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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 03.08.1999
Aktenzeichen: 4 U 148/98
Rechtsgebiete: VVG, BGB, VBIB, AFB
Vorschriften:
VVG § 59 | |
VVG § 69 Abs. 1 | |
VVG § 70 Abs. 2 | |
VVG § 6 Abs. 3 | |
VVG § 43 | |
BGB § 158 Abs. 1 | |
BGB § 159 | |
VBIB § 19 Abs. 1 a | |
VBIB § 3 | |
AFB 87 § 13 Abs. 1 a | |
AFB 87 § 3 |
Vereinbart der Erwerber eines Betriebes, der in eine bestehende Geschäftsversicherung nach § 69 VVG eingetreten ist, mit einem Agenten des Versicherers die rückwirkende Aufhebung des Versicherungsvertrages für den Fall des Abschlusses einer neuen Versicherung mit einem anderen Versicherer, so endet der bisherige Versicherungsschutz nicht schon mit einer befristeten vorläufigen Deckungszusage eines anderen Versicherers - mit der Folge, daß eine Doppelversicherung vorliegt.
2.
Der Ausgleichsanspruch des neuen Versicherers nach § 59 Abs. 2 VVG wird in diesem Fall nicht dadurch berührt, daß nach dem Versicherungsfall der neue Versicherungsvertrag endgültig zustande kommt, weil die vereinbarte Rückbeziehung der Folge des Eintritts der auflösenden Bedingung (Abschluß einer neuen Versicherung) nach § 159 BGB nur schuldrechtliche Wirkung zwischen den Vertragsparteien des aufgehobenen Versicherungsvertrages entfaltet.
3.
Darüberhinaus ist die Vereinbarung der Aufhebung eines Versicherungsvertrages mit einem Agenten mangels einer entsprechenden Vollmacht (§ 43 VVG) schwebend unwirksam. Der bisherige Versicherer kann seine Ausgleichspflicht nach § 59 Abs. 2 VVG nicht nach dem Versicherungsfall durch Genehmigung des schwebend unwirksamen Aufhebungsvertrages rückwirkend zu Fall bringen.
4.
Der bisherige Versicherer kann den Versicherungsschutz nach Eintritt des Versicherungsfalls nicht durch die Erklärung entziehen, daß er "die gewünschte Aufhebung des Versicherungsvertrages" rückwirkend zu einem Termin "bestätigt", der vor Ablauf der Versicherungsperiode (und vor denn Versicherungsfall) liegt.
5.
Einer Verletzung der Anzeigeobliegenheit durch den Versicherungsnehmer fehlt die Relevanz, wenn sich aus dem Verhalten des bisherigen Versicherers ergibt, daß er auch bei rechtzeitiger Schadensanzeige von Anfang an nicht zur Regulierung des Versicherungsfalls bereit gewesen wäre. Überdies läßt die Verletzung von Oliegenheiten nach dem Versicherungsfall den Ausgleichanspruch des Doppelversicherers nach § 59 Abs. 2 VVG unberührt.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
4 U 148/98 11 O 50/98 LG Düsseldorf
Verkündet am 3. August 1999
T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juni 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. R und des Richters am Landgericht O
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 13. Mai 1998 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichterin - des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 70.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 18. August 1997 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleitung in Höhe von 95.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Sicherheiten dürfen auch durch Bankbürgschaften erbracht werden.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus § 59 Abs. 2 WG auf Ausgleich wegen Doppelversicherung in Anspruch.
Seit Ende Februar 1991 unterhielt die F GmbH bei der Beklagten eine Geschäftsversicherung mit einer Versicherungssumme in Höhe von 800.000 DM für den Betrieb eines Sonderpostenmarktes in Bad B. Zum 15. Februar 1996 übernahm die F GmbH (im folgenden: Versicherungsnehmerin) den Betrieb nebst Einrichtung und Warenbestand. Bereits am 19. Januar 1996 hatte die Versicherungsnehmerin von der Beklagten ein Angebot über die Fortsetzung des bei ihr bestehenden Versicherungsvertrages erbeten. Das Angebot der Beklagten, das Versicherungsverhältnis gegen Zahlung einer um 800 DM erhöhten Prämie fortzusetzen, lehnte der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin in einem am 6. Februar 1996 geführten Gespräch ab, dessen weiterer Inhalt zwischen den Parteien streitig ist.
Aufgrund eines Antrages der Versicherungsnehmerin vom 3. Februar 1996 gewährte der Kläger dieser am 12. Februar 1996 zunächst mündlich und am 15. Februar 1996 schriftlich durch Abgabe einer vorläufigen Deckungszusage Versicherungsschutz für den Betrieb sowie für eine etwaige Betriebsunterbrechung. Die Versicherungssumme betrug 600.000 DM. Der die vorläufige Deckungsschutzzusage ablösende endgültige Versicherungsvertrag zwischen dem Kläger und der Versicherungsnehmerin kam Anfang Mai 1996 zustände. In ihm wurde der Versicherungsnehmerin rückwirkend ab dem 1. Februar 1996 Versicherungsschutz in dem dargestellten Umfang gewährt.
Am 18. Februar 1996 zerstörte ein Brand den versicherten Betrieb. Einrichtung und Warenbestände wurden zum größten Teil vernichtet. Die Versicherungsnehmerin zeigte dem Kläger den Schadensfall am 19. Februar 1996 an. Wann und durch wen die Beklagte von dem Versicherungsfall Kenntnis erlangte, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 28. Februar 1996 wandte die Beklagte sich an die Versicherungsnehmerin. In ihrem Schreiben heißt es u. a.: "Da die Übernahme des u. a. Vertrages von Ihnen nicht gewünscht wird, bestätigen wir Ihnen hiermit die Aufhebung des Vertrages zum 1.2.1996. Ab dem genannten Termin besteht kein Versicherungsschutz mehr".
Der Kläger regulierte den Brandschaden vom 18. Februar 1996 in der Folgezeit und zahlte zu diesem Zweck an die Versicherungsnehmerin 300.000 DM. Mit Schreiben vom 21. März 1996 forderte er die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 75.000 DM auf. Die Beklagte wies die Zahlungsaufforderung mit Schreiben vom 9. April 1996 zurück, weil der Versicherungsvertrag mit der Versicherungsnehmerin einvernehmlich "gekündigt bzw. aufgehoben" sei. Außerdem teilte sie dem Kläger mit, eine Abstimmung hinsichtlich der Schadensregulierung sei nicht erforderlich, da sie sich mit dem Schadensfall nicht zu befassen habe.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei ihm wegen der zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls für das versicherte Risiko bestehenden Doppelversicherung zum Ausgleich verpflichtet.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 70.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 18. August 1997 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat gemeint, das zwischen ihr und der Versicherungsnehmerin bestehende Versicherungsverhältnis sei einvernehmlich zum 1. Februar 1996 beendet worden. Die im Gespräch vom 6. Februar 1996 von dem Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin erklärte Ablehnung ihres Angebots zur Fortsetzung des Versicherungsvertrages sei als Angebot zur Aufhebung des Vertrages auszulegen gewesen, zumal der Geschäftsführer deutlich gemacht habe, daß ihm daran gelegen sei, eine Doppelversicherung zu vermeiden und das Versicherungsverhältnis schnellstmöglich zu beenden. Dieses konkludent gemachte Angebot zum Abschluß eines Aufhebungsvertrages habe sie mit ihrem Schreiben vom 28. Februar 1996 angenommen. Im übrigen sei auch nach den Grundsätzen des sogenannten kaufmännischen Bestätigungsschreibens von einer Vertragsaufhebung aufgrund ihres Schreibens vom 28. Februar 1996 auszugehen.
Außerdem hat sich die Beklagte auf Leistungsfreiheit berufen und - in erster Instanz unbestritten - vorgetragen, der Schadensfall sei ihr von der Versicherungsnehmerin nicht angezeigt worden.
Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, daß die Beklagte gemäß § 6 Abs. 3 VVG leistungsfrei geworden sei, weil die Versicherungsnehmerin der Beklagten den Versicherungsfall nicht innerhalb einer Woche angezeigt habe.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung.
Er behauptet, der Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin habe den Agenten S der Beklagten bereits unmittelbar nach dem Schadensfall informiert. Außerdem sei die Beklagte durch mehrere Telefonate seines, des Klägers, Mitarbeiters B vom 21. Februar, 1. März und 5. März 1996 über den Schadensfall unterrichtet worden. Darüber hinaus habe auch sein Außendienstmitarbeiter N den Agenten S der Beklagten am 21. Februar 1996 unterrichtet. Die Beklagte sei jedoch von vornherein nicht bereit gewesen, sich mit dem Schadensfall zu befassen. Der Kläger meint ferner, selbst wenn der Versicherungsnehmerin gegenüber der Beklagten eine Obliegenheitsverletzung zur Last falle, sei diese nicht kausal für die Schadensfeststellung durch die Beklagte geworden, weil er alle erforderlichen Feststellungen zum Schadensfall getroffen habe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 13. Mai 1998 zu verurteilen, an ihn 70.000 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 18. August 1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, am 6. Februar 1996 sei zwischen ihrem Agenten S und dem Geschäftsführer F der Versicherungsnehmerin vereinbart worden, den bestehenden Versicherungsvertrag rückwirkend zum 1. Februar 1996 für den Fall aufzuheben, daß die Versicherungsnehmerin eine neue Versicherung abschließt. Am 23. Februar 1996 habe ihr Mitarbeiter Re davon Kenntnis erhalten, daß der Kläger der Versicherungsnehmerin Deckungsschutz für die Zeit ab dem 1. Februar 1996 zugesagt habe. Sie habe deshalb mit ihrem Schreiben vom 28. Februar 1996 die rückwirkende Aufhebung des Vertrages bestätigt. Zu diesem Zeitpunkt habe sie von dem Versicherungsfall noch keine Kenntnis gehabt. Über den Schaden sei mit ihrem Agenten S am 21. Februar 1996 nicht gesprochen worden. Gleiches gelte für die Telefonate mit ihr vom 21. Februar und 1. März 1996. Bei rechtzeitiger Schadensmeldung hätte sie den Schaden "aus Vorsichtsgründen" selbst begutachtet.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache Erfolg.
Der Kläger kann von der Beklagten aus § 59 Abs. 2 VVG die Zahlung von 70.000 DM beanspruchen.
I.
Zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls am 18. Februar 1996 bestand für das versicherte Risiko eine. Doppelversicherung im Sinne des § 59 Abs. 1 VVG.
Durch die von dem Kläger am 12. Februar 1996 zunächst mündlich und am 15. Februar 1996 schriftlich abgegebene vorläufige Deckungszusage war ein rechtlich selbständiger Vertrag zwischen der Versicherungsnehmerin und dem Kläger zustandegekommen, der schon vor dem Beginn eines endgültigen Versicherungsvertrages und unabhängig von ihm einen Anspruch auf Versicherungsschutz entstehen ließ (vgl. BGH, NJW-RR 1995, 537, 538). Darüber hinaus bestand das ursprünglich zwischen der F GmbH und der Beklagten begründete und später gemäß § 69 VVG auf die Versicherungsnehmerin übergegangene Versicherungsverhältnis noch fort als der Versicherungsfall eintrat.
1.
Die von der Beklagten in dieser Form in zweiter Instanz erstmals aufgestellte Behauptung, zwischen ihrem Agenten S und dem Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin sei am 6. Februar 1996 vereinbart worden, für den Fall des Abschlusses einer neuen Versicherung den auf die Versicherungsnehmerin übergegangenen Versicherungsvertrag rückwirkend zum 1. Februar 1996 aufzuheben, steht der Annahme des Bestehens einer Doppelversicherung nicht entgegen.
a)
Die Wirksamkeit der von der Beklagten behaupteten Vereinbarung stand unter der aufschiebenden Bedingung (vgl. § 158 Abs. 1 BGB) des Abschlusses eines neuen Versicherungsvertrages bei einem anderen Versicherer durch die Versicherungsnehmerin.
Aus dem von der Beklagten behaupteten Wortlaut der Vereinbarung (GA 103 f) ergibt sich nicht, ob bereits mit dem Vorliegen einer vorläufigen Deckungszusage die rückwirkende Aufhebung des Versicherungsvertrages zum 1. Februar 1996, eintreten sollte. Ob die Beklagte - deren Sachvortrag in diesem Zusammenhang als zutreffend unterstellt - und die Versicherungsnehmerin die rückwirkende Aufhebung des Vertrages schon bei Vorliegen einer vorläufigen Deckungszusage eintreten lassen wollten, ist deshalb durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Die interessengerechte Auslegung der behaupteten Vereinbarung ergibt, daß dies nicht der Fall war (vgl. BGH, r+s 1999, 186).
Durch die am 12. Februar 1996 zunächst mündlich und am 15. Februar 1996 schriftlich erteilte, auf vier Wochen befristete vorläufige Deckungszusage des Klägers erlangte die Versicherungsnehmerin zunächst lediglich vorläufig anderweitigen Versicherungsschutz. Ob es zwischen ihr und dem Kläger zum Abschluß eines endgültigen Versicherungsvertrages kommen würde, war zu diesem Zeitpunkt - und auch bei Eintritt des Versicherungsfalls wenige Tage später - noch nicht sicher.
Zusage vorläufigen Deckungsschutzes genügen sollen, um das mit der Beklagten bestehende Versicherungsverhältnis rückwirkend aufzulösen, wäre die Versicherungsnehmerin durch die Vereinbarung mit dem Risiko belastet gewesen, bei Nichtzustandekommen des endgültigen Versicherungsvertrages - zumindest zeitweilig - ohne Versicherungsschutz zu sein.
Daß sie dieses ihren Interessen widersprechende Risiko eingehen wollte, ergibt sich weder aus dem Inhalt der Vereinbarung, noch sind sonstige Umstände für eine solche Auslegung ersichtlich (vgl. BGH, r+s 1999). Dies gilt auch dann, wenn die Versicherungsnehmerin auf die schnelle Beendigung des Versicherungsverhältnisses mit der Beklagten gedrängt haben sollte. Auch in diesem Fall kann nicht ohne konkrete Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, daß die Versicherungsnehmerin das Risiko des - zeitweiligen - völligen Verlustes des Versicherungsschutzes eingehen wollte. Dagegen spricht die Darstellung der Beklagten, die jeweiligen Versicherungsverträge sollten nach dem Wunsch des Geschäftsführers F der Versicherungsnehmerin "nahtlos ineinander übergehen", "ohne das Risiko einer versicherungsfreien Zeit einzugehen" (GA 103). Da die Versicherungsprämie für die laufende Versicherungsperiode außerdem unstreitig bereits von der F GmbH bezahlt worden war, bestand für die Versicherungsnehmerin auch kein Anreiz, den Versicherungsschutz um der Einsparung der Prämie willen zu gefährden. Selbst wenn sie bei einer rückwirkenden Aufhebung des Vertrages die bereits gezahlte Versicherungsprämie anteilig hätte zurückfordern können (vgl. aber zur Rechtslage bei Kündigung des Versicherungsvertrages: Langheid in Römer/Langheid, VVG, § 70, Rn. 2 a.E.), hätte der ihr durch einen früheren Bedingungseintritt zugute kommende Vorteil in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem sich bei einem Verlust des Versicherungsschutzes ergebenden erheblichen wirtschaftlichen Risiko gestanden.
b)
Zwar wäre die in der behaupteten Auflösungsvereinbarung enthaltene Bedingung durch das Zustandekommen des endgültigen Versicherungsvertrages zwischen dem Kläger und der Versicherungsnehmerin Anfang Mai 1996 eingetreten. Dies hätte aber lediglich zur Folge gehabt, daß die zuvor schwebend unwirksame Aufhebungsvereinbarung gemäß § 156 Abs. 1 BGB zu diesem Zeitpunkt, ca. 1 1/2 Monate nach dem Versicherungsfall, wirksam geworden wäre. Trotz der vereinbarten Rückwirkung der Vertragsauflösung wäre aber durch den Bedingungseintritt die bei Eintritt des Versicherungsfalls bestehende Doppelversicherung nicht rückwirkend beseitigt worden. Wie sich aus § 159 Abs. 1 BGB ergibt, kommt der vereinbarten Rückbeziehung der an den Eintritt einer Bedingung geknüpften Folgen lediglich schuldrechtliche Wirkung zwischen den vertragsschließenden Parteien zu. Beurteilungsgrundlage für den Rechtszustande während der Schwebezeit der unter einer derartigen Bedingung geschlossenen Vereinbarung bleibt der unmodifizierte Rechtszustand (vgl. H. P. Westermann in Münchner Kommentar zum BGB, Bd. 1, 3. Auf l., Rn. 2 zu § 159 BGB). Der Versicherungsvertrag zwischen der Beklagten und der Versicherungsnehmerin hätte deshalb bei Eintritt des Versicherungsfalls rückblickend auch dann Bestand gehabt, wenn die Auflösungsvereinbarung so wie von der Beklagten behauptet geschlossen worden wäre. Gleichzeitig wäre der mit Eintritt des Versicherungsfalls dem Grunde nach entstandene (vgl. Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 59, Rn. 16 m.w.N.) Ausgleichsanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus § 59 Abs.2 VVG durch die Anfang Mai 1996 eingetretene Wirksamkeit der Auflösungsvereinbarung nicht berührt worden.
c)
Schwebend unwirksam und ohne Einfluß auf den Bestand der Doppelversicherung und den Ausgleichsanspruch wäre die behauptete Vereinbarung auch aus einem anderen Grund gewesen: Nach der Darstellung der Beklagten war sie von ihrem Agenten S mit dem Geschäftsführer der Versicherungsnehmerin geschlossen worden. Die Beklagte hat auf Nachfrage selbst zu Protokoll vorgetragen, ihr Agent sei mit den üblichen Vollmachten ausgestattet gewesen (GA 163). Wie sich aus § 43 VVG ergibt, sind Versicherungsagenten zum Abschluß von Verträgen grundsätzlich nicht ermächtigt. Die behauptete Auflösungsvereinbarung hätte deshalb allenfalls durch die im Schreiben der Beklagten vom 28. Februar 1996 zu sehende Genehmigung wirksam werden können. Zwar wirkt die nachträgliche Zustimmung (Genehmigung) schwebend unwirksamer Rechtsgeschäfte gemäß § 164 Abs. 1 BGB grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Vornahme zurück. Dies gilt aber nur, soweit nicht ein anderes bestimmt ist (§ 184 Abs. 1 2. Hs BGB). Im vorliegenden Fall war aber etwas anderes bestimmt. Durch die bei Eintritt des Versicherungsfalls bestehende Doppelversicherung wurde die gesamtschuldnerische Leistungspflicht der Parteien gemäß § 59 Abs. 1 VVG begründet, an die der Ausgleichsanspruch des § 59 Abs. 2 VVG anknüpft. Die einmal begründete Ausgleichspflicht der Gesamtschuldner untereinander wird jedoch nicht dadurch berührt, daß ein Gesamntschuldner infolge eines nur für ihn wirksamen Umstandes dem Gläubiger gegenüber befreit wird (vgl. BGHZ 11, 170, 174; 58, 216, 219). Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Beklagte durch die nach dem Versicherungsfall erteilte Genehmigung des aufgrund mangelnder Vollmacht schwebend unwirksamen Aufhebungsvertrages den bereits entstandenen Ausgleichsanspruch des Klägers nicht mehr Fall bringen konnte.
2. a)
Das gemäß § 69 VVG auf die Versicherungsnehmerin übergegangene Versicherungsverhältnis war bei Eintritt des Versicherungsfalls auch nicht durch eine Kündigung der Versicherungsnehmerin gemäß § 70 Abs. 2 S. i VVG beendet.
§ 70 Abs. 2 S. 1 VVG berechtigte die Versicherungsnehmerin, das auf sie übergegangene Versicherungsverhältnis mit sofortiger Wirkung oder auf den Schluß der laufenden Versicherungsperiode zu kündigen. Eine sofortige Kündigung kann in der am 6. Februar 1996 von ihrem Geschäftsführer erklärten Ablehnung der Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses jedoch aus den vorstehend unter I. 1. b) bereits genannten Gründen nicht gesehen werden (vgl. auch BGH r+s 1999, 186 = NVersZ 1999, 270). Zudem bestand am 6. Februar 1996 noch nicht einmal anderweitiger Versicherungsschutz, da der Kläger seine vorläufige Deckungszusage erst später abgab. Die in der Ablehnung der Fortsetzung des Versicherungsvertrages zu sehende Kündigung zum Ablauf der Versicherungsperiode führte nicht zum Wegfall der Doppelversicherung bei Eintritt des Versicherungsfalls, da die Versicherungsperiode unstreitig über den 18. Februar 1996 hinaus andauerte.
b)
Die Beklagte hat durch den Inhalt ihres Schreibens vom 28. Februar 1996 ein etwaiges Angebot der Versicherungsnehmerin zur Aufhebung des Vertrages zum 1. Februar 1996 nicht wirksam angenommen. In der Erklärung, den Versicherungsvertrag nicht fortsetzen zu wollen, ist ein solches Angebot aus den bereits dargestellten Gründen nicht zu sehen, weil nicht davon ausgegangen werden kann, daß die Beendigung des Vertrages ohne Bestehen anderweitigen Versicherungsschutzes von der Versicherungsnehmerin gewollt war.
c)
Auch wenn in dem Schreiben vom 28. Februar 1996 ein Angebot zum Abschluß eines entsprechendes Aufhebungsvertrages zu sehen wäre (vgl. § 150 Abs. 1 und 2 BGB), hätte die Versicherungsnehmerin dieses Angebot jedenfalls nicht angenommen. Unstreitig hat sie die Annahme nicht ausdrücklich erklärt. Daß die Beklagte auf eine Annahmeerklärung hätte verzichten wollen (vgl. § 151 BGB) ist nicht ersichtlich. Selbst in diesem Fall hätte es jedoch eines nach außen hervortretenden Annahmewillens der Versicherungsnehmerin bedurft (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB-Kommentar, 57. Aufl., § 151, Rdnr. 2 m.w.N.), für den die Beklagte keine Anhaltspunkte vorgetragen hat.
d)
Nach den inzwischen gewohnheitsrechtlich geltenden Grundsätzen über das Schweigens auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben kommt dem Schreiben der Beklagten vom 28. Februar 1996 schon deshalb keine rechtserzeugende Bedeutung zu, weil dies u. a. voraussetzen würde, daß es der Versicherungsnehmerin in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem behaupteten Vertragsschluß bzw. den behaupteten Vertragsverhandlungen zugegangen wäre (vgl. Heinrichs in Palandt, BGB-Kommentar, 57. Aufl., § 148 Rdnr. 14). Eine feste Frist hierfür gibt es nicht. Vielmehr kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an (vgl. BGH, WM 75, 324). Ein Zeitraum von drei Wochen und mehr zwischen dem Verhandlungszeitpunkt und dem Zugang des "Bestätigungsschreibens" reicht jedoch sicher nicht aus (vgl. OLG München, BB 1995, 172).
II.
Der Ausgleichsanspruch des Klägers gegen die Beklagte ist nicht nachträglich durch eine Verletzung der Anzeigeobliegenheit durch die Versicherungsnehmerin entfallen. Ob und wann die Versicherungsnehmerin der Beklagten den Schadensfall angezeigt hat, kann deshalb für die Entscheidung des Falls dahinstehen. Denn selbst wenn die Versicherungsnehmerin die behauptete Obliegenheitsverletzung begangen hätte, wäre dieser jedenfalls die erforderliche Relevanz im Sinne der §§ 19 Abs. 3 VBIB (GA 135) und § 13 Abs. 3 AFB 87 (vgl. auch Römer in Römer/Langheid VVG, § 6 Rdnr. 39 ff.) abzusprechen. Außerdem wäre die nach Eintritt des Versicherungsfalls begangene Obliegenheitsverletzung nicht geeignet, den Ausgleichsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nachträglich zu beseitigen.
a)
Generell ist die Verletzung der Anzeigeobliegenheit, die sich hier nicht aus § 6 Abs. 2 der "zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen", sondern aus § 19 Abs. 1a VBIB (GA 135) und dem gleichlautenden § 13 Abs. l a AFB 87 (GA 143) ergibt, zwar geeignet, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu beeinträchtigen. Vorliegend fiele der Versicherungsnehmerin aber kein erhebliches Verschulden zur Last. Allein dies würde ausreichen, um die Relevanz der Obliegenheitsverletzung zu verneinen (vgl. BGH, NJW-RR 1993, 1043, 1051 zum gleichlautenden § 21 Nr. 4 VHB 84; Römer in Römer/Langheid, VVG, § 6, Rdnr. 39 a.E.).
Ein erhebliches Verschulden der Versicherungsnehmerin wäre deshalb zu verneinen, weil davon auszugehen ist, daß die Beklagte auch bei rechtzeitiger Schadensanzeige nicht zur Regulierung des Versicherungsfalls bereit gewesen wäre. Dies ergibt sich daraus, daß sie sich von Anfang an vorprozessual, auch nachdem ihr der Schäden am 5. März 1996 bekannt geworden war, nur auf die Aufhebung des Versicherungsvertrages berufen hat. So hat der Mitarbeiter B in seiner Telefonnotiz über das - von der Beklagten nicht bestrittene - Telefonat mit dem Mitarbeiter K der Beklagten die Äußerung festgehalten, die Art der Schadensregulierung sei dieser egal (GA 90). Diese Haltung wurde durch das Schreiben der Beklagten vom 9.4.1996 (GA 35) bestätigt, in dem sie ausdrücklich erklärte, eine Abstimmung hinsichtlich der Schadensregulierung sei nicht erforderlich. Auch im Prozeß trägt sie nicht vor, daß sie bei rechtzeitiger Schadensanzeige bereit gewesen wäre, ihre Eintrittspflicht unter Außerachtlassung der von ihr behaupteten Auflösung des Versicherungsvertrages zu prüfen. Aus ihrer Behauptung, sie hätte sich in diesem Fall "aus Vorsichtsgründen" ein Bild über den Schaden gemacht, ergibt sich vielmehr, daß sie auch in diesem Fall die Regulierung wegen der nach ihrer Auffassung zuvor erfolgten Vertragsaufhebung abgelehnt hätte. Im Zusammenhang mit der Verletzung von Aufklärungsobliegenheiten ist aber anerkannt, daß der Versicherungsnehmer gegenüber dem nicht prüfungs- und verhandlungsbereiten Versicherer, der die Leistung bereits abgelehnt hat, keine Aufklärungsobliegenheiten mehr zu erfüllen hat (vgl. Römer in Römer/Langheid, VVG, § 6 Rdnr. 21 m.w.N.). Dieser Gedanke führt hier jedenfalls dazu, ein erhebliches Verschulden der Beklagten zu verneinen.
b)
Überdies ist der Senat mit der nahezu einhelligen Meinung in der neueren Kommentar-Literatur (Kollhosser in Prölss/Martin, VVG, 26. Aufl., § 59 Rdnr. 18; Martin, Sachversicherungsrecht V III, Rn. 6; Römer in Römer/Zangheid, WG, § 59, Rdnr. 10; Schauer in Berliner Kommentar zum WG, § 59, Rdnr. 59; anders: Möller in Bruck/Möller/Sieg, WG, 8. Aufl., Bd. II, § 59 Anm. 37 und Selb in MünchKomm zum BGB, 3. Aufl., Bd. II, § 426, Rdnr. 4) der Ansicht, daß die Verletzung von Obliegenheiten nach Eintritt des Versicherungsfalls den Ausgleichsanspruch aus § 59 Abs. 2 WG unberührt läßt. Die im Urteil des Senats vom 10. April 1997 (VersR 1979, 63 vertretene gegenteilige Auffassung wird nicht aufrechterhalten.
Sinn und Zweck des durch § 59 Abs. 2 VVG begründeten Ausgleichsanspruchs lassen es geboten erscheinen, den mit Eintritt des Versicherungsfalls dem Grunde nach entstandenen Ausgleichsanspruch nicht durch eine danach begangene Obliegenheitsverletzung untergehen zu lassen. Denn sonst bestünde die Gefahr, daß durch Gläubigerwillkür bestimmt werden könnte, welcher Gesamtschuldner das zur Befriedigung erforderliche Opfer aufzubringen hätte. Dies soll jedoch gerade durch die gesetzlich angeordnete Ausgleichungspflicht der Gesamtschuldner untereinander verhindert werden (vgl. zu Vorstehendem: Römer in Römer/Langheid, VVG, § 59 Rdnr. 10; BGHZ 11, 170, 174; 58, 216, 219).
IV.
Der Höhe nach ist die Klageforderung nicht bestritten. Zwar hat die Beklagte in erster Instanz vorgetragen, der Umfang der Zahlungen der Klägerin sei ihr ebensowenig bekannt wie die Einzelheiten der Schadensermittlung. Den Ausführungen der Beklagten läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß sie die von der Klägerin behaupteten und belegten Zahlungen von insgesamt 300.000 DM auf einen entsprechenden Schaden bestreiten will.
V.
Der Zinsanspruch ist aus der entsprechenden Anwendung des § 352 Abs. 1 HGB in Verbindung mit § 291 BGB gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Beklagten: 70.000 DM.
Ende der Entscheidung
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