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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 23.12.1999
Aktenzeichen: 2b Ss (OWi) 287/99 - (OWi) 113/99 I
Rechtsgebiete: OWiG
Vorschriften:
OWiG § 80 Abs. 1 Nr. 1 | |
OWiG § 73 Abs. 2 | |
OWiG § 74 Abs. 2 |
1. Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.
2. Der Zweifelssatz findet keine Anwendung, wenn es darum geht, ob Eingaben mit prozeßerheblicher Auswirkung überhaupt bei Gericht eingegangen sind (hier: angeblicher Antrag des Betroffenen auf Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung).
OLG Düsseldorf, 1. Senat für Bußgeldsachen, Beschluß vom 23.12.1999 - 2b Ss (OWi) 287/99 - (OWi) 113/99 I
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
2b Ss (OWi) 287/99 - (OWi) 113/99 I 914 Js 659/99 StA Düsseldorf
In der Bußgeldsache
gegen
aus, geboren am, in,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch den Richter am Oberlandesgericht auf den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 17. Juni 1999 zuzulassen, nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 23. Dezember 1999 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag wird als unbegründet auf Kosten des Betroffenen verworfen.
Gründe:
I.
Der Oberstadtdirektor der Landeshauptstadt Düsseldorf hat mit Bußgeldbescheid vom 18. Februar 1999 gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Anhängerlast um 49,3 % oder 740 Kilogramm gemäß §§ 42 Abs. 1, 69 a StVZO, 24 StVG, Nr. 55.2 Bkat eine Geldbuße von 250,-- DM festgesetzt. Seinen dagegen eingelegten Einspruch hat das Amtsgericht durch das angefochtene Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht entbunden worden sei, im Termin zur Hauptverhandlung am 17. Juni 1999 ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei.
Hiergegen richtet sich die in zulässiger Weise eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen, deren Zulassung er beantragt. Er rügt, das Amtsgericht habe seinen mit Eingabe vom 28. Mai 1999 gestellten Antrag, ihn vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, nicht beschieden. Sein Ausbleiben im Termin sei deshalb genügend entschuldigt.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
1. Ob ein Urteil, durch das der Einspruch gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen worden ist, mit der Rechtsbeschwerde oder mit dem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde angefochten werden kann, hängt von dem Inhalt des angefochtenen Bußgeldbescheides ab (vgl. Göhler, OWiG, 12. Aufl., § 74 Rdnr. 48 m.w.N.; ferner Senat NJW 1988, 1681 und Beschluß vom 16. Februar 1999 - 5 Ss (OWi) 38/98 - (OWi) 11/99 I, ebenfalls m.w.N.). Die Rechtsbeschwerde ist nach § 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG nur statthaft, wenn im Bußgeldbescheid eine Geldbuße von mehr als fünfhundert Deutsche Mark festgesetzt worden ist oder einer der Fälle des § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bis 5 OWiG vorliegt.
Weil das vorliegend ersichtlich nicht zutrifft, ist die Rechtsbeschwerde von ihrer antragsgemäßen Zulassung abhängig.
2. Bei einer Geldbuße von mehr als zweihundert bis fünfhundert Deutsche Mark wird die Rechtsbeschwerde nach §§ 80 Abs. 1, Abs. 2, 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG zugelassen, wenn es geboten ist, die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen oder das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Keine dieser Voraussetzungen ist hier erfüllt.
a) Eine Überprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts ist nicht geboten. Das ist nur dann der Fall, wenn bei Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen oder zu festigen sind. Denn mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde soll das Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit erhalten, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen (vgl. BGHSt. 24, 15, 21; Senatsbeschluß vom 2. Dezember 1999 - 2b Ss (OWi) 333/99 - (OWi) 131/99 I -; Göhler; OWiG, 12. Aufl., § 80 Rdnr. 3 m.w.N.). Vorliegend sind jedoch entscheidungserhebliche Rechtsfragen von praktischer Bedeutung, die klärungsbedürftig, d.h. noch offen, zweifelhaft oder bestritten sind, so daß es sich aufdrängt, Leitsätze zu ihrer Auslegung bzw. zur rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken aufzustellen und/oder zu festigen (vgl. Göhler, a.a.O.), nicht ersichtlich. Es ist nämlich einhellige Rechtsprechung, daß ein rechtzeitig gestellter Antrag des Betroffenen, ihn vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, beschieden werden muß und - falls dies nicht geschieht - der Betroffene regelmäßig wegen seines Ausbleibens entschuldigt ist (vgl. Göhler, a.a.O., § 74 Rdnr. 32 mit zahlreichen Hinweisen zur Rechtsprechung der Oberlandesgerichte). Die hier maßgebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts bedarf danach keiner weiteren Klärung, so daß die Zulassung der Rechtsbeschwerde aus diesem Grunde nicht in Betracht kommt.
b) Auch der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung scheidet vorliegend aus. Er wäre nur dann anzunehmen, wenn sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen würden, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung insgesamt hat (vgl. Göhler, a.a.O., § 80 Rdnr. 4 m.w.N.). Dies trifft etwa zu, wenn entweder Verfahrensgrundsätze von elementarer Bedeutung verletzt sind oder das Urteil mit Fehlern behaftet ist und entweder die Gefahr der Wiederholung besteht oder der Fortbestand der Entscheidung zu krassen und augenfälligen, nicht mehr hinnehmbaren Unterschieden in der Rechtsprechung führen würde (vgl. Göhler, a.a.O. § 80 Rdnrn. 5, 6 und 8, jeweils m.w.N.; ferner Senatsbeschluß, a.a.O.).
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es ist weder ein elementarer Verfahrensgrundsatz verletzt noch ist die angefochtene Entscheidung mit Fehlern behaftet, die eine Wiederholung besorgen lassen oder zu krassen, nicht mehr hinnehmbaren Unterschieden in der Rechtsanwendung führen können. Bei dem gerügten Verfahrensmangel handelt es sich - wenn er denn überhaupt vorliegt - um einen Fehler im Einzelfall, der die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung nicht beeinträchtigt und auch nicht die Gefahr einer Wiederholung in sich birgt. Abgesehen davon ist der von der Verteidigung geltend gemachte Mangel in der Anwendung des Verfahrensrechts jedoch nicht bewiesen. Eine Eingabe des Betroffenen mit dem Antrag, ihn von dem angeordneten persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung am 17. Juni 1999 vor dem Amtsgericht Düsseldorf zu entbinden, ist nicht zu den Akten gelangt. Das später von dem Betroffenen selbst vorgelegte handschriftlich gefertigte "Duplikat" des angeblichen Antrags vom 28. Mai 1999 reicht, weil es unschwer erst nachträglich gefertigt sein kann, zum Nachweis des Gegenteils nicht aus. Auch die Rechtsmittelbegründung nimmt lediglich darauf Bezug und enthält keinerlei Hinweise, die die Richtigkeit der Behauptung einer rechtzeitigen Antragstellung des Betroffenen belegen. Der Grundsatz "in dubio pro reo" findet aber aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit im Verfahren keine Anwendung, wenn und soweit es darum geht, ob Eingaben mit prozeßerheblicher Auswirkung überhaupt bei Gericht eingegangen sind (vgl. dazu im einzelnen Kleinknecht/Meyer - Goßner, StPO, 44. Aufl., § 267 Rdnr. 35 m.w.N.). Es ist dem Senat auch nicht verwehrt, bereits im Zulassungsverfahren die Frage zu prüfen, ob der formgerecht - gerügte Verfahrensmangel bewiesen ist. Denn selbst wenn dies zuträfe, bestünde aus den bereits dargelegten Gründen keine Veranlassung zu klärenden Ausführungen des Senats mit richtunggebenden Hinweisen für die nachgeordneten Instanzen (vgl. Göhler, a.a.O, § 80 Rdnr. 23 m.w.N.).
c) Schließlich ist es auch nicht geboten, das angefochtene Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Denn der Betroffene hatte ersichtlich die Möglichkeit, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (vgl. Göhler, a.a.O, § 80 Rdnr. 16 a und 16 b m.w.N.). Das gilt selbst dann, wenn erwiesen wäre, daß der Betroffene den Antrag gestellt hätte, vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht entbunden zu werden. Denn es ist nicht erkennbar, inwiefern er durch die Nichtbescheidung eines solchen Antrags in seinem grundgesetzlich geschützten und garantierten Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) beeinträchtigt worden wäre. Im Übrigen fehlt es insoweit auch an einer formgerecht angebrachten Verfahrensrüge.
III.
Die Kosten seines nach alledem unbegründeten Rechtsmittels hat der Betroffene gemäß §§ 96 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 StPO zu tragen.
Ende der Entscheidung
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