Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.07.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 218/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 174 Abs. 1 Nr. 2
Die gelegentliche Tätigkeit einer Person unter achtzehn Jahren als Babysitter/in im Hause der Eltern des Kindes begründet kein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und den Eltern des Kindes im Sinne des Straftatbestandes des § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Sexuelle Handlungen des Vaters des Kindes an der Babysitterin erfüllen daher den Tatbestand des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen nicht.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

1 Ws 218/00 412 Js 697/99 StA Düsseldorf

In der Strafanzeigesache

hat der 1. Strafsenat durch den vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S und die Richter am Oberlandesgericht H und K am

l0.Juli 2000

auf den von Rechtsanwalt B in D namens des H H aus D gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 11. Februar 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller bezichtigt die Beschuldigte der falschen Verdächtigung nach § 164 StGB, der Vortäuschung einer Straftat nach § 145 d StGB sowie der Verleumdung nach § 187 StGB.

Er trägt vor, die damals 17jährige Beschuldigte, die im Jahre 1998 wiederholt als Babysitterin seine zwei Kinder verwahrt und dabei auch gelegentlich in seinem Haus übernachtet habe, habe am 22. März 1999 beim Polizeipräsidium in Strafanzeige gegen ihn erstattet. Sie habe ihn beschuldigt, an ihr, als sie das dritte Mal in seinem Hause übernachtet habe, sexuelle Handlungen vorgenommen und während aller weiteren Übernachtungen mit ihr den Geschlechtsverkehr ausgeübt zu haben.

Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren eingestellt. Der Generalstaatsanwalt hat die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers durch den angefochtenen Bescheid als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Dieser ist unzulässig, weil er nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO entspricht.

II.

1.

Nach § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO muß der Antrag auf gerichtliche Entscheidung die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, angeben. Das heißt, daß sich aus dem vorgetragenen Sachverhalt, seine Richtigkeit unterstellt, eine Straftat des Beschuldigten ergeben muß.

Das ist hier nicht der Fall.

2.

Die falsche Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB setzt voraus, daß der Beschuldigte wider besseres Wissen einen anderen einer rechtswidrigen Tat verdächtigt. Die Anzeige muß geeignet sein, einen Anfangsverdacht gegen den Verdächtigten zu begründen und damit ein Verfahren gegen ihn auszulösen.

Aus dem Inhalt der Anzeige der Beschuldigten, wie der Antragsteller ihn in seiner Antragsbegründung darlegt, ergibt sich jedoch keine rechtwidrige Tat des Antragstellers und insbesondere nicht der Verdacht einer Vergewaltigung nach § 177 Abs. 1 StGB a.F., §177. Abs. 2 StGB n.F., einer sexuellen Nötigung nach § 178 Abs. 1 StGB a.F., § 177 Abs. 1 StGB n.F. oder eines sexuellen Mißbrauchs Schutzbefohlener nach § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB.

a)

Nach den Ausführungen des Antragstellers hat die Beschuldigte ausgesagt:

Beim dritten Male habe der Antragsteller nachts in ihrem Zimmer gestanden. Am Anfang sei er nur mit seiner Hand unter ihr T-Shirt gegangen, irgendwann sei er auch mit seiner Hand in ihren Slip gegangen, dann habe sie sich weggedreht, dann sei er auch weggewesen.

In der Folgezeit habe sie jedes Mal, wenn sie da gewesen sei, mit dem Antragsteller Geschlechtsverkehr ausgeübt. Er habe sie gestreichelt und da er eben schon älter sei und außerdem sterilisiert, habe er mit der Erektion Probleme und dann habe er das, was normaler Weise zwischen Mann und Frau glatt abläuft, das habe er dann eben... reingestopft. Dann habe er das so lange bewegt, bis es zu einer Erektion gekommen sei und dann habe er wieder die Zuckungen gekriegt. Und so sei das jedes Mal dann gegangen.

Sie habe nie etwas gesagt. Sie habe sich weggedreht, da der Antragsteller nicht gerade schwach sei; er habe keine Gewalt angewendet. Sein Erscheinungsbild habe schon gereicht. Er sei sehr kräftig. Sie habe nicht direkt Angst gehabt, aber sie habe es irgendwie nie gewagt, "nein" zu sagen.

b)

Nach dieser Aussage hat der Antragsteller die Beschuldigte weder vergewaltigt noch sie sexuell genötigt, denn er hat gegenüber der Beschuldigten, die dem Antragsteller zu keiner Zeit erklärt oder sonst zu erkennen gegeben hat, daß sie mit seinen sexuellen Handlungen nicht einverstanden sei, weder Gewalt angewandt noch sie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung der sexuellen Handlungen bzw. des Geschlechtsverkehrs genötigt.

Nach der Strafanzeige der Beschuldigten waren auch die Voraussetzungen eines sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen nach § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht erfüllt. Dafür wäre Voraussetzung, daß die zur fraglichen Zeit noch nicht 18jährige Beschuldigte dem Antragsteller im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses untergeordnet gewesen wäre und der Antragsteller die sexuellen Handlungen an der Beschuldigten unter Mißbrauch der mit dem Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit vorgenommen hätte.

Die gelegentliche Tätigkeit der Beschuldigten als Babysitterin im Hause des Antragstellers hat kein Arbeitsverhältnis i.S.d. § 174 Abs. 1 Nr. 2 StGB begründet, da ein solches einer gewissen Dauer bedarf. Auch an einer Unterordnung der Beschuldigten fehlte es, denn diese erfordert eine Vorgesetztenstellung des Täters und eine über den Einzelfall hinausgehende Weisungsbefugnis (S/S-Lenckner, StGB, 25. Aufl., § 174 Rn 10), die bei einer unregelmäßigen Kinderverwahrung nicht gegeben ist, auch wenn es dabei zu gelegentlichen Weisungen kommt. Schließlich scheidet auch ein Mißbrauch einer durch ein Arbeitsverhältnis begründeten Abhängigkeit aus. Hierfür ist erforderlich, daß der Täter die auf seiner durch das Arbeitsverhältnis begründeten Macht gegenüber dem Schutzbefohlenen beruhende sachliche und/oder psychische Abhängigkeit des Jugendlichen für seine Zwecke ausnutzt, wobei beiden Teilen der Zusammenhang des Abhängiggkeitsverhältnisses mit den sexuellen Handlungen bewußt sein muß (BGHSt 28, 365; S/S-Lenckner, aaO, § 174 Rn 14; Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 174 Rn 12). Daß eine solche Abhängigkeit hier nicht bestand, ergibt sich aus der Aussage der Beschuldigten, wonach sie sich nicht durch den Antragsteller unter Druck gesetzt fühlte und die sexuellen Handlungen nicht nur geduldet hat, um ihre weitere Beschäftigung als Babysitterin zu sichern.

3.

Eine Vortäuschung einer Straftat nach § 145 a StGB, die aufgrund der Subsidiaritätsklausel des Abs. 1 nur in Betracht kommt, wenn nicht eine Strafbarkeit nach § 164 StGB gegeben ist, scheidet ebenfalls aus. Auch sie erfordert, daß der Täter wider besseres Wissen eine rechtswidrige Tat anzeigt. Das war hier aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.

4.

Daß gleichwohl gegen den Antragsteller über längere Zeit ein Ermittlungsverfaren geführt worden ist, ist - auch wenn die Beschuldigte durch ihre Anzeige gegen den Antragsteller ein Strafverfahren gegen diesen veranlassen wollte - ohne Bedeutung. Insbesondere ist der mögliche Versuch der falschen Verdächtigung und des Vortäuschens einer Straftat nicht strafbar.

5.

Soweit der Antragsteller die Beschuldigte einer Verleumdung nach § 187 StGB bezichtigt, ist der Antrag nach § 172 Abs. 2 Satz 3 StPO unzulässig, da die Verläumdung nach § 374 Abs. 1 Nr. 2 StPO ein Privatklagedelikt ist und das Verfahren - wie dargelegt nicht auch ein Offizialdelit zum Gegenstand hat.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.

Ende der Entscheidung

Zurück