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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 22.02.2000
Aktenzeichen: 24 U 26/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO
Vorschriften:
BGB § 549 | |
BGB § 166 Abs. 2 | |
BGB § 242 | |
ZPO § 97 Abs. 1 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
ZPO § 711 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
24 U 26/99 2 O 408/98 LG Kleve
Verkündet am 22. Februar 2000
v D, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 1999 unter Mitwirkung seiner Richter Z, T und S
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 23. Dezember 1998 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, durch eine in bar oder in Gestalt einer Bürgschaft eines im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zugelassenen Kreditinstituts zu leistende Sicherheit in Höhe von 20.000,00 DM abzuwenden, es sei denn, die Beklagten leisten vorher Sicherheit in gleicher Art und Höhe.
Tatbestand:
Der Kläger vermietet gewerblich Kraftfahrzeuge an Selbstfahrer. Er nimmt den Beklagten zu 1) als Mieter und dessen Sohn, den Beklagten zu 2), als Führer auf Schadensersatz in Anspruch, den er an dem vermieteten, in seinem Eigentum stehenden Ferrari F 355 Spider in Gestalt eines Totalschadens infolge eines von dem Beklagten zu 2) verursachten Verkehrsunfall erlitten hat.
Das Kraftfahrzeug hatte der Beklagte zu 1) unter Anzahlung von 500,00 DM im April 1998 für die Zeit vom 15. bis 18. Juni 1998 vollkaskoversichert mit einer Selbstbeteiligung von 8.000,00 DM zuzüglich Überführungskosten bestellt. Der mit der Überführung beauftragte Herr K übergab den Kraftwagen dem Beklagten zu 2), der zu jenem Zeitpunkt 21 Jahre alt gewesen war und der im Besitz der Fahrerlaubnis der Klasse 3 seit November 1995 ist. K ließ den Beklagten zu 2) den Mietvertrag, auf dessen Rückseite die "Allgemeinen Vermietbedingungen" (künftig: AGB) abgedruckt sind, das "Fahrzeugübernahme-Protokoll" sowie eine "Anlage zum Mietvertrag" (Anlagenhefter 9 - 12, künftig AH mit Blattzahl) unterzeichnen. Diese Dokumente hatte der am Betriebssitz tätige Vertreter des Klägers namens K bereits vorgezeichnet. Anschließend fuhr der Beklagte zu 2) in Begleitung des K von seiner Wohnung (V) zur Sparkasse, wo er K den vereinbarten Mietpreis zuzüglich 500,00 DM (Kosten für den Rücktransport) aushändigte. Schließlich setzte der Beklagte zu 2) K in G ab, von wo dieser die Rückreise an den Betriebssitz des Klägers in Süddeutschland antrat.
Am 17. Juni 1998 setzte sich der Beklagte zu 2) im Auftrag des Beklagten zu 1) mit K fernmündlich in Verbindung, weil die Bremsen am gemieteten Kraftwagen nicht einwandfrei arbeiteten. K bat den Beklagten zu 2), das Kraftfahrzeug in eine Fachwerkstatt nach Düsseldorf zu bringen. Dort ließ der Beklagte zu 2) das Fahrzeug für Rechnung des Klägers, der sich seinerseits mit der Fachwerkstatt in Verbindung gesetzt hatte, reparieren (Erneuerung aller vier Bremsscheiben und aller Bremsklötze, Kontrolle des Fahrwerks). Zur Kompensation der Reparaturzeit stellte der Kläger das Kraftfahrzeug ohne Aufpreis über das reguläre Mietende (18. Juni 1998, 14.30 Uhr) mindestens einen weiteren Tag zur Verfügung.
Am 18. Juni 1998 gegen 19.40 Uhr kam der Beklagte zu 2) außerhalb der geschlossenen Ortschaft K auf der Straße G D in der Höhe des Hauses Nr. aus Gründen, über die die Parteien streiten, nach links von der Fahrbahn ab, überquerte einen Grünstreifen, einen asphaltierten Geh-/Radweg, knickte einen Weidenzaun, einen Telefonmasten, einen Obstbaum um und blieb schließlich total beschädigt auf einer Wiese stehen. Der Beklagte zu 2) wurde leicht verletzt, der Unfall wurde polizeilich aufgenommen. Der Wiederbeschaffungswert des Kraftwagens beziffert der Kläger mit netto 137.931,04 DM. Der Kläger wandte zur Bergung des Fahrzeugs 29,00 DM und für einen Sachverständigen zur Begutachtung des Schadens 126,44 DM auf.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug geltend gemacht: Der Beklagte habe unter Verstoß gegen die in der Anlage übernommenen Pflichten den Kraftwagen dem Beklagten zu 2) überlassen, weil dieser klauselwidrig noch nicht 25 Jahre alt und noch nicht 5 Jahre im Besitz der Fahrerlaubnis gewesen sei. Den Unfall habe der Beklagte zu 2) durch grob verkehrswidrige Fahrweise, nämlich durch stark überhöhte Geschwindigkeit bei regennasser Fahrbahn verursacht.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner 138.086,48 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 18. Juni 1996 abzüglich am 9. September 1998 gezahlter 8.000,00 DM zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben geltend gemacht: Die (hier so genannte) Fahrerklausel in der Anlage zum Mietvertrag komme nicht zum Zuge, weil sowohl der beauftragte K als auch der Vertreter K dem Beklagten zu 2) die Führung des Kraftwagens gestattet hätten. Unfallursächlich sei nicht die Fahrweise des Beklagten zu 2), sondern ein technischer Defekt des Kraftwagens, vermutlich am Fahrwerk oder an der Bremsanlage gewesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Beklagten sei durch K die Führung des Kraftwagens gestattet worden, weshalb die Fahrerklausel in der Anlage zum Mietvertrag durch eine individuelle Vereinbarung außer Kraft gesetzt worden sei. Der Vortrag des Klägers zum Hergang des Unfalls erlaube nicht die Feststellung, der Beklagte zu 2) habe den Verkehrsunfall grob fahrlässig herbeigeführt.
Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und macht ergänzend geltend. K sei sich der Identität des Beklagten zu 2) nicht bewußt gewesen und habe im übrigen auch keine Vollmacht gehabt, eine vertragsändernde Vereinbarung zu treffen. Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu erkennen, wie im ersten Rechtszug beantragt.
Die Beklagten bitten um
Zurückweisung der Berufung.
Auch die Beklagten wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigen das angefochtene Urteil, das sie für richtig halten.
Der Senat hat Beweis erhoben über den Hergang des Unfallgeschehens. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachter des Sachverständigen Dipl.-Ing. W S vom 22. September 1999 (GA 163 ff.) Bezug genommen. Die Ermittlungsakte des Oberkreisdirektors des Kreises Kleve (3.1.Bg008.05505/2618) war Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat in der Tat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadenersatzansprüche gegen die Beklagten.
I.
Eine Haftung des Beklagten zu 1) gemäß § 549 BGB hat das Landgericht mit Recht verneint.
1.
Die vertragliche Haftung des Beklagten zu 1) für zu vertretende Schäden am gemieteten Kraftwagen unterhalb der Schwelle grober Fahrlässigkeit ist gemäß Nr. 31 Mietvertrag (MV) in Verbindung mit Abschnitt IV Nr. 2 AGB beschränkt auf die Selbstbeteiligung, um die es im Streitfall nicht geht und die bezahlt ist.
2.
a) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf den vereinbarten Ausschluss der Haftungsbeschränkung gemäß Abschnitt IV Nr. 3 lit. a) AGB. Nach dieser Bestimmung haftet der Mieter unbeschränkt, wenn er "Vertragspflichten gemäß Abschnitt III. schuldhaft nicht beachtet". In Abschnitt III sind teils Risikoausschlüsse, teils Obliegenheiten des Mieters geregelt, darunter die Einschränkung (Nr. III.4 AGB), dass fahrberechtigt nur die Mieter I und II sind. Diese Fahrerklausel widerspricht derjenigen, die im Anhang zum Mietvertrag (künftig: Anhang, AH 12, 3. Spiegelstrich) als Vertragsinhalt dargestellt wird. Dort ist (mit anderen Einschränkungen, auf die zurückzukommen sein wird) geregelt, dass für das Fahrzeug "ein zweiter Fahrer/eine zweite Fahrerin" zugelassen ist, ohne dass dort zur Bedingung gemacht worden ist, dass diese Person auch Mieter sein muss. Da sich beide Klauseln widersprechen, gilt die dem Mieter günstigere im Anhang getroffene Regelung.
b) Der Kläger kann aus der Fahrerklausel im Anhang keinen Ausschluss der Haftungsbeschränkung herleiten.
aa) Das scheitert nach Ansicht des Senats bereits daran, dass in Abschnitt IV. 3a AGB eine Bezugnahme auf den Anhang fehlt, so dass es diesbezüglich an einem vertraglichen Ausschluss der Haftungsbeschränkung fehlt. Die ist aber erforderlich. Das beruht darauf, dass ein Kraftfahrzeugmieter, der mit dem Mietpreis ein Entgelt für die vom Vermieter auf das Fahrzeug abgeschlossene Vollversicherung zahlt, so gestellt werden muss, wie der Mieter stehen würde, wenn er selbst die Vollversicherung abgeschlossen hätte (BGH NJW 1956, 1915 f.). Er darf erwarten, dass die vom Vermieter abgeschlossene Vollversicherung die gewöhnlichen Risiken der Kraftfahrzeug-Benutzung deckt. Es ist in der Fahrzeugvollversicherung nicht üblich, dass Angehörige des Versicherungsnehmers, die Inhaber der Fahrerlaubnis Klasse III sind, von der Führung von Personenkraftwagen im öffentlichen Straßenverkehr ausgeschlossen sind. Um dennoch einen Ausschluss, wie vom Kläger offenbar beabsichtigt, herbeizuführen, bedarf es eines deutlichen Hinweises im Vertrag, der den Mieter auf das Risiko aufmerksam macht, so wie der Kläger in Nr. IV AGB einen besonderen Hinweis auf andere Ausschlusstatbestände gegeben hat. Je ungewöhnlicher ein Ausschluss ist, desto deutlicher muss an auffälliger Stelle der Hinweis erteilt werden, wobei hier offen bleiben kann, ob er in Abschnitt IV wirksam hätte erteilt werden können. Maßgeblich ist, dass der Kläger für die im Anhang geregelte Fahrerklausel jeden Hinweis unterlassen hat. Der Beklagte zu 1) brauchte mit dieser Konsequenz von existenzbedrohender Reichweite nicht zu rechnen.
bb) Der Senat ist darüber hinaus der Auffassung, dass der Beklagte zu 1) gegen die Fahrerklausel nicht verstoßen hat. Der Beklagte zu 1) durfte davon ausgehen, dass sein Sohn als zweiter Fahrer zugelassen ist, obwohl er die Bedingungen der Fahrerklausel/Anhang nicht erfüllt. Dabei kommt es auf den Streit der Parteien, ob bei Übergabe des Kraftfahrzeugs der Beklagte zu 2) den Beauftragten des Klägers auf sein, des Beklagten zu 2), Alter und die Dauer der Inhaberschaft der Fahrerlaubnis hätte hinweisen müssen, nicht an. Ein derartiger Hinweis war nicht erforderlich, nachdem die Beklagten, im Berufungsrechtszug vom Kläger insoweit nicht bestritten, darauf hingewiesen haben, dass K schon im Jahr davor anlässlich der Erstmiete des Ferrari auf diese Umstände hingewiesen worden war, die Beklagten also von Person kannte. Wenn der beauftragte K unter diesen Umständen als Erfüllungsgehilfe des Klägers den Kraftwagen mit den Schlüssen an den Beklagten zu 2) übergab und ihn mit dem Kraftfahrzeug fahren ließ, dann durfte der Beklagte zu 1) davon ausgehen, dass der Kläger auf die Einhaltung der hier umstrittenen Fahrerklausel keinen Wert legte. Das diesbezügliche Wissen des Erfüllungsgehilfen muss sich der Kläger gemäß § 166 Abs. 2 BGB wie eigenes Wissen zurechnen lassen. Seine nachträgliche Berufung auf die Fahrerklausel/Anhang verstößt gegen die Grundsätze von Treu und Glauben im Rechtsverkehr (§ 242 BGB). Verstärkt wird das noch dadurch, dass der rechtsgeschäftliche Vertreter des Klägers den Beklagten zu 2) sogar noch aufgefordert hatte, das Kraftfahrzeug in die D Werkstatt zu verbringen, ohne bei dieser Gelegenheit auf die hier umstrittene Fahrerklausel hinzuweisen.
3.
Ferner beruft sich der Kläger ohne Erfolg auf Nr. IV.3.lit. b AGB. Nach dieser Klausel ist (vollkaskotypisch) die Haftungsbeschränkung ausgeschlossen, wenn der Mieter oder sein Erfüllungsgehilfe (als solcher ist der Beklagte zu 2) rechtlich im Verhältnis der Mietvertragsparteien zueinander zu behandeln) einen Verkehrsunfall durch grobe Fahrlässigkeit herbeiführt Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass der Beklagte zu 2) grob fahrlässig gehandelt hat, wobei die Feststellungslast bei dieser Verschuldensform (wiederum vollkaskotypisch, vgl. BGH NJW 1976, 44) den Kläger trifft, andernfalls der zugunsten des Mieters und auf dessen Kosten vereinbarte Fahrzeugvollversicherungsschutz praktisch entwertet wäre. Grob fahrlässig handelt derjenige, der schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen zur Bewältigung einer objektiven kritischen Situation nicht anstellt und das nicht beachtet, was jedem im gegebenen Fall einleuchten muss (vgl. nur Palandt, BGB, 58. Aufl., § 276 Rn. 19 und § 277 Rn. 2 m.w.N.). Ein solches verkehrswidriges Verhalten hat der Kläger zu Lasten des Beklagten zu 2) nicht bewiesen.
Der vom Einzelrichter des Senats beauftragte Sachverständige hat in seinem Gutachten nicht ausschließen können, dass der hintere rechte Reifen des Kraftfahrzeugs eine plötzliche Drucklosigkeit erlitten und die von den Beklagten dargelegte Schleuderbewegung ausgelöst hatte. Der Sachverständige stützt diesen Befund auf Spuren (roter Farbabrieb und Kratzer auf dem Asphalt des Geh- und Radweges), die dem verunglückten Kraftfahrzeug zugeschrieben werden können, konkret der rechten Hinterradfelge, die der Sachverständige aber nicht mehr in Augenschein nehmen konnte, weil der Kläger außer dem linken Hinterrad auch dieses Hinterrad entfernt hatte. Diese Unfallursache hätte der Kläger aber ausschließen müssen, um dem Beklagten zu 2) auch nur leichte Fahrlässigkeit vorwerfen zu können. Das gilt umso mehr, als dem Beklagten zu 2) nicht nachzuweisen ist, dass er vor dem Unfallgeschehen eine Geschwindigkeit eingehalten hatte, die deutlich überhöht gewesen ist. Eine höhere Geschwindigkeit als 95 km/h erscheint möglich, steht aber nicht fest, wie der Sachverständige überzeugend ausgeführt hat.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Eine Entscheidung zur Revision erübrigt sich, weil das Senatsurteil kraft Gesetzes revisibel ist.
Berufungsstreitwert (zugleich Beschwer für den Kläger): 130.086,48 DM.
Ende der Entscheidung
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