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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 24.05.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 292/00
Rechtsgebiete: BRAGO
Vorschriften:
BRAGO § 84 Abs. 1 | |
BRAGO § 971 Abs. 1 | |
BRAGO § 971 Abs. 3 | |
BRAGO § 102 |
Der dem Nebenkläger beigeordnete Rechtsanwalt erhält für seine Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren die Vorverfahrensgebühr nach §§ 84 Abs. 1, 97 Abs. 1, 83 BRAGO auch dann, wenn die Anschlußerklärung und die Beiordnung des Rechtsanwalts erst nach Erhebung der öffentlichen Klage erfolgt sind.
OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, Beschluß vom 24.05.2000 - 1 Ws 292/00
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
1 Ws 292/00 412 Js 781/93 StA Düsseldorf
In der Strafsache
gegen
J K
geboren am 11. November 1965 in Krefeld,
hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröter und die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Stüttgen am
24. Mai 2000
auf die Beschwerde des Vertreters der Nebenklägerin C H , Rechtsanwalt P in Düsseldorf, gegen den Beschluß des Vorsitzenden der X a Strafkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. Februar 2000
beschlossen:
Tenor:
Über die durch die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 2. November 1998 und 16. Juni 1999 festgesetzten Gebühren und Auslagen hinaus sind dem Rechtsanwalt P aus der Staatskasse weitere Gebühren in Höhe von 230,-- DM zu zahlen.
Die weitergehende Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Gründe:
I.
Am 23. Juli 1993 hat Rechtsanwalt P in Düsseldorf für die Geschädigte C H gegen den Angeklagten Strafanzeige wegen Körperverletzung und Vergewaltigung erstattet.
Nachdem am 15. April 1995 Anklage gegen den Angeklagten erhoben und das Hauptverfahren am 23. September 1996 eröffnet worden war, hat Rechtsanwalt P am 26. März 1998 gegenüber dem Landgericht erklärt, daß sich die Geschädigte H dem Verfahren als Nebenklägerin anschließe, und zugleich beantragt, dieser unter seiner Beiordnung Prozeßkostenhilfe zu bewilligen. Dem Antrag hat die X a Strafkammer durch Beschluß vom 31. März 1998 entsprochen.
Rechtsanwalt P hat die Nebenklägerin in den Hauptverhandlungsterminen vom 31.3., 7.4., 15.4., 17.4. und 22.4.98 vertreten.
Am 6. Juli 1998 hat Rechtsanwalt P beantragt, die ihm aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 2.854,41 DM festzusetzen. Darin enthalten war eine Vorverfahrensgebühr gemäß §§ 84, 97 Abs. 1 BRAGO in Höhe von 240,-DM.
Rechtsanwalt P hat mit Schreiben vom 16. Oktober 1998 erklärt, er habe zunächst den Auftrag gehabt, eine Strafanzeige zu erstatten. Später habe sich herausgestellt, daß seine Mandantin das Nebenklageverfahren habe einleiten wollen, aber nicht in der Lage gewesen sei, seine hierdurch entstehenden Kosten zu tragen. Daraufhin sei erst im März 1998 der Antrag gestellt worden, die Nebenklage zuzulassen und der Nebenklägerin Prozeßkostenhilfe zu bewilligen.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 2. November 1998 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle einen Teilbetrag der dem Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen in Höhe von 2.390,41 DM und durch Kostenfestsetzungsbeschluß vom 16. Juni 1999 einen Restbetrag von 185,60 DM festgesetzt. Dabei hat sie die von dem Antragsteller beantragte Vorverfahrensgebühr gemäß §§ 84, 97 Abs. 1 BRAGO in Höhe von 240,-- DM außer Ansatz gelassen, weil der Antragsteller im Vorverfahren nicht als Nebenklägervertreter tätig geworden sei.
Der gegen die Nichtfestsetzung der Vorverfahrensgebühr gerichteten Erinnerung des Antragstellers hat der Vorsitzende der X a Strafkammer durch Beschluß vom 11. Februar 2000
"nicht abgeholfen".
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, mit der er die Festsetzung der Vorverfahrensgebühr weiterverfolgt.
II.
Das nach § 98 Abs. 3 BRAGO statthafte Rechtsmittel ist weitgehend begründet.
1. Nach § 98 Abs. 2 BRAGO hat über die Erinnerung des Rechtsanwalts gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszuges zu entscheiden. Da es sich bei dieser Erinnerung um keine Durchgriffserinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG a. F. handelt, ist die Entscheidung des Vorsitzenden keine Abhilfeentscheidung, sondern eine abschließende Entscheidung. Eine solche und damit eine Zurückweisung der Erinnerung ist in den Beschluß des Strafkammervorsitzenden vom 11. Februar 2000 sehen, auch wenn es darin heißt, der Erinnerung werde nicht abgeholfen. Eine nochmalige Vorlage der Sache an den Strafkammervorsitzenden zur Herbeiführung einer Abhilfeentscheidung nach § 306 Abs. 2 StPO war jedoch nicht geboten, denn das Abhilfeverfahren ist keine Verfahrensvoraussetzung für die Entscheidung des Beschwerdegerichts.
2. Nach § 102 BRAGO, der als Sonderregel § 95 BRAGO verdrängt, gelten für die Gebühren des dem Nebenkläger beigeordneten Rechtsanwalts die Vorschriften der §§ 97 bis 101 BRAGO sinngemäß. Nach § 97 Abs. 3 BRAGO erhält der Verteidiger und damit auch der dem Nebenkläger beigeordnete Rechtsanwalt für seine Tätigkeit vor Eröffnung des Hauptverfahrens die Vergütung unabhängig vom Zeitpunkt seiner Bestellung.
Hierbei handelt es sich um eine Spezialvorschrift gegenüber § 122 ZPO, wonach die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe grundsätzlich nur für die Zukunft wirkt. Der Anspruch des Antragstellers ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil seine Beiordnung erst nach Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens am ersten Hauptverhandlungstag erfolgt ist (vgl. OLG Oldenburg JB 1991, 943; OLG Hamm AnwBl. 1985, 320).
Der Anspruch des Beschwerdeführers auf eine Vorverfahrensgebühr nach §§ 102, 97 Abs. 1 und 3, 95, 84 BRAGO ist auch nicht ausgeschlossen, weil nach §§ 395, 396 StPO ein wirksamer Anschluß als Nebenkläger erst mit Erhebung der öffentlichen Klage möglich ist (a. M. Hartmann Kostengesetze, 29. Aufl., BRAGO, § 102 Rn. 5). Die §§ 395, 396 StPO bestimmen nur, wann eine Anschlußerklärung prozessual wirksam wird. Sie schließen nicht aus, daß der Nebenklägervertreter schon im vorbereitenden Verfahren für den späteren Nebenkläger tätig wird, die Anschlußerklärung vorbereitet und hierzu gemäß § 406 e StPO Akteneinsicht nimmt. Dementsprechend läßt auch § 396 Abs. 1 StPO zu, daß die Anschlußerklärung schon vor Anklageerhebung bei Gericht eingereicht wird, und bestimmt für diesen Fall, daß sie mit der Anklageerhebung wirksam wird. Angesichts ihrer danach ausschließlich prozessualen Bedeutunghaben die §§ 395, 396 StPO keine kostenrechtliche Wirkung und schränken § 97 Abs. 3 BRAGO nicht ein (OLG Oldenburg a. a. O; OLG Hamm a. a. O.).
Der Beschwerdeführer ist auch für die Geschädigte im vorbereitenden Verfahren tätig geworden. Daß er von der Geschädigten zunächst nur den Auftrag hatte, Strafanzeige gegen den Angeklagten zu erstatten, und er erst später den Auftrag erhielt, für die Geschädigte auch den Anschluß als Nebenklägerin zu erklären und sie im weiteren Verfahren zu vertreten, steht einem Gebührenanspruch nach § 97 Abs. 3 BRAGO nicht entgegen. Die Strafanzeige wie auch die spätere Vertretung der Geschädigten als Nebenklägerin dienten demselben Ziel, eine Verurteilung des Angeklagten wegen der Straftaten zum Nachteil der Geschädigten zu erzwingen.
Die dem Antragsteller nach § 97 Abs. 3 BRAGO zustehende Gebühr bestimmt sich nach §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 95, 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 BRAGO und beträgt danach die Hälfte des Vierfachen der Mindestgebühr nach § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO.
Da die Tätigkeit des Antragstellers im Vorverfahren im Juli 1993 begann und damit sein Gebührenanspruch gegen die Nebenklägerin entstand, kommt § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in der bis zum 1. Juli 1994 geltenden Fassung zur Anwendung. Danach betrug die Mindestgebühr nach § 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO 100,-- DM, so daß der noch festzusetzende Gebührenanspruch des Antragstellers 200,-- DM zuzüglich 30,-- DM Mehrwertsteuer beträgt.
Die auf die Festsetzung der Vorverfahrensgebühr gemäß §§ 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 Nr. 2 n. F. BRAGO gerichtete weitergehend Beschwerde war zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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