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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.05.1999
Aktenzeichen: 4 U 127/98
Rechtsgebiete: VVG, AKB
Vorschriften:
VVG § 6 Abs. 3 | |
VVG § 7 I Abs. 2 | |
AKB § 7 V Abs. 4 |
1. Antwortet der Versicherungsnehmer auf die Frage nach reparierten Vorschäden im Schadensanzeigeformular "Blechschaden repariert", obwohl durch grobes Ausbeulen von zwei Türen und Abdecken der übrigen Schäden mit Hilfe einer Lacksprühdose nur eine behelfsmäßige Reparatur vorgenommen worden war, begeht er eine Obliegenheitsverletzung.
2. Zur Frage, wer die Kenntnis des Versicherungsnehmers von Umständen, über die der Versicherer aufzuklären ist, zu beweisen hat.
OLG Düsseldorf Urteil 11.05.1999 - 4 U 127/98 - 11 O 337/96 LG Düsseldorf
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 20. April 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S. und der Richter am Oberlandesgericht Dr. W. und Z. für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 8. April 1998 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger die geltend gemachte Unfallentschädigung durch Zahlung an das Leasingunternehmen zu gewähren, weil sie gemäß §§ 7 I 1 Abs. 2, V Abs. 4 AKB i. V. m. § 6 Abs. 3 VVG wegen Obliegenheitsverletzung des Klägers leistungsfrei ist.
1.
Die grundsätzliche Pflicht der Beklagten, dem Kläger Leistungen zu gewähren, ergibt sich zwar aus dem Versicherungsvertrag der Parteien (vgl. Sicherungsschein GA 5). Denn das Fahrzeug ist bei der Beklagten mit einer Fahrzeugvollversicherung bei Selbstbeteiligung von 1.000 DM versichert gewesen.
Vom Eintritt des Versicherungsfalles im Sinne von § 12 Nr. 1 II e AKB, die dem Versicherungsverhältnis zugrundeliegen, ist entgegen der Auffassung der Beklagten auszugehen. Unfreiwilligkeit gehört nicht zum Begriff des Unfalls im Sinne dieser Klausel, so daß der Versicherer eine etwaige Einwilligung des Versicherungsnehmers wie vorsätzliches Herbeiführen des Versicherungsfalls nach § 61 VVG beweisen muß (vgl. BGH VersR 1981, 450 = NJW 1315; OLG Köln VersR 1990, 1223). Nach den Feststellungen der Polizei ist der Fahrer des Fahrzeugs K. am 17. November 1995 gegen 3.00 Uhr nachts mit dem Fahrzeug von der Fahrbahn abgekommen und eine Böschung in den angrenzenden Wald hinuntergerutscht, so daß das Fahrzeug beschädigt wurde.
2.
Es kann dann dahingestellt bleiben, ob genügend Anzeichen für die erstinstanzliche Behauptung der Beklagten vorhanden sind, der Kläger habe den Versicherungsfall vorsätzlich herbeigeführt oder dies sei durch den Fahrer K. mit seinem Wissen und Wollen geschehen (§ 61 VVG). Denn die Beklagte ist wegen Obliegenheitsverletzung leistungsfrei.
In der Schadensanzeige vom 26. November 1995 hat der Kläger die Fragen "Hatte das Fahrzeug vor diesem Ereignis (auch bereits reparierte) Vorschäden?" geantwortet: "ja" und "welche?" "Blechschaden repariert ja" (GA 15).
Diese Aussage war entgegen der Darstellung des Klägers unrichtig.
An dem Fahrzeug ist allenfalls eine behelfsmäßige Reparatur vorgenommen worden, wie der Zeuge M. bei seiner Vernehmung zum Ausdruck gebracht hat. Das Fahrzeug - mit einem "einfachen Schaden" - ist nach seiner Darstellung nicht lackiert, sondern lediglich mit einer Sprühdose bearbeitet und anschließend poliert worden. Dies war aber keine Reparatur im Sinne der Fragestellung. Der Versicherungsnehmer hat sich nicht an dem Wortlaut der Fragestellung zu orientieren, sondern deren Sinn und Zweck zu beachten (vgl. BGH VersR 1993, 828). Daß eine Notreparatur ohne weitere Erläuterung des Klägers nicht gemeint sein konnte, gibt der Kläger in der Klageschrift selbst zu erkennen. Nach seiner Behauptung sind nämlich die Schäden aus dem Unfallereignis vom März 1995 vollständig repariert worden.
Dies war aber tatsächlich nicht der Fall. Schon nach dem vom Kläger vorgelegten Gutachten K. (Hefter Anl. 2) waren bei fachgerechter Ausführung Reparaturkosten von 7.713,14 DM (ohne Mehrwertsteuer) und eine Reparaturzeit von vier Arbeitstagen nötig. Denn das Fahrzeug hatte einen erheblichen Seitenschaden rechts erlitten, der sich vom vorderen Kotflügel über beide rechten Türen bis zum hinteren Kotflügel erstreckte (vgl. Fotos Hefter Anl. 2). Daß der erforderliche Reparaturaufwand getätigt wurde, ist indessen ausgeschlossen. Nach den vergleichenden Betrachtungen des Sachverständigen S. (GA 96 ff.) ergeben sich nämlich nach beiden Unfällen in mindestens zehn Punkten markante Übereinstimmungen der Beschädigungen, die die rechte Vordertür einschließlich der Zierleiste, die Seitenwand und die hintere Radlaufverbreiterung betreffen, und die nach dem Ereignis vom März 1995 nicht behoben worden sind. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, daß sich die Instandsetzung lediglich auf das grobe Ausbeulen der beiden Türen beschränkt hat, mögen auch - der Aussage des Zeugen M. folgend - die übrigen Schäden mit Hilfe der Sprühdose abgedeckt worden sein.
Die Ausführungen des Sachverständigen Stiegen überzeugen auch den Senat. Denn es ist ausgeschlossen, daß an zehn Stellen sich durch verschiedene Unfallereignisse identische Beschädigungen ergeben können. Der Sachverständige hat aber auf den von dem Ermittler der Beklagten J. gefertigten Fotos eben jene Schäden wiederentdeckt, die sich schon auf den Fotos des Gutachters K. zeigten. Die entsprechenden Stellen sind durch rote Pfeile gekennzeichnet, wobei lediglich der Pfeil Nr. 4 zu vermissen ist. Die Ausführungen des Sachverständigen sind bei genauer Betrachtung der Fotos gut nachzuvollziehen (vgl. Anl. 2 mit Anl. 4 des Hefters).
Die genaue Übereinstimmung der Schadensbilder schließt auch aus, daß der Zeuge M. die Türen des zweiten Fahrzeuges mit Originallack in das Fahrzeug des Klägers eingebaut hat (GA 117). Dafür findet sich in seiner Aussage auch kein Hinweis. Die Benutzung der Sprühdose wäre überflüssig gewesen, wenn der Zeuge M. zwei original lackierte Türen eines anderen Fahrzeugs eingebaut hätte.
Den Kläger trifft an der Falschangabe auch ein schwerwiegendes Verschulden. Die Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG ist nicht widerlegt.
Liegt - wie hier - eine objektive Verletzung der Auskunftsobliegenheit des Versicherungsnehmers vor, ist dieser dafür beweisbelastet, daß die Verletzung weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit beruht (BGH VersR 1993, 828, 829). Ob sich diese Beweislastverteilung auch darauf bezieht, daß der Versicherungsnehmer den Umstand, über den der Versicherer aufzuklären war, kannte oder ob es zu dessen Beweislast steht, daß der Versicherungsnehmer die von der Aufklärungsobliegenheit erfaßten Tatsachen kennt, ist umstritten. Wiederholt hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, daß der Versicherungsnehmer mangelndes Verschulden oder einen geringeren Verschuldensgrad als grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz beweisen muß, wenn feststeht, daß die Antwort objektiv falsch ist (vgl. BGH VersR 1993, 960; 1993, 828, 829). Soweit sich Römer in Römer/Langheid, VVG, § 6 Rdnr. 87, unter Berufung auf die Entscheidung des BGH RuS 1993, 392 für die Beweislast des Versicherers aussprechen, ist dem entgegenzuhalten, daß die genannte Entscheidung zu § 16 Abs. 1 VVG ergangen ist, einer Vorschrift, nach der die Kenntnis des Versicherungsnehmers von den aufzuklärenden Umständen zum objektiven Tatbestand gehört. Auch der Entscheidung BGH VersR 1969, 694 ist nur zu entnehmen, daß der Versicherungsnehmer vom Versicherungsfall Kenntnis gehabt haben muß.
Der Senat braucht diese Frage indessen nicht abschließend zu entscheiden, weil er nämlich der Überzeugung ist, daß der Kläger von der bloß behelfsmäßig durchgeführten Reparatur gewußt hat. Die Behauptung in der Berufungsbegründung, er habe das Fahrzeug noch nie gefahren und keine Beziehung zu dem Fahrzeug gehabt, ist unglaubwürdig, weil er in der Klageschrift angegeben hat, das Fahrzeug werde privat, also durch ihn selbst genutzt. Hinzu kommt, daß er sich persönlich um die Reparatur des Luxuswagens gekümmert hat. Vor dem Landgericht hat der Kläger persönlich erklärt, er sei mit dem Fahrzeug zu dem Zeugen M. nach K. gefahren und habe das Fahrzeug dort gelassen. Aus dem Zusammenhang seiner Erklärung ergibt sich des weiteren, daß er das Fahrzeug, das ihm damals ordnungsgemäß repariert zu sein schien, selbst abgeholt hat. Denn er hat die ihm übergebene Rechnung bar bezahlt und sich den Betrag von dem Zeugen M. quittieren lassen. Damit hat der Kläger nochmals seinen schriftsätzlichen Vortrag (GA 42) bekräftigt.
Für die Kenntnis des Klägers von der behelfsmäßig durchgeführten Reparatur sprechen auch die sonstigen Umstände. Der Zeuge M. hatte in K. lediglich eine Garage, wobei der Kläger annahm, daß dort wohl auch Werkzeug untergebracht gewesen sei (GA 147). Damit war für den Kläger offensichtlich, daß die Firma H. keine Fachreparaturwerkstatt in B. war, sondern daß sich der Zeuge M. unter dieser Firma in seinen privaten Räumen (Garage) betätigte. Unter Berücksichtigung der Tatsache, daß sich der Kläger nach eigenem Vorbringen beruflich mit Versicherungsbetrügereien auskennt, kann ihm nicht abgenommen werden, daß er die behelfsmäßig durchgeführte Reparatur an seinem Fahrzeug nicht erkannt hat. Es ist fernliegend, daß sich der Kläger sein Luxusfahrzeug nach durchgeführter Reparatur nicht genau angesehen und die von dem Schadensermittler der Beklagten Jansen und dem Sachverständigen S. festgestellten Vorschäden, die fotografisch festgehalten worden sind, nicht bemerkt hat.
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger demgegenüber darauf, daß der von der Beklagten zunächst eingeschaltete Sachverständige P. Vorschäden als "nicht erkennbar" bezeichnet hat. Zum einen hatte der Kläger von dem Vorunfall und der notdürftig ausgeführten Reparatur Kenntnis. Zum anderen waren die Vorschäden durch den zweiten Unfall stark überlagert worden, so daß sie nur bei genauer Prüfung als alte Schäden erkennbar waren. Zu einer solchen Prüfung hatte der Sachverständige P. aber keine Veranlassung, weil er von den gleichartigen Beschädigungen aus dem früheren Unfall keine Kenntnis hatte.
Der Kläger ist schließlich auch über die Folgen bewußt unrichtiger Angaben eingehend belehrt worden. Unter "Wichtige Hinweise:" findet sich in der Schadenanzeige vom 26. November 1995 über der Unterschriftenzeile eine deutliche Belehrung über die Folgen bewußt unrichtiger Angaben. Daß schließlich Angaben zu Vorschäden im Rahmen einer Schadensregulierung relevant sind, liegt auf der Hand (vgl. Senat RuS 1992, 181; BGH VersR 1979, 343 zur Reisegepäckversicherung).
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Zur Zulassung der Revision besteht gemäß § 546 Abs. 1 ZPO kein begründeter Anlaß.
Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer des Klägers: 21.091,67 DM.
Ende der Entscheidung
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