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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.06.2000
Aktenzeichen: 22 U 9/00
Rechtsgebiete: BGB, StGB
Vorschriften:
BGB § 823 II | |
StGB § 266a |
1.
Entgegen OLG Hamm, NJW-RR 1999, 915, 916 knüpft die Strafbarkeit nach § 266 a StGB und dementsprechend die Schadenersatzpflicht des GmbH-Geschäftsführers nicht daran an, ob Löhne gezahlt, teilweise oder gar nicht gezahlt werden; entscheidend ist, daß Lohnansprüche entstanden sind und für diese Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abgeführt werden.
2.
Wenn der GmbH-Geschäftsführer meint, die Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile sei gerechtfertigt, weil die Lohnzahlungen aus seinem eigenen Vermögen stammten, unterliegt er allenfalls einem vermeidbaren Verbotsirrtum, der ihn nicht entschuldigt.
Sachverhalt:
Der Bekl war Geschäftsführer der N A GmbH, über deren Vermögen am 3.8.1998 das Konkursverfahren eröffnet worden ist. Für die Monate Dezember 1996 bis März 1997 führte er keine Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung an die Kl ab. Der Bekl meint, hierzu mangels Zahlungsfähigkeit der GmbH auch nicht verpflichtet gewesen zu sein. Er habe die Arbeitnehmer, um diese zu halten, aus eigenem Vermögen bezahlt. Er habe in gutem Glauben, unter diesen Umständen nicht zur Abführung der Arbeitnehmeranteile verpflichtet zu sein, gehandelt.
Das LG hat der Klage auf Zahlung von 17.328,66 DM stattgegeben.
22 U 9/00 8 O 175/99
Landgericht Duisburg
Verkündet am 30. Juni 2000
Tellmann, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 9. Juni 2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Weyer, die Richterin am Oberlandesgericht Müller-Piepenkötter und den Richter am Landgericht Fuchs
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 25.11.1999 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 17.328,66 DM aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a Abs. 1 StGB.
Die Klägerin ist als Rechtsnachfolgerin der G Krankenkasse anspruchsberechtigt. Sie ist zur Einziehung der Sozialversicherungsbeiträge befugt und verpflichtet (§§ 28 h Abs. 1, 2; 28 i Abs. 1 SGB IV).
Der Beklagte hat den objektiven Tatbestand des § 266 a Abs. 1 StGB verwirklicht. Dabei haftet der Geschäftsführer der GmbH für die nicht abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung, weil er nach § 14 Nr. 1 StGB einem Arbeitgeber gleichsteht (Senatsurt. v. 6.11.92 - 22 U 104/92 = NJW-RR 1993, 1128 = GmbHR 1993, 812 = OLGR 1993, 209). Der Beklagte hat Beiträge zur Sozialversicherung der bei der Firma Gartengestaltung und Landschaftsbau N A GmbH beschäftigten Arbeitnehmer der Einzugsstelle vorenthalten. Das Tatbestandsmerkmal "vorenthält" des § 266 a StGB wird dabei durch die schlichte Nichtzahlung zum Fälligkeitszeitpunkt erfüllt (Senatsurt. v. 27.10.95 - 22 U 53/95 = OLGR 1996, 57 = GmbHR 1996, 368 = NJW-RR 1996, 289).
Eine Haftung des Beklagten entfällt auch dann nicht, wenn die gezahlten Nettolöhne aus seinem eigenen Vermögen stammen sollten.
Der Arbeitgeber ist uneingeschränkt zur Abführung der Arbeitnehmerbeiträge verpflichtet, wenn er Arbeitnehmer voll beschäftigt und dementsprechend Lohnansprüche bei ihnen entstehen. Dabei knüpft die Strafbarkeit nach § 266 a StGB nicht daran an, ob Löhne gezahlt, teilweise oder gar nicht gezahlt werden. Entscheidend ist, daß Lohnansprüche entstanden sind und für diese die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt werden (Senatsurteil vom 18.6.1993 - 22 U 9/93 = NJW-RR 1993, 1448 = OLGR 1994, 94).
Die gegenteilige Meinung, die den untreueähnlichen Charakter des § 266 a I StGB hervorhebt (so in der Rechtsprechung OLG Hamm, NJW-RR 1999, 915, 916), berücksichtigt dabei nicht hinreichend, daß die vorgenannte Bestimmung nach der Auffassung des Rechtsausschusses (BT-Dr. 10/5058, S. 31) den Schutz der Solidargemeinschaft der Versicherten bezweckt und das Aufkommen der Sozialversicherungsträger und der Bundesanstalt für Arbeit gewährleisten soll. Sie soll mithin, wie auch der Wortlaut nahelegt, nicht die Verletzung eines Treueverhältnisses zwischen Arbeitgegeber und Arbeitnehmer erfassen. Der Rechtsausschuß hebt diesbezüglich ferner hervor, daß Absatz 1 kein untreueähnliches Verhalten mehr beschreibe, was sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der gegenüber dem Regierungsentwurf veränderten Überschrift ("Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt") sowie daraus ergibt, daß Absatz 1 anders als Absatz 2 und die Vorläuferregelungen von Absatz l das "Einbehalten" nicht mehr voraussetzt.
Ein Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen ist nur dann nicht strafbar und damit gemäß § 823 Abs. 2 BGB nicht schadensersatzbegründend, wenn der Arbeitgeber bei Fälligkeit der Löhne aufgrund Zahlungsunfähigkeit gehindert ist, diese Beiträge abzuführen (vgl. BGH NJW 1997, 130, 132; 133, 134; 1237, Senatsurteil vom 18.6:1993 - 22 U 9/93 = NJW-RR 1993, 1448 = OLGR 1994, 94). Dabei ist der GmbH-Geschäftsführer darlegungs- und beweispflichtig dafür, daß die GmbH bei Fälligkeit aufgrund der Zahlungsunfähigkeit an der Abführung der Arbeitnehmerbeiträge gehindert war (Senatsurt. v. 18.7:97 - 22 U 269/96 = OLGR 1998, 74 (nur LS)= VersR 1999, 372 = GmbHR 1997, 900 = NJW-RR 1998, 243). Der GmbH-Geschäftsführer, der sich auf diese Entlastungsmöglichkeit beruft, muß die finanzielle Situation der GmbH im Fälligkeitszeitpunkt im einzelnen nachvollziehbar darlegen (Senatsurt. v. 27.10.95 - 22 U 53/95 = OLGR 1996, 57 = GmbHR 1996, 368 = NJW-RR 1996, 289).
Dieser Darlegung ist der Beklagte weder in erster noch in zweiter Instanz nachgekommen. Er hat lediglich ausgeführt, daß zahlreiche Außenstände bestanden. Er hat jedoch nicht im einzelnen dazu vorgetragen, daß sämtliche Mittel der GmbH bereits in den hier maßgeblichen Zeiträumen, mithin in der Zeit vom 15. Januar bis 15. April 1997, aufgezehrt waren und es ihm deshalb unmöglich war, die Arbeitnehmerbeiträge zu entrichten. Die Behauptung, die GmbH sei bereits ab Dezember 1997 nicht mehr zu Lohn-/Gehaltszahlungen in der Lage gewesen (Bl. 81 d. GA), stellt ebensowenig wie die pauschale Behauptung, der Gemeinschuldnerin hätten keinerlei finanzielle Mittel zur Verfügung gestanden, einen ausreichend substantiierten Vortrag zur Zahlungsunfähigkeit der GmbH dar. Die Zahlungsunfähigkeit der GmbH ergibt sich insbesondere nicht bereits aus dem vorgetragenen Umstand, daß die Bezahlung der Löhne aus dem Vermögen des Beklagten erfolgt sein soll. Gegen eine vollständige Zahlungsunfähigkeit der GmbH bereits zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt spricht im übrigen, daß dann von dem Beklagten bei ordnungsgemäßer Wahrung seiner Geschäftsführerpflichten der Antrag auf Konkurseröffnung hätte gestellt werden müssen. Der Umstand, daß mit Beschluß des Amtsgerichts Wesel vom 25.6.1998 ein allgemeines Veräußerungsverbot und die Sequestration angeordnet wurde sowie mit weiterem Beschluß vom 3.8.1998 das Konkursverfahren über die Gesellschaft eröffnet wurde, zeigt nicht, daß bis Mitte April 1998 jegliche Mittel fehlten. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Begleichung der Arbeitnehmerbeiträge vorrangig von sonstigen allgemeinen Zahlungsverpflichtungen ist. Insbesondere sind die Arbeitnehmerbeiträge sogar dann abzuführen, wenn Löhne nicht ausgezahlt werden, aber für die Begleichung der Sozialversicherungsbeiträge noch liquide Mittel zur Verfügung stehen (vergl. BGH NJW 1997, 133, 134; Senatsurteil v. 18.7.1997 - 22 U 269/96 = GmbHR 1997, 900 = NJW-RR 1998, 243,244 = OLGR 1998, 74 (nur LS) = VersR 1999, 372).
Der Beklagte handelte vorsätzlich. Für den Vorsatz ist das Bewußtsein und der Wille des Schädigers erforderlich, die Abführung der Beiträge bei Fälligkeit zu unterlassen. Dabei genügt bedingter Vorsatz. Diese Voraussetzungen liegen beim Beklagten vor. Er war sich bewußt, daß die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt wurden. Dabei entfällt sein Vorsatz auch dann nicht, wenn er davon ausgegangen sein sollte, die Nichtabführung sei deshalb gerechtfertigt, weil die Lohnzahlungen aus eigenem Vermögen stammten. Insoweit unterlag er allenfalls einem vermeidbaren Verbotsirrtum, der ihn nicht entschuldigt (vgl. BGH NJW 1997, 130, 133). Es hätte ihm ggf. oblegen, durch Einholung einer Rechtsauskunft sich Klarheit über die tatsächliche Rechtslage zu verschaffen.
Der Zinsanspruch ist aus den §§ 284 Abs. 1 Satz 1 BGB, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB gerechtfertigt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Für die Zulassung der Revision besteht kein gesetzlich begründeter Anlaß (§ 546 Abs. 1 ZPO).
Streitwert und zugleich Beschwer des Beklagten: 17.328,66 DM.
Ende der Entscheidung
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