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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.07.2003
Aktenzeichen: I-24 U 64/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 538 Abs. 2 n. F.
Bei dem nur hilfsweise für den Fall einer nachteiligen Bescheidung des Sachantrags gestellten Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung handelt es sich nicht um einen echten Hilfsantrag.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

I-24 U 64/03

Verkündet am 29. Juli 2003

In dem Rechtsstreit

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 15. Juli 2003 durch seine Richter Z, E und B

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1. wird das am 8. Januar 2003 verkündete Ergänzungsurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal aufgehoben, soweit das Versäumnisurteil vom 18. April 2002 in seiner berichtigten Fassung vom 18. Juli 2002 zu Lasten der Beklagten zu 1. aufrechterhalten worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Hauptsache und die Kosten beider Rechtszüge, soweit nachstehend nicht darüber befunden wird, an das Landgericht zurückverwiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es wird angeordnet, dass die durch den Erlass des angefochtenen Urteils und durch diese Berufung entstandenen Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Gründe:

A.

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1. hat insofern Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung an das Landgericht führt.

I.

Unter dem 18. Oktober 1999 schloss die Klägerin mit der Beklagten zu 1. einen Leasingvertrag über einen Zahnbehandlungsplatz und ein Panorama-Röntgengerät mit einer vereinbarten Laufzeit von 46 Monaten und einer monatlichen Leasingrate von 1.620,25 DM zuzüglich Mehrwertsteuer. Unter dem 1. August 1999 bestätigte die Beklagte zu 1. der Klägerin schriftlich die Übernahme der Leasingobjekte. Mit Vertrag vom 7. Oktober 1999 übernahm der Beklagte zu 2. für die Verbindlichkeiten der Beklagten zu 1. die gesamtschuldnerische Mithaftung.

Nachdem die Beklagte zu 1. mit drei Raten, nämlich für die Monate ab August 2000, in Verzug war, kündigte die Klägerin den Vertrag mit Schreiben vom 11. Dezember 2000 unter Berufung auf Ziffer 11 ihrer Allgemeinen Leasingbedingungen fristlos und forderte die Beklagte zum Ausgleich ihrer Schadensersatzforderung in Höhe von 51.216,66 DM und zur Herausgabe der Leasinggegenstände auf. Zugleich nahm die Klägerin auch den Beklagten zu 2. aus seiner Mithaftung auf Zahlung in Anspruch und forderte auch ihn aufgrund der tatsächlichen Sachherrschaft über die Leasingobjekte zu deren Herausgabe auf.

Gegen beide Beklagten erging am 18. April 2002 Versäumnisurteil. Hiergegen legten beide Einspruch ein.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, aufgrund ihrer Allgemeinen Leasingbedingungen sei sie nach wie vor Eigentümerin der Leasingobjekte. Der Beklagte zu 2. sei daher neben der Beklagten zu 1. zur Herausgabe verpflichtet. Aufgrund des Ratenverzuges der Beklagten zu 1. sei der Beklagte zu 2. im Übrigen auch zur Zahlung des vertraglich geschuldeten Schadensersatzes verpflichtet.

Die Beklagten haben demgegenüber die Auffassung vertreten, die AGB der Klägerin seien nicht Vertragsinhalt geworden. Im Übrigen hätten sie entgegen der Erklärung vom 1. August 1999 das Panorama-Röntgengerät niemals erhalten. Dies habe bei der Firma L in R. auf Abruf bereitgestanden. Es seien aber wegen Fehlens einer Röntgenschutztür die baulichen Voraussetzungen für den Einbau des Gerätes nicht vorhanden gewesen. Auch habe der Beklagte zu 2. die Digitalisierung des Gerätes auf seine Kosten erbeten. Das Gerät sei deshalb zunächst nicht installiert und auch bis heute nicht aufgebaut worden. Nachdem der Beklagte zu 2. unter dem 15. November 2000 von der Firma Lomberg die Auslieferung des Gerätes erbeten hatte, teilte diese mit, er habe das Gerät nicht erworben, weshalb es nicht ausgeliefert werde. Im Übrigen sei ihm Gutschrift erteilt worden. Aus der Gutschrift ergebe sich D., der Geschäftsführer der Beklagten zu 1., als Vermittler, woraus sich auch dessen Übernahmeerklärung vom 1. August 1999 erkläre, als das Gerät sich bei der Firma L. auf Abruf befunden habe.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 18. Juli 2002 irrtümlich nur über den Einspruch des Beklagten zu 2. befunden und das Versäumnisurteil zu seinen Lasten aufrecht erhalten. Es hat hierzu u.a. ausgeführt, zur angeblich unterbliebenen Auslieferung des Röntgengerätes sei sein Vortrag unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar.

Hierauf haben die Beklagten mit Schriftsatz vom 26. Juli 2002 die Berichtigung des Tatbestands und des Tenors u.a. dahin beantragt, dass noch über den Einspruch der Beklagten zu 1. zu entscheiden sei. Mit Schriftsatz vom 4. September 2002 hat sich die Klägerin den Anträgen der Beklagten gemäß dem genannten Schriftsatz auf Berichtigung des Tatbestands und des Urteilstenors angeschlossen.

Hierauf hat das Landgericht das Ergänzungsurteil vom 8. Januar 2003 erlassen, in dem es neben der Berichtigung des Tatbestandes das Versäumnisurteil aufrecht erhalten hat, und zwar, wie sich aus dem Zusammenhang zwischen Urteilstenor und Entscheidungsgründen ergibt, auch zu Lasten der Beklagten zu 1.

Hiergegen hat die Beklagte zu 1. Berufung eingelegt, mit der sie u.a. rügt, das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 308 ZPO der Klägerin die Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils zuerkannt, obwohl sie dies nicht beantragt habe. Überdies sei die Beklagte zu 1. zur Herausgabe nicht verpflichtet, weil sich die Geräte in der Sachherrschaft des Beklagten zu 2. befänden, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet sei. Im Übrigen sei das Röntgengerät von der Klägerin niemals zur Verfügung gestellt worden, was unter Beweislastverwahrung unter Zeugenbeweis gestellt werde. Vorsorglich werde auch die Höhe des angeblichen Schadens bestritten.

Die Beklagte zu 1. beantragt,

unter Abänderung es angefochtenen Ergänzungsurteils sowie unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 18. April 2002 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 18. Juli 2002 die gegen die Erstbeklagte gerichtete Klage abzuweisen,

hilfsweise das angefochtene Ergänzungsurteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht für den Fall zurückzuverweisen, dass der Senat sich wegen Verspätung des Berufungsvorbringens hiermit nicht materiell-rechtlich auseinandersetze.

Die Klägerin bittet um Zurückweisung der Berufung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen.

1.

Das erstinstanzliche Urteil beruht auf einem Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht führt. Die Kammer hat nämlich materiell-rechtlich darüber befunden, ob das Versäumnisurteil vom 18. April 2002 in seiner berichtigten Fassung vom 18. Juli 2002 auch gegen die Beklagte zu 1. aufrechtzuerhalten ist. Dies ist aber geschehen, ohne dass in der vorausgegangenen mündlichen Verhandlung vom 5. Dezember 2002 Sachanträge gestellt wurden. Vielmehr hat die Klägerin ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 5. Dezember 2002 den Antrag aus dem Schriftsatz vom 4. September 2002 gestellt, indem sie sich den Anträgen der Beklagten im Schriftsatz vom 26. Juli 2002 auf Berichtigung von Tatbestand und Tenor anschloss, und haben die Beklagten die Anträge aus dem genannten Schriftsatz vom 26. Juli 2002 gestellt. Diese lauteten auf Tatbestandsberichtigung, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Berichtigung des Tenors dahingehend, dass noch über den Einspruch der Beklagten zu 1. gegen das Versäumnisurteil vom 18. April 2002 zu entscheiden sei, und auf Ergänzung des Urteilsrubrums um die Streitverkündete.

Damit haben die Parteien übereinstimmend keine Anträge gestellt, aufgrund derer mit materiell-rechtlicher Begründung die Instanz abgeschlossen werden konnte, sondern sie haben offenbar hinsichtlich der Berichtigungs- und Ergänzungsanträge nur formelle Berichtigungen/Ergänzungen verlangt, aufgrund derer dann anschließend über den Einspruch der Beklagten zu 1. verhandelt werden konnte. Hinsichtlich des weiteren Antrags der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat die Beklagte zu 1. lediglich beantragt, im Hinblick auf ihren Einspruch wieder in die frühere Lage zurückversetzt zu werden, was auch zur Folge haben sollte, den Einspruch weiter begründen zu können; denn die Einspruchsschriften vom 19. April und 6. Mai 2002 enthielten außer Bezugnahmen lediglich Vortrag zum Zustandekommen des Versäumnisurteils.

Bei dieser prozessrechtlichen Lage durfte das Landgericht ohne Sachanträge nicht ohne weiteres, das heißt nicht ohne Hinweise zum beabsichtigten Vorgehen, auch in der Sache selbst entscheiden.

Der Verweis der Klägerin auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 9. Oktober 1974 (NJW 1974, 2322), nach der eine Wiederholung bereits gestellter Anträge nicht erforderlich ist, führt nicht zu einer anderen Betrachtungsweise. Hier haben die Parteien übereinstimmend klar zum Ausdruck gebracht, dass gerade nicht über die früheren (Sach-) Anträge entschieden werden sollte, wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt. Ferner ist die genannte Entscheidung des Bundesgerichtshofes hier auch deshalb nicht einschlägig, weil es dort um die Frage der Notwendigkeit ging, eingangs der Verhandlung und vor Beginn der Beweisaufnahme gestellte Anträge nach Abschluss der Beweisaufnahme noch einmal wiederholen zu müssen. Zudem liegt der Fall hier deshalb gänzlich anders, weil das Landgericht nach den früher einmal gestellten Sachanträgen bereits ein Urteil erlassen hatte, nämlich dasjenige vom 18. Juli 2002, während die im angefochtenen Urteil vom 8. Januar 2003 beschiedenen Anträge erst nach dem ersten Urteil angekündigt worden sind.

2.

Der nach § 538 Abs. 2 S. 1, 2. HS ZPO n.F. notwendige Antrag auf Zurückverweisung ist gestellt. Die Beklagte zu 1. hat ihre Berufung maßgeblich auf den oben dargestellten Mangel im Verfahren gestützt und folgerichtig den Zurückverweisungsantrag gestellt. Dass dies nur hilfsweise geschehen ist, während sie in erster Linie die Klageabweisung aufgrund Sachentscheidung erstrebt, ändert nichts daran, dass damit der nach der genannten Vorschrift notwendige Antrag gestellt ist.

Bei genauerer Betrachtung erweist sich nämlich die Staffelung in Haupt- und Hilfsantrag als diejenige Verknüpfung, die bereits im Gesetz selbst vorgegeben ist. In § 538 Abs. 2 S. 1 ZPO n.F. heißt es nämlich, dass das Berufungsgericht die Sache u.a. nur dann zurückverweisen darf, wenn ihre weitere Verhandlung erforderlich ist. Käme also der Senat aus rechtlichen Gründen, ohne dass es hierzu einer Erhebung von Beweisen nach der mündlichen Verhandlung bedürfte, zu dem Ergebnis, dass die Klage gegen die Beklagte zu 1. unbegründet wäre, so wäre die Klage naturgemäß abzuweisen, ohne dass eine Zurückverweisung in Betracht zu ziehen wäre. Ist die Sache zu Lasten der Klägerseite aber nicht ohne Beweisaufnahme aufgrund verkündeten Beweisbeschlusses nach der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif, so hängt die Entscheidung, ob zurückzuverweisen ist, von den weiteren Voraussetzungen des § 538 Abs. 2 ZPO n.F. ab, nämlich davon, ob eine der Fallgruppen der Ziffern 1-7 vorliegt und der Zurückverweisungsantrag gestellt ist. Hieraus folgt, dass dieser Antrag, wenn nicht der Ausnahmefall vorliegt, nach dem ausschließlich die Zurückverweisung beantragt ist, in der Regel - und so auch hier - hilfsweise gestellt ist. Diese genauere Betrachtung zeigt, dass die von der Beklagten zu 1. in der Verhandlung vor dem Senat geäußerte Auffassung, der Zurückverweisungsantrag sei nur für den Fall gestellt, dass der Senat auch nach Beweisaufnahme nicht zur Klageabweisung käme, nicht stimmig ist; denn in einem solchen Falle ist eine Sache stets zur Entscheidung reif, kann also ohnehin nicht zurückverwiesen werden. Das bedeutet, dass die von der Beklagten zu 1. genannte Einschränkung in ihrem Zurückverweisungsantrag wegen fehlender Übereinstimmung mit der Gesetzeslage als unwirksam und damit unbeachtet zu bleiben hat.

Dasselbe gilt für die weitere Einschränkung, der Senat solle die Sache nur dann an das Landgericht zurückverweisen, wenn er zum Ergebnis käme, die neuen Beweisanträge zur behaupteten unterbliebenen Auslieferung des Panorama-Röntgengerätes seien nach § 531 Abs. 2 ZPO n.F. nicht zuzulassen. Dies wäre, wie etwa das Ergebnis einer Beweiswürdigung, noch nicht unmittelbar prozessgestaltend, weshalb eine solche Voraussetzung nicht zur Bedingung für die Wirksamkeit einer Prozesshandlung (Stellung eines Hilfsantrages) gemacht werden darf (Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., Vorbemerkung 20 vor § 128 und § 253 Rdnr. 1, OLG Stuttgart NJW 1971, 1090 m.w.N.; vgl. auch BGH NJW 1995, 1353).

Nach allem bleibt der Zurückverweisungsantrag der Beklagten zu 1. für den hier vorliegenden Fall bestehen, dass der Senat aufgrund der mündlichen Verhandlung nicht ohne weiteres zur Abweisung der Klage kommt. Hätte die Beklagte zu 1. dies ausschließen wollen, hätte sie den Zurückverweisungsantrag insgesamt zurückziehen müssen. Das hat sie jedoch - auch nach der Erörterung der ausgeführten Problematik in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - gerade nicht getan.

3.

Es wäre auch nicht sachdienlich, wenn der Senat selbst in der Sache entscheiden würde; denn das Landgericht hat sich mit der Sache bislang nur insoweit auseinandergesetzt, als es den - noch nicht ergänzten - Sachvortrag der Beklagten zu 1. als unsubstantiiert und nicht nachvollziehbar und deshalb unerheblich angesehen hat.

Es wäre überdies zu erwarten, dass die Klägerin Gegenzeugen für die von ihr behauptete Überlassung der Leasinggegenstände benennen wird und dass die Vorgänge um die Gutschrift des Lieferanten zugunsten des Beklagten zu 1. in die Vorgänge einbezogen werden. Des weiteren ist in der Berufungsinstanz die Schadenshöhe streitig geworden. Der Sachverhalt ist nach allem von Grund auf zu klären. Dies war dem Senat terminsvorbereitend nicht möglich. Ferner stehen den Parteien grundsätzlich zwei Tatsacheninstanzen zu, und es ist zur Klärung der Angelegenheit, die für die Parteien von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist, voraussichtlich eine aufwendige Beweisaufnahme notwendig (s.o.; § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO n.F.). Diesen Umständen gibt der Senat Vorrang vor der mit einer Zurückverweisung verbundenen Verlängerung der Dauer des Rechtsstreits und der damit verbundenen Kostensteigerung, die der Senat durch eine Entscheidung nach § 8 GKG gemildert hat.

4.

Ergänzend weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die Beweislast für die Unrichtigkeit der Übernahmebestätigung vom 6. Mai 1998 auf der Beklagtenseite liegt (vgl. BGH NJW 1988, 204).

B.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10 ZPO, 8 GKG.

Es besteht kein Anlass auf Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 36.415,50 €.

Ende der Entscheidung

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