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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 26.03.1999
Aktenzeichen: 4 U 40/98
Rechtsgebiete: StBerG, VVG, AVB-WB, AHB


Vorschriften:

StBerG § 67
VVG § 158 d Abs. 2
VVG § 158 e Abs. 1
AVB-WB
AHB
§ 67 StBerG § 158 d Abs. 2 VVG § 158 e Abs. 1 VVG AVB-WB AHB

Erwirkt die Mandantin einer Steuerberater-GmbH gegen diese wegen einer Schadensersatzforderung aus Beratungsverschulden ein Versäumnisurteil und aufgrund dieses Titels die Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchs der Steuerberater-GmbH gegen ihren Pflicht - Haftpflichtversicherer (§ 67 StBerG), ohne diesem gemäß § 158 d Abs. 2 VVG die gerichtliche Geltendmachung des Ersatzanspruchs gegen dessen Versicherungsnehmerin unverzüglich schriftlich angezeigt zu haben, so beschränkt sich die Haftung des Versicherers nach § 158 e Abs. 1 VVG auf den Betrag, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Anzeigepflicht zu leisten gehabt hätte, mit der Folge, daß dem Versicherer im Deckungprozeß alle Einwendungen offenstehen, die die Haftung der Versicherungsnehmerin betreffen.

OLG Düsseldorf Urteil 26.03.1999 - 4 U 40/98 - 11 O 255/97 LG Düsseldorf


hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S., des Richters am Oberlandesgericht Z. und der Richterin am Landgericht B. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 3. Dezember 1997 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung aus dem gepfändeten und ihr zur Einziehung überwiesenen angeblichen Freistellungsanspruch der Firma S. Treuhand GmbH i. L., einer Steuerberatungsgesellschaft (im folgenden: GmbH), beruhend auf einem seit dem 16. Dezember 1989 bestehenden, der Geltung der sog. AVB-WB (GA 55) unterliegenden Vermögenshaftpflichtversicherungsvertrag zwischen der GmbH und der Beklagten.

Die Eheleute B., die Schwiegereltern der Geschäftsführerin der Klägerin, verpachteten der Klägerin im Jahre 1986 ein Hotel und gaben ihr gegenüber gleichzeitig ein Angebot auf Abschluß eines Übergabevertrages ab, der die Übertragung des Gewerbebetriebes und mehrerer Grundstücke gegen eine monatliche Rente von ca. 1.100 DM beinhaltete. Mit notariellem Vertrag vom 2. März 1990 nahm die Klägerin das Angebot mit geringfügigen Änderungen an.

Das Finanzamt A. belastete die Klägerin daraufhin mit Schenkungssteuer, deren Erstattung diese unter Hinweis auf einen behaupteten Verstoß der GmbH gegen ihre Pflichten bei der steuerlichen Beratung der Beklagten begehrte.

Nachdem die Beklagte der Klägerin mitgeteilt hatte, sie wolle zunächst eine Stellungnahme ihrer Versicherungsnehmerin abwarten, erwirkte die Klägerin am 17. September 1996 ein Versäumnisurteil gegen die GmbH. Diese wurde verurteilt, an die Klägerin 22.238 DM nebst Zinsen zu zahlen (Urteil des LG Regensburg vom 17. September 1996 - 6 O 975/96). Nach Rechtskraft dieses Versäumnisurteils informierten die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte erstmals über das Verfahren.

Aufgrund dieses Titels pfändete die Klägerin den angeblichen Freistellungsanspruch der GmbH gegen die Beklagte aus dem Versicherungsverhältnis und ließ ihn sich zur Einziehung überweisen. Die Beklagte als Drittschuldnerin wies die Forderung als vermeintlich unbegründet zurück.

Die Klägerin hat behauptet, der Geschäftsführer der GmbH habe sie seit ihrer Gründung steuerlich beraten und ihr die Übertragung der Grundstücke empfohlen. Durch die Befolgung dieses Rates habe sie Schenkungssteuer in Höhe von 18.520 DM sowie 1.859 DM Säumniszuschläge, insgesamt 22.238 DM zahlen müssen. Diese Zahlung wäre vermieden worden, wenn der Geschäftsführer der GmbH ihr eine andere Vorgehensweise, etwa eine Kapitalerhöhung oder eine Übertragung der Grundstücke an ihre Geschäftsführerin zur Weiterverpachtung an sie, empfohlen hätte.

Neben der Erstattung dieses Betrages begehrt sie die Erstattung der Kosten des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in Höhe von 367,50 DM. Sie hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 22.238 DM nebst 10 % Zinsen seit dem 1. Februar 1996 sowie weitere 367,50 DM nebst 9,75 % Zinsen seit dem 26. Februar 1997 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der behauptete Verstoß des Geschäftsführers der GmbH sei im Jahre 1986 durch den Rat und die Beurkundung des Übergabeangebotes und damit in nicht versicherter Zeit erfolgt. Auch habe die Klägerin keine konkreten Beratungsalternativen mit wirtschaftlich gleichwertigem Hintergrund aufgezeigt. Es fehle an einem Schaden der Klägerin.

Im übrigen sei sie gegenüber der GmbH aus dem Versicherungsvertrag leistungsfrei, da diese den behaupteten Schaden der Klägerin vorsätzlich herbeigeführt habe. Auch hätte sie sich bei rechtzeitiger Information über das Klageverfahren vor dem Landgericht verteidigt.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Beklagte sei gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin leistungsfrei, da diese die sie aus dem Versicherungsvertrag treffende Pflicht zur Information der Beklagten über die gegen sie erhobenen Ansprüche vorsätzlich verletzt habe. Diese Leistungsfreiheit könne die Beklagte der Klägerin entgegenhalten.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerechten Berufung mit der Begründung, vor Annahme des Übergabeangebotes im Jahre 1990 habe sie nochmals den Rat der Steuerberatungs-GmbH eingeholt. Auch liege keine Obliegenheitsverletzung der Versicherungsnehmerin vor. Eine etwaige Leistungsfreiheit in dem Versicherungsverhältnis könne ihr gegenüber ohnehin nicht geltend gemacht werden, da es sich bei der Vermögenshaftpflichtversicherung um eine Pflichtversicherung handele.

Sie nehme Bankkredit in einer die Klageforderung übersteigenden Höhe in Anspruch, für den sie 10 % bzw. 9,75 % zu zahlen habe.

Unter Erweiterung der Klageforderung um die von dem Landgericht Regensburg festgesetzten Kosten und Ermäßigung um die in den AVB-WB vereinbarte Selbstbeteiligung beantragt sie,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 23.586,49 DM nebst 10 % Zinsen aus 20.863,99 DM seit dem 1. Dezember 1996 sowie 9,75 % Zinsen aus 2.355 DM seit dem 5. Dezember 1996 und aus weiteren 367,50 DM seit dem 26. Februar 1997 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, eine wirtschaftlich günstigere Handlungsalternative für die Erlangung der Grundstücke habe für die Klägerin im Jahre 1990 nicht bestanden. Alle anderen Konstruktionen zur Erlangung dieser Grundstücke hätten zu höheren Kosten geführt.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg, denn ihr steht kein aus dem Versicherungsverhältnis zwischen der GmbH und der Beklagten abgeleiteter Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu.

Zwar hat sich der behauptete Freistellungsanspruch der GmbH in der Person der Klägerin in einen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte umgewandelt, da sie diesen Freistellungsanspruch gepfändet und sich hat überweisen lassen (vgl. BGH VersR 1997, 729 (731); 1963, 421 (422); 1964, 156 (157); Voit in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl. 1998, § 149, Rdnr. 3). Indes hat sie nicht in ausreichender Weise dargelegt, daß ihr gegenüber der GmbH Schadenersatzansprüche zustanden.

1.

Zwischen der GmbH und der Beklagten bestand seit dem 16. Dezember 1989 ein Vermögenshaftpflichtversicherungsvertrag, der der Geltung der AVB-WB unterlag. Bei dieser Versicherung handelte es sich für die Steuerberatungs-GmbH gemäß § 67 StBerG um eine Pflichtversicherung. Diese Versicherung gewährt dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für den Fall, daß er wegen eines bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangenen Verstoßes von einem anderen aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhalts für einen Vermögensschaden verantwortlich gemacht wird (§ 1 I AVB-WB). Unter den Begriff der gesetzlichen Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes fallen auch Schadenersatzansprüche aus Vertrag (Voit a.a.O., § 1 AHB, Rdnr. 3). Nimmt eine juristische Person für sich selbst Versicherung, besteht Versicherungsschutz für die ihren Organen zur Last gelegten Verstoße (§ 1 III AVB-WB).

2.

Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist die Klägerin beweispflichtig, denn sie ist aufgrund des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses Rechtsnachfolgerin des Versicherungsnehmers und hat damit die gleiche Darlegungs- und Beweislast wie dieser im Deckungsprozeß (vgl. BGH VersR 1987, 37 (39); 1986, 1231 (1233)). Von dieser Beweislast ist sie nicht aufgrund des von ihr erstrittenen Versäumnisurteils gegen die GmbH entbunden. Zwar entfaltet ein im vorausgegangenen Haftpflichtprozeß erstrittener Titel grundsätzlich Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozeß (vgl. nur BGH VersR 1963, 421 (422); NJW 1993, 68 m. w. N.). Doch kann sich die Klägerin im vorliegenden Fall nicht auf die Bindungswirkung des Versäumnisurteiles berufen, denn sie hat ihre nach § 158 d Abs. 2 VVG gegenüber der Beklagten bestehende Pflicht zur unverzüglichen Anzeige der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruches gegen den Versicherungsnehmer verletzt. Unstreitig hat sie die Beklagte erst mit Schreiben vom 21. Oktober 1996, das auf das Schreiben der Beklagten vom 26. März 1996 Bezug nimmt, auf das inzwischen bereits rechtskräftige Versäumnisurteil vom 17. September 1996 hingewiesen.

Die Beklagte hat ihr aus § 158 d Abs. 2 VVG resultierendes Informationsrecht nicht verwirkt, etwa weil sie geltend gemachte Ansprüche abgelehnt hätte. Gegenüber ihrer Versicherungsnehmerin hat sie mangels Geltendmachung der Ansprüche durch diese keine Stellung bezogen. Auch gegenüber der Klägerin hat sie die am 16. Januar 1996 angemeldeten Ansprüche nicht abgelehnt, obwohl dieser im Zeitpunkt des Schreibens vom 16. Januar 1996 kein eigener Anspruch gegen die Beklagten zustand. Sie hat mit ihrer Reaktion, sie habe ihre Versicherungsnehmerin um Stellungnahme gebeten, vielmehr zu erkennen gegeben, daß sie in eine Prüfung des Anspruches eintreten wolle. Angesichts dieses kooperativen Verhaltens der Beklagten stellt sich vielmehr das Vorgehen der Klägerin, die Beklagte von der gerichtlichen Geltendmachung des Anspruches gegen die Versicherungsnehmerin erst nach Rechtskraft des Versäumnisurteils zu informieren, als schuldhaft dar.

Rechtsfolge dieses Verstoßes ist gemäß § 158 e Abs. 1 VVG, daß sich die Haftung des Versicherers auf den Betrag beschränkt, den er auch bei gehöriger Erfüllung der Verpflichtung zu leisten gehabt hätte. Für den Fall der Nichtinformation über den Prozeß bedeutet dies, daß der Schadenersatzprozeß im Deckungsprozeß neu aufgerollt werden muß, weil der Versicherung alle Einwendungen offenstehen, die den Haftpflichtprozeß betreffen (vgl. Knappmann in Prölss/Martin, a.a.O., § 158 e, Rdnr. 1 m. w. N. aus der Rechtsprechung; Römer in Römer/Langheid, VVG, § 158 e, Rdnr. 5). Unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstands im vorliegenden Rechtsstreit kann eine Schadensersatzforderung der Klägerin gegen die GmbH nicht festgestellt werden.

3.

Dabei kann zugunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, daß zwischen ihr und der GmbH ein Geschäftsbesorgungsvertrag in der Form eines Steuerberatungsvertrages bestand. Entsprechend der Behauptung der Klägerin, sie habe vor Annahme des Schenkungsangebots im Jahre 1990 nochmals den Rat der GmbH eingeholt, kann auch angenommen werden, daß der behauptete Versicherungsfall in versicherter Zeit - nach dem 16. Dezember 1989 - eingetreten ist. Die Belastung mit der Schenkungssteuer wurde danach durch die am 2. März 1990 beurkundete Annahme des Übertragungsangebotes von 1986 ausgelöst.

4.

Dahingestellt bleiben kann schließlich, ob der Geschäftsführer der GmbH seine ihn aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag treffende Pflicht zur sachgemäßen Beratung der Klägerin verletzt hat, als er ihr den Rat erteilte, das Übertragungsangebot aus dem Jahre 1986 anzunehmen. Denn die Klägerin hat nicht substantiiert vorgetragen, daß ihr durch diese Annahmeerklärung ein Schaden entstanden ist, der ihr bei einem anderen steuerlichen Rat nicht entstanden wäre.

Soweit sie behauptet, der von der Klägerin gewünschte Erfolg wäre ebenso durch eine Kapitalerhöhung zu erreichen gewesen, ist ihr Vortrag nicht ausreichend. Sie trägt weder vor, in welcher Weise das Hotel und die Grundstücke in die GmbH eingebracht worden wären, noch legt sie dar, ob ein Gesellschafterbeschluß über die Erhöhung des Stammkapitals hätte herbeigeführt werden können (§ 55 GmbHG). Es liegt nicht auf der Hand, daß eine solche Lösung die Zustimmung aller Gesellschafter gefunden hätte, denn die Wahl dieses Weges hätte entweder zur Folge gehabt, daß die übertragenden Eheleute B. als weitere Gesellschafter in die GmbH hätten aufgenommen werden müssen oder daß die Geschäftsführerin der GmbH diese Grundstücke eingebracht hätte, nachdem sie ihr übertragen worden wären. Dies hätte für sie - als Schwiegertochter der übertragenden Eheleute B. - die Belastung mit Schenkungssteuer bedeutet, die nicht wesentlich geringer gewesen wäre als die Belastung der Klägerin mit Schenkungssteuer. Auf der anderen Seite wären auf die GmbH weitere Kosten durch die erforderliche notarielle Beurkundung der Erhöhung des Stammkapitals und die Anmeldung zum Handelsregister (§ 57 GmbHG) zugekommen.

Soweit die Klägerin darlegt, der Geschäftsführer der GmbH habe ihr den Rat erteilen müssen, die Grundstücke und das Hotel von ihrer Geschäftsführerin anzupachten, nachdem diese sie durch Schenkung erworben habe, zeigt dieser Weg keine wirtschaftlich gleichwertige Alternative auf. Diese Konstruktion hätte den Nachteil mit sich gebracht; daß die GmbH nicht Eigentümerin des Betriebes und der Grundstücke geworden wäre, andererseits aber eine monatliche Pachtzinszahlung hätte leisten müssen. Durch die Abstandnahme von der Annahme der Schenkung hätte die Klägerin zwar die Belastung mit Schenkungssteuer vermeiden können, dann aber auch nicht die ungleich wertvolleren Liegenschaften erworben.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Grund (§ 546 Abs. 1 ZPO).

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Klägerin: 23.586,49 DM.

Ende der Entscheidung

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