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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 01.02.2001
Aktenzeichen: 2b Ss (OWi) 383/00 - (OWi) 4/01 I
Rechtsgebiete: StVO, StVG
Vorschriften:
StVO § 41 Abs. 2 Nr. 7 (Zeichen 274) | |
StVO § 49 Abs. 3 Nr. 4 | |
StVG § 24 | |
StVG § 25 Abs. 1 Satz 1 | |
StVG § 25 Abs. 2 a Satz 1 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
2b Ss (OWi) 383/00 - (OWi) 4/01 I 904 Js 892/00 StA Düsseldorf
In der Bußgeldsache
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Ni und die Richter am Oberlandesgericht H und S auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 1. September 2000 auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 1. Februar 2001
gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, daß der Betroffene die durch Verkehrszeichen 274 festgesetzte Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft vorsätzlich überschritten hat.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.
Gründe:
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu 200 DM Geldbuße verurteilt und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat keinen Erfolg, führt aber zu einer Änderung des Schuldspruchs (Vorsatz statt Fahrlässigkeit) durch den Senat.
I.
Den nicht angegriffenen Feststellungen zufolge befuhr der Betroffene als Taxifahrer am 3. Februar 2000 gegen Mittag auf der A 44 in einem Baustellenbereich, in dem die zulässige Höchstgeschwindigkeit durch Verkehrszeichen 274 auf 80 km/h herabgesetzt war, mit 122 km/h den linken Fahrstreifen. Der Betroffene hat eingewendet, er habe erst kurz vorher festgestellt, daß der Tacho ausgefallen sei, und durch ein kurzes Beschleunigen feststellen wollen, ob er wieder funktioniere. Sein Verhalten sei durch einen rechtfertigenden Notstand, § 16 OWiG, gedeckt gewesen. Diesen Einwand verfolgt er mit der Rechtsbeschwerde weiter.
II.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung durch den Senat hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Die Feststellungen belegen jedoch, daß der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat; der Senat hat den Schuldspruch insoweit geändert.
1. Daß der Betroffene die Geschwindigkeitsbeschränkung erkannt hat, steht außer Frage. Im Baustellenbereich einer Bundesautobahn drängt sich aufgrund der ohne weiteres erkennbaren äußeren Situation die Anordnung einer Geschwindigkeitsbeschränkung durch Zeichen 274 jedermann auf (BGHSt 43, 241, 251 f = NJW 1997, 3252, 3254). Nach den Feststellungen hat der Betroffene auch nicht eingewendet, daß er die Baustelle übersehen oder geglaubt habe, die zulässige Geschwindigkeit sei nicht oder zumindest nicht auf weniger als 120 km/h beschränkt gewesen.
2. Der Betroffene hat auch gewußt, jedenfalls aber damit gerechnet und in Kauf genommen, daß er schneller als erlaubt fuhr. Einem geübten Kraftfahrer ist es ohne weiteres möglich, seine Geschwindigkeit schon an Hand der Motorgeräusche des ihm vertrauten Fahrzeugs, der sonstigen Fahrgeräusche und an Hand der Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert, zuverlässig zu schätzen (BGHSt 39, 291, 304 = NJW 1993, 3081, 3084). Schon unter diesem Gesichtspunkt drängt sich bei der festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 50 % auf, daß der Betroffene, der Berufskraftfahrer ist, bewußt schneller als erlaubt gefahren ist (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 378 = VRS 94, 227, 229). Hier kommt hinzu, daß der Betroffene nach eigenen Angaben "erst kurz zuvor" den Ausfall des Tachos bemerkt und das seine Aufmerksamkeit auf die tatsächlich gefahrene Geschwindigkeit gelenkt hatte. Damit war aus der Sicht des Betroffenen besondere Vorsicht geboten gewesen (vgl. BayobLGSt 1999, 167 = NZV 2000, 216). Spätestens bei dem anschließenden "kurzen Beschleunigen" hat der Betroffene bewußt in Kauf genommen, daß er zu schnell fuhr.
3. Nach § 16 OWiG handelt nicht rechtswidrig, wer unter den dort genannten Voraussetzungen eine Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut von sich oder einem anderen abzuwenden sucht. Welches Rechtsgut hier gefährdet gewesen sein soll, kann der Senat nicht nachvollziehen.
4. Das Verschlechterungsverbot, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO, hindert den Senat nicht an der Feststellung, daß der Betroffene vorsätzlich gehandelt hat, weil es das Risiko einer Änderung des Schuldspruchs nicht ausschließt. Ein Hinweis nach § 71 Abs. 1 OWiG in Verb. mit § 265 Abs. 1 StPO war nicht nötig, weil der Betroffene sich gegen den Vorwurf des Vorsatzes nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
5. Die Anordnung des Regelfahrverbots, § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit Nr. 5.3.4 BKat, ist gerechtfertigt. Der Senat macht sich insoweit die überzeugenden Gründe des angefochtenen Urteils zu Eigen und bemerkt nur ergänzend, daß seit Einführung der "Schonfrist", § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG, die das Amtsgericht dem Betroffenen gewährt hat, nur noch in ganz außergewöhnlichen Härtefällen von der Verhängung des Regelfahrverbots abgesehen werden kann (vgl. OLG Hamm VRS 96 [1999], 231, 233; BayObLG a. a. O.). Das gilt erst recht, wenn der Verurteilung, wie hier, ein vorsätzlicher Verkehrsverstoß zugrunde liegt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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