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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 10.02.2000
Aktenzeichen: 2 Ws 336/99
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 140
Leitsatz

StPO § 140

Die Befugnis des bestellten Verteidigers, Zustellungen für den Beschuldigten in Empfang zu nehmen, endet in der Regel mit der rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens.

Oberlandesgericht Düsseldorf - 2. Strafsenat, Beschluß vom 10. Februar 2000


2 Ws 336 - 337/99 und 346/99 2 Ws 336-337. 346/99 45 VRs 191/97 45 Js 252/95 StA Duisburg

Oberlandesgericht Düsseldorf

Beschluß

In der Strafsache

gegen...

wegen...

hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Steffen, den Richter am Oberlandesgericht Braunöhler und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Redick am 10. Februar 2000 auf die Gegenvorstellung des Verurteilten gegen den Senatsbeschluß vom 15. September 1999 (2 Ws 312-313/99), auf den Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerden gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse der Rechtspflegerin des Landgerichts Duisburg vom 27. Februar 1998 und 4. August 1998 (56 Kls 22/96) und auf die als Beschwerden geltenden Erinnerungen des Verurteilten gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse der Rechtspflegerin des Landgerichts Duisburg vom 27. Februar 1998 und 4. August 1998 (56 Kls 22/96) nach Anhörung der Beteiligten beschlossen:

Tenor:

1.

Dem Verurteilten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerden bewilligt.

2.

Der Senatsbeschluß vom 15. September 1999 ist gegenstandslos.

3.

Die Beschwerden werden als unbegründet verworfen.

4.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die den Nebenklägerinnen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden dem Verurteilten auferlegt.

5.

Die Beschwerdewerte werden auf DM 2.634,50 (Kostenfestsetzungsbeschluß vom 27. Februar 1998 zugunsten der Nebenklägerin Eckert), DM 388,13 (Kostenfestsetzungsbeschluß vom 27. Februar 1998 zugunsten der Nebenklägerin H und DM 1.184,50 (Kostenfestsetzungsbeschluß vom 4. August 1998 zugunsten der Nebenklägerin H festgesetzt.

Gründe:

1.

Der Senat hat durch Beschluß vom 15. September 1999 die gemäß § 11 Abs. 2 Satz 4 und 5 RPflG a.F. iVm § 464 b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 ZPO als Beschwerden geltenden Erinnerungen des Verurteilten als unzulässig verworfen.

In diesem Beschluß hat der Senat die Auffassung vertreten, daß die Kostenfestsetzungsbeschlüsse vom 27. Februar 1998 und 4. August 1998 dem seinerzeitigen Pflichtverteidiger des Verurteilten am 4. März 1998 und 10. August 1998 ordnungsgemäß (§ 145 a Abs. 1 StPO) zugestellt worden seien. An dieser Auffassung hält der Senat nicht fest.

Die Zustellungsvollmacht des gemäß § 140 StPO bestellten Plichtverteidigers endet mit der rechtskräftigen Beendigung des Strafverfahrens (vgl. OLG Celle NStZ 1985, 519; OLG Hamburg StV 1981, 349; OLG Hamm AnwBl 1998, 614; NStZ 1983, 189; OLG Saarbrücken NJW 1973, 1010, 1012; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 44. Aufl., § 140 StPO Rdnr. 7 und 33 mwN). Dies ist hier am 17. Juli 1997, dem Eintritt der Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 31. Januar 1997, der Fall gewesen.

Die Beendigung tritt eo ipso mit dem Eintritt der Rechtskraft ein, ohne daß es eines besonderen richterlichen Gestaltungsaktes in Form eines förmlichen Aufhebungsbeschlusses bedarf.

Den teilweise vertretenen Auffassungen, die Zustellungsvollmacht ende erst mit der förmlichen Aufhebung der Beiordnung und wirke fort, sofern eine solche nicht erfolge (vgl. OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, MDR 1994, 936; Kleinknecht/Meyer-Goßner, aaO, § 145 a StPO Rdnr. 11; LR-Lüderssen, 24. Aufl., § 145 a StPO Rdnr. 6; KMR-Müller, § 145 a StPO Rdnr. 8; noch weitergehend OLG Koblenz MDR 1983, 252), vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Die Zustellungsmacht des § 145 a Abs. 1 StPO erstreckt sich grundsätzlich nur auf den Zeitraum, für den die Bestellung zum Pflichtverteidiger gilt. Der zeitliche Umfang ist aus dem Sinn und Zweck der Bestellung zu entnehmen. Diese gehen unter Berücksichtigung der in § 140 StPO enthaltenen Konkretisierung des Rechtsstaatsprinzips dahin, die Wahrung des Rechts des Beschuldigten auf eine angemessene und wirksame Verteidigung sicherzustellen. Die damit verbundene Aufgabe des Pflichtverteidigers bezieht sich grundsätzlich auf das anhängige Strafverfahren und endet, wenn dieses rechtskräftig abgeschlossen wird. Danach besteht keine sachliche Notwendigkeit zu einer weiteren Verteidigung des Angeklagten, insbesondere nicht für ein anschließendes Kostenfestsetzungsverfahren. Denn in diesem geht es nicht mehr um die Feststellung der Schuld des Angeklagten oder die Festsetzung der Rechtsfolgen, sondern nur noch um die aus der Kosten- und Auslagenentscheidung in dem zugrundeliegenden Erkenntnis unmittelbar folgenden Konsequenzen der Festsetzung der Kosten im Einzelfall gemäß §§ 464 a, 464 b StPO. Das Betragsverfahren nach § 464 b StPO gehört aber ebenso wie das nach § 10 StrEG nicht mehr zum Strafverfahren (vgl. Kleinknecht/MeyerGoßner, aaO, § 464 b StPO Rdnr. 2 mwN).

Auch unter dem Gesichtspunkt der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit (vgl. OLG Düsseldorf, 1. Strafsenat, NStZ 1993, 403; MDR 1994, 936) kann für die Zustellung von Kostenfestsetzungsbeschlüssen keine Fortwirkung der Zustellungsvollmacht des § 145 a Abs. 1 StPO angenommen werden. Denn es ist nicht ersichtlich, daß eine Zustellung im Kostenfestsetzungsverfahren unter Berücksichtigung dieses Kriteriums zwingend an den Pflichtverteidiger erfolgen müßte.

Die Zustellung kann unter Wahrung dieses Gesichtspunktes ebenso an den Erstattungspflichtigen bewirkt werden, ohne daß die Rechtssicherheit und Rechtsklarheit beeinträchtigt sind. Von daher gesehen ist es sachlich nicht geboten, in Durchbrechung der grundsätzlich mit dem rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens eintretenden Beendigung der Pflichtverteidigerbestellung eine fortwirkende Zustellungsvollmacht des ursprünglich bestellten Pflichtverteidigers anzunehmen.

Daß für das Wiederaufnahmeverfahren (vgl. RGSt 29, 278, 279; OLG Celle NStZ 1985, 519; OLG Hamm NJW 1961, 932, 933; OLG Saarbrücken NJW 1973, 1010, 1012) und ein evtl. Nachtragsverfahren gemäß § 460 StPO (vgl. OLG Bamberg StV 1985, 140) etwas anderes gilt, hängt einerseits mit der gesetzlichen Regelung in §§ 364 a, 364 b StPO und andererseits mit der im Rahmen des § 460 StPO gebotenen erneuten Prüfung der Rechtsfolgen zusammen, für die eine Mitwirkung eines Pflichtverteidigers ebenso wie im vorausgegangenen Strafverfahren im Hinblick auf den Prüfungsumfang erforderlich ist. Eine Übertragung der insoweit ausschlaggebenden Gesichtspunkte auf das Kostenfestsetzungsverfahren scheidet aus.

2.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Rechtsauffassung sind die am 4. März 1998 und 10. August 1998 erfolgten Zustellungen der Kostenfestsetzungsbeschlüsse unwirksam. Der Lauf der Beschwerdefristen der §§ 11 Abs. 1 Satz 2 RPflG, 577 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist demnach nicht in Gang gesetzt worden, so daß die gemäß §§ 11 Abs. 2 Satz 4 und 5 RPflG a.F. iVm § 464 b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 ZPO als Beschwerden geltenden Erinnerungen nicht verspätet sind. Einem Rechtsmittelführer ist in entsprechender Anwendung des § 44 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn mangels ordnungsgemäßer Zustellung keine Frist versäumt ist, der Betroffene aber so behandelt worden ist, als habe er eine Frist versäumt (vgl. BGH NStZ 1988, 210; BayObLGSt 1970, 73, 75; OLG Bremen MDR 1960, 244; OLG Oldenburg MDR 1968, 941).

Durch die Gewährung der Wiedereinsetzung wird die angefochtene Entscheidung gegenstandslos, soweit das Rechtsmittel als unzulässig verworfen worden ist (vgl. OLG Oldenburg MDR 1968, 941, 942).

Der Beschwerdeführer hat erst durch die. Bekanntmachung des Senatsbeschlusses erstmals davon Kenntnis erhalten, daß seine Beschwerden als unzulässig behandelt worden sind, weil die Zustellungen an den ursprünglichen Pflichtverteidiger als wirksam angesehen worden waren. Aus den Akten ist ersichtlich, daß der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb der Frist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gestellt worden ist.

3.

Der Senat hat demgemäß in der Sache zu entscheiden. Die Beschwerden erweisen sich als unbegründet, weil die Rechtspflegerin die den Nebenklägerinnen zu erstattenden Kosten rechtsfehlerfrei festgesetzt hat.

Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 27. Februar 1998 sind die von der Vertreterin der Nebenklägerin H geltend gemachten Gebühren und Auslagen für die Revisionsinstanz gemäß §§ 86 Abs. 3, 25, 26 BRAGO ordnungsgemäß festgesetzt worden. Angesichts Bedeutung und Umfang der Sache ist die Festsetzung der Mittelgebühr nicht zu beanstanden. Der vorab erstattete Betrag von DM 425,50 ist in Abzug gebracht worden, so daß sich rechnerisch zutreffend ein Betrag von DM 388,13 ergibt.

Mit dem weiteren Kostenfestsetzungsbeschluß vom 27. Februar 1998 sind die von dem Vertreter der Nebenklägerin geltend gemachten Gebühren und Auslagen für Vorverfahren und Hauptverhandlung gemäß §§ 84, 83 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; 25, 26, 27 BRAGO ordnungsgemäß festgesetzt worden. Der Nebenklägervertreter hat an den Hauptverhandlungen vom 27. Oktober 1995, 20. Mai 1996 und 22. Januar 1997, sowie an den Folgeterminen am 27., 29. und 31. Januar 1997 teilgenommen. Angesichts Bedeutung und Umfang der Sache ist auch hier die Festsetzung der Mittelgebühr gerechtfertigt. Ein vorab erstatteter Betrag von DM 2.295,67 ist abgezogen worden, so daß sich rechnerisch zutreffend ein Betrag von DM 2.634,50 ergibt.

Mit dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 4. August 1998 sind die von der Vertreterin der Nebenklägerin H geltend gemachten Gebühren und Auslagen für Vorverfahren und Hauptverhandlung gemäß §§ 84, 83 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 25, 26, 27, 28 BRAGO ordnungsgemäß festgesetzt worden. Die Nebenklägervertreterin hat an den Hauptverhandlungen vom 20. Mai 1996 und 22. Januar 1997, sowie an den Folgeterminen am 27., 29. und 31. Januar 1997 teilgenommen. Angesichts Bedeutung und Umfang der Sache ist auch insoweit die Festsetzung der Mittelgebühr nicht zu beanstanden. Die vorab erstatteten Beträge von insgesamt DM 3.754,07 sind in Abzug gebracht worden, so daß sich rechnerisch zutreffend der festgesetzte Betrag von DM 1.184,50 ergibt.

4.

Die Kostenentscheidungen beruhen auf § 473 Abs. 1 und 7 StPO.



Ende der Entscheidung

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