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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: I-15 U 66/05
Rechtsgebiete: HGB, ZPO


Vorschriften:

HGB § 437
HGB § 425 Abs. 1
HGB § 451
ZPO § 138 Abs. 1
ZPO § 287
1. Der Frachtführer kann den Gewahrsam an in seiner Obhut zu Schaden gekommenen Sachen jedenfalls dann nicht mit Nichtwissen bestreiten, wenn er den Schaden vor der Ablieferung durch seine Leute selbst entdeckt hat und seinerseits umgehend einen Sachverständigen mit der Schadensfeststellung beauftragt hat.

2. Zu den Anforderungen, die an den Sachvortrag zur Schadenshöhe bei aus vielen verschiedenen Teilen bestehendem Umzugsgut zu stellen sind.

Steht fest, dass dem Geschädigten ein erheblicher Schaden entstanden ist, fehlt es aber an ausreichenden Darlegungen zu dessen Höhe, darf die Klage grundsätzlich nicht umfänglich abgewiesen werden, sondern es ist zu versuchen, wenigstens einen Mindestschaden zu schätzen. Hiervon darf nur dann abgesehen werden, wenn jegliche konkrete Anhaltspunkte für eine Schätzung fehlen.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 22. März 2005 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve - Aktenzeichen: 3 O 70/04 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 16.114,09 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. März 2004 zu zahlen. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger zu 77% und die Beklagte zu 23%. Die Kosten des Berufungsrechtszuges tragen der Kläger zu 35% und die Beklagte zu 65%.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Umzug des Klägers. Der Kläger zog mit seiner Familie im Jahr 2003 von M. nach W.. Mit der Durchführung des Umzuges beauftrage er die zwischenzeitlich insolvente Firma B.. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Umzugsvertrag vom 11. Juni 2003 (Anlage B1) Bezug genommen. Dabei war es erforderlich, das gesamte Mobiliar ca. 3 Monate zu lagern. Die Lagerung sollte in den verschlossenen Containern erfolgen. Es wurde ein Laderaum von 40 Kubikmetern benötigt. Die Beklagte führte den Transport und die Lagerung durch und stellte dies auch im Namen der Fa. B. in Rechnung, was jedenfalls in der Berufungsinstanz unstreitig ist. Als die Beklagte die Container am 16. September 2003 anlieferte, waren diese geöffnet worden. Die darin eingelagerten Gegenstände waren durchnässt. Die Versicherung der Beklagten ließ die Gegenstände am 17. September 2003 durch einen Sachverständigen besichtigen, am 22. September 2003 und am 17. Oktober 2003 erfolgten weitere Besichtigungen durch den Versicherungssachverständigen. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei Rechtsnachfolgerin der Firma B.. Er hat behauptet, die zum Transport und zur Lagerung verwendeten Container seien undicht gewesen und deshalb zur Reparatur verbracht worden. Weiter hat er behauptet, es sei ausdrücklich vereinbart gewesen, die Container an einer trockenen Stelle dicht abgeschlossen zu lagern. Er hat eine Aufstellung vorgelegt, in der er eine Vielzahl von Gegenständen und Geldbeträgen aufführt, die sich auf 68.160,79 EUR summieren. Hinsichtlich der Einzelheiten dieser Aufstellung wird auf Seiten 3-7 der Klageschrift und deren Wiederholung auf Seiten 4-8 des Schriftsatzes vom 11. November 2004 Bezug genommen. Hierzu hat er behauptet, die in der Aufstellung aufgeführten Gegenstände seien zerstört oder beschädigt worden und hätten den angegebenen Wert gehabt, wobei er die Auffassung vertreten hat, die Gegenstände seien ihm zum Neuwert zu ersetzen gewesen, weil sie maximal drei Jahre alt gewesen seien. Auch nach einem Hinweis des Landgerichts, in dem ihm aufgegeben worden ist, eine den Anforderungen des § 429 Abs. 2 und 3 HGB Rechnung tragende Schadensaufstellung vorzulegen und unter Beweis zu stellen (Beschluss vom 5. Oktober 2004, Bl. 70 f. GA), hat er lediglich erneut die schon mit der Klage vorgelegte Auflistung vorgelegt und angegeben, er habe die Werte nach seinem eigenen Ermessen eingetragen. Er hat erstinstanzlich die Ansicht vertreten, die Beklagte hafte unbeschränkt, da sie den Schaden vorsätzlich herbeigeführt habe. Ferner hat er erstinstanzlich noch ein Schmerzensgeld sowie 750,00 EUR für eigene Aufwendungen bei der Schadenserfassung geltend gemacht. Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 68.090 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2003 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, Ansprüche gegen sie seien schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger zu ihr nicht in vertraglichen Beziehungen gestanden habe. Ferner seien etwaige Ansprüche auf einen Höchstbetrag von 24.800,00 EUR beschränkt. Sie hat mit Nichtwissen bestritten, dass sich die in der Aufstellung aufgeführten Gegenstände in ihrem Gewahrsam befunden hätten und hat sich ferner darauf berufen, dass die angesetzten Beträge frei gegriffen und hinsichtlich des allein maßgeblichen Zeitwertes unsubstantiiert gewesen seien. In diesem Zusammenhang hat sie sich auf den Bericht des von ihr - bzw. ihrer Versicherung - eingeschalteten Havariekommissariats bezogen, der zu einem Zeitwertschaden von maximal 16.000,00 EUR gekommen sei. Der Nässeschaden sei erst kurz vor der Anlieferung bei dem Kläger bemerkt worden. Das Landgericht hat die Klage nach Beweisaufnahme (Beweisbeschluss Bl. 52 GA; Sitzungsprotokoll Bl. 63 GA) und Erteilung eines Hinweises (Bl. 70 f. GA) abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, zwar stehe dem Kläger gegen die Beklagte jedenfalls als ausführende Frachtführerin ein Schadensersatzanspruch zu, allerdings gemäß § 451e HGB beschränkt. Der Kläger sei aber seiner Obliegenheit nicht nachgekommen, den Schaden der Höhe nach hinreichend zu belegen. Mangels Mitteilung näherer Einzelheiten wie Anschaffungsjahr, Anschaffungspreis und Erhaltungszustand sei auf der Grundlage seiner Liste ein Sachverständigengutachten nicht einzuholen gewesen, weil es auf reine Ausforschung hinaus gelaufen wäre. Ferner fehlten auch hinreichende Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung. Schließlich habe die Beklagte in zulässiger Weise bestritten, die vom Kläger aufgelisteten Gegenstände in Besitz gehabt zu haben. Gegen dieses Urteil wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine Ansprüche auf Ersatz des Sachschadens bis zum Höchstbetrag von 24.800,00 EUR weiter verfolgt. Er ist der Ansicht, seine erstinstanzlich vorgelegte Aufstellung sei ausreichend gewesen, durch Sachverständigengutachten die Schadenshöhe zu ermitteln. Davon sei auch das Landgericht zunächst ausgegangen, da es über den Schadenshergang Beweis erhoben habe. Er habe ferner darauf vertrauen dürfen, dass das Gutachten des von der Beklagten eingeschalteten Havariekommissariats zur Akte gereicht werde, weil das Gericht dies der Beklagten aufgegeben habe. Insoweit legt er nunmehr das Gutachten vor (Anlage BE 1, Anlagenheft) aus dem sich ein von der Sachverständigen J. errechneter Schaden von 16.114,09 EUR ergibt. Er rügt ferner, dass das Landgericht ihn nicht auch darauf hingewiesen habe, dass er für seine Behauptung, die in der Liste aufgeführten Gegenstände seien im Gewahrsam der Beklagten zu Schaden gekommen, beweisfällig geblieben sei. Das Bestreiten der Beklagten hält er für unzulässig, da diese die Möbel verladen und auch wieder angeliefert habe. Er beruft sich ferner darauf, dass das für die Versicherung der Beklagten tätige Versicherungsmaklerbüro mit Schreiben vom 2. Februar 2004 (Anlage BE 2, Anlagenheft) die Ansprüche des Klägers in Höhe von 12.524,09 EUR anerkannt habe. Zudem legt er nunmehr eine Aufstellung vor (Anlage BE 3, Anlagenheft) aus der zu den aufgeführten Gegenständen, von denen 19 Gegenstände erstmals aufgeführt sind, das Anschaffungsjahr, der Kaufpreis und der von ihm selber bezifferte Wert bei Auszug/Einlagerung hervorgeht und legt zusätzlich eine Reihe von Belegen vor (Anlage BE 4). Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Kleve vom 22.03.2005 - 3 O 70/04 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 24.800,00 EUR nebst 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 15.10.2003 zu zahlen. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die nunmehr vorgelegte Aufstellung könne - selbst wenn sie ausreichend wäre - nicht berücksichtigt werden, weil der Kläger erstinstanzlich sowohl von ihr als auch durch das Landgericht rechtzeitig aufgefordert worden sei, substantiierte Angaben zur Schadenshöhe zu machen. Sie meint, weil das Schadensgutachten und das Schreiben der Versicherung dem Kläger auch schon erstinstanzlich vorgelegen hätten, könne er sich in der Berufungsinstanz ebenfalls nicht darauf berufen. II. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat der Sache nach jedenfalls teilweise Erfolg. In der Berufungsinstanz steht - zu Recht - nicht mehr in Streit, dass die Beklagte jedenfalls als ausführender Frachtführer gemäß §§ 451, 437, 425 Abs. 1 HGB für die an dem Umzugsgut des Klägers entstandenen Schäden dem Grunde nach einzustehen hat, denn die Beklagte hat das Umzugsgut beim Kläger selber geladen, eingelagert und auch wieder angeliefert. Auf das vertragliche Verhältnis zwischen ihr und der Firma B. kommt es daher nicht an, da sie nach §§ 451, 437 Absatz 1 Satz 1 HGB für die Beschädigung des Gutes in gleicher Weise wie ein Frachtführer haftet. Unstreitig ist auch, dass tatsächlich Umzugsgut im Gewahrsam der Beklagten durch Eindringen von Feuchtigkeit in den Container beschädigt bzw. zerstört worden ist. Das Landgericht hat Schadensersatzansprüche des Klägers gleichwohl abgelehnt, weil dieser trotz Hinweises nicht ausreichend substantiiert zur Schadenshöhe vorgetragen habe und zudem die Beklagte in zulässiger Weise bestritten habe, die von dem Kläger aufgelisteten Gegenstände überhaupt in Gewahrsam gehabt zu haben. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Die Beklagte kann die Übernahme der in der Liste des Klägers aufgeführten Gegenstände in ihren Gewahrsam nicht mit Nichtwissen bestreiten. Zwar trifft den Frachtführer grundsätzlich keine Untersuchungspflicht, weshalb er sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur unbeschädigten Übernahme des Gutes grundsätzlich mit Nichtwissen erklären kann (BGH, Urt. v. 19. Juni 1986, I ZR 15/84, www.jurisweb.de Rn. 17 = NJW-RR 1986, 1361; Urt. v.29. Juni 1995, I ZR 73/93, NJW-RR 1995, 1502, 1503; vgl. auch Koller, Transportrecht, 5. Aufl., § 425 HGB Rn. 41). Etwas anderes gilt jedoch, wenn - wie hier - die Schäden bereits bei bzw. vor Anlieferung von den Mitarbeitern des Frachtführers bemerkt werden und der Frachtführer durch seinen Versicherer umgehend seinerseits tatsächlich die Schadensfeststellung einleitet, wenn er also, obwohl er dazu nicht verpflichtet ist, selbst oder durch seine Leute den Schaden bzw. den Schadensumfang wahrgenommen hat. So liegt es hier aber nach dem Vortrag der Beklagten selbst, denn diese will den Nässeschaden bemerkt haben, als die Umzugsgüter zur neuen Wohnung des Klägers gebracht werden sollten. Unstreitig hat die Beklagte durch ihren Versicherer schon am Tag nach der Anlieferung ihrerseits den Schaden durch einen Sachverständigen besichtigen lassen. Das nunmehr vom Kläger vorgelegte Gutachten des Havariekommissariats, auf das die Beklagte selber in der Klageerwiderung vom 20. April 2004 unter Ziffer 7 verwiesen hat, enthält u.a. eine Auflistung der Gegenstände sowie eine Angabe dazu, ob die Sachverständige des Havariekommissariats die Gegenstände selber gesehen hat oder nicht. Anders, als in dem der Entscheidung des BGH vom 19. Juni 1986 (I ZR 15/84, www.jurisweb.de Rn. 17 = NJW-RR 1986, 1361) zugrunde liegenden Fall beruht das Sachverständigengutachten des Havariekommissariats nicht ausschließlich oder im Wesentlichen auf einer Aufstellung des Klägers, sondern die Sachverständige hat sich unmittelbar nach Schadensentdeckung ein eigenes Bild von dem Schaden gemacht. Danach hat die Beklagte eigene Wahrnehmungen, nämlich durch ihre Leute, zum Schadenshergang und -umfang gemacht und hat - obwohl sie dazu nicht verpflichtet war - Bemühungen zur Schadensfeststellungen entfaltet, zu deren Ergebnis sie sich hätte äußern können und müssen. Bei dieser Sachlage kann sie sich nicht einfach mit Nichtwissen erklären. Der Kläger kann daher grundsätzlich gemäß §§ 451, 425 Abs. 1, 437 HGB von der Beklagten Ersatz für den Verlust bzw. die Beschädigung des Umzugsgutes verlangen, welches er in seiner Aufstellung aufgeführt hat. Nach § 429 Abs. 1 HGB ist bei Zerstörung des Gutes der Wert zum Zeitpunkt der Übernahme und nach § 429 Abs. 2 HGB die Differenz des Wertes zum Zeitpunkt der Übernahme in beschädigten und unbeschädigten Zustand maßgebend, wobei nach der widerleglichen Vermutung des § 429 Abs. 2 S. 2 HGB vermutet wird, dass diese Wertdifferenz mit den Kosten zur Schadensbeseitigung und -behebung gleichzusetzen ist. Zu Recht ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, dass die umfangreiche, in erster Instanz vorgelegte Aufstellung die Einholung eines Sachverständigenbeweises nicht ermöglicht. Die Ablehnung eines Beweises für eine beweiserhebliche Tatsache mangels hinreichenden Sachvortrages ist nur dann zulässig, wenn die unter Beweis gestellten Tatsachen so ungenau bezeichnet sind, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (BGH, Urt. v. 18. Januar 1995, XII ZR 30/93, www.jurisweb.de Rn. 15 m.w.N. = NJW-RR 1995, 715). Bei der Schadenshöhe ist diese so substantiiert darzulegen, dass der zum Schadensersatz verpflichtete sachlich dazu Stellung nehmen kann (BGH, Urt. v. 1. Februar 2000, X ZR 222/98, www.jurisweb.de Rn. 13 = NJW-RR 2000, 1340). Dies ist hier nicht der Fall: Der Aufstellung des Klägers ist - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nicht einmal zu entnehmen, ob es sich bei den von ihm angegebenen Beträgen um Reparaturkosten, den Neuwert oder den Wiederbeschaffungswert handelt. Auch nähere Angaben zum Alter der Sachen und zur Art ihrer Beschädigung fehlen. Insoweit ist dem Landgericht darin zuzustimmen, dass sich die beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens als Ausforschung darstellen würde, weil es an Anknüpfungstatsachen für eine sachverständige Beurteilung ebenso fehlt, wie am Vortrag zum jeweils anspruchsbegründenden Zustand (Zerstörung oder Beschädigung). Soweit der Kläger nunmehr mit der Berufungsbegründung eine neue Aufstellung vorlegt, kann dahin stehen, ob diese ausreichende Angaben enthält, denn bei dieser Liste handelt es sich um ein neues Angriffsmittel im Sinne des § 531 Absatz 2 ZPO, so dass es im Berufungsrechtszug nicht zuzulassen ist. Der in erster Instanz fehlende Sachvortrag ist auch nicht nach § 531 Absatz 2 Nr. 2 ZPO ausnahmsweise zuzulassen, weil er infolge eines Verfahrensmangels unterblieben wäre. Zwar trifft es zu, dass die Tatsache, dass das erstinstanzliche Gericht über den Schadenshergang Beweis erhoben hat den Rückschluss rechtfertigte, dass das Landgericht das Vorbringen des Klägers zur Schadenshöhe für ausreichend erachtet hat. Hätte das Landgericht danach ohne einen Hinweis die Klage abgewiesen, weil es den Vortrag zur Schadenshöhe für nicht ausreichend hielt, wäre dies eine unzulässige Überraschungsentscheidung gewesen. So war es hier aber nicht. Die Kammer hat vielmehr im Beschluss vom 5. Oktober 2004 (GA 72) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine den Kriterien des § 429 HGB entsprechende Schadensaufstellung fehlt. Es bestand auch ausreichend Gelegenheit, eine diesen Kriterien entsprechende Schadensaufstellung nachzureichen. Dies hat der Kläger aber unterlassen, obwohl das Gericht durch den entsprechenden Hinweis- und Auflagenbeschluss deutlich gemacht hat, dass es sein bisheriges Vorbringen für unzureichend hielt. Eines nochmaligen Hinweises bedurfte es nach diesem eindeutigen Hinweis nicht. Gleichwohl war die Klage nicht insgesamt abzuweisen. Steht nämlich fest, dass ein Schaden in einem der Höhe nach nicht bestimmten, aber jedenfalls erheblichen, Ausmaß entstanden ist, dann wird sich in der Regel aus den Umständen, die die Annahme eines erheblichen Schadens begründen, eine ausreichende Grundlage für die Ermittlung eines gewissen Mindestschadens gewinnen lassen (BGH, Urt. v. 26. November 1986, VII ZR 260/85 Rn. 10 = NJW 1987, 319). § 287 ZPO erleichtert dem Geschädigten nicht nur die Beweisführung, sondern auch die Darlegungslast. Steht der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz eines Schadens dem Grunde nach fest und bedarf es lediglich der Ausfüllung zur Höhe, darf die Klage grundsätzlich nicht vollständig abgewiesen werden, sondern der Richter muss im Rahmen des Möglichen den Schaden nach § 287 ZPO schätzen. Zwar ist es Sache des Anspruchstellers, diejenigen Umstände vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, die seine Vorstellungen zur Schadenshöhe rechtfertigen sollen. Enthält der diesbezügliche Vortrag Lücken oder Unklarheiten, ist es in der Regel jedoch nicht gerechtfertigt, dem jedenfalls in irgendeiner Höhe Geschädigten jeden Ersatz zu versagen. Der Richter muss vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen beurteilen, ob nach § 287 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens möglich ist (BGH, Urt. v. 1. Februar 2000, X ZR 222/98, www.jurisweb.de Rn. 13 = NJW-RR 2000, 1340; Urt. v. 12. Oktober 1993, X ZR 65/92, NJW 1994, 663, 664; Urt. v. 23. Oktober 1991, XII ZR 144/90, www.jurisweb.de Rn. 7 = NJW-RR 1992, 202). Mit der Einräumung der Schätzungsbefugnis nimmt das Gesetz in Kauf, dass das Ergebnis mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; die Schätzung soll allerdings möglichst nahe an diese heranführen. Der Richter muss daher die schätzungsbegründenden Tatsachen feststellen und selbst nicht vorgetragene Tatsachen nach freiem Ermessen berücksichtigen. Mag auf verlässlicher Grundlage schließlich auch nur ein Betrag geschätzt werden können, der hinter dem wirklichen Schaden zurückbleibt, so wird entsprechend dem Zweck des § 287 ZPO doch wenigstens vermieden, dass der Geschädigte völlig leer ausgeht, obwohl die Ersatzpflicht des in Anspruch Genommenen für einen erheblichen Schaden feststeht. Eine Schätzung darf erst dann gänzlich unterlassen werden, wenn sie mangels jeglicher konkreter Anhaltspunkte völlig in der Luft hinge und daher willkürlich wäre. (BGH, Urt. v. 23. Oktober 1991, XII ZR 144/90, www.jurisweb.de Rn. 7 = NJW-RR 1992, 202; Urt. v. 22. Mai 1984, III ZR 18/83, www.jurisweb.de Rn. 55 = BGHZ 91, 243 = NJW 1984, 2216). Nach diesen Grundsätzen war hier ein Mindestschaden auch bereits nach dem erstinstanzlichen Sachvortrag der Parteien zu schätzen. Die Beklagte hat nämlich bereits in der Klageerwiderung unwidersprochen vorgetragen, das von ihr eingeschaltete Havariekommissariat habe einen Zeitwertschaden von ca. 16.000,00 EUR für gerechtfertigt gehalten. Zwar hat die Beklagte in diesem Zusammenhang von "einseitigen Schadensfeststellungen des Klägers" als Grundlage dieser Schätzung gesprochen, sie hat aber auch erstinstanzlich nicht bestritten, dass die Sachverständige des Havariekommissariats den Schaden einen Tag nach Anlieferung beim Kläger im Rahmen eines Ortstermins selber besichtigt hat. Die Existenz des von der Beklagten in bedenklicher Weise trotz entsprechender Auflage in erster Instanz nicht vorgelegten Gutachtens ist nicht streitig, so dass als unstreitiges Vorbringen der Entscheidung zu Grunde gelegt werden kann, dass die von der Versicherung der Beklagten mit der Schadensfeststellung beauftragte Sachverständige J. den Schaden an dem besichtigten Umzugsgut auf 16.114,09 EUR taxiert hat. Das von der Sachverständigen für den Versicherer der Beklagten erstellte Gutachten ist damit eine taugliche Schätzungsgrundlage, um den Mindestschaden nach § 287 ZPO zu schätzen, obwohl es hinsichtlich des tatsächlich entstandenen Schadens an den für eine tragfähige Schätzung notwendigen Angaben fehlt. Nach den vorstehend aufgeführten Grundsätzen der Rechtsprechung war die Beklagte daher jedenfalls hinsichtlich dieses Mindestschadens zum Schadensersatz verpflichtet, so dass die Klage und damit die Berufung des Klägers insoweit Erfolg hat. Der zuerkannte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Einen darüber hinausgehenden Zinsanspruch hat der Kläger nicht dargelegt. Soweit er Zinsen ab dem 15. März 2003 verlangt und sich darauf beruft, den Schadensersatzbetrag erstmals an diesem Tag beziffert zu haben, kann er weder Verzinsung nach § 849 BGB verlangen, weil es nicht ausschließlich um Wertersatz geht und er nicht dargelegt hat, in welchem Umfang sich sein Anspruch auf Wertersatz für den Verlust stützt, abgesehen davon, dass er nach § 246 BGB insoweit nur 4% Zinsen verlangen könnte, noch kann er Verzugszinsen verlangen, da Verzug mangels Mahnung nicht eingetreten ist. Es besteht kein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 ZPO liegen entgegen der im Senatstermin geäußerten Ansicht der Beklagten nicht vor, denn der Kläger obsiegt nicht aufgrund neuen Vorbringens in der Berufungsinstanz, sondern hätte richtigerweise bereits erstinstanzlich in Höhe des auch erstinstanzlich bereits vorgetragenen, vom Havariekommissariat ermittelten, Betrages obsiegt. Streitwert für die Berufungsinstanz: 24.800,00 EUR

Ende der Entscheidung

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