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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 21.06.2000
Aktenzeichen: 9 U 9/00
Rechtsgebiete: BGB, GG, Nds. StrG, HpflG


Vorschriften:

BGB § 839
GG Art. 34
Nds. StrG § 10
HpflG § 2
1. Die verschuldensunabhängige Haftung des Inhabers einer Wasserrohrleitungsanlage im Sinne des § 2 Abs. 1 HPflG gilt nur für Schäden, die auf die Wirkungen des in einem Rohrleitungssystem aufgenommenen Wassers zurückzuführen sind. Dies ist nicht der Fall, wenn aufgrund einer Funktionsstörung Wasser nicht mehr aufgenommen wird und dieses Wasser Ursache für den eingetretenen Schaden des Anspruchstellers ist.

2. Zur Verkehrssicherungspflicht des Straßenbaulastträgers, einen ordnungsgemäßen Wasserabfluss von der Fahrbahnoberfläche zu gewährleisten.


9 U 9/00

Verkündet am 21. Juni 2000

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ####### sowie die Richter am Oberlandesgericht ####### und ####### auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2000 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das am 25. November 1999 verkündete Urteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurück-gewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden - insoweit auch unter Änderung der landgerichtlichen Kostenentscheidung - dem Kläger zu 1 zu 4/6, der Klä-gerin zu 2 zu 1/6 und der Klägerin zu 3 zu 1/6 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Wert der Beschwer für die Kläger: unter 60.000 DM.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist unbegründet.

Den Klägern steht gegen das beklagte Land weder ein Schadensersatzanspruch nach den Vorschriften des Haftpflichtgesetzes noch ein solcher wegen der Verlet-zung einer dem beklagten Land obliegenden Verkehrssicherungspflicht zu.

1. Ein Schadensersatzanspruch nach § 2 HpflG setzt voraus, dass der Scha-den entweder durch die Wirkungen von Flüssigkeit entstanden ist, die von der Rohrleitungsanlage oder einer Anlage zur Ableitung von Flüssigkeit ausgehen (sog. Wirkungshaftung), oder dass der Schaden, ohne auf den Wirkungen der Flüssigkeit zu beruhen, auf das Vorhandensein der Anlage zurückzuführen ist (sog. Zustandshaftung). Hier kommt allein die Wirkungshaftung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Haftpflichtgesetzes in Betracht, da der Schaden auf dem von dem Gully nicht mehr aufgenommenen Regenwasser beruht.

Die Voraussetzungen der Wirkungshaftung sind hier aber nicht erfüllt, weil von der typischen Gefahr im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 HpflG bei dem hier gegebenen Sachverhalt nicht ausgegangen werden kann. Diese Vorschrift normiert eine verschuldensunabhängige Haftung des Inhabers einer Wasserrohrleitungsanlage nur für Schäden, die gerade auf die Wirkungen des in einem Rohrleitungssystem auf-genommenen, dort gesammelt weitergeleiteten und alsdann von der Anlage aus-gehenden Wassers zurückzuführen sind. Es muss demnach ein Zusammenhang mit der Funktion der Anlage, nämlich dem Transport oder der Abgabe des Was-sers, bestehen, und ebendies, nicht eine Störung der Funktion, muss den Scha-den verursacht haben (BGH NJW 1991, 2635 m. w. N.; BGH VersR 1992, 58; OLG Düsseldorf, OLGR Düsseldorf 1994, 203). Danach scheidet ein Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 HpflG aus.

2. Den Klägern steht auch kein Anspruch gemäß §§ 839 Abs. 1 BGB, Artikel 34 GG i. V. m. § 10 Abs. 1 Nds. StrG zu.

Allerdings trägt das beklagte Land für den Bereich der Bundesautobahn, in dem es zu dem Unfall gekommen ist, die Straßenbaulast; es hat daher in Ausübung hoheitlicher Tätigkeit für die Erhaltung der Verkehrssicherheit zu sorgen. Als Straßenverkehrssicherungspflichtiger muss das Land den sicheren Zustand aller Teile und Anlagen der Straße gewährleisten. In diesem Rahmen obliegt es ihm auch, für einen Abfluss des Regenwassers Sorge zu tragen.

Die Klage scheitert aber daran, dass die Kläger den ihnen obliegenden Beweis dafür, dass das beklagte Land diese ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat, nicht führen können.

Die Kläger haben sich zunächst auf die Behauptung beschränkt, dass das beklag-te Land seine Verpflichtung zur Überwachung eines ordnungsgemäßen Zustandes der in den Abwasserschächten befindlichen Siebe - und damit zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Wasserabflusses von der Fahrbahnoberfläche - nicht ord-nungsgemäß erfüllt habe. Dies war zunächst ausreichend, weil den Klägern ein weiterer Vortrag hierzu nicht möglich war. Vielmehr war es nach den vom Bundes-gerichtshof entwickelten Grundsätzen zur sekundären Darlegungslast (vgl. etwa BGHZ 86, 23 ff.; BGHZ 100, 190 ff.; BGH NJW 1987, 1201; BGH NJW 1999, 714 f) nunmehr Aufgabe des beklagten Landes, hierzu näher vorzutragen. Nach diesen Grundsätzen ist es in bestimmten Fällen Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei zu äußern. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich - wie hier - die maßgeblichen Vorgänge im Wahrnehmungsbereich des Prozessgegners abgespielt haben und es diesem zumutbar ist, dazu nähere An-gaben zu machen (BGH a. a. O.). Dem hat das beklagte Land dadurch Rechnung getragen, dass es vorgetragen hat, dass die Siebe der Abflussschächte dreimal jährlich gereinigt werden und überdies nach einem feststehenden Plan die Auto-bahnen im Bereich des beklagten Landes täglich durch so genannte Strecken-fahrten kontrolliert werden. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass die Verkehrssicherungspflicht nur im Rahmen des tatsächlich und finanziell Möglichen erforderlich und zumutbar ist und des weiteren Umstandes, dass keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es im Bereich der Unfallstelle weder zu ver-gleichbaren Vorfällen gekommen war noch bei den täglichen Streckenfahrten Unregelmäßigkeiten festgestellt worden sind, hält der Senat diese Maßnahmen des beklagten Landes zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht ausreichend.

Da die Kläger keinen Beweis dafür angetreten haben - der Leiter der zuständigen Autobahnmeisterei ist namentlich bekannt, weitere etwa zuständige Bedienstete müssten vom Land benannt werden -, dass das beklagte Land diese zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht erforderlichen Maßnahmen nicht durchgeführt hat, ist nicht feststellbar, dass das beklagte Land die ihm obliegende Sicherungspflicht verletzt hat. Ein Anscheinsbeweis kommt den Klägern hier nicht zugute. Selbst wenn man noch häufigere Kontrollen der Abflüsse verlangte, verbliebe die Mög-lichkeit, dass ein Sieb im Verlaufe einiger Wochen allmählich verstopfte, ohne dass das Land hieran ein Verschulden träfe; Überprüfungen sämtlicher Gullys auf den Autobahnen im Abstand weniger Wochen sind weder erforderlich - nicht abfließende größere Wasserlachen nach starken Niederschlägen sind bei den regelmäßigen Streckenkontrollen erkennbar - noch zumutbar.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1; 708 Nr. 10, 713; 546 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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