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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.12.1999
Aktenzeichen: 10 U 47/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 277
Der Fahrer eines gemieteten Pkw, der mit erheblicher Geschwindigkeit auf einen auf der linken Fahrspur der Bundesautobahn zur Sicherung einer Baustelle befindlichen Absperranhänger auffährt, auf den er über eine Strecke von 800 Metern durch mehrere Verkehrszeichen hingewiesen worden ist, handelt grob fahrlässig mit der Folge, daß er dem Vermieter auch im Falle einer entsprechenden Haftungsbeschränkung zum Schadensersatz verpflichtet ist.

OLG Düsseldorf Urteil vom 09.12.1999 - 10 U 47/99 -


Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß der Beklagte auch dann, wenn er nicht Mieter des unfallgeschädigten Fahrzeugs war, im Hinblick auf die Haftungsbeschränkung gemäß Ziff. 2 b) der Mietbedingungen der Klägerin nur dann zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er den Unfall vom 29. September 1997 grob fahrlässig verursacht hat. Dies war entgegen der Auffassung des Landgerichts der Fall.

Gründe:

Ein von der Klägerin zu beweisendes grob fahrlässiges Verhalten des Beklagten setzt eine besonders schwerwiegende Verletzung der verkehrserforderlichen Sorgfalt voraus und kann daher nur dann angenommen werden, wenn feststeht, daß einfachste, ganz naheliegende Erwägungen nicht angestellt wurden oder das nicht beachtet worden ist, was im gegebenen Fall jedem einleuchten mußte, wobei auch subjektive Umstände in der Weise zu berücksichtigen sind, daß dem Handelnden nur ein besonders schweres Verschulden anzulasten ist (vgl. Senat MDR 1995, 1122, BB 1997, 702 = ZMR 1997, 141 = DWW 1997, 148 und ZMR 1997, 228 = NJWE MietR 1997, 152 = DWW 1998, 51, jeweils m.w.N.). Eine derartige besonders schwere Sorgfaltsverletzung des Beklagten mit der Folge seiner Haftung für den der Kläger entstandenen unfallbedingten Schaden ist erwiesen.

Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagte auf den auf der linken Fahrspur der Bundesautobahn befindlichen Absperranhänger infolge Unaufmerksamkeit oder deswegen aufgefahren ist, weil er entsprechend der von ihm unmittelbar nach dem Unfallgeschehen geäußerten Vermutung eingeschlafen war. Eine andere Unfallursache kommt auch nach seiner Darstellung nicht in Betracht.

Geht man von der erstgenannten Möglichkeit aus, wiegt das Verschulden des Beklagten deswegen besonders schwer, weil ausweislich der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige auf die Fahrbahnverengung in Abständen von 800, 600 und 400 m durch Vorwarnschilder und Leuchtpfeile hingewiesen wurde, und eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h erfolgt war. Im Falle eines Mindestmaßes an Aufmerksamkeit hätte der Beklagte diese Hinweise bemerken und seine Fahrweise entsprechend einrichten müssen. Statt dessen hat er erst dann mit einer Vollbremsung reagiert, als er sich dem Absperrwagen bis auf 17,90 m genähert hatte, ohne den Aufprall noch verhindern zu können. Vielmehr stieß er anschließend unter Hinterlassung einer Schleuderspur von 49,10 m gegen die rechte Sicherheitsplanke, was auch unter Berücksichtigung der erheblichen Beschädigungen am Unfallfahrzeug auf eine immer noch beträchtliche Restgeschwindigkeit hindeutet. Daß der Beklagte bei einem derartigen Geschehensablauf der ihm als Verkehrsteilnehmer obliegenden Sorgfaltspflicht bei weitem nicht Rechnung getragen hat, kann nach Auffassung des Senats nicht zweifelhaft sein. Angesichts der frühzeitig einsetzenden Warnhinweise hat er vielmehr über eine geraume Fahrtstrecke derart sorglos oder unaufmerksam gehandelt, daß sein Verhalten in gesteigertem Maße zu mißbilligen und somit als grob fahrlässig zu qualifizieren ist.

Ist der vorstehend beschriebene Unfall dagegen dadurch zustandegekommen, daß der Beklagte die Warnhinweise und das Fahrbahnhindernis deswegen nicht rechtzeitig wahrgenommen hat, weil er eingeschlafen bzw. "eingedöst" war oder "geträumt hatte", ergibt sich keine abweichende Beurteilung der Rechtslage. Im Hinblick auf den Abstand zwischen dem in einer Entfernung von 800 m bis zur späteren Unfallstelle befindlichen ersten Warnhinweis und dem Absperrwagen erscheint es als ausgeschlossen, daß es sich dabei um ein nur kurzfristiges Einschlafen, also um einen sog. Sekundenschlaf gehandelt hat, bei dem sich die Annahme grob fahrlässigen Verhaltens verbietet, wenn sich keine Umstände feststellen lassen, die den Schluß zulassen, der in Rede stehende Kraftfahrer habe sich über von ihm erkannte deutliche Vorzeichen der Ermüdung bewußt hinweggesetzt (so z.B. OLG Frankfurt MDR 1998, 215 unter Hinweis auf BGH VersR 1977, 619). Dauerte dagegen der "Schlafzustand" über eine Fahrtstrecke von annähernd 800 m an, erscheint es als ausgeschlossen, daß sich die Gefahr des Einschlafens nicht durch deutlich wahrnehmbare Ermüdungserscheinungen angekündigt hat, denen bei der Anwendung eines Mindestmaßes an Sorgfalt durch geeignete Gegenmaßnahmen, insbesondere auch durch eine nachhaltige Reduzierung der Geschwindigkeit, hätte Rechnung getragen werden müssen. Wurden diese Ermüdungserscheinungen dagegen nicht zum Anlaß genommen, daraus sich ergebende Gefahrenquellen auszuschalten, sondern wurde die Fahrt mit unverminderter Geschwindigkeit fortgesetzt, rechtfertigt dieses Verhalten ebenfalls den Vorwurf grober Fahrlässigkeit.

Daß der Beklagte in seiner Aufmerksamkeit durch "massive Schadstoffausdünstungen" beeinträchtigt worden wäre, ohne daß sich diese vorher angekündigt hätten, kann ausgeschlossen werden. Dagegen spricht nicht nur die Tatsache, daß das Fahrzeug zur Unfallzeit bereits eine Fahrtstrecke von 8.068 km zurückgelegt hatte, sondern vor allem der Umstand, daß der Beklagte am Unfalltage bereits seit 07.30 Uhr, also seit fast 4 Stunden unterwegs war. Weshalb die angeblichen Ausdünstungen sich gerade zur Unfallzeit ausgewirkt haben sollen, ist nicht dargetan und kann auch sonst nicht nachvollzogen werden.



Ende der Entscheidung

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