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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 25.02.2000
Aktenzeichen: 22 U 144/99
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 480 | |
BGB § 459 | |
BGB § 254 |
Leitsätze:
1.
Für die beim Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Ware (hier: Dachziegel) zu treffende Unterscheidung, ob eine mangelhafte oder eine andere als die ausbedungene Ware geliefert wurde, ist auf die nach dem Vertragszweck erforderlichen Gattungsmerkmale abzustellen; auch Qualitätsmerkmale können als Gattungsmerkmale vereinbart und anhand eines Musters festgelegt werden (hier: gleichmäßige azurblaue Farbe ohne auffällige Glasurrisse).
2.
Ein Anspruch auf Ersatz der Kosten der Ab- und Neueindeckung eines Dachs wegen Lieferung anderer als der bestellten Dachziegel scheidet aus, wenn die Abweichung bei einer zumutbaren Überprüfung durch den Käufer vor der Dacheindeckung unschwer feststellbar gewesen wäre.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 25.2.2000 - 22 U 144/99 rechtskräftig
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
22 U 144/99 17 O 38/98 (Landgericht Wuppertal)
verkündet am 25.02.2000
Tellmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
hat der 22.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 28.01.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr.Weyer, den Richter am Oberlandesgericht Muckel und den Richter am Landgericht Galle für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 17. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 23.06.1999 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, 3752 Glasflächenziegel, Ideal Variabel 1. Sorte, Azurdunkel 101 mit gleichmäßigem Farbton, ohne Risse in der Glasur (Craquele) - zu liefern.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 73 % der Kläger und zu 27 % die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Im Januar 1997 bestellte der Kläger bei der Beklagten - einer Baustoffhändlerin - azurblaue Dachziegel für sein Haus 42 in W. Die Dachziegel sollten einem während der Vertragsverhandlungen vorgelegten Musterstück entsprechen. Im März 1997 wurden die Dachziegel vom Hersteller, der Firma L GmbH & Co KG in B (nachf. Fa. L), auf der Baustelle angeliefert (Lieferschein vom 13.03.1997; Bl.7 GA). Der Kläger beanstandete eine uneinheitliche Einfärbung- der Ziegelglasur. Die Fa. L akzeptierte die Reklamation (Lieferschein vom 07.04.1997; Bl.8 GA) und lieferte im Mai 1997 neue Ziegel aus, die auf dem Dach des Hauses verlegt wurden. Da der Kläger auch mit dieser Lieferung nicht zufrieden war, beauftragte er den Dachdeckermeister und öffentlich bestellten Sachverständigen B, ein Gutachten zu der Frage zu erstatten, ob die Ziegel "1. Wahl" entsprächen. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, daß dieses Qualitätsmerkmal nicht erfüllt sei, da die Glasur spinnennetzartig mit Rissen durchzogen und ihr Farbton blau und braun sei (Gutachten des Sachverständigen Bl vom 19.09.1997; Bl. 9 bis 14 GA).
Unter Bezugnahme auf das Gutachten verlangte der Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 16.10.1997 (81.15 bis 17 GA) die Lieferung neuer Ziegel, die Übernahme der Kosten einer Neueindeckung des Dachs sowie die Freistellung von den Gebührenansprüchen des Sachverständigen B. Daraufhin setzte die Fa. L den Kläger mit Schreiben vom 23.10.1997 (Bl.136/-137 GA) von ihrer Absicht in Kenntnis, ein weiteres Gutachten in Auftrag zu geben. Sie bat ihn, dieses Gutachten abzuwarten. Der Kläger war mit dieser Vorgehensweise einverstanden (Schreiben des Klägers an die Fa. L vom 27.10.1997, Bl. 18/19 GA).
Die Fa. L holte daraufhin ein Gutachten des Sachverständigen Dipl. Ing. K - Mitarbeiter des Fachverbandes Ziegelindustrie Nordwest e.V. - zu der Frage ein, ob die gelieferten Ziegel von "mittlerer Art und Güte" seien. Der Sachverständige bejahte das mit der Begründung, die Ziegel entsprächen den Bestimmungen der DIN 456; bei den Farbabweichungen und Rissen (Craquelé) handele es sich um unvermeidbare rohstoffbedingte und produktionsspezifische Unregelmäßigkeiten, die das optische Erscheinungsbild für einen unvoreingenommenen Beobachter nicht beeinträchtigten (Gutachten des Sachverständigen KUM vom 25.11.1997; Bl.28 bis 30 GA).
Der Kläger hat mit der am 30.01.1998 eingegangenen und am 14.03.1998 zugestellten Klage Neulieferung der Dachziegel und Freistellung von den Kosten einer Ab- und Neueindeckung des Dachs, hilfsweise Rückzahlung des Kaufpreises verlangt. Er hat behauptet, die Beklagte habe ihm während der Vertragsverhandlungen zugesichert, die Dachziegel seien von allerbester Qualität und entsprächen dem vorgelegten Muster. Die auf den gelieferten Ziegeln vorhandenen Risse und Farbunterschiede seien mit diesem Qualitätsmaßstab nicht zu vereinbaren. Er hat Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen B.
Ausweislich eines undatierten Kostenvoranschlags- des Dachdeckermeisters O (Bl.48 bis 51 GA) betrügen die Kosten einer Ab- und Neueindeckung 53.827,70 DM (brutto). Er habe die zweite Lieferung erst nach Fertigstellung des Dachs gerügt, weil er nur aufgrund des Gesamteindrucks der Dachfläche die Qualität der Ziegel habe beurteilen können. Zudem sei die Dacheindeckung zur Vermeidung von weiteren Feuchtigkeitserscheinungen notwendig gewesen. Überdies habe ihm ein Vertreter der Fa. L erklärt, die Risse und Farbabweichungen würden mit der Zeit verschwinden.
Die Beklagte hat im Verlauf des Rechtsstreits die Einrede der Verjährung erhoben. Der Kläger hat hierzu die Auffassung vertreten, § 477 Abs.1 BGB komme nicht zur Anwendung, da die Beklagte ein "aliud" geliefert habe. Er hat behauptet, vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist hätten zwischen den Parteien mehrere Telefonate stattgefunden, in deren Verlauf Mitarbeiter der Beklagten eingeräumt hätten, daß die Ziegel nicht dem Muster entsprächen. Eine Woche vor Klageerhebung habe der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte mit einem der Söhne des Inhabers der Beklagten telefoniert. Dieser habe erklärt, daß er mit dem Einwand, die Lieferung entspreche nicht dem Muster, bei der Beklagten "offene Türen einrenne".
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1) für sein Haus, A 42 in W, 3.752 Glasflächenziegel, Ideal Variabel 1. Sorte, Azurdunkel 101, wie nach Muster bestellt, zu liefern;
2) ihn von den für die Ab- bzw. Neudeckung voraussichtlich anfallenden Kosten in Höhe von 45.000 DM freizustellen;
hilfsweise
1) an ihn 20.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.10.1997 zu zahlen;
2) ihn von den Kosten in Höhe von voraussichtlich 45.000 DM für die Ab- bzw. Neueindeckung freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, daß während der Vertragsverhandlungen Zusicherungen gemacht worden seien; es sei lediglich darauf hingewiesen worden, daß Ziegel gleicher Art und Güte wie das Musterstück bestellt würden. Die Ziegel seien, so hat sie unter Bezugnahme auf das Gutachten des Sachverständigen K behauptet, in Ordnung.
Sie hat die Auffassung vertreten, daß der Kläger die Kosten der Ab- und Neueindeckung nicht verlangen könne. Es sei, so hat sie behauptet, problemlos möglich gewesen, die Ware vor der Eindeckung zu untersuchen. Der Kläger hätte ohne weiteres neue Ziegel beschaffen und bis zu ihrer Anlieferung das Haus mit einer Notabdeckung vor Feuchtigkeitsschäden schützen können.
Die Ansprüche seien, so hat sie gemeint, nach § 477 Abs.1 BGB verjährt. Sie hat bestritten, daß Mitarbeiter gegenüber dem Kläger oder seinem Prozeßbevollmächtigten Anerkenntniserklärungen abgegeben hätten. Man habe die Gegenseite stets darauf verwiesen, daß die Ziegel den einschlägigen Bestimmungen der DIN entsprächen und allenfalls die Fa. L verantwortlich zu machen sei.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 23.06.1999 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Ansprüche des Klägers seien gemäß § 477 Abs.1 S.1 BGB verjährt. Es handele sich um keine Falsch-, sondern um eine Schlechtlieferung. Die im Mai 1997 begonnene Verjährungsfrist sei im November 1997 abgelaufen. Ein Anerkenntnis vor Ende der Verjährungsfrist habe der Kläger nicht schlüssig vorgetragen. Das behauptete Anerkenntnis während des Telefonats im Januar 1998 sei wirkungslos, da die Verjährung zu diesem Zeitpunkt schon abgelaufen sei. Über die Hilfsanträge sei nicht zu entscheiden gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des angefochtenen Urteils sowie des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 23.06.1999 (Bl. bis 111 bis 116 GA) verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Vortrag. Er behauptet, unmittelbar nach der Eindeckung des Hauses hätten die Mitarbeiter R und F N erklärt, die Ziegel entsprächen nicht dem Muster. Nach Einholung des Gutachtens B hätten sie zugegeben, daß die Ausführungen des Sachverständigen richtig seien und sie daher gezwungen seien, sich mit der Fa. L auseinanderzusetzen. Ein weiteres Mal habe Herr H N während eines am 16.10.1997 mit dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten geführten Telefonats das Bestehen von Mängeln eingeräumt. Sie meint, durch das Schreiben der Fa. L vom 23.10.1997 sei die Verjährung gehemmt worden, weil die Herstellerfirma für die Beklagte um Aufschub gebeten habe.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils vom 23.06.1999 die Beklagte zu verurteilen, für sein Haus, 42 in 3752 Glasflächenziegel, Ideal Variabel 1. Sorte,. Azurdunkel 101, wie nach Muster bestellt, zu liefern und ihn von den für die Ein- und Abdeckung der Ziegel anfallenden Kosten freizustellen, hilfsweise, an ihn 20.000 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23.10.1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Vortrag. Sie meint, eine aliud-Lieferung liege nur dann vor, wenn etwas ganz anderes geliefert worden wäre. Davon könne keine Rede sein, da die beanstandeten Farbabweichungen und Rißbildungen nur den äußeren Eindruck, nicht aber die bauphysikalischen Eigenschaften der Ziegel betreffe.
Das Schreiben vom 23.10.1997 müsse sie sich nicht zurechnen lassen. Überdies habe der Kläger nach Übersendung des Gutachtens K (27.11.1997) nur noch eine wenige Tage dauernde Überlegungsfrist gehabt, so daß die Verjährungsfrist bei Eingang der Klageschrift abgelaufen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist teilweise begründet. Der Kläger hat aus Kaufvertrag Anspruch auf Lieferung von 3752 nach Muster bestellten Glasflächenziegeln, § 433 Abs.1 BGB (nachf. 1). Er kann hingegen nicht die Freistellung von den Kosten der Ab- und Neueindeckung verlangen, da sein überwiegendes Mitverschulden (§ 254 Abs.1 BGB) zum Wegfall des Schadensersatzanspruchs aus positiver Vertragsverletzung (p.V.V.) führt (nachf. 2).
1) Neulieferung von Ziegeln
Die im Mai 1997 gelieferten Ziegel entsprachen nicht der geschuldeten Leistung. Die Abweichung erschöpfte sich nicht in einem Qualitäts- und damit Sachmangel (§§ 480 Abs.1, 459 BGB). Die Beklagte hat vielmehr eine andere Warengattung, also ein "aliud" geleistet, so daß Erfüllung (§ 362 Abs.1 BGB) nicht eingetreten ist.
a) Eine Gattung bilden alle Gegenstände, die durch gemeinschaftliche Merkmale gekennzeichnet sind und sich dadurch von Gegenständen anderer Art abheben. Beim Kauf einer nur der Gattung nach bestimmten Ware ist für die Unterscheidung, ob es sich um eine mangelhafte oder eine andere als die bedungene Ware handelt, in erster Linie auf den ausdrücklich vereinbarten oder dem Verkäufer wenigstens bekannten Vertragszweck und die danach erforderlichen Merkmale abzustellen, wobei auf die Verkehrsauffassung Rücksicht zu nehmen ist (BGH NJW 1989, 218 (219); NJW 1986, 659(660) m.w.N.). Es ist möglich, auch Qualitätsmerkmale zu Gattungsmerkmalen machen (RGZ 86, 90 (92)). Die Gattungsmerkmale können auch anhand eines Musters festgelegt werden; liefert der Verkäufer eine Sache, die gegenüber dem Muster ein aliud darstellt, hat der Verkäufer nicht erfüllt (BGH MDR 1961, 50 (51)).
b) Vorliegend haben die Parteien bestimmt, daß die zu liefernde Ware die Merkmale eines Musters haben sollte. Es ist zwischen ihnen unstreitig, daß die Art und Güte der Ziegel einem Musterstück entsprechen sollten, das ihnen während der Vertragsverhandlungen vorlag (vgl. S.2 der Klageschrift = Bl.2 GA; S. 1 der Klageerwiderung = Bl.25 GA). Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung das Musterstück vorgelegt; die Beklagte hat innerhalb der ihr nachgelassenen Schriftsatzfrist nicht bestritten, daß es sich hierbei um den Dachziegel handelt, der dem Kläger auch während der Vertragsverhandlungen präsentiert worden war. Die Oberflächenglausur des Musterstücks weist bei Tageslicht eine gleichmäßig azurblaue Farbe auf; an keiner Stelle schimmert der rotbraune Farbton der Tonscherbe durch. Risse in der Glasur (Craquele) sind nur in einem geringfügigem Umfang vorhanden und lediglich bei genauem Hinsehen aus nächster Nähe zu erkennen.
Dahinstehen kann, ob während der Vertragsverhandlungen von "1.Wahl" oder "1. Sorte" die Rede war, ob dem Kläger "allerbeste Qualität" zugesichert wurde, ob die Fa. L in ihren Vertragsunterlagen auf die Möglichkeit von Glasurrissen und Farbabweichungen hingewiesen hat und welche Qualitäten im Leistungsverzeichnis des Dachdeckers O vorgesehen waren. Gemäß §§ 133, 157 BGB durfte der Kläger die Bezugnahme auf das Muster dahin verstehen, daß die Glasuren der zu liefernden Ziegel uneingeschränkt dem Musterstück entsprachen. Die Beklagte konnte nicht voraussetzen, daß ihm rohstoff- und produktionsspezifische Besonderheiten bei der Ziegelherstellung, die Usancen im Ziegelhandel oder die einschlägigen DIN-Vorschriften bekannt waren. Sie hätte ihn daher auf die Möglichkeiten von Farbabweichungen und Rißbildungen hinweisen müssen. Das ist unstreitig nicht geschehen.
c) Durch die Bezugnahme auf das Muster haben die Parteien die zu liefernden Ziegel gattungsmäßig von Ziegeln anderen Aussehens abgegrenzt. Die Ziegel hatten - wie das Muster - gleichmäßig azurblau und ohne großflächige Rißbilder zu sein. Die Auffassung der Beklagten, die Farbabweichungen und das Craquelé seien für die gattungsmäßige Bestimmung ohne Belang, weil hiervon nur die Perfektion des äußeren Eindrucks betroffen sei, ist unzutreffend. Den Parteien steht es frei, auch ästhetische Gesichtspunkte zu Gattungsmerkmalen zu machen.
Auch unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung ist die einheitliche Farbgebung und das Fehlen von Rissen als Gattungsmerkmal anzusehen. Dem steht nicht entgegen, daß es kein Regelwerk über die optische Qualität von Ziegeln gibt und in der grobkeramischen Massenproduktion das Auftreten von Glasurrissen und Farbabweichungen unvermeidbar ist. Wie dem Gutachten des Sachverständigen K zu entnehmen ist, läßt sich die optische Qualität durch eine Auswahl aus den in der Normalproduktion hergestellten Ziegeln steigern (S.2 vorletzter Absatz des Gutachtens = Bl.29 GA).
d) Die gelieferten Ziegel erfüllen nicht die vertraglich vereinbarten Gattungsmerkmale. Wie auf den Lichtbildern aus dem Gutachten B zu erkennen ist, weist die Glasur Rißbilder auf. Außerdem scheint teilweise die rote Farbe der Tonscherbe durch die Glasur, wodurch die Ziegel einen ins Bräunliche changierenden Farbton haben. Das ist zwischen den Parteien unstreitig, weshalb es keiner Beweisaufnahme bedarf. Es kann dahinstehen, ob die optische Beeinträchtigung durch die Rissbilder im Laufe der Zeit infolge der normalen Bewitterung verschwindet. Die Farbabweichungen sind so erheblich, daß die gelieferten Ziegel nicht als die geschuldeten anzusehen sind. Ob sie das allgemeine Erscheinungsbild des Daches aus Sicht eines unvoreingenommenen Betrachters beeinträchtigen, ist dabei ohne Belang. Ausschlaggebend ist allein, daß Ziegel mit einer einheitlich azurblauen Glasur geschuldet waren. Dieses Merkmal erfüllt die gelieferte Ware nicht. Wie auf dem Bild 2 zum Gutachten B (Bl.12 GA) gut zu erkennen ist, sind die Farbunterschiede auch aus größerer Entfernung deutlich sichtbar; von der Seite betrachtet weist die Dachfläche keinen azurblauen, sondern einen bräunlichen Farbton auf.
e) Auf die von den Parteien thematisierte Verjährungsproblematik kommt es nach alledem nicht an. Da keine Konkretisierung eingetreten ist, finden die kaufrechtlichen Gewährleistungsvorschriften keine Anwendung. Dem Kläger steht vielmehr noch der Erfüllungsanspruch zu, der der 30-jährigen Verjährung nach § 195 BGB unterliegt (vgl. BGH NJW 1989, 218, 219 und Palandt-Putzo, BGB, 59. Aufl., § 477, RNr.3).
2) Kosten der Ab- und Neueindeckung
Das überwiegende Mitverschulden des Klägers an der Schadensentstehung führt zum Wegfall der Haftung der Beklagten aus p.V.V. Bei der Abwägung ist in erster Linie auf das Maß der beiderseitigen Verursachung und zweitrangig auf das Maß des beiderseitigen Verschuldens abzustellen (ständ. Rspr., z.B. BGH NJW 1998, 1137; BGHZ 33, 293(302)).
Auch wenn § 377 Abs.1 HGB vorliegend nicht anwendbar ist, hatte der Kläger die Qualität der Ware vor der Eindeckung des Gebäudes zu überprüfen (vgl. BGHZ 101, 337 (346)). Denn § 254 Abs.1 BGB gebietet, im Rahmen des Zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz vor Schaden zu treffen. Die hohen Kosten einer Ab- und Neueindeckung gaben Veranlassung, die Ware vor ihrer Verarbeitung zu untersuchen, dies umso mehr, als bereits die erste Lieferung von minderer Qualität war. Es bereitete auch keine besondere Mühe, festzustellen, ob die gelieferten Ziegel dem Muster entsprachen. Wäre der Kläger seiner Obliegenheit nachgekommen, wäre die Ab- und Neueindeckung des Dachs nicht erforderlich.
Plausible Gründe, weshalb eine Untersuchung nicht möglich war, hat der Kläger nicht genannt. Es mag sein, daß es für ihn unzumutbar war, die gesamte Lieferung auf die Übereinstimmung mit dem Muster zu überprüfen. Das war auch nicht erforderlich. Wie sich aus den vorgelegten Lichtbildern (Bl.12 bis 14 GA) ergibt, waren die Farbunterschiede nicht auf einigen wenigen, sondern auf sehr vielen Ziegeln festzustellen. Folglich wären die Farbunterschiede bereits nach wenigen stichprobenhaften Überprüfungen aufgefallen. Es war auch nicht erforderlich, das gesamte Dach einzudecken, um sich einen Gesamteindruck von den Farbabweichungen zu verschaffen. Bei der ersten Lieferung hat der Kläger die Arbeiten bereits nach der hälftigen Dacheindeckung abgebrochen (S.2 des Schreibens des Klägers vom 16.10.1997 = Bl.16 GA). Weshalb bei der 2. Lieferung das komplette Dach eingedeckt werden mußte, obwohl diese noch schlechter war als die erste (vgl. S. 2 des Schriftsatzes vom 06.07.1998 = Bl.56 GA), ist nicht dargelegt. Wie auf dem Lichtbild 2 (Bl.12 GA) gut zu erkennen ist, genügten wenige Quadratmeter, um die Wirkung der Farbunterschiede festzustellen. Hierzu hätte es gereicht, die Ziegel nebeneinander auf den Boden zu legen. Unsubstantiiert ist die Behauptung des Klägers, die Eindeckung des Daches sei erforderlich gewesen, um das Haus vor Schäden zu schützen. Die Beklagte hat hierzu vorgetragen, daß ein Feuchtigkeitsschutz auch durch eine Notabdeckung möglich gewesen wäre. Der Kläger hat die Durchführbarkeit dieser wesentlich billigeren Notlösung nicht bestritten. Es ist auch nicht ersichtlich, daß der Kläger auf die Erklärung des Herrn T, wonach die Farbabweichungen und die Rissbildung verschwinden würden, vertraut hat und deshalb Dach hat eindecken lassen. Auch ein Laie weiß, daß die unregelmäßige Einfärbung der Ziegel nicht von selbst in ein gleichmäßiges Azurblau umschlagen kann. Die Qualitätsabweichung war für den Kläger ausreichender Anlaß, die erste Lieferung im April zurückzuweisen. Da die Qualität der 2. Lieferung noch schlechter war, erscheint die Annahme, daß er das Dach im Vertrauen auf eine Besserung des optischen Erscheinungsbildes hat eindecken lassen, abwegig.
Aus alledem ergibt sich, daß der Kläger ohne vernünftigen Grund die Dachdeckerarbeiten hat ausführen lassen, obwohl für ihn die Qualitätsabweichungen mühelos feststellbar waren. Dieses Verschulden wiegt derart schwer, daß das in der wiederholten Falschlieferung liegende Verschulden der Beklagten dahinter zurücktritt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs.1,708 Nr.10, 713 ZPO.
Streitwert für die Berufungsinstanz
a) Neulieferung von Dachziegeln: 20.000 DM,
b) Freistellung von den Kosten einer Ab- und Neueindeckung: 53.827 DM.
Beschwer
a) des Klägers: 53.827 DM,
b) der Beklagten: 20.000 DM.
Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß (§ 546 Abs.1 ZPO).
Ende der Entscheidung
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