Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.11.2000
Aktenzeichen: 24 W 63/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 485 ff
ZPO § 493 Abs. 1 n. F.
ZPO § 3 ff
ZPO § 9 a. F.
ZPO § 287
BGB § 581 Abs. 2
BGB § 536
GKG § 12 Abs. 1 S. 1
GKG § 16 ff
GKG § 16 Abs. 1
GKG § 16 Abs. 2
GKG § 25 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

24 W 63/00 8 OH 11/99 LG Duisburg

in dem Streitwertfestsetzungsverfahren

pp.

hat der 24. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf unter Mitwirkung seiner Richter Z, T und O am 17. November 2000

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels sowie unter Zurückweisung des Rechtsmittels des Antragstellers der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 18. August 1998 (richtig: 1999) teilweise abgeändert und der Streitwert anderweitig auf 18.900,00 DM festgesetzt.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin, mit welchem sie die Herabsetzung des auf 20.000,00 DM festgesetzten Streitwerts auf 800,00 DM erstrebt, hat einen (geringfügigen) Teilerfolg. Das Rechtsmittel des Antragstellers, der eine Heraufsetzung des Streitwertes auf 30.000,00 DM erreichen will, bleibt ohne Erfolg.

I.

1.

Geht es wie im Streitfall um die Bewertung eines selbständigen Beweissicherungsverfahrens, richtet sich dessen Streitwert nach dem Wert des zu sichernden Hauptanspruchs. Dies entspricht nach der Änderung der §§ 485 ff ZPO durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2847) inzwischen der überwiegenden Meinung in Schrifttum und Rechtsprechung (Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 3 Rn. 16 Stichw. "Selbständiges Beweisverfahren"; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn. 4024a; MünchKomm/Lappe, ZPO, 2. Aufl., § 3 Rn. 147 jew. m. zahlr. Rechtsprechungsnachw. auch zur abweichenden Auffassung). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an mit Blick auf § 493 Abs. 1 ZPO n. F., wonach die Beweisaufnahme im selbständigen Beweisverfahren die Funktion hat, eine solche im späteren Hauptverfahren (so es dazu kommt) zu antizipieren (Schneider MDR 2000, 1231, 1232 unter Nr. IV).

Dem Antragsteller ging es im Streitfalle darum zu beweisen, dass die Undichtigkeiten des Flachdachs im Bereich des Restaurantanbaus und - Zugluft bewirkend - der Fenster im gleichen Raum von der Antragsgegnerin zu verantworten und deshalb von ihr als Verpächterin gemäß §§ 581 Abs. 2, 536 BGB zu beseitigen sind. Der Streitwert des Beweissicherungsverfahrens richtet sich demnach nach dem Erfüllungsinteresse des Antragstellers, nämlich nach seinem Interesse, von der Antragsgegnerin eine mangelfreie Pachtsache zum Gebrauch überlassen zu erhalten.

2.

Wie dieses Interesse zu bewerten ist, richtet sich gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 GKG nach dem für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels maßgeblichen Wert des Streitgegenstandes, also nach den §§ 3 ff ZPO, es sei denn, in den §§ 16 ff GKG ist für die Berechnung des Gebührenstreitwerts etwas Abweichendes bestimmt worden.

Die Regelung des § 16 GKG sieht für einzelne Streitgegenstände aus dem Bereich der Miet-, Pacht- und ähnlicher Nutzungsverhältnisse besondere Gebührenbestimmungen vor, nämlich u.a. bei einem Streit über die Dauer des Vertragsverhältnisses (Abs. 1) und bei einem Räumungsbegehren (Abs. 2). In beiden Fällen entspricht der Streitwert dem auf die streitige Zeit entfallenden Entgelt, höchstens aber dem Jahresentgelt.

a)

Um ein derart umfassendes Streitverhältnis geht es hier jedoch nicht, sondern um den Ausschnitt aus einem solchen Mangelfreiheit der gepachteten Sache. Es galt auch nicht, ein Streitverhältnis im Sinne von § 16 GKG für ein künftiges Hauptverfahren vorzubereiten, wie bereits dargelegt worden ist (oben unter Nr. I. 1). Gleichwohl wird in Teilen des Schrifttums und der Rechtsprechung eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 1 GKG befürwortet (Schneider/Herget, aaO, Rn. 3069a i.V.m. 3023, vgl. auch Rn. 3078; Markl, GKG, 3. Aufl., § 16 Rn. 22 a.E.; Zöller/Herget, aaO; Stichw. "Mietstreitigkeiten/Mängelbeseitigungsklage" OLG Bamberg JurBüro 1979, 1866; OLG Schleswig KostRsp § 16 GKG Nr. 75 = SChlHA 1991, 202). Begründet wird das damit, die Mängelbeseitigung betreffe nur einen Ausschnitt aus dem streitigen Mietverhältnis. Werde aber das ganze Mietverhältnis, etwa im Falle der Kündigung, streitig, sei der Streitwert gemäß § 16 Abs. 2 GKG auf den Jahresmietzins begrenzt. Die Anwendung der allgemeinen Vorschriften, insbesondere des § 9 ZPO führe zu einem Wertungswiderspruch, weil der umstrittene Ausschnitt des Rechtsverhältnisses regelmäßig zu einem höheren Streitwert führe als in dem Fall, in dem das Mietverhältnis insgesamt umstritten sei.

b)

Dem hat das OLG Hamburg (WuM 1995, 595) zu Recht entgegen gehalten, dass die Wertbestimmungen des § 16 GKG nicht analogiefähig seien. § 16 GKG stellt im Verhältnis zu den allgemeinen Wertvorschriften (§ 12 Abs. 1 S. 1 GKG, §§ 3 ff ZPO) eine Ausnahmevorschrift dar. Der Gesetzgeber hat für einzelne, im Gesetz genannte Streitgegenstände, die erfahrungsgemäß besonders oft vorkommen und die bei Anwendung der allgemeinen Bewertungsvorschriften zu erheblichen Streitwerten und in deren Folge zu kostspieligen Rechtsstreitigkeiten führen würden, aus sozialen Gründen (und ohne Rücksicht auf die Art (gewerblich oder Wohnraum) des Mietverhältnisses und auf die Parteistellung) eine Streitwertbegrenzung vorgenommen (vgl. dazu Sternel, Mietrecht, 3. Aufl., Teil V Rn. 88). Für andere Streitigkeiten der Mietvertragsparteien hat der Gesetzgeber eine derartige Streitwertbegrenzung nicht für notwendig erachtet. Das müssen die Gerichte im Rahmen der verfassungsgemäßen Kompetenzverteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) respektieren. Das gilt umso mehr, als durch die Neufassung des § 9 ZPO, der einschlägigen Vorschrift zur Bewertung von Rechtsstreitigkeiten über wiederkehrende Leistungen (vgl. dazu noch nachfolgend unter Nr. 3), durch das Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50), die Streitwertbemessung gegenüber § 9 ZPO a. F. vom zwölfeinhalb- bzw. fünfundzwanzigfachen Jahreswert auf den dreieinhalbfachen Jahreswert reduziert worden ist. Damit sind die früher eingewandten verfassungsrechtlichen Bedenken ausgeräumt (a.A. Lappe NJW 1993, 2785). Das gilt jedenfalls für den Bereich des gewerblichen Miet- und Pachtrechts, mit dem es der Senat hier zu tun hat. Der Senat folgt deshalb der im Vordringen befindlichen Auffassung, dass über die geregelten Fälle hinaus eine analoge Anwendung des § 16 Abs. 1 und 2 GKG zur Bestimmung eines abweichenden Gebührenstreitwerts nicht in Betracht kommt (ebenso Sternel, aaO; Hartmann, Kostengesetze, 19. Aufl., § 16 GKG Rn. 82; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 58. Aufl., Anh. zu § 3 ZPO, Stichw. "Mietverhältnis/Mangel der Mietsache"; Andres, Streitwert-ABC, 3. Aufl., Stichw. "Miete und Pacht" Rn. 39; LG Hamburg WuM 1994, 624 und WuM 1998, 171 und 344; LG Berlin ZMR 1999, 556).

3.

Auch unter Anwendung der allgemeinen Vorschriften, die mangels eines Sondertatbestandes sowohl für den Gebühren- als auch für den Zuständigkeitsstreitwert und die Rechtsmittelbeschwer gelten, herrschte lange Streit darüber, wie der Wert gemäß § 3 ZPO zu schätzen sei, wobei eine Anwendung des § 9 ZPO a. F. bis zum Inkrafttreten des § 9 ZPO n.F. ganz überwiegend abgelehnt wurde. Einigkeit herrschte weitgehend darüber, dass die Kosten der Mängelbeseitigung nicht maßgeblich sind, weil es dem an der Erfüllung des Mietvertrags interessierten Mieter um die Wertdifferenz zwischen einer mangelfreien und einer fehlerbehafteten Mietsache gehe (vgl. dazu die vorstehend unter Nr. 1.2 a.E. genannten Nachweise).

Dem hat sich jüngst der Bundesgerichtshof für die Bestimmung der Rechtsmittelbeschwer angeschlossen (MDR 2000, 975 m. Nachw. über den Streitstand). Er bewertet das Mieterinteresse gemäß § 3 ZPO in Anlehnung an § 9 ZPO, also mit dem dreieinhalbfachen Jahresbetrag der in Betracht kommenden Minderungsquote.

Dem folgt der Senat auch für die Bestimmung des Gebührenstreitwerts, weil eine unterschiedliche Bewertung mangels Anwendbarkeit des § 16 GKG (vgl. oben unter Nr. 1.2) nicht in Betracht kommt.

4.

Für den Streitfall schätzt der Senat die Minderungsquote auf 20 % des Nettopachtzinses.

a)

Die Auffassung der Antragsgegnerin, der Antragsteller habe den Pachtzins zu keinem Zeitpunkt gemindert, weshalb nur ein ganz geringfügiger Streitwert angesetzt werden könne (800,00 DM), verkennt, dass es nicht darauf ankommt, ob der Pächter im Falle von behaupteten Mängeln zur Minderung schreitet. Maßgeblich ist, dass Mängel behauptet- worden sind und dass in diesem Fall der Pachtzins kraft Gesetzes (§§ 581 Abs. 2, 537 Abs. 1 BGB) gemindert ist, wenn die Mängel vorliegen. Darum ist es bei dem Streit der Parteien gegangen. Dem Senat obliegt es also, auf der Grundlage der behaupteten Mängel die Minderungsquote zu bestimmen.

b)

Andererseits bietet der vom Antragsteller vorgetragene Sachverhalt keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, die Minderungsquote mit 1.000,00 DM monatlich anzusetzen (fast 50 % des Pachtzinses). Nach seinem Vortrag drang bei Regenwetter durch die Dachhaut des Flachdachanbaus Feuchtigkeit in die Raumdecke. Wie sich diese Beeinträchtigung konkret auswirkte, hat er indes nicht vorgetragen, ob etwa Wasser von der Decke abtropfte oder gar die Wände herablief oder ob ähnliche schwerwiegende Beeinträchtigungen aufgetreten waren. Gegen derartige schwerwiegende Beeinträchtigungen spricht, dass der Antragsteller davon abgesehen hatte, den Pachtzins zu mindern oder der Antragsgegnerin gar die Kündigung des Pachtverhältnisses anzudrohen (§§ 581 Abs. 2 542 BGB). Dass der vom Mangel betroffene Gastraum nicht mehr benutzbar gewesen sei, lässt sich dem Vorbringen des Antragstellers ebenfalls nicht entnehmen. Der Senat schätzt die Minderungsquote deshalb gemäß § 287 ZPO auf 20 % des monatlichen Pachtzinses. Das führt zu einem Streitwert in Höhe von (2.250,00 DM x 20 % x 42 Mon.) 18.900,00 DM.

II.

Die Beschwerdeentscheidung ist kostenfrei, außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet, § 25 Abs. 4 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück