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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 29.06.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 362/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 315 Abs. 1 Nr. 3
StGB § 315 Abs. 1 Nr. 4
Der Fluggast, der entgegen einem bestehenden Rauchverbot auf der Toilette des Flugzeugs raucht und dadurch den Rauchmelder aktiviert und einen Alarmton auslöst, erfüllt nicht den Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

1 Ws 362/00 110 Js 260/00 StA Düsseldorf

In der Strafanzeigesache

gegen

pp.

wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S und die Richter am Oberlandesgericht H und S

am 29. Juni 2000

auf den von Rechtsanwalt L in namens der aus D gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 3. Mai 2000 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin bezichtigt den Beschuldigten des gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr gemäß § 315 Abs. 1 Nr. 3 und 4 StGB. Sie trägt vor:

Der Beschuldigte habe am 5. Dezember 1999 auf ihrem von D nach C eine Toilette des Flugzeuges aufgesucht und dort, obwohl ein absolutes Rauchverbot bestanden habe, geraucht. Durch den Zigarettenrauch sei der sog. Smoke-Detektor aktiviert worden und habe einen lauten Pfeifton ausgelöst, durch den sowohl die Cockpit-Besatzung als auch die Cabinencrew in Alarmbereitschaft versetzt und auf eine Brandsituation hingewiesen worden seien. Infolgedessen sei die Besatzung gehalten gewesen, der Warnmeldung umgehend nachzugehen und Schutzmaßnahmen gegen Feuer an Bord vorzubereiten. Während dieser Zeit habe sie ihre eigentlichen Aufgaben zur Durchführung eines sicheren Fluges nicht oder nur eingeschränkt verrichten können.

Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat das Ermittlungsverfahren eingestellt. Der Generalstaatsanwalt hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO. Der Antrag ist unzulässig, weil er nicht den gesetzlichen Erfordernissen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO genügt.

II.

1.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Antrag nicht bereits unzulässig ist, weil er nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO entspricht. Zu den danach anzugebenden Tatsachen gehören u.a. nämlich auch die Wiedergabe des Inhalts der angegriffenen Bescheide, die Auseinandersetzung hiermit und die Angabe der Gründe, aus denen sie falsch sein sollen. Hierbei ist eine Bezugnahme auf Akten und Anlagen unzulässig (ständige Senatsrechtsprechung vgl. VRS 82, 352; VRS 84, 450; Senatsbeschluß vom 29. Februar 2000 - 1 Ws 118/00 - ; KK-Wache/Schmid, StPO, 4. Aufl., § 172 Rn 34; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 172 Rn 27).

Die Antragstellerin gibt in ihrem Antrag den Inhalt des Einstellungsbescheides der Staatsanwaltschaft jedoch nicht wieder, sondern nimmt nur auf die als Anlage 2 beigefügte Ablichtung Bezug und beschränkt sich im übrigen auf die Erklärung, die Staatsanwaltschaft habe verkannt, daß der Beschuldigte die Tathandlungen des § 315 Nr. 3 und 4 StGB erfüllt und hierdurch eine konkrete Gefährdung im Sinne von § 315 StGB verursacht habe. Eine Auseinandsersetzung mit den Gründen des Einstellungsbescheides liegt darin nicht.

2.

Jedenfalls ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unzulässig, weil der Sachvortrag nicht den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO entspricht. Danach muß der Antrag die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, angeben. Das heißt, dass der vorgetragene Sachverhalt, seine Richtigkeit unterstellt, den hinreichenden Verdacht einer Straftat begründet.

Das ist hier nicht der Fall.

a)

Als der Beschuldigte durch das Entzünden seiner Zigarette den Rauchmelder aktiviert und dadurch einen Alarmton ausgelöst hat, hat er - entgegen der Meinung der Antragstellerin - nicht den Tatbestand des § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB erfüllt.

Nach § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB wird wegen gefährlichen Eingriffs in den Luftverkehr bestraft, wer die Sicherheit des Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er falsche Zeichen oder Signale gibt und dadurch Leib oder Leben eines anderen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Falsche Signale im Sinne dieser Vorschrift sind solche, die Verkehrsvorgänge beeinflussen sollen, der Verkehrslage aber widersprechen (Tröndle/Fischer, StGB, 49. Aufl., § 315 Rn 10). Hierzu zählen zwar auch falsche Not-, Warn- und Ansteuerungssignale im Luftverkehr (Tröndle/Fischer aaO), aber nur solche, die der Täter vorsätzlich auslöst, um dadurch den Luftverkehr fehlzuleiten. Der durch den Rauchmelder ausgelöste Warnton zählt nicht dazu, denn er ist weder falsch, noch dient er der Beeinflussung von Verkehrsvorgängen.

Im übrigen erfordert § 315 Abs. 1 Nr. 3 StGB, dass durch das falsche Signal Leib oder Leben eines anderen oder Sachen von bedeutendem Wert gefährdet werden. Eine solche Gefahr aber wird allenfalls durch ein im Flugzeug entfachtes Feuer, nicht aber durch den Warnton des Rauchmelders begründet, der dazu bestimmt und geeignet ist, solche Gefahren zu verhindern.

b)

Auch den Tatbestand des § 315 Abs. 1 Nr. 4 StGB hat der Beschuldigte durch sein Verhalten nicht erfüllt.

Danach wird bestraft, wer die Sicherheit des Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff wie die in den Nrn. 1-3 genannten vornimmt und dadurch die bereits aufgeführten Rechtsgüter gefährdet.

Dazu zählen Verhaltensweisen, die unmittelbar auf Verkehrsvorgänge einwirken (BGHSt 10, 405), diese beeinträchtigen und dadurch eine konkrete Gefahr begründen (BGH VRS 69, 127; OLG Celle MDR 1970, 1027).

Das Verhalten des Beschuldigten stellte keine unmittelbare Einwirkung auf Verkehrsvorgänge dar und hat diese nicht beeinträchtigt. Darüber hinaus hat er auch keine konkrete Gefahr begründet. Dass Rauchen an Bord einer Verkehrsmaschine keine konkrete Brandgefahr begründet, ist schon daran erkennbar, daß bis in die jüngste Vergangenheit das Rauchen in allen Passagiermaschinen erlaubt war und auch gegenwärtig noch von vielen Linien gestattet ist. Wenn es in letzter Zeit stark eingeschränkt und von manchen Gesellschaften wie auch der Antragstellerin generell untersagt ist, so dient das in erster Linie den Interessen und dem Schutz nichtrauchender Passagiere, nicht aber der Abwehr von Brandgefahren. Dass Toiletten und andere von der Besatzung nicht einsehbare Räume des Flugzeugs mit Rauchmeldern versehen sind, um Rauchentwicklungen frühzeitig zu erkennen und - möglicherweise - auch die Umgehung des Rauchverbots zu verhindern, bedeutet nicht, daß das Rauchen dort gefährlicher ist als in der Kabine und eine konkrete Gefahr begründet.

Dass - wie die Antragstellerin vortragen läßt - auf den Warnton des Rauchmelders hin die gesamte Cockpit-Besatzung und Kabinencrew ihre Tätigkeiten unterbrochen und Vorbereitungen zur Feuerbekämpfung getroffen haben, so daß dadurch die Sicherheit des Fluges gefährdet war, kann nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden.

Im übrigen wäre diese Gefahr von dem Beschuldigten weder unmittelbar noch - weil nicht voraussehbar - vorsätzlich verursacht.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlaßt.

Ende der Entscheidung

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