dafür, dass die der Gesellschaft als Gegenleistung für die Abtretung zugeflossenen 40.000 DM eine im Vergleich zum Wert der Einlageforderungen 'vollwertige' Leistung waren.

Der Beklagte vertritt selbst die Auffassung, dass die gegen die Altgesellschafter, also auch die gegen ihn gerichtete Forderung wertlos gewesen sei, weil 'diese auf absehbare Zeit außer Stande sind, die Einlageforderung zu erfüllen' (S. 2 der Berufungsbegründung). Im Übrigen behauptet er substanzlos, dass die Anfechtungsklage Erfolg gehabt hätte (S. 3 a.a.O.). Der Anfechtungsprozess ist - soweit erkennbar - wegen der Abtretung der Forderungen gegen Zahlung von 40.000 DM nicht durchgeführt worden. Es ist also nicht geklärt worden, ob ein Anfechtungsgrund bestand. Ferner besaß der Konkursverwalter ein weites Ermessen bei der Abwicklung des Verfahrens:

Wie sich aus dem Grundstücksübertragungsvertrag vom 18. Februar 1994 ergibt, war das früher dem Ehemann der Klägerin gehörende Grundstück mit vorrangig zu befriedigenden Grundschulden in Höhe von 230.000 DM (vermutlich nebst Zinsen) belastet und der Geschäftswert des Grundstücksübertragungsvertrages betrug (nur) 250.000 DM, sodass es für den Konkursverwalter zweifelhaft sein konnte, ob ihm bei einer Zwangsversteigerung, bei der erfahrungsgemäß der Verkehrswert nicht selten bei Weitem nicht bezahlt werden muss, nach den vorrangig zu befriedigenden Forderungen überhaupt noch 40.000 DM zufließen würden (vgl. auch den Schriftsatz der Klägerin vom 28. April 2000). Auch die Zwangsversteigerung hätte weitere Kosten verursacht. Der Senat hat die maßgebenden Gesichtspunkte in seinem Beschluss vom 20. September genannt. Einwendungen hat der Beklagte dagegen nicht erhoben.

Unter diesen Umständen steht ihm auch kein Gegenrecht unter dem Gesichtspunkt zu, dass die Klägerin etwa einen Rückgriffsanspruch gegen ihren Ehemann vereitelt hat (§ 242 BGB), denn es spricht nichts dafür, dass der Beklagte bei einem Rückgriff, der im Übrigen, wie noch ausgeführt werden wird, auch gar nicht in Frage kam, mehr als 40.000 DM hätte erzielen können.

Es mag sein, dass die Klägerin bei dem von ihr später vorgenommenen freihändigen Verkauf mehr als 40.000 DM zur Verfügung standen. Erfahrungsgemäß wird jedoch bei einem freihändigen Verkauf regelmäßig erheblich mehr erlöst als im Rahmen einer Zwangsversteigerung, sodass daraus nichts für eine mangelnde Vollwertigkeit der Gegenleistung der Klägerin hergeleitet werden kann. Die Erwägungen des Beklagten auf Seite 2 seines Schriftsatzes vom 18. Oktober 2000 sind nicht recht verständlich: für ihn bestand keine Möglichkeit, 'sich selbst durch Zahlung von 40.000 DM von seiner Verbindlichkeit über 100.000 DM zu befreien'. Abgesehen davon, dass er zu einer solchen Zahlung nicht in der Lage gewesen sein dürfte, war das nur der Klägerin auf Grund der insoweit vorliegenden besonderen Umstände möglich.

Eine Abtretung hat der Beklagte in I. Instanz ebenso wie die Klägerin mehrfach vorgetragen (S. 2 und 5 des Schriftsatzes vom 13. November 1998; S. 4 der Klageerwiderung; S. 3 des Schriftsatzes vom 15. Juli 1999). Mit diesem übereinstimmenden Vorbringen haben die Parteien in I. Instanz mündlich verhandelt. Damit ist das schriftliche Geständnis zu einem gerichtlichen (§ 288 ZPO) geworden. Dieses behält seine Wirksamkeit auch für das Berufungsverfahren (§ 532 ZPO). Die Abtretung (Rechtsnachfolge) ist ein geständnisfähiger Rechtsbegriff (vgl. OLG Hamm OLGR 1995, 50).

2. Es ist nicht von Belang, ob dem Ehemann der Klägerin bekannt war, dass der Beklagte auf die Stammeinlage nichts gezahlt hatte. Denn die Klägerin klagt nicht aus abgetretenem Recht ihres Ehemanns, sondern aus abgetretenem Recht der Gesellschaft. Im Übrigen hat der Beklagte nicht substantiiert, dass der Ehemann der Klägerin - wenn dieser gewusst hat, dass der Beklagte noch nichts auf die Einlageforderung gezahlt hat - im Innenverhältnis zur Aufbringung der Stammeinlage verpflichtet war. Denn sowohl der Beklagte als auch der Ehemann der Klägerin waren Strohmänner für Herrn ####### (S. 3 der Klageerwiderung und S. 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 30. März 1999). Der Beklagte hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehemann der Klägerin anders als er kein Strohmann sein werde. Unstreitig hat er mit dem Ehemann der Klägerin gar nicht über den Verkauf des Geschäftsanteils verhandelt. Es sprach also aus der Sicht des Beklagten alles dafür, dass nunmehr der Ehemann der Klägerin an seiner Stelle (lediglich) im Außenverhältnis die Rechte und Pflichten des Gesellschafters übernehmen werde.

Der Beklagte hat ferner in seinem Schreiben an den Konkursverwalter vom 29. Mai 1995 ausgeführt, dass ihm bekannt gewesen sei, dass Herr ####### 'der Vermittler und Macher der Firma' gewesen sei, und dass ihm - dem Beklagten - der Ehemann der Klägerin 'als Nachfolger' vorgestellt worden sei. Dass dieser dann keine andere rechtliche Stellung in dem Unternehmen erhalten sollte als der Beklagte, war danach selbstverständlich.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 und 108 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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