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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 15.11.1999
Aktenzeichen: 1 Ws 686/99
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 278
StGB § 223
StPO § 172 Abs. 2 Satz 1
StPO § 177
StGB § 278

Zum Tatbestand des Ausstellens eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses.

OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat Beschluß vom 15.11.1999 - 1 Ws 686/99 -


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

1 Ws 686/99 231 Js 550/98 StA Düsseldorf

In der Strafanzeigesache

gegen

Kreisgesundheitsdirektor

wegen Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse u.a.

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht S und die Richter am Oberlandesgericht H und S am 15. November 1999 auf den von Rechtsanwalt M in M B namens der A H aus M gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts in Düsseldorf vom 25. Juni 1999 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet auf Kosten der Antragstellerin verworfen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin bezichtigt den Beschuldigten des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse nach § 278 StGB und der Körperverletzung nach § 223 StGB. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und der Generalstaatsanwalt die dagegen gerichtete Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der zulässig, aber nicht begründet ist.

II.

Die Ausstellung falscher Gesundheitszeugnisse sieht die Antragstellerin zunächst darin, daß der Beschuldigte sie als Amtsarzt im Auftrage des Amtsgerichts Neuss am Morgen 27. November 1997 untersucht und dem Amtsgericht mit Telefax folgende Befunde mitgeteilt habe:

"Obengenannte habe ich heute im Rahmen eines Hausbesuches gegen 8.00 Uhr befragt und untersucht.

Aufgrund eines erhöhten Medikamentenkonsums und der damit verbundenen psychischen und mentalen Beeinträchtigungen ist die Betreffende aus amtsärztlicher Sicht momentan nicht in der Lage, einer mündlichen Verhandlung zu folgen. Demnach besteht meines Erachtens bei Frau H zur Zeit Verhandlungsunfähigkeit.

Es wird vorgeschlagen, ggf. im Vorfeld eines erneuten Verhandlungstermines eine psychiatrische bzw. testpsychologische Untersuchung in Auftrag zu geben."

Die Antragstellerin beanstandet nicht, daß der Beschuldigte bei ihr als Folge der Medikamenteneinnahme psychische und mentale Beeinträchtigungen und als deren Folge eine Verhandlungsunfähigkeit diagnostiziert hat. Ein unrichtiges Gesundheitszeugnis des Beschuldigten gemäß § 278 StGB sieht sie jedoch darin, daß er einen "erhöhten Medikamentenkonsum" attestiert habe, obwohl sie nur die von ihrem Hausarzt verordneten Medikamente eingenommen habe. Sie erblickt darin den unbegründeten Vorwurf des Medikamentenmißbrauchs.

Die Ausstellung eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses sieht die Antragstellerin ferner darin, daß der Beschuldigte bei einer anschließenden telefonischen Rückfrage des Richters am Amtsgericht G am Morgen des 27. November 1997 falsch gemutmaßt habe, daß sie sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen die Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt habe. Der Beschuldigte habe gewußt, daß es infolgedessen zum Erlaß eines Haftbefehls kommen werde, und ihre Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Attendorn vorgeschlagen. Hierdurch - so meint die Antragstellerin habe sich der Beschuldigte zugleich einer Körperverletzung durch aktives Tun, zumindest aber durch Unterlassen schuldig gemacht. Ihm sei nämlich bewußt gewesen, daß ihr - der Antragstellerin aufgrund seiner falschen Beurteilung jederzeit die Verhaftung drohe oder es sogar zur Verhaftung komme und sich dadurch ihr Gesundheitszustand erheblich verschlimmern könne, was auch tatsächlich geschehen sei. Die Körperverletzung durch Unterlassen sieht die Antragstellerin darin, daß der Beschuldigte, auch nachdem ihm durch ihren Ehemann eine Bestätigung ihres Hausarztes vorgelegt worden sei, wonach die von ihr eingenommenen Medikamente der Verordnung entsprächen, seine falsche Beurteilung nicht gegenüber dem Amtsgericht berichtigt und nicht die Aufhebung des Haftbefehls veranlaßt habe.

III.

Ausgehend von dem Sachvortrag der Antragstellerin liegt keine Ausstellung eines falschen Gesundheitszeugnisses nach § 278 StGB vor. Auch eine Falschbeurkundung im Amt nach § 348 StGB ist nicht gegeben, die, da der Beschuldigte als Amtsarzt und damit als Amtsträger gehandelt hat, § 278 StGB verdrängen würde. Eine Körperverletzung nach § 223 StGB durch aktives Tun oder Unterlassen scheidet ebenfalls aus.

1.

Der Sachvortrag der Antragstellerin ist insofern unzureichend, als sie nicht ausführt, welche Medikamente ihr der Hausarzt verordnet und welche sie eingenommen hat. Anlagen ihres Antrages, auf die sie insoweit Bezug nimmt, sind nicht verwertbar, denn die Sachdarstellung muß aus sich heraus verständlich sein und darf keine Bezugnahmen auf Akten und andere Schriftstücke und insbesondere Anlagen enthalten (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. Senatsbeschluß vom 25. Januar 1999 - 1 Ws 2/99 - m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 172 Rn. 30 m.w:N.). Trotz dieses Mangels läßt sich dem Vortrag der Antragstellerin jedenfalls entnehmen, daß ihr infolge dauernder starker Schmerzen aufgrund eines Wirbelsäulenleidens von ihrem Hauarzt in hohen Dosen starke schmerzstillende und sedierende Medikamente verschrieben worden waren, deren Einnahme zu der von dem Beschuldigten attestierten - auch nach Meinung der Antragstellerin zutreffenden - starken psychischen und mentalen Beeinträchtigung und Verhandlungsunfähigkeit geführt hatte.

Nichts anderes besagt die Mitteilung des Beschuldigten an das Amtsgericht Neuss, wenn es darin heißt, bei der Antragstellerin liege ein "erhöhter Medikamentenkonsum" vor. Diese Angabe ist wertungsneutral und enthält entgegen der Meinung der Antragstellerin weder den gegen sie gerichteten Vorwurf des Medikamentenmißbrauchs noch die Feststellung einer Fehl- oder Überdosierung durch den Hausarzt. Sie besagt lediglich, daß ein das übliche Maß übersteigender Medikamentenkonsum vorlag, den auch die Antragstellerin nicht in Abrede stellt.

Da der Beschuldigte demnach in seiner schriftlichen Äußerung an das Amtsgericht Neuss keine unrichtigen Angaben über den Gesundheitszustand der Antragstellerin gemacht hat, sind hierdurch sowohl die Voraussetzungen der §§ 278 und 348 StGB als auch des § 223 StGB nicht erfüllt.

2.

a) Durch das Telefongespräch zwischen Richter am Amtsgericht C und dem Beschuldigten sind unabhängig von seinem Inhalt weder die Voraussetzungen des Ausstellens eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses noch der Falschbeurkundung im Amt erfüllt, weil § 278 StGB ein schriftliches Zeugnis voraussetzt (vgl. Schönke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 278 Rnrn 1, 2; Tröndle, StGB, 49. Aufl., § 278 Rn. 2) und auch § 348 StGB eine Urkunde erfordert.

b) Auch die Voraussetzungen einer Körperverletzung sind durch das Telefongespräch und die anschließende Untätigkeit des Beschuldigten nicht erfüllt.

Der Sachvortrag der Antragstellerin zu dem von dem Beschuldigten und Richter am Amtsgericht C am Morgen des 27. November 1997 nach Eingang der schriftlichen Stellungnahme des Beschuldigten geführten Telefongespräch ist ebenfalls unzureichend. In der Antragsschrift werden weder der Inhalt des Gesprächs noch der des von Richter am Amtsgericht C darüber niedergelegten Vermerks wiedergegeben. Dort wird zwar auf Seite 7 auf den "vorzitierten Vermerk" verwiesen, tatsächlich aber ist dessen Inhalt in der Antragsschrift nicht wiedergegeben. Auch die Beifügung des Vermerkes als Anlage genügt den Anforderungen an die Antragsschrift nicht (s. oben). In der Antragsschrift ist hierzu lediglich ausgeführt, daß der Beschuldigte während des Gesprächs gemutmaßt habe, daß die Antragstellerin sich vorsätzlich oder fahrlässig in einen die Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt habe und daß er und Richter am Amtsgericht C die Verhaftung der Antragstellerin und ihre anschließende Unterbringung in der Justizvollzugsanstalt Fröndenberg oder Attendorn erörtert haben. Ob und gegebenfalls welche ergänzenden Angaben der Beschuldigte in diesem Gespräch über den Gesundheitszustand der Antragstellerin gemacht hat, ergibt sich aus der Antragsschrift nicht.

Der Erlaß eines Haftbefehls gemäß § 230 Abs. 2 StPO wegen unzureichender Entschuldigung, dessen Begründung in der Antragsschrift ebenfalls nicht wiedergegeben ist, deutet zwar darauf hin, daß Richter am Amtsgericht C davon ausgegangen ist, daß die Antragstellerin sich durch Medikamentenmißbrauch schuldhaft in einen die Verhandlungsfähigkeit ausschließenden Zustand versetzt hat. Auch wenn, wie die Antragstellerin vorträgt, der Richter sich dabei auf die Angaben des Beschuldigten stützte, folgt daraus nicht, daß der Beschuldigte einen Medikamentenmißbrauch der Antragstellerin diagnostiziert hat, sondern es ist, zumal der Inhalt des Vermerks in der Antragsschrift nicht wiedergegeben ist, naheliegend, daß der Richter die Feststellung eines Medikamentenmißbrauchs und die schuldhafte Herbeiführung der Verhandlungsunfähigkeit aufgrund eigener Wertung zwar unter Berücksichtigung der Ausführungen des Beschuldigten, aber von diesen abweichend, getroffen hat. Hierfür spricht, daß nach den Ausführungen der Antragstellerin der Beschuldigte gemutmaßt, also den Verdacht geäußert hat, daß die Antragstellerin sich fahrlässig oder vorsätzlich in den Zustand der Verhandlungsunfähigkeit versetzt habe. Wenn er aufgrund des durch Medikamenteneinnahme verursachten Zustandes der Antragstellerin diesen nicht fernliegenden Verdacht hatte und gegenüber Richter am Amtsgericht C äußerte, war das nicht schuldhaft, sondern entsprach seinem Gutachtenauftrag. Diesen Verdacht zu bewerten und evtl. zu verifizieren war Aufgabe des Gerichts.

Da sich demnach aus der Antragsschrift keine Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Diagnose und folglich auch nicht für eine Pflichtverletzung des Beschuldigten ergeben, ist eine evtl. durch den Erlaß des Haftbefehls eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Antragstellerin nicht von dem Beschuldigten verschuldet. War aber - wovon aufgrund des Inhalts der Antragsschrift auszugehen ist - seine Diagnose nicht falsch, bestand für ihn auch kein Anlaß, sie aufgrund der Vorlage einer Stellungnahme des Hausarztes durch den Ehemann der Antragstellerin gegenüber dem Amtsgericht richtigzustellen, zumal diese Stellungnahme nur Aufschluß über die verordneten, nicht aber die von der Antragstellerin tatsächlich eingenommenen Medikamente geben konnte. Deshalb scheidet auch eine Körperverletzung durch Unterlassung aus.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 177 StPO.



Ende der Entscheidung

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