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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 16.05.2003
Aktenzeichen: 3 Wx 98/03
Rechtsgebiete: WEG, BGB
Vorschriften:
WEG § 14 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 1 |
Versprüht ein Wohnungseigentümer eigenmächtig Geruchsstoffe (Parfüm) im zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Treppenhaus, so liegt hierin eine bestimmungswidrige Nutzung des Gemeinschaftseigentums.
2.
Die Frage, ob das Abbrennen einer Duftkerze auf dem Balkon eines Wohnungseigentümers eine bestimmungswidrige Benutzung des Sondereigentums darstellt, kann generell weder bejaht noch verneint werden, hängt vielmehr von den in ihrer Gesamtheit zu würdigenden Gegebenheiten (Geruchsintensität, Häufigkeit, schikanöse Begleitumstände etc.) ab.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In der Wohnungseigentumssache
betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft ..., Mülheim an der Ruhr,
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den am 05. März 2003 verkündeten Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G... und der Richter am Oberlandesgericht Dr. S... und von W... am 16. Mai 2003
beschlossen:
Tenor:
Auf das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 werden die Entscheidungen der Vorinstanzen teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beteiligten zu 2 werden verpflichtet, es zu unterlassen, Stoffe zur "Geruchsverbesserung", insbesondere Parfüm, im Treppenhaus des Hauses Z... zu versprühen oder anderweit zu verteilen.
Den Beteiligten zu 2 wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,- €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 250,- € ein Tag Ordnungshaft angedroht.
Im übrigen ("Duft- bzw. Räucherkerze Balkon") werden die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben und wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des zweiten und dritten Rechtszuges - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 3.000,-€, (jeweils 1.500,00 €)
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind Wohnungseigentümer in der von der Beteiligten zu 5 verwalteten Gemeinschaft Z... in Mülheim an der Ruhr.
Die Beteiligten zu 1 haben behauptet, die Beteiligten zu 2 verbreiteten unerträgliche Gerüche, indem sie im Hausflur Geruchsspray und Parfüm versprüht und auf ihrem Balkon Duft- bzw. Rauchkerzen abgebrannt hätten.
Die Beteiligten zu 1 haben beantragt,
die Beteiligten zu 2 zu verpflichten, es zu unterlassen, Geruchsstoffe durch speziell für die Erzeugung von Gerüchen vorgesehene Vorrichtungen, wie Rauchkerzen, Geruchsverdampfer, Geruchstücher, Sprays oder Flüssigkeiten außerhalb ihrer Wohnung, also auch nicht auf ihrem Balkon und im Garten, im Haus und auf dem Grundstück des Hauses der Z... zu verteilen.
Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 19. Juli 2002 die Anträge der Beteiligten zu 1 abgelehnt.
Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1, mit der diese ihr ursprüngliches Begehren weiterverfolgen sowie die Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft für jeden Fall der Zuwiderhandlung erstrebt haben, hat die Kammer am 05. März 2003 zurückgewiesen.
Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 1 mit der sofortigen weiteren Beschwerde, mit der sie beantragen,
I.
1.
die Beteiligten zu 2 zu verpflichten, es zu unterlassen, Geruchsstoffe durch speziell für die Erzeugung von Gerüchen vorgesehene Vorrichtungen, wie Rauchkerzen, Geruchsverdampfer, Geruchstücher, Sprays oder Flüssigkeiten außerhalb ihrer Wohnung, also auch nicht auf ihrem Balkon und im Garten, im Haus und auf dem Grundstück des Hauses der Z... zu verteilen.
2.
den Beteiligten zu 2 für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500,- €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 250,- € ein Tag Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen,
II. hilfsweise
1.
die Beteiligten zu 2 zu verpflichten, es zu unterlassen, Geruchsstoffe durch speziell für die Erzeugung von Gerüchen vorgesehene Vorrichtungen, wie Rauchkerzen, Geruchsverdampfer, Geruchstücher, Sprays oder Flüssigkeiten außerhalb ihrer Wohnung im Haus Z... zu verteilen.
2.
die Beteiligten zu 2 zu verpflichten, es zu unterlassen, Geruchsstoffe durch speziell für die Erzeugung von Gerüchen vorgesehene Vorrichtungen, wie Rauchkerzen, Geruchsverdampfer, Geruchstücher, Sprays oder Flüssigkeiten auf ihrem Balkon, im Garten oder anderweitig auf dem rückwärtigen Grundstück des Hauses der Z... zu verteilen, wenn sich die Beteiligten zu 1 zeitlich vor dem Verteilen der Geruchsstoffe auf ihrer Terrasse oder im Garten aufhalten oder wenn sich die Beteiligten zu 1 zum Zeitpunkt des Verteilens der Geruchsstoffe selbst weder auf ihrem Balkon, noch im Garten aufhalten.
3.
den Beteiligten zu 2 für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500,- €, ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 250,- € ein Tag Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten anzudrohen.
Die Beteiligten zu 2, 3 und 4 treten dem entgegen.
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
1.
Die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat zum Teil Erfolg. Denn die angefochtene Entscheidung erweist sich insoweit als rechtsfehlerhaft (§ 27 FGG).
2.
Das Landgericht hat zur Begründung ausgeführt, die von den Beteiligten zu 2 verbreiteten Gerüche stellten keine im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 relevanten Einwirkungen dar. Es erscheine ohne weiteres als sozialadäquat, dass die Beteiligten zu 2 auf ihrem Balkon eine handelsübliche Duftkerze entzündeten.
Auch hinsichtlich des Versprühens von Raumspray im Flur bestehe kein Unterlassungsanspruch der Antragsteller. Für relevante Immissionen im Sinne von § 906 gelte zwar ein Verbot im Falle der Überschreitung der normalen Duldungspflicht. Vorliegend gehe die Kammer jedoch aufgrund der Lebenserfahrung davon aus, dass die Gerüche im Flur durch gezieltes Lüften hinreichend beseitigt werden können. Zwar sei es möglich, dass das Treppenhaus auf Dauer eine gewisse Duftnote erhalte, jedoch bewege sich dies selbst unter Zugrundelegung der von den Beteiligten zu 1 vorgetragenen Häufigkeit und Intensität des Versprühens in jedem Fall im Rahmen des Zumutbaren. Die Beteiligten zu 1 hätten nämlich keinen Anspruch auf ein vollkommen geruchsfreies Treppenhaus.
3.
Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung überwiegend nicht stand.
a)
Zu Unrecht haben die Vorinstanzen § 906 Abs. 1 BGB zum Ausgangspunkt ihrer Prüfung genommen, ob ein Versprühen von Parfüm seitens der Beteiligten zu 2 im Treppenhaus des Hauses Z... in Mülheim an der Ruhr durch die Beteiligten zu 1 zu tolerieren ist oder ob diese Unterlassung verlangen können. Denn vorliegend geht es nicht um die Zuführung unwägbarer Stoffe von einem Grundstück auf ein anderes und auch nicht um einen hiermit vergleichbaren Sachverhalt.
Richtige Anspruchsgrundlage für das - entgegen der Meinung der Vorinstanzen - berechtigte Unterlassungsbegehren der Beteiligten zu 1 sind vielmehr §§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG.
Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.
Gegen diese Verpflichtung haben die Beteiligten zu 2 vorliegend verstoßen, indem sie einen Geruchsstoff in Form von Parfüm in dem zum Gemeinschaftseigentum gehörenden Treppenhaus versprüht haben. Die Beteiligten zu 1 haben hierzu vorgetragen, dies sei am 16.01.2000, 01.12.2000 15.00 Uhr, 29.06.2001, 16.08.2001 10.40 Uhr, 21.08.2001 19.00 Uhr, 14.09.2001 18.00 Uhr, 16.10.2001 22.40 Uhr, 24.10.2001 18.45 Uhr, 24.07.2002 sowie 25.07.2002 geschehen. Wie oft insgesamt die Beteiligten zu 2 Duftstoffe bzw. Parfüm im Hausflur verteilt haben, mag aber letztlich offen bleiben. Dass die Beteiligten zu 2 Parfüm im Hausflur versprüht haben, ist indes unstreitig und hat zu dem Termin vor dem Schiedsmann am 16.02.2000 geführt. In diesem Verhalten liegt eine bestimmungswidrige Nutzung des Gemeinschaftseigentums, die die Beteiligten zu 1 nicht hinnehmen müssen. Denn ein solches Betragen stört das geordnete Zusammenleben und führt zu einem vermeidbaren Nachteil- im Rechtssinne. Es geht nämlich nicht an, dass ein Wohnungseigentümer den übrigen Miteigentümern durch die Ausbringung von Duftstoffen vorgibt, dass im Gemeinschaftseigentum stehende Räumlichkeiten in ganz bestimmter - vom ihm als angenehm, von anderen Eigentümern indes zum Teil als störend empfundener - Weise zu riechen haben, ein einzelner Wohnungseigentümer also gewissermaßen die Atmosphäre vorschreibt, die die übrigen Eigentümer in dem im Gemeinschaftseigentum stehenden Hausflur zu atmen haben.
Aus dem dargestellten Verhalten der Beteiligten zu 2 resultiert ein Unterlassungsanspruch der Beteiligten zu 1, der sich aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ergibt.
Zu Unrecht reklamieren die Beteiligten zu 2 ein Fehlen der Wiederholungsgefahr. Dieselbe folgt bereits daraus, dass die Antragsgegner in allen Instanzen nachdrücklich die - unzutreffende - Auffassung vertreten haben, "etwas Parfüm im Treppenhaus (sei) erlaubt" (z.B. Schriftsätze vom 10.10.2001 S. 5; vom 11.10.2002 S. 2, 5; vom 28.04.2003 S. 2, 5).
Auf den Antrag der Beteiligten zu 1 war den Beteiligten zu 2 gemäß § 890 Abs. 2 ZPO für den Fall der Zuwiderhandlung ein - der Bedeutung der Sache angemessenes - Ordnungsgeld von 500,- €, ersatzweise für je 250 € ein Tag Ordnungshaft, anzudrohen.
b)
Soweit die Vorinstanzen einen Unterlassungsanspruch der Beteiligten zu 1 gegen die Beteiligten zu 2 wegen der Benutzung einer Duftkerze auf ihrem Balkon abgelehnt hat, führt das Rechtsmittel der Beteiligten zu 1 zur Aufhebung des angefochtenen Teiles der Entscheidung und insoweit zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, und zwar an das Amtsgericht. Denn der die amtsgerichtliche Entscheidung bestätigende Beschluss der Kammer beruht auf der gleichen Rechtsverletzung wie bereits die Entscheidung der Vorinstanz (vgl. Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Auflage 2003 § 27 Rdz. 61 mit Nachweisen).
aa)
Etwaige Anspruchsgrundlage für ein Unterlassungsbegehren der Beteiligten zu 1 sind auch insoweit §§ 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB, 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG.
Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von den im Sondereigentum stehenden Gebäudeteilen - hier dem Balkon - nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst.
bb)
Zur Beurteilung der Frage, ob die Beteiligten zu 2 vorliegend gegen diese Verpflichtung verstoßen haben, indem sie Duftkerzen auf ihrem Balkon entzündet und hierdurch die Beteiligten zu 1 erheblichen Geruchsbelästigungen ausgesetzt haben, reicht der festgestellte Sachverhalt indes bei weitem nicht aus. Es mag sein, dass der Gebrauch einer handelsüblichen Duftkerze durch die Beteiligten zu 2 auf ihrem Balkon sich als sozialadäquat darstellen kann. Ob allerdings aus dem Abbrennen von Duftkerzen den Beteiligten zu 2 über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst, hängt von zahlreichen Faktoren ab, nämlich u.a. davon, wie intensiv der Geruch der Kerze auf der Terrasse der Beteiligten zu 1 tatsächlich wahrgenommen wird, wie häufig eine solche entzündet wird (die Beteiligten zu 1 haben hierzu vorgetragen, dies sei am 29.06.2001 20.00 Uhr, 29.07.2001 22.00 Uhr, 31.07.2001 20.30 Uhr, 01.08.2001 15.00 Uhr, 02.08.2001 13.50 Uhr, 16.08.2001 20.10 Uhr, 17.08.2001 15.15 Uhr, 23.08.2001 12.50 Uhr, 25.08.2001 12.00 Uhr, 26.08.2001 9.50 Uhr und 20.20 Uhr und 28.07.2002 geschehen) und ob sich objektivieren lässt, dass die Beteiligten zu 2 die Kerzen stets oder vorwiegend bei Anwesenheit der Beteiligten zu 1 auf ihrer Terrasse angezündet haben, möglicherweise ohne sich selbst auf dem Balkon aufzuhalten, was gegebenenfalls auf schikanöses Verhalten hinweisen könnte.
Die hierzu erforderlichen Erhebungen, die der Senat als Rechtsbeschwerdegericht nicht selbst vornehmen kann, wird das Amtsgericht zum Zwecke der Schaffung bzw. Verbreiterung einer Entscheidungsgrundlage in diesem Punkt zu treffen haben.
Ende der Entscheidung
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