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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 30.04.2001
Aktenzeichen: 24 U 105/00
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 209 | |
BGB § 202 Abs. 1 | |
BGB § 477 Abs. 2 S. 1 | |
BGB § 558 Abs. 1 | |
BGB § 558 Abs. 2 | |
BGB § 852 Abs. 2 | |
BGB § 854 | |
ZPO § 91 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 713 | |
ZPO § 546 Abs. 1 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 30. April 2001
In dem Rechtsstreit
hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2001 unter Mitwirkung seiner Richter Z, E und T
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten, wird das am 20. April 2000 verkündete Grundurteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Kosten beider Rechtszüge werden den Klägern gesamtschuldnerisch auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Das Rechtsmittel der Beklagten, mit welchem sie das Er- kenntnis zum Grund ihrer Haftung bekämpft, hat Erfolg. Es kann offen bleiben, ob sich die Beklagte gegenüber den Klägern im Rahmen des Mietverhältnisses schadensersatzpflichtig gemacht hat. Den möglicherweise entstandenen Anspruch können sie nämlich wegen Eintritts der Verjährung nicht mehr durchsetzen (§ 222 Abs. 1 BGB), nachdem die Beklagte aus diesem Grund die Leistung verweigert.
I.
1. Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache verjähren grundsätzlich in dreißig Jahren, beginnend mit der Entstehung des Anspruchs (§§ 195, 198 S. 1 BGB). Anders ist das aber dann, wenn der Vermieter die Mietsache zurückerhalten hat. Zu diesem Zeitpunkt bestehende Ansprüche wegen Veränderungen und Verschlechterungen verjähren nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten. § 558 Abs. 1, 2 BGB.
a) Die vorgenannte Bestimmung ist erfüllt. Die Kläger haben die Mietsache Anfang Januar 1997 durch Schlüsselübergabe nach vorheriger Räumung zurückerhalten. Ein "Zurückerhalten" im Sinne des 558 Abs. 1 BGB liegt immer dann vor, wenn der Vermieter die Mieträume tatsächlich in Besitz nimmt, also den unmittelbaren Gewahrsam an ihnen ausüben kann (§ 854 BGB). Dazu genügt nicht die bloße Gestattung des Zugangs durch den (nicht weichenden) Mieter, und zwar auch dann nicht, wenn dem Vermieter der Zugang zur Zustandskontrolle gewährt wird ( vgl.BGH NJW 2000, 3203,3205 m.w.N.). Grund für diese Anforderung ist, dass der Vermieter völlig unbeeinflusst von Mieter Gelegenheit haben soll, den Zustand der Mietsache zu untersuchen oder untersuchen zu lassen. Nur dann ist in der Regel gewährleistet, dass er auch verborgene Mängel entdeckt. Daran knüpft § 558 Abs. 1 BGB an.
Dass eine Rückgabe in diesem Sinne stattgefunden hat, haben die Kläger selbst vorgetragen, und zwar auch im Zusammenhang mit dem im Berufungsrechtszug erstmals gebrachten Verjährungseinwand der Beklagten, während die Beklagte unter Bezugnahme auf das Abnahmeprotokoll die "förmliche" Rückgabe auf den 28. April 1997 datierte, widersprachen die Kläger und wiesen auf die "Rückgabe" Anfang Januar 1997 hin. Zur Klarstellung griffen die Kläger dann im Schriftsatz vom 16. Oktober 2000 das auf, was sie schon im ersten Rechtszug und im selbständigen Beweisverfahren (22 H 8/98 AG Mettmann) vorgetragen hatten: Auszug der Beklagten Ende 1996, leergeräumte Halle. Sie führten ferner schon im ersten Rechtszug aus, dass ihnen die Beklagte nach Räumung der Halle Schlüssel für das Objekt im Januar 1997 ausgehändigt hatte.
Unter diesen Umständen hatten die Kläger, auch wenn sie das Gebäude nur zum Zwecke einer Heizungsreparatur betraten, Gelegenheit erhalten, einen Teil der zurückerhaltenen Mietsache (Objekt 58) sogar selbständig weiterzuvermieten. Damit hatten sie nicht nur vorübergehend Gewahrsam an der Mietsache.
Auf diese Gesichtspunkte hat der Senat schon in der mündlichen Verhandlung hingewiesen, ohne dass die Parteien - die Kläger waren persönlich erschienen - den zugrundegelegten Tatsachen widersprochen hätten. Auf das Übernahmeprotokoll vom 28. April 1997 kam es danach nicht mehr an.
b) Nicht erforderlich ist indes, dass zu diesem Zeitpunkt das Mietverhältnis auch beendet ist (BGH NJW 1981, 2106 und 1986, 2103; Palandt/Putzo, BGB, 60. Aufl., § 558 Rn. 11; Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rn. 591). Der Gesetzgeber wollte den Vermieter, der die Mietsache zurückerhalten hat, veranlassen, sich sehr rasch über den Zustand der Mietsache Gewissheit zu verschaffen und innerhalb kurzer Zeit Ansprüche auch geltend zu machen. Andernfalls besteht die große Gefahr, dass der typische Streit über Art, Umfang und Urheberschaft der Veränderungen und Verschlechterungen unter den Mietvertragsparteien kaum noch oder nur noch mit großem Aufwand aufgeklärt werden kann (vgl. dazu Wolf/Eckert/Ball, aaO Rn. 598 m.w.N.), zumal der Vermieter in vielen Fällen, so auch im Streitfall zu einem Teil, die vorzeitig zurückgegebene Mietsache anderweitig verwertet, was zu weiterer erheblicher Erschwerung notwendiger Feststellungen führen kann.
Anders verhält es sich nur mit den Gegenansprüchen des Mieters auf Wegnahme von Einbauten und auf Ersatz von Verwendungen. Die Verjährung beginnt nicht mit der Rückgabe der Mietsache an den Vermieter, sondern mit der (rechtlichen) Beendigung des Mietverhältnisses. Damit zwingt der Gesetzgeber den Mieter dazu, ihm gegenüber ausgesprochene Kündigungen ernst zu nehmen und mögliche Ansprüche alsbald geltend zu machen und nicht damit zu warten, bis er (möglicherweise erst unter Vollstreckungszwang) die Mietsache zurückgibt.
In beiden Varianten geht es um eine möglichst schnelle Auseinandersetzung gegenseitiger Ansprüche. Im Streitfall hatte der Lauf der Verjährungsfrist demnach Anfang Januar 1997 eingesetzt, obwohl das Mietverhältnis zwischen den Parteien noch nicht beendet wurde, weil die Beklagten keinen Grund hatten, es gegen den Willen der Kläger vorzeitig zu beenden.
c) Der Lauf der Verjährungsfrist endete Ende Juli 1997. Hemmungs- und/oder Unterbrechungstatbestände sind nicht feststellbar.
aa) Das von den Klägern eingeleitete Beweissicherungsverfahren stellt keinen Unterbrechungstatbestand im Sinne des § 209 BGB dar. Die Bestimmung des § 477 Abs. 2 S. 1 BGB (Unterbrechung der Verjährung im Kaufrecht durch Beweissicherung) findet im Mietrecht keine Anwendung.
bb) Auch der Umstand, dass ein wesentlicher Teil der Mietsache ab April 1997 einem Untermieter der Beklagten zur Nutzung überlassen wurde, führt nicht zur Hemmung oder zur Unterbrechung der Verjährung, und zwar selbst dann nicht, wenn diese Art der Vertragsfortsetzung mit einer Rückübertragung der Sachherrschaft an die Beklagten verbunden gewesen sein sollte. Die Rückübertragung der Sachherrschaft an der Mietsache auf den Mieter innerhalb noch offener Verjährungsfrist gäbe nur dann Veranlassung, den Ablauf der Verjährungsfrist als gehemmt anzusehen, wenn die dadurch bewirkte Rechtslage einer Stundung oder dem Recht der Leistungsverweigerung gleichgestellt werden könnte (§ 202 Abs. 1 BGB) oder wenn in der Maßnahme ein Tatbestand verwirklicht würde, der der Verhandlung über die Ansprüche (vgl. § 852 Abs. 2 BGB) gleichkäme. Das ist indes nicht der Fall.
(1) Die Rückgabe der Mietsache an den Mieter ist vielfach die Konsequenz daraus, dass das Mietverhältnis eben nicht beendet worden war und der Mieter deshalb zur Fortentrichtung des Mietzinses verpflichtet ist (§ 552 S. 1 BGB). Es liegt in derartigen Fällen nahe, dass der Mieter von seinem Recht auf Untervermietung (§ 549 BGB) Gebrauch macht, um die Kostenlast der nicht mehr selbstgenutzten Mietsache zu senken. Der Vermieter ist seinerseits zur Gebrauchsgewährung verpflichtet, andernfalls er seinen Mietzinsanspruch verliert (§ 552 S. 3 BGB) oder sich der Kündigung des Vertragsverhältnisses aussetzt (§ 542 BGB). Alle diese Fälle werden von § 558 Abs. 2 BGB gleichsam vorausgesetzt, weil er an die Rückgabe und nicht an das Vertragsende anknüpft (vgl. BGH NJW 1986, 2103). Der Beklagten wird nichts gestundet.
(2) Mit dem Zurückerhalt der Mietsache erwirbt sie auch kein Leistungsverweigerungsrecht. Sie muss die Schäden auf Verlangen des Vermieters beseitigen. Anders könnte es nur bei Veränderungen/Verschlechterungen aus so genannten Einbauten des Mieters sein, weil deren Rückbau (im Unterschied zu den hier umstrittenen Schäden wegen positiver Verletzung des Mietvertrags) erst bei Vertragsende fällig werden.
(3) Schließlich haben die Parteien im Zuge der Rückübertragung der Mietsache an die Beklagte auch keine Verhandlungen über die hier umstrittenen Schäden geführt. Zu jenem Zeitpunkt waren die Schäden an der Dacheindeckung noch gar nicht bekannt.
(4) Der Senat muss hier nicht entscheiden, ob der Anspruch des Vermieters aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB) dann gehemmt sein kann, wenn dem Vermieter nur eine extrem kurze Frist zur Überprüfung der Mietsache zur Verfügung gestanden hatte, etwa weil der zurückgebende Mieter schon nach wenigen Tagen die Mietsache erneut herausverlangt, um sie selbst oder durch einen gefundenen Untermieter nutzen zu lassen. Im Streitfall hatten die Kläger fast vier Monate Zeit, um die Mietsache zu untersuchen. Sie hatten mit der Beklagten und dem Untermieter eine besondere Begehung/Abnahme veranstaltet, um vor Überlassung der Mietsache an den Untermieter feststellbare Schäden im Protokoll festzuhalten. Es ist dem Vermieter überlassen, ob und wann er innerhalb offener Frist sich vom Zustand der Mietsache überzeugt. Will oder muss er, wie das hier geschehen ist, über die Mietsache weiterverfügen, dann ist es geboten, die Feststellungen im Sinne des § 558 Abs. 1 BGB vor der Weiterverfügung zu treffen. Eine Verkürzung der Frist zur Geltendmachung denkbarer Ansprüche ist damit nicht verbunden.
2. Die Ansicht der Kläger, ihr Anspruch verjähre in drei Jahren, soweit er nicht auf vertragliche Anspruchsgrundlagen, sondern auf deliktische (§ 823 BGB) gestützt werde, ist rechtsirrtümlich. Es ist seit langem gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung, dass alle mit § 558 Abs. 1 BGB konkurrierenden Ansprüche in der kurzen Frist verjähren, weil andernfalls das Anliegen des Gesetzgebers, zu einer raschen Klärung der von Seiten des Vermieters zu stellenden Ansprüche zu kommen, nicht erreicht würde (BGH NJW 1992, 1820).
II. Der den Klägern nicht nachgelassene Schriftsatz vom 3. April 2001 gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Den Vortrag, die "Rückgabe" habe im Januar 1997 nur der Heizungsreparatur gedient, nicht der Gewahrsamseinräumung, hätten die Kläger schon in der Berufungserwiderung bringen können und müssen, weil bereits zu jenem Zeitpunkt die Auseinandersetzung um die Verjährungsfrage eingesetzt hatte.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Der Rechtsstreit gibt dem Senat keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, § 546 Abs. 1 ZPO.
Berufungsstreitwert: 47.881,24 DM
Ende der Entscheidung
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