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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 20.03.2000
Aktenzeichen: 3 W 429/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 844
Nach § 844 ZPO ist das Vollstreckungsgericht auch dann nicht verpflichtet, einem Antrag auf Anordnung anderweitiger Verwertung stattzugeben, wenn bei Ablehnung des Antrags die Verwertung (zunächst) scheitert.

Wurde ein GmbH-Geschäftsanteil gepfändet und bereitet die Errechnung eines Mindestpreises erhebliche Schwierigkeiten, so kann die beantragte Versteigerung des Geschäftsanteils wegen der Gefahr der Verschleuderung des Schuldnervermögens abgelehnt werden.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

3 W 429/99 25 T 656/99 60 M 5943/97 AG Düsseldorf

In dem Zwangsvollstreckungsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluß der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 07.10.1999 unter Mitwirkung

am 20.03.2000

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Gläubigerin trägt die Kosten des dritten Rechtszuges.

Wert: 30.000,00 DM.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Lübeck vom 11. April 1995 wegen einer Hauptforderung in Höhe von 160.725,00 DM nebst Zinsen und Kosten. Sie hat wegen dieser Forderung unter anderem den angeblichen Anteil des Schuldners am Gesellschaftsvermögen der Drittschuldnerin gepfändet (Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 10.06.1997). Der Schuldner ist mit 49 % am Stammkapital der Drittschuldnerin beteiligt, die Gläubigerin mit 51 %. Die Gesellschaft befindet sich seit dem 01.01.1994 in Liquidation. Durch Beschluß des Amtsgerichts Lübeck vom 28.08.1996 wurde die Liquidatorin bestellt. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist die Kündigung des Gesellschaftsvertrages durch einen Gläubiger der Gesellschaft nicht vorgesehen. Die Auflösung der Gesellschaft kann nur einstimmig erfolgen.

Mit Antrag vom 23.04.1998 hat die Gläubigerin beantragt, die Verwertung des gepfändeten Geschäftsanteils des Schuldners durch Versteigerung anzuordnen. Sie hat ausgeführt, sie, die Gläubigerin selbst habe gegen die in Liquidation befindliche Drittschuldnerin eine Forderung von mehr als 900.000,00 DM. Demgegenüber stehe nur ein Restguthaben der Gesellschaft von etwas mehr als 400.000,00 DM. Unter diesen Umständen sei ein Restvermögen der Gesellschaft, das unter den Gesellschaftern zu verteilen wäre, nicht vorhanden. Der zu versteigernde Geschäftsanteil dürfte deshalb nur mit 0,00 DM zu bewerten sein. Sie selbst betreibe auch die Zwangsversteigerung in erster Linie, um den Geschäftsanteil selbst ersteigern zu können und auf diese Weise ohne langwieriges Prozeßverfahren die Gesellschaft endgültig zu liquidieren.

Der Schuldner ist dem Antrag der Gläubigerin entgegengetreten und hat ausgeführt, mit dem Antrag wolle die Gläubigerin verhindern, daß von ihr vorgenommene Manipulationen der Bilanzen 1993 und 1994 weiter aufgeklärt würden und die vom Schuldner bestrittene Forderung der Gläubigerin gegenüber der Drittschuldnerin weiter überprüft werde.

Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen vom 18.05.1999 mit Beschluß vom 21.06.1999 die Versteigerung des Geschäftsanteils des Schuldners an der Drittschuldnerin durch den zuständigen Gerichtsvollzieher gemäß § 844 ZPO angeordnet und den Wert des Geschäftsanteils mit 1,00 DM festgesetzt.

Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners hat das Landgericht mit dem angefochtenen Beschluß die Entscheidung des Amtsgerichts vom 21.06.1999 aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versteigerung des Geschäftsanteils zu einem Wert von 1,00 DM verstoße gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, und zwar auch dann, wenn es - aufgrund der verbindlichen Zusage der Gläubigerin, den Geschäftsanteil für 30.000,00 DM zu ersteigern - zu einem Versteigerungserlös von 30.000,00 DM komme. Denn die Forderung der Gläubigerin würde nur in geringem Umfang getilgt, während andererseits der Schuldner Gefahr liefe, für 1,00 DM bzw. für 30.000,00 DM seinen Geschäftsanteil zu verlieren, der möglicherweise - was im Zwangsvollstreckungsverfahren nicht geklärt werden könne - bedeutend mehr wert sei. Die Bewertung des Sachverständigen könne nicht zugrunde gelegt werden, da in dessen Gutachten eine wirkliche Wertermittlung des Gesellschaftsanteils mangels Überprüfung der Werthaltigkeit der gegen die Gesellschaft erhobenen Forderungen nicht erfolgt sei. Angesichts der erheblichen Differenzen zwischen Gläubigerin und Schuldner bezüglich des Wertes des Geschäftsanteils sei es der Gläubigerin zuzumuten, vor Verwertung des gepfändeten Geschäftsanteils die gesellschaftsinterne Auseinandersetzung im Wege des ordentlichen Prozeßverfahrens zu betreiben.

Gegen diese Entscheidung hat die Gläubigerin sofortige weitere Beschwerde eingelegt, der der Schuldner entgegentritt.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Der Antrag der Gläubigerin, gemäß § 844 ZPO die Versteigerung des Gesellschaftsanteils des Schuldners an der Drittschuldnerin anzuordnen, ist derzeit nicht begründet. Zunächst muß außerhalb des Zwangsvollstreckungsverfahrens geklärt werden, ob die Gläubigerin tatsächlich Forderungen in der behaupteten Größenordnung gegen die Drittschuldnerin hat.

Die Gläubigerin hat Forderungen gegen die Drittschuldnerin in Höhe von 931.000,00 DM behauptet, während der Schuldner vorgetragen hat, die Höhe der Forderungen liege um ca. 600.000,00 DM niedriger. Der Sachverständige hat die Forderungen in der von der Gläubigerin behaupteten Höhe seinem Gutachten zugrunde gelegt und ist aufgrund dessen, bei Aktiva der Gesellschaft in Höhe von 429.000,00 DM, zu einem voraussichtlichen Liquidationsfehlbetrag von 519.000,00 DM gekommen.

Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausdrücklich erklärt, die Höhe der der Gläubigerin zustehenden Forderungen nicht überprüft zu haben, da dies nicht Gegenstand seines Auftrags gewesen sei, wie er auch die Jahresabschlüsse der Gesellschaft für 1993 und 1994 nicht nachgeprüft habe. Seine Bewertung des Gesellschaftsanteils des Schuldners - symbolisch - mit 1,00 DM beruht auf der Gegenüberstellung von Gläubigerforderungen in Höhe von 931.000,00 DM mit den Aktiva in Höhe von 429.000,00 DM, weil der Sachverständige - zu Recht - davon ausgeht, daß in einer solchen Situation ein gedachter Erwerber bei seiner Preisvorstellung eher auf das Risiko einer höheren Verbindlichkeit abstellen würde als auf den nicht gesicherten Vorteil einer Verbindlichkeit nur in der vom Schuldner behaupteten Höhe; der gedachte Erwerber würde das Risiko einer weiteren Inanspruchnahme auf 598.000,00 DM so lange in sein Preiskalkül einbeziehen, als ihm nicht eine entsprechende Forderungsverzichtserklärung der Gläubigerin vorliege.

Es kommt nicht darauf an, daß, wie die Gläubigerin meint, der Sachverständige auch keine Anhaltspunkte dafür gefunden hat, daß die Forderungen zu Recht vom Schuldner bestritten werden. Entscheidend ist, daß der Sachverständige bei der Wertermittlung von (der Höhe nach) bestrittenen Forderungen gegen die Gesellschaft ausgegangen ist und daß die Bewertung des Geschäftsanteils des Schuldners maßgeblich von der Berechtigung dieser bestrittenen Forderungen abhängt.

Nach § 844 ZPO, das zeigt bereits der Gesetzeswortlaut, ist das Vollstreckungsgericht nicht verpflichtet, dem Antrag auf Anordnung anderweitiger Verwertung stattzugeben. Es ist entgegen der Meinung der Gläubigerin auch dann nicht dazu verpflichtet, wenn bei Ablehnung des Antrags die Verwertung (zunächst) scheitert (vgl. OLG Stuttgart DGVZ 64, 182: Noack MDR 70, 890; Polzius DGVZ 87, 33, 35). Auch das Zwangsvollstreckungsrecht unterliegt dem Gebot rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung; insbesondere ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (vgl. nur Zöller, ZPO, 21. Aufl., Rdnr. 29 vor § 704). Das Interesse des Gläubigers an einer alsbaldigen Befriedigung ist gegen das schutzwürdige Interesse des Schuldners abzuwägen, der den Pfandgegenstand nicht verschleudert sehen möchte (vgl. Stöber, Forderungspfändung, 11. Aufl., Rdnr. 1466). Bestehen erhebliche Schwierigkeiten für die Errechnung eines Mindestpreises - und das ist vorliegend der Fall -, so ist im Interesse vor allem des Schuldners eine Anordnung nach § 844 ZPO abzulehnen (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.; Noack a.a.O.).

Die Entscheidung des Landgerichts ist daher zu Recht und mit zutreffender Begründung ergangen. Dem Landgericht ist auch insoweit zuzustimmen, als es die Gefahr der Verschleuderung des Schuldnereigentums ebenso für den Fall bejaht hat, daß ein Versteigerungserlös von 30.000,00 DM erzielt wird. Auch ein solcher Erlös steht angesichts der um ca. 600.000,00 DM differierenden Bewertungen der streitigen Verbindlichkeiten außer Verhältnis zu dem dem Schuldner drohenden Nachteil.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.

Ende der Entscheidung

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