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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 21.09.1999
Aktenzeichen: 26 U 10/99
Rechtsgebiete: BGB, StPO, StGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 249
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 847
StPO § 170 Abs. 2
StGB § 847
StGB § 823 Abs. 2
StGB § 164 Abs. 1
StGB § 239 Abs. 1
StGB § 25 Abs. 1 Satz 1
StGB § 186
ZPO § 91
ZPO § 344
ZPO § 331 Abs. 1
ZPO § 331 Abs. 2
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 1
Leitsatz

Wer bei einer Strafanzeige andere nicht vorsätzlich falsch belastet und auch nicht leichtfertig falsche Angaben macht, genießt den Schutz des § 193 StGB und haftet dem Beschuldigten auch nicht auf Ersatz von dessen durch das Strafverfahren verursachten Auslagen und auf Schmerzensgeld.


OLG Düsseldorf Urteil 21.09.1999 - 26 U 10/99 - 4 O 120/98 LG Wuppertal

hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 31. August 1999 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht N., die Richterin am Oberlandesgericht W. und den Richter am Oberlandesgericht Dr. S. für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 16. Dezember 1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal - 4 O 120/98 - abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Das am 22. Juli 1998 verkündete Teilversäumnis- und Endurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal wird aufgehoben, soweit die Beklagte zur Zahlung von 4.872,40 DM nebst 4% Zinsen seit dem 09. 04. 1998 verurteilt worden ist. Auch insoweit wird die Klage abgewiesen. Im übrigen bleibt das Teilversäumnis- und Endurteil aufrechterhalten.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch, weil ihn diese zu Unrecht ihrer Vergewaltigung bezichtigt habe.

In der Nacht vom 6. auf den 7. Oktober 1996 erstattete die Beklagte auf dem Polizeirevier in Bergisch-Gladbach Strafanzeige wegen Vergewaltigung. Sie gab an, bereits am Donnerstag, den 3. 10. 1996, sei ihr an einer Tankstelle in Bergisch-Gladbach ein ihr bis dahin unbekannter Mann aufgefallen. Dieser habe sie mit seinem VW Golf von der Tankstelle bis zu ihrer Arbeitsstelle in dem Altenheim S. S. in R. verfolgt. Der Mann habe sie auf der ganzen Strecke öfter überholt und sei ihr auch gefolgt, wenn sie absichtlich falsch gefahren sei. Auf dem Parkplatz vor dem Altenheim sei der Mann schließlich ausgestiegen und habe sich als M. K. vorgestellt. Er habe angegeben, daß er sie in R. schon öfter beobachtet habe und nun kennenlernen wolle. Nachdem sie ein Treffen unter Hinweis auf ihre Freundschaft mit dem Zeugen A. abgelehnt habe, habe der Mann sich schließlich entfernt. Am Morgen des 6. 10. 1996 sei sie dann von ihrer Wohnung in R. aus zum Frühdienst aufgebrochen. Sie habe das Altenheim gegen 5.30 Uhr erreicht. Nachdem sie ihren Wagen auf dem Parkplatz abgestellt und den Fußweg zum Gebäude angetreten habe, sei sie von hinten an die Schulter gefaßt worden. Sie habe sich umgedreht und hinter sich den Mann, der sie am Donnerstag verfolgt und angesprochen habe, eindeutig wieder erkannt. Dieser habe sie am rechten Arm festgehalten und verlangt, daß sie ihm eine Chance zum Kennenlernen gebe. Sie habe erwidert, daß er sie in Ruhe lassen solle, sich losgerissen und mit dem Ellbogen nach dem Mann gestoßen. Sofort habe er ihr einen Schlag ins Gesicht versetzt, worauf ihre Unterlippe angeschwollen sei. Sie habe gleichwohl weglaufen wollen, sei aber gestolpert. Der Mann habe sie darauf auf den Rücken gedreht und sich auf sie gekniet. Er habe ihre Weste aufgerissen, dann aber von ihrem Oberkörper abgelassen. Stattdessen habe er ihre Hose geöffnet und die Jeans zusammen mit der Unterhose heruntergezogen. Mit seiner linken Hand habe er ihre Handgelenke umklammert, mit der rechten die eigene Hosenleiste aufgezogen und sein erigiertes Glied herausgeholt. Sie habe deutlich fühlen können, daß der Mann mit seinem Penis in ihre Scheide eingedrungen sei. Dies sei jedoch nur kurz gelungen, da sie die rechte Hand habe freibekommen und den Mann ins Gesicht schlagen können. Dieser sei darauf zurückgeschreckt. Sogleich habe sie beide Beine angezogen und mit beiden Füssen gegen seinen Oberkörper getreten. Sie habe sich dann hochgerappelt, die Hose hochgezogen und sei zum Haupteingang gelaufen. Dort habe sie zunächst ihre Kleidung geordnet und sei dann zur Station gegangen. Sie sei im Schock gewesen und habe während des Dienstes niemanden von dem Vorfall erzählt. Erst abends habe sie ihrem Freund das Geschehene eröffnet, der sie zunächst zu seinem Bruder, dem Chirurgen Dr. A. und dann auf das Polizeirevier begleitet habe.

Aufgrund der Angaben der Beklagten ermittelte die Polizei den Kläger als Halter des Golfes, der der Beklagten am 03. 10. 1996 nachgefahren sein sollte. Kriminalbeamte suchten den Kläger am 07. 10. 1996 gegen 6.45 Uhr in dessen Wohnung auf und nahmen ihn, nachdem sie festgestellt hatten, daß sein Aussehen auch der näheren Täterbeschreibung entsprach, vorläufig fest. Bei einer Wahlgegenüberstellung identifizierte die Beklagte den Kläger noch am selben Tage als den Täter. Der Kläger, der bis dahin geschwiegen hatte, räumte darauf ein, daß er der Beklagten am 03. 10. 1996 an der Tankstelle begegnet sei und sie danach auf seiner Fahrt durchs bergische Land mehrfach gesehen habe. Er bestritt aber, sie verfolgt, mit ihr vor dem Altenheim gesprochen und - insbesondere - ihr dort am 06. 10. 1998 aufgelauert zu haben. Die Ehefrau des Klägers gab an, daß der Kläger zur Tatzeit zuhause gewesen sei. Die Staatsanwaltschaft beantragte gleichwohl Haftbefehl, der am 08. 10. 1996 auch erlassen, dessen Vollzug aber mit Beschluß vom gleichen Tage im Hinblick auf die festen sozialen Bindungen des Klägers ausgesetzt wurde.

Die weiteren Ermittlungen erhärteten den Tatverdacht nicht. Eine Nachbarin des Klägers bestätigte, diesen am 06. 10. 1996 um 8.00 Uhr morgens noch im Schlaf- oder Hausanzug beim Frühstück gesehen zu haben. Ein rechtsmedizinisches Gutachten, das die Staatsanwaltschaft eingeholt hatte, kam zwar zu dem Ergebnis, daß die diagnostizierten Verletzungen der Beklagten mit deren Schilderung des Tathergangs übereinstimmten, eine Untersuchung des LKA förderte jedoch keine Spuren des Klägers an der Kleidung der Beklagten zutage. Überdies waren an den untersuchten Kleidungsstücken keine Spuren des Tatortes zu finden. Nachdem die Beklagte selbst am 12. Dezember 1996 auf dem Polizeipräsidium erschienen war und erklärt hatte, sie habe seit dem Vorfall mehrfach in der Nähe des Altenheims einen Mann gesehen, der dem Kläger sehr ähnlich sehe, und eine Verwechslung jedenfalls bezüglich des Angriffs am 06. 10. 1996 nicht mehr ausschließen wollte, wurde das Verfahren gegen den Kläger (12 Js 954/96 StA Wuppertal) mit Verfügung vom 20. 12. 1996 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und der Haftbefehl mit Beschluß vom 23. 12. 1996 aufgehoben.

Der Kläger erstattete darauf Strafanzeige gegen die Beklagte (12 Js 261/97 StA Wuppertal). Dieses Verfahren wurde ebenfalls gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Die Staatsanwaltschaft sah keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte den Kläger vorsätzlich falsch beschuldigt hätte. Die Beschwerde des Klägers gegen die Einstellungsverfügung blieb ohne Erfolg.

Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte sei ihm jedenfalls zum Ersatz seines durch die Freiheitsentziehung verursachten Schadens verpflichtet. Er hat vorgetragen, nach dem objektiven Befund des Gutachtens des Landeskriminalamtes könne das von der Beklagten angezeigte Tatgeschehen nicht nachvollzogen werden. Daher sei davon auszugehen, daß die Tat so nicht geschehen sei. Die Beklagte habe ihn damit mindestens fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich aus nicht nachvollziehbaren Motiven einer Strafverfolgung ausgesetzt. Ihm sei infolge der falschen Beschuldigung folgender - im einzelnen nicht bestrittener - Schaden entstanden:

1. Anwaltskosten für seine Verteidigung gemäß Honorarvereinbarung vom 7. 10. 1999 3.000,-- DM

2. Auslagen für das Taxi, das seine Ehefrau am 7. 10. 1996 für die Fahrt von R. zur Polizei nach Bergisch-Gladbach in Anspruch genommen habe, 20,00 DM

3. Kosten der Fahrt von R. nach Wuppertal, die seine Ehefrau am 7. 10. 1996 ausgeführt habe, um im Polizeipräsidium Kontakt mit ihm aufnehmen zu können; 125 km a 0,52 DM = 65,00 DM

4. Hotelkosten 144,00 DM

Er habe am 7. bis 9. Oktober beruflich an einem Seminar in Würzburg teilnehmen sollen. Zu diesem Zweck habe er vor seiner Inhaftierung im D.-Hotel ein Zimmer gebucht. Da er dieses Zimmer erst am 8. 10. 1996 habe stornieren können, habe er die Übernachtung vom 7. auf den 8. 10. 1996 zahlen müssen.

5. Telefonkosten - pauschal 40,00 DM

Zudem hat der Kläger wegen Freiheitsberaubung, Rufschädigung und Verhinderung der beruflichen Weiterbildung ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 DM verlangt.

Der Kläger hat daher zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.331,40 DM nebst 4% Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

Nachdem die Beklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung in der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 1998 nicht erschienen war, hat das Landgericht Wuppertal durch Teilversäumnis- und Endurteil vom 22. Juli 1998 der Klage in Höhe von 4.872,40 DM stattgegeben und sie im übrigen abgewiesen. Zur Begründung der Teilabweisung hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger könne lediglich die gesetzlichen Gebühren seiner Strafverteidigung, mithin statt 3.000,00 DM nur 1.541,00 DM, ersetzt verlangen. Darüber hinaus sei unter Berücksichtigung fehlender Darlegungen zu den weiteren Folgen der falschen Beschuldigung nur ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,-- DM angemessen.

Die Beklagte hat gegen das das Teilversäumnisurteil rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Sie hat vorgetragen, sie habe den Kläger nicht schuldhaft einer Strafverfolgung ausgesetzt. Daß sie den Kläger nicht vorsätzlich belastet habe, sei bereits in dem Strafverfahren (12 Js 261/97 StA Wuppertal) geklärt worden. Sie habe aber auch nicht fahrlässig gehandelt. Unter dem Eindruck des Erlebten und der damit verbundenen Schockwirkung habe sie möglicherweise unbewußt den Kläger, der ihr wegen seines Annäherungsversuches vom 03. 10. 1996 noch bildhaft vor Augen gestanden habe, wegen seiner Ähnlichkeit mit dem wahren Täter an dessen Stelle gesetzt. Eine derartige ¯Ausfüllung" sei im Bereich der Wahrnehmung kein ungewöhnliches Phänomen. Es würde die an sie zu stellenden Sorgfaltsanforderungen überspannen, wollte man verlangen, daß sie sich näher über die Täterschaft des Klägers habe vergewissern sollen. In jedem Falle müsse der Anspruch an einem überwiegenden Mitverschulden des Klägers scheitern, weil dieser durch seine Verfolgungsfahrt die Strafverfolgungsmaßnahmen mitverursacht habe.

Die Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 22. 07. 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger hat beantragt,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Mit Urteil vom 16. 12. 1998 hat das Landgericht das Teilversäumnisurteil vom 22. 07. 1998 aufrechterhalten. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1, 249 BGB und gemäß §§ 823 Abs. 1, 847 BGB ein Anspruch auf angemessenes Schmerzensgeld zu. Durch ihre Anzeige bei der Polizei habe die Beklagte in adäquater Weise verursacht, daß der Kläger in seiner Freiheit verletzt wurde, indem ihm für den Zeitraum seiner Inhaftierung die körperliche Bewegungsfreiheit entzogen wurde. Der Beklagte habe diese Rechtsgutverletzung auch schuldhaft, nämlich in fahrlässiger Weise verursacht. Nach dem Gutachten des LKA sei nämlich davon auszugehen, daß eine Vergewaltigung der Beklagten zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt nicht stattgefunden habe. Aufgrund der Analyse der Kleidungsstücke der Beklagten und des Inhalts der Aussagen der Arbeitskolleginnen sei es als erwiesen anzusehen, daß sich an dem frühen Morgen des 6. 10. 1996 das von der Beklagten geschilderte Geschehen nicht ereignet habe. Zwar sei es unter psychologischen Gesichtspunkten möglich, daß das Opfer einer Vergewaltigung eine falsche Person als Täter identifiziere; nicht nachvollziehbar sei es jedoch, daß die Beklagte einen Vorgang angezeigt habe, der - jedenfalls zu der von ihr genau angegebenen Zeit und an dem bezeichneten Ort - gar nicht stattgefunden habe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und binnen der Frist des § 519 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß begründete Berufung der Beklagten.

Die Beklagte meint, ein schuldhaftes Verhalten könne - entgegen der Ansicht des Landgerichts - nicht angenommen werden. Zu Unrecht habe das Landgericht aus dem Gutachten des LKA geschlossen, daß eine Vergewaltigung zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt nicht stattgefunden haben könne. Tatsächlich lasse das Gutachten diesen Schluß nicht zu. Davon abgesehen stehe das Gutachten im Widerspruch zu den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. R., durch die ihre Angaben erhärtet würden. Schließlich hätten alle Indizien für die Täterschaft des Klägers gesprochen. Aus dem Vermerk des Kriminalkommissars T. ergebe sich, daß dieser selbst die sichere Überzeugung gehabt hätte, daß der Kläger sie vergewaltigt habe.

Wenn aber auch ein erfahrener Kiriminalbeamter unter Abwägung aller Indizien zu dieser Überzeugung gelange, könne ihr keine Fahrlässigkeit angelastet werden.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wuppertal vom 16. 12. 1998 das Versäumnisurteil vom 22. 07. 1998 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist nunmehr der Ansicht, die Beklagte habe ihn wider besseren Wissens angezeigt. Dies ergebe sich daraus, daß die von der Beklagten behauptete Vergewaltigung zu dem von ihr behaupteten Zeitpunkt und an dem von ihr behaupteten Ort nicht stattgefunden habe. Dieser Tatsache stünden die Feststellungen des Sachverständigen R. nicht entgegen. Entscheidend sei, daß die Verletzungen am Sonntag, dem 6. 10. 1996 jedenfalls bis Dienstschluß um 14.00 Uhr noch nicht vorgelegen hätten. Zumindest die Platzwunde an der Lippe wäre nämlich den Mitarbeiterinnen der Beklagten, den Zeuginnen V. und K., aufgefallen. Insbesondere spreche gegen das von der Beklagten behauptete Geschehen aber das Gutachten des LKA, das an der Kleidung der Beklagten weder Schmutzmerkmale vom Tatort noch Spuren einer gewaltsamen Behandlung festgestellt habe.

Wegen der übrigen Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze sowie die überreichten Anlagen verwiesen. Die Akten 12 Js 954/96 und 12 Js 261/97, jeweils StA Wuppertal, waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

Die Berufung ist zulässig und begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte weder aus §§ 847, 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 164 Abs. 1, 239 Abs. 1, 25 Abs. 1 Satz 1, 186 StGB (1) noch aus §§ 847, 823 Abs. 1, 276 BGB (2) Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

1. Die Beklagte hat kein zugunsten des Klägers bestehendes Schutzgesetz verletzt.

a) Der Kläger hat nicht bewiesen, daß die Beklagte sich einer Straftat nach § 164 Abs. 1 StGB schuldig gemacht hat. Der von ihm vorgetragene Sachverhalt läßt unter Berücksichtigung der unstreitigen Ermittlungsergebnisse in dem gegen den Kläger eingeleiteten Strafverfahren nicht den sicheren Schluß zu, daß die Beklagte ihn wider besseren Wissens ihrer Vergewaltigung verdächtigt hat.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht nicht fest, daß die Vergewaltigung nicht zu dem von der Beklagten behaupteten Zeitpunkt stattgefunden hat. Dies ergibt sich weder aus dem in dem gegen den Kläger eingeleiteten Ermittlungsverfahren eingeholten Spurengutachten des Landeskriminalamts (LKA) vom 4. November 1996 noch aus den Aussagen der Zeuginnen V. und K., die in demselben Verfahren zu ihren Eindrücken von der Beklagten bei ihrem Zusammentreffen am Morgen des Tattages angehört worden sind.

Aus dem Gutachten des LKA vom 4. November 1996 ergibt sich allein, daß an der Kleidung, die die Beklagte zur Tatzeit getragen haben will, weder Spuren des Tatorts noch Spuren des Klägers festgestellt werden konnten. Daß derartige Spuren - die Richtigkeit der Angaben in der Strafanzeige unterstellt - hätten zwingend vorgefunden werden müssen, stellt die Sachverständige, die sich auftragsgemäß nur mit der Frage befaßt hat, ob sich Microspuren des damals beschuldigten Klägers an Kleidungsstücken der Beklagten finden ließen oder umgekehrt, nicht fest. Die Sachverständige hat in diesem Gutachten auch nicht festgestellt, daß das behauptete Tatgeschehen anhand der Kleidungsstücke nicht, sondern nur, daß es ¯kaum nachvollziehbar" ist. In der Tat ist, was das Fehlen von Tatortspuren an der Kleidung der Beklagten betrifft, die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß - soweit überhaupt Anhaftungen entstanden sind - diese zum Zeitpunkt der Untersuchung wieder abgefallen oder beseitigt worden waren. Diese Möglichkeit erscheint hier deshalb nicht fern zu liegen, weil die Kleidung von der Beklagten noch den gesamten Tag nach der Tat getragen wurde und erst am Abend des 7. 10. 1996 sichergestellt werden konnte.

Die Tatsache, daß die Arbeitskolleginnen der Beklagten, die Zeuginnen V. und K. am Morgen des Tattages weder deren psychischen Zustand noch deren 0,5 cm große Platzwunde an der Unterlippe bemerkt haben, ist ebensowenig geeignet, die Unwahrheit der Darstellung der Beklagten zu beweisen. Der Zustand läßt sich auch erklären, wenn man - von dem Beklagtenvortrag ausgehend - annimmt, daß die Beklagte unter dem Eindruck der Tat einerseits und aus Scham andererseits es gerade darauf angelegt hat, unauffällig zu erscheinen, um das Interesse der Kolleginnen nicht zu wecken und peinliche Rückfragen zu vermeiden.

Der Senat vermag die gemäß § 286 ZPO erforderliche Überzeugung davon, daß die Beklagte den Kläger wider besseren Wissens angezeigt hat, umso weniger zu gewinnen, als eine Reihe anderer Ermittlungsergebnisse die Angaben der Beklagten bestätigt haben. So stimmen die von dem Chirurgen Dr. A. am Abend des 6. 10. 1996 konstatierten Verletzungen (Attest - 12 Js 954/96 StA Wuppertal, Bl. 41, Fotos Bl. 65 f.), wie sich aus dem rechtsmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. R. (12 Js 954/96 StA Wuppertal, Bl. 112 ff.) ergibt, mit den Angaben der Beklagten über den Tatverlauf überein. Zudem entsprach das Verhalten der Beklagten am 6. 10. 1996 nach Dienstschluß, so wie es die Zeugen S. (12 Js 954/96 StA Wuppertal, Bl. 69 f.), M. A. (12 Js 954/96 StA Wuppertal, Bl. 89, 92) und Dr. A. A. (12 Js 954/96 StA Wuppertal, Bl. 99) geschildert haben, sowie ihr Verhalten auf der Polizei (12 Js 954/96 StA Wuppertal, Bl. 9), wo sie weinend und aufgelöst erschien und nur mit Mühe in der Lage war, das Erlebte wiederzugeben, dem Bild eines Vergewaltigungsopfers. Schließlich hat auch der Kläger kein schlüssiges Motiv darlegen und unter Beweis stellen können, das der Beklagten Veranlassung gegeben haben könnte, über die Tat und den vermutlichen Täter bewußt unrichtige Angaben zu machen.

b) Eine Freiheitsberaubung in mittelbarer Täterschaft (§§ 239, 25 Abs. 1 Satz 1 StGB) ist der Beklagten ebensowenig nachweisbar. Ein tatbestandsmäßiges Handeln würde voraussetzen, daß die Beklagte die Ermittlungsbehörden bewußt und gewollt über die Täterschaft des Klägers getäuscht hätte, um dessen Festnahme zu erreichen. Auf einen derartigen Vorsatz kann aber nach den dargelegten Gesamtumständen nicht geschlossen werden.

c) Schließlich hat die Beklagte auch keine Straftat gemäß § 186 StGB begangen. Zwar hat sie mit der Angabe, der Kläger habe sie vergewaltigt, eine - nicht erweislich wahre - Tatsache behauptet, die geeignet ist, diesen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Die Anschuldigung ist aber in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt (§ 193 StGB) und mithin nicht rechtswidrig.

Die Anzeige einer Straftat liegt nicht allein im Interesse des Opfers, sondern auch im Interesse des Staates, der zur Wahrung seiner Rechtsordnung und zur Erhaltung des Rechtsfriedens in die Lage versetzt werden muß, Straftaten aufzudecken und zu verfolgen (vgl. RGSt 61, 400, 401; 66, 1; BVerfG NJW 1987, 1929). Zu diesem Zweck muß der einzelne den Ermittlungsbehörden sanktionslos auch seine Vermutungen und subjektiven Eindrücke offenbaren können, weil die Ermittlungsbeamten vielfach nur so Anhaltspunkte für ihre eigene Untersuchungstätigkeit und die Aufklärung der Straftat erhalten können. Das Interesse des Beschuldigten an der Vermeidung der konkreten Ehrverletzung hat bei der gemäß § 193 StGB notwendigen Güterabwägung vor diesem Allgemeininteresse grundsätzlich zurückzustehen. Allein wissentlich unwahre Angaben und leichtfertige Beschuldigungen sind von dem allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens und der Aufklärung von Straftaten nicht gedeckt (BVerfG NJW 1987, 1929; OLG Köln NJW 1997, 1247; Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl. 1999, § 193 Rdn. 15 m.w.Nw.; weitergehend Rudolphi in SK-StGB, § 193 Rdn. 17, der nur bewußt falsche Tatsachenbehauptungen zur Erhärtung eines Verdachts nicht gerechtfertigt nennt) und vermögen die Ehrverletzung nicht zu rechtfertigen. Solange ein Anzeigenerstatter also andere nicht vorsätzlich falsch belastet und auch nicht leichtfertig falsche Angaben macht, genießt er den Schutz des § 193 StGB und muß auch zivilrechtlich von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen freigestellt werden.

Hier hat der Kläger nicht nachgewiesen, daß die Beklagte ihn vorsätzlich oder leichtfertig zu Unrecht belastet hat. Auf eine vorsätzliche Falschbeschuldigung lassen, wie gesagt, weder das LKA-Gutachten noch der Umstand, daß die Zeuginnen V. und K. am Morgen nach der Tat die tatbedingten Veränderungen an der Beklagten nicht festgestellt haben, schließen. Leichtfertig aber wären die Angaben der Beklagten bei der Anzeigenerstattung und bei der Gegenüberstellung am 7. Oktober 1996 nur, wenn die Anzeige ohne erkennbaren Grund erstattet worden wäre (BVerfG NJW 1987, 1929) und die Beklagte tatsächlich keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt hätte, daß der Kläger der Täter gewesen ist (Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl. 1999, § 193 Rdn. 15; OLG Köln NJW 1997, 1248 jeweils m.w.Nw.). Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Es ist nicht auszuschließen, daß die Beklagte sich unter dem Eindruck der Tat geirrt und das flüchtige Bild, daß sie sich von dem Täter hat machen können, unbewußt durch Merkmale ergänzt oder ersetzt hat, die sie bei dem Kläger beobachtet hatte. Eine solche Fehlleistung erscheint umso näher liegend, als die Beklagte sich nach ihrer von dem Zeugen A. bestätigten Aussage von dem ihr unstreitig bis dahin unbekannten Kläger am 03. 10. 1996 verfolgt gesehen hatte. Solange aber nur die Möglichkeit besteht, daß die Beklagte den Kläger nur unbewußt falsch belastet hat, kann eine leichtfertige und damit rechtswidrige Rechtsgutsverletzung nicht festgestellt werden.

2. Die geltend gemachten Ansprüche lassen sich auch nicht auf §§ 847, 823 Abs. 1, 276 BGB stützen.

a) Die Beklagte hat durch ihre Aussage, der Kläger sei der Mann, der sie am 6. Oktober 1996 vergewaltigt habe, zwar die vorläufige Festnahme des Klägers verursacht und damit dessen Freiheit verletzt. Der Freiheitsentzug ist aber nicht rechtswidrig erfolgt.

Zwar indiziert in der Regel die Beeinträchtigung eines der in § 823 Abs. 1 BGB erwähnten absoluten Rechtsgüter die Rechtswidrigkeit der Tathandlung (BGHZ 24, 21). Der Bundesgerichtshof hat von diesem Grundsatz aber für den Fall eine Ausnahme gemacht, daß die Rechtsgutsverletzung durch Ingangsetzen und Betreiben eines gesetzlich geregelten Verfahrens begangen worden ist (BGH NJW 1979, 1351 ff.). In diesen Fällen genießt das schadensursächliche Verhalten angesichts seiner verfahrensrechtlichen Legalität zunächst die Vermutung der Rechtmäßigkeit (BGH NJW 1962, 243, 245; NJW 1979, 1351, 1352). Es bedarf dann der Darlegung besonderer Umstände, um die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung des Rechtsgutes zu begründen. Ist die Beeinträchtigung des Rechtsgutes durch eine Strafanzeige oder eine Zeugenaussage im nachfolgenden Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren verursacht, so sind derartige Umstände nur in Betracht zu ziehen, wenn die Freiheitsentziehung durch eine wissentliche oder zumindest leichtfertige Falschaussage des Anzeigenerstatters oder Zeugen veranlaßt wurde. Die Grenzen des Zulässigen verlaufen hier nicht anders als im Rahmen von § 193 StGB erörtert (BGH NJW 1960, 476; E. Helle, NJW 1961, 1896 f.). Wie dort bereits ausgeführt, kann hier aber weder festgestellt werden, daß die Beklagte den Kläger wissentlich, noch daß sie ihn leichtfertig fälschlicherweise belastet hätte.

b) Eine rechtswidrige Verletzung des von § 823 Abs. 1 als sonstiges Recht ebenfalls geschützten Persönlichkeitsrecht des Klägers scheidet aus denselben Erwägungen aus. Auch insoweit besteht eine Vermutung für die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten im Rahmen der Strafanzeige und des weiteren Ermittlungsverfahrens gemachten Angaben, die von dem Kläger nicht widerlegt worden ist.

Der Kläger kann daher von der Beklagten weder den geltend gemachten Vermögensschaden ersetzt noch Schmerzensgeld verlangen.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Veranlassung, der Beklagten gemäß § 344 ZPO die Kosten aufzuerlegen, die durch ihre Säumnis im Termin vom 22. Juli 1998 veranlaßt wurden, besteht nicht. § 344 ZPO setzt voraus, daß das Versäumnisurteil in gesetzlicher Weise ergangen ist. Dies wäre es im Hinblick auf § 331 Abs. 1 u. 2 ZPO nur, wenn das Vorbringen des Klägers in diesem Termin die Teilverurteilung gerechtfertigt hätte. Das Vorbringen in der Klageschrift rechtfertigte aber nicht die Annahme, die Beklagte habe den Kläger wissentlich oder zumindest leichtfertig falsch beschuldigt. Die Klage hätte daher bereits im Termin vom 22. Juli 1998 in vollem Umfange als unschlüssig abgewiesen werden müssen.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 546 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.

4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 4.872,40 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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