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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 07.02.2000
Aktenzeichen: 1 Ws 75/00
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2
StGB § 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2

Der Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung ist nicht gerechtfertigt, wenn die Vollstreckung der für die innerhalb der Bewährungszeit begangene neue Straftat verhängten Freiheitsstrafe ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt worden ist und die inzwischen positive Lebensführung des Verurteilten eine günstige Sozialprognose zuläßt. In diesem Fall genügen weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 56f Abs. 2 StPO.

OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, Beschluß vom 07.02.2000 - 1 Ws 74 - 75/00 -


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

BESCHLUSS

1 Ws 74-75/00 209 VRs 7786/95 StA Düsseldorf 31 VRs 713/97 StA Mönchengladbach

In der Strafvollstreckungssache

gegen

geboren am 13. Dezember 1965 in Rheydt, zur Zeit in der JVA Willich I,

wegen Diebstahls u.a.

hat der 1. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schröter und die Richter am Oberlandesgericht Heidemann und Stüttgen auf die sofortigen Beschwerden des Verurteilten gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf vom 26. November 1999 - StVK 101/96 und 295/97 - nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und auf deren Antrag am 7. Februar 2000 beschlossen:

Tenor:

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.

Die Bewährungszeit wird hinsichtlich

- des Strafrestes aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 14. März 1995 um ein Jahr auf fünf Jahre,

- der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 10. Juni 1997 um ein Jahr auf sechs Jahre verlängert.

Die Kosten der Rechtsmittel und die notwendigen Auslagen des Verurteilten fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

Durch die angefochtenen Beschlüsse hat die Strafvollstreckungskammer die Aussetzung der Vollstreckung

- des Strafrestes aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 14. März 1995

- der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 10. Juni 1997 zur Bewährung widerrufen, weil der Verurteilte im Juni und Oktober 1997 erneut straffällig geworden ist. Zu den rechtzeitig eingelegten sofortigen Beschwerden des Verurteilten hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt Stellung genommen:

"Die angefochtenen Beschlüsse können keinen Bestand haben. Zwar ist der Beschwerdeführer innerhalb der Bewährungszeit erneut straffällig geworden und wurde insoweit vom Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt am 13. November 1998 wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist.

Voraussetzung für den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen erneuter Straffälligkeit des Verurteilten ist indes nicht nur das Vorliegen einer in der Bewährungszeit begangenen neuen Straftat, sondern darüber hinaus die darauf beruhende Erwartung, daß sich der Verurteilte auch künftig nicht straffrei verhalten wird. Hierzu bedarf es einer aktuellen Prognose durch das mit der Entscheidung über den Widerruf befaßte Gericht (vgl. Senatsbeschluß vom 20. Juli 1995, 1 Ws 555/95 in StV 1996, S. 45). Kommt das Gericht, das über die neue Straftat befindet, zu dem Ergebnis, daß die Sozialprognose eine Strafaussetzung zur Bewährung rechtfertigt, so ist es für das über den Widerruf einer früher gewährten Strafaussetzung zur Bewährung entscheidende Gericht in der Regel naheliegend, sich dieser sach- und zeitnäheren Prognose anzuschließen (vgl. Senatsbeschluß vom 22. Oktober 1996, 1 Ws 895-896/96 in StV 1998, S. 214).

Das Amtsgericht hat in seiner, die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aussetzenden Entscheidung insbesondere berücksichtigt, daß der Beschwerdeführer zwischenzeitlich einer Beschäftigung nachgeht und seine Freundin nach Auskunft der Bewährungshelferin einen positiven Einfluß auf ihn hat. Das Landgericht Mönchengladbach hat die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Beschwerdeführers verworfen und zur Frage der Strafaussetzung zur Bewährung ausgeführt, daß die Bewährungshelferin deutlich gemacht habe, daß der Angeklagte seit Ende 1997 darum bemüht sei, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Die den Prognoseentscheidungen des Amts- und Landgerichts zugrundeliegenden Tatsachen sprechen dafür, daß der Beschwerdeführer nach Begehung der Taten, die der Widerrufsentscheidung zugrundeliegen und die überdies zum Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung 2 Jahre zurücklagen, soziale Bindungen aufgebaut hat. Ferner ergibt sich aus der Stellungnahme der Bewährungshelferin vom 25. November 1999, daß der Beschwerdeführer zwischenzeitlich Vater geworden ist und in einem Tiefbauunternehmen arbeitet. Insgesamt kann daher von einer günstigen Sozialprognose ausgegangen werden.

Der eigenständige Strafzweck der Sühne gebietet einen Widerruf der Strafaussetzung nicht. Es ist zwar anerkannt, daß auch generalpräventive Strafzwecke wie der der Sühne bei einer Entscheidung über den Widerruf einer Strafaussetzung zur Bewährung berücksichtigt werden können (zu vgl. Senatsbeschluß vom 8. Dezember 1999, 1 Ws 951/99). Voraussetzung ist insoweit, daß der Widerruf der Strafaussetzung zur Erreichung generalpräventiver Zwecke geboten ist (zu vgl. BVerfG, Beschluß vom 21. März 1994 in NJW 1995, S. 713; Senatsbeschluß vom 8. Dezember 1999, 1 Ws 951/99 zu § 57 StGB). Soweit sich der Widerruf auf die Vollstreckung der vom Amtsgericht Mönchengladbach-Rheydt verhängten Strafe bezieht, handelt es sich um eine verhältnismäßig geringe Freiheitsstrafe von 3 Monaten, die wegen des relativ geringfügigen Vorwurfs des Diebstahls geringwertiger Sachen verhängt wurde. Die vom Amtsgericht Neuss wegen versuchten und gemeinschaftlichen Diebstahls verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 6 Monaten, deren Vollstreckung mit Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf vom 2. April 1996 zur Bewährung ausgesetzt worden war, ist zwar nicht unerheblich. Insoweit hat der Beschwerdeführer aber bereits mehr als zwei Drittel der Strafe verbüßt. Bei dieser Sachlage scheint es nicht gerechtfertigt, dem Strafzweck der Sühne mehr Bedeutung zuzumessen als einer begonnenen Integration und Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft.

In Anbetracht der zu beurteilenden Gesamtumstände erscheint eine Verlängerung der Bewährungszeit um jeweils 1 Jahr gemäß § 56 f Abs. 2 Nr. 2 StGB als angemessene und ausreichende Reaktion auf das erneute Fehlverhalten des Verurteilten."

Dem tritt der Senat bei.

Ende der Entscheidung

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