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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 19.12.2000
Aktenzeichen: 2b Ss OWi 352/00 - OWi 120/00 I
Rechtsgebiete: FeiertagsG NW


Vorschriften:

FeiertagsG NW § 3 Satz 1
FeiertagsG NW § 4 Nr. 5
Das gewerbliche Vermieten von Videofilmen in Videotheken an Sonn- und Feiertagen ist in Nordrhein-Westfalen verboten. Diese Tätigkeit zählt nicht, zu den von dem Arbeitsverbot ausgenommenen Arbeiten, die der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung dienen Laie der Betrieb von Sauna, Bräunungs- und Fitneßstudios.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

2b Ss (OWi) 352/00 - (OWi) 120/00 I 914 Js 1857/99 StA Düsseldorf

In der Bußgeldsache

wegen Verstoßes gegen das Feiertagsgesetz NW

hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch die Richter am Oberlandesgericht H, S und Dr. Sch am

19. Dezember 2000

auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 16. März 2000 nach Anhörung der Betroffenen

beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Düsseldorf zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Landeshauptstadt Düsseldorf hat gegen die Betroffene zu 1. durch Bußgeldbescheid vom 20. August 1999 (32/13/Z615-4-199-3 SB 81) und gegen den Betroffenen zu 2. durch Bußgeldbescheid vom 3. August 1999 (32/13/Z614-4-201-4 SB80) wegen Verstoßes gegen das Arbeitsverbot gemäß §§ 3 Satz 1, 11 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Sonn- und Feiertage (Feiertagsgesetz NW) Geldbußen von je 500,-- DM festgesetzt.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Betroffenen freigesprochen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Das Rechtsmittel ist begründet.

1.

Das Amtsgericht hat folgendes festgestellt:

Die Betroffene zu 1. betreibt in Nordrhein-Westfalen gewerblich 21 Vidiotheken, darunter eine am K-Platz in Düsseldorf.

Diese hatte sie am Sonntag, dem 11. Juli 1999, gegen 13,30 Uhr geöffnet und es wurden Videokassetten an Kunden vermietet.

Der Betroffene zu 2. betreibt eine gewerbliche Videothek an der M straße in Düsseldorf, die er am Sonntag, dem 4. Juli 1999, gegen 15,05 Uhr für Kunden geöffnet hielt und in der ebenfalls Videokassetten vermietet wurden.

Das Amtsgericht hat die Betroffenen mit der Begründung freigesprochen es liege eine Ausnahme vom Arbeitsverbot des § 3 Satz 1 FeiertagsG NW gemäß § 4 Nr. 5 FeiertagsG NW vor, denn der Betrieb einer Videothek diene ebenso wie der beispielhaft genannte Betrieb von Saunas, Bräunungs- und Fitneßstudios der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung.

2.

Die Entscheidung des Amtsgerichts hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a)

Nach § 3 Satz 1 FeiertagsG NW sind an Sonn- und Feiertagen alle öffentlich bemerkbaren Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu stören, sofern sie nicht besonders erlaubt sind. Die Feiertagsgesetze anderer Bundesländer enthalten nahezu wortgleiche oder jedenfalls inhaltsgleiche Regelungen (vgl. § 6 Abs. HFeiertagsG, § 6 Abs. 1 BaWÜFTG; § 3 Abs. 2 FtG RP; § 5 Abs. 1 FeiertagsG SH).

aa)

Bei der Vermietung von Videokassetten in den Videotheken der Betroffenen handelte es sich um öffentlich bemerkbare Arbeiten i.S.d. § 3 Satz 1 FeiertagsG NW.

Wie sich aus den Ausführungen des angefochtenen Urteils ergibt, liegen die Videotheken im innerstädtischen Bereich an öffentlichen Straßen sind für Kunden ohne weiteres erkennbar und zugänglich. Die gewerbliche Vermietung von Video-Filmen in Ladengeschäften ist eine öffentlich bemerkbare Arbeit im Sinne des § 3 Satz 1 FeiertagsG NW, auch wenn die eigentliche gewerbliche Tätigkeit, das Vermieten der Filme, sich Innern der Geschäftsräume der Betroffenen abspielte. Es genügt, daß die gewerbliche Tätigkeit von unbestimmt vielen beliebigen Personen wahrgenommen werden kann, ohne daß es darauf ankommt, ob die Geschäftsräume selbst von außen eingesehen werden können und ob die Vermietungsvorgänge von der Straße aus sichtbar sind. Eine Tätigkeit ist nämlich auch dann öffentlich bemerkbar, wenn sie aus den sie begleitenden Umständen wie dem Ein- und Ausgehen von Kunden geschlossen werden kann (Senat NStZ 1985, 509; BVERWG NJW 1988, 2252 ff.; OVG Münster GewArch 1984, 349; VG Berlin GewArch 1991, 453 ff.).

bb)

Das gewerbliche Vermieten von Videofilmen an Sonntagen ist im Sinne von § 3 Satz 1 FeiertagsG NW auch geeignet, die äußere Ruhe des Sonntags zu stören. Geeignet in diesem Sinne ist jede Arbeit, die ihrem äußeren Erscheinungsbild nach an Werktagen stattfindet, insbesondere dem werktäglichen Gelderwerb dient, ohne daß im einzelnen eine konkrete Störung der Sonn- bzw. Feiertagsruhe erforderlich ist (Senat aaO; BVERWG Buchholz 11 Art. 140 GG Nr. 34; OVG Münster aaO).

Der Schutz der Sonn- und Feiertage soll dem öffentliche Leben soweit möglich seine werktägliche Unruhe und Geschäftigkeit mit Verpflichtungen und Beanspruchungen nehmen. Er erfüllt diesen Zweck nur, wenn an den geschützten Tagen die werktägliche gewerbliche Tätigkeit ruht, sofern sie nicht gerade zur Befriedigung sonntäglicher Bedürfnisse erforderlich oder durch Gesetz besonders zugelassen ist. Sofern die Vornahme einer werktäglichen Tätigkeit an Sonn- und Feiertagen nicht aus einem dieser Gründe gerechtfertigt ist, ist sie mit der Zweckbestimmung dieser Tage unvereinbar und widerspricht deshalb ihrem Wesen (BVERWG GewArch 1995, 373; BVERWG NJW 1988, 2252 ff.).

Das gilt auch für den Betrieb einer Videothek.

Eine gewerbliche Tätigkeit ist nach ihrem Charakter werktäglich und ihre Vornahme an Sonn- und Feiertagen widerspricht deshalb dem Wesen dieser Tage als Tagen der Arbeitsruhe, wenn sie nicht zur Deckung eines an diesen Tagen hervortretenden einschlägigen Bedarfs erforderlich ist. Danach ist auch der gewerbliche Betrieb einer Videothek eine werktägliche Tätigkeit, denn die gewerbliche Vermietung von Videofilmen an Sonn- und Feiertagen ist auf Erwerb ausgerichtet, nicht durch die Eigenart der angebotenen Gegenstände oder Dienstleistungen gerechtfertigt und dient auch nicht der Deckung eines an Sonntagen und Feiertagen bestehenden Publikumsbedarfs an Ort und Stelle. Videokassetten können nämlich an Werktagen zum Gebrauch an Sonn- und Feiertagen gemietet werden. Hinter dem Wunsch von Verbrauchern, ihren Bedarf an Videofilmen aufgrund eines spontan gefaßten Entschlusses auch an Sonn- und Feiertagen zu decken, hat der durch Art. 140 GG, 139 WRV gewährleistete Schutz der Sonntagsruhe nicht zurückzutreten. Diese Vorschriften muten dem betroffenen Publikum die mit dem gesetzlichen Schutz der Sonntage und Feiertage verbundenen Einschränkungen als verfassungsmäßige Beschränkungen grundrechtlicher Freiheiten zu (BVERWG NJW 1988; BVERWG GewArch 1995, 373)). Eine Gleichstellung von Videotheken mit Blumengeschäften, Bäckereien, Kinos und Gaststätten scheidet aus, weil Blumengeschäfte und Bäckereien den Bedarf nach frischer Ware decken und Kinos und Gaststätten das Bedürfnis des Publikums auf Unterhaltung bzw. Versorgung mit Nahrungsmitteln und Getränken nur an Ort und Stelle befriedigen können (VG Berlin aaO).

Mit seiner Ansicht findet sich der Senat in Übereinstimmung mit dem OLG Koblenz (MDR 1985, 698) und dem OLG Frankfurt (VRS 71, 233 ff.). Soweit demgegenüber das OLG Celle (GewArch 1984, 394) eine Störung der Sonntagsruhe durch den Betrieb einer Videothek verneint, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Einer Vorlage der Sache an den BGH gemäß § 121 Abs. 2 GVG bedarf es jedoch nicht, da die Entscheidung des OLG Celle nicht auf Revision oder Rechtsbeschwerde hin, sondern in einem Zivilrechtsstreit ergangen ist.

b)

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts liegt kein Ausnahmefall vom Arbeitsverbot nach § 4 Nr. 5 FeiertagsG NW vor. Danach sind an Sonn- und Feiertagen Arbeiten erlaubt, die der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung dienen, wozu insbesondere der Betrieb von Saunas, Bräunungsstudios und Fitnesstudios gehören.

Auch wenn, wie das Amtsgericht zutreffend ausführt, diese Aufzählung nur beispielhaft ist ("insbesondere"), zählt der Betrieb einer Videothek nicht zu diesen Ausnahmen.

Die Vermietung von Videofilmen dient nicht der Erholung im Rahmen der Freizeitgestaltung im Sinne der Vorschrift und eine Videothek ist nicht vergleichbar den beispielhaft genannten Freizeiteinrichtungen Sauna, Bräunungsstudio und Fitnesstudio. Wie diese Beispiele zeigen, fallen unter die Ausnahmeregelung gewerbliche Freizeiteinrichtungen, in denen sich die Besucher in ihrer Freizeit durch eigene Betätigung, eigenes Erleben oder eigenes Vergnügen, durch Körperpflege, sportliche Aktivität oder Muße erholen (vgl. BVERWG GewArch 1995, 373) Diese Voraussetzungen müssen auch für die nicht beispielhaft aufgeführten Freizeiteinrichtzungen erfüllt sein.

Demgegenüber sucht der Besucher eine Videothek nicht auf, um dort seine Freizeit zu gestalten und sich zu erholen, sondern er schließt ein typisch werktägliches Erwerbsgeschäft ab, um mit dem erworbenen Film zu Hause seine Freizeit zu gestalten und sich zu erholen.

Videotheken sind deshalb nicht anders zu beurteilen als Buchhandlungen, Sportartikelgeschäfte, Musik- und auch Getränkegeschäfte, in denen der Kunde ebenfalls Waren zur Gestaltung seiner Freizeit und zur Erholung erwirbt und die unbestritten nicht unter die Ausnahmeregelung des § 4 Nr. 5 FeiertagsG NW fallen. Der Unterschied, dass Videofilme in Videotheken in der Regel nicht käuflich erworben, sondern nur für kurze Zeit gemietet werden, ist demgegenüber nicht bedeutsam.

Wenn - worauf das Amtsgericht hinweist - der Deutsche Bundestag in einer Empfehlung vom 29. April 1998 an die Bundesländer angeregt hat, eine Öffnung von Videotheken auch an Sonn- und Feiertagen zu ermöglichen und auf eine entsprechende Änderung der Sonn- und Feiertagsgesetze der Länder hinzuwirken, so ergibt sich daraus, daß der Deutsche Bundestag zutreffend davon ausgegangen ist, daß nach der derzeitigen Gesetzeslage die Öffnung von Videotheken an Sonn- und Feiertagen untersagt ist. Dieser Empfehlung hat das Land Nordrhein-Westfalen bisher nicht Rechnung getragen.

III.

Nach § 79 Abs. 3 Satz 1, Abs. 6 OWiG, § 353 StPO ist das Urteil wegen des aufgezeigten Rechtsfehlers aufzuheben und der Senat verweist die Sache an das Amtsgericht Düsseldorf zurück.



Ende der Entscheidung

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