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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.05.2000
Aktenzeichen: 4 U 160/99
Rechtsgebiete: AUB 61


Vorschriften:

AUB 61 § 3 (2)
Leitsatz

§ 3 (2) AUB 61

Haben sich der in der Unfallversicherung mitversicherte minderjährige Sohn des Versicherungsnehmers und ein anderer minderjähriger Fahrer - beide ohne Fahrerlaubnis - des PKW des Versicherungsnehmers bemächtigt, um damit abwechselnd zu fahren und ist es dabei zu einem Unfall mit Invalidität des Sohnes gekommen, weil der andere Fahrer die Gewalt über das Fahrzeug verloren hat, so ist die Leistungsverpflichtung des Unfallversicherers nach § 3 (2) AUB 61 ausgeschlossen, weil der mitversicherte Sohn den Unfall infolge der vorsätzlichen Ausführung von Vergehen nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG und § 248 h StGB erlitten hat, selbst wenn der andere Fahrer die Fahrt in Abweichung vom Tatplan eigenmächtig fortgesetzt hatte.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 160/99 3 O 142/99 LG Kleve

Verkündet am 23. Mai 2000

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 9. Mai 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S sowie der Richter am Oberlandesgericht Dr. W und Dr. R

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 27. Juli 1999 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve - Einzelrichter - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Versicherungsschutz aus einer auch zugunsten seines Sohnes M abgeschlossenen Unfallversicherung (AUB 61, Police GA 14, Progressionsstaffel GA 141).

Am 27. Juli 1997 morgens gegen 4.30 Uhr wurde der seinerzeit 17-jährige M bei einem Autounfall erheblich verletzt. Der rechte Arm ist auf Dauer nur noch eingeschränkt beweglich.

Der Unfall ereignete sich, nachdem sich M und der 16jährige T A gegen 22 Uhr des Vorabends des BMW des Vaters A bemächtigt hatten und sich am Steuer abwechselnd durch die Gegend gefahren waren. Beide waren nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis. Zum Zeitpunkt des Unfalls lenkte T A den Wagen, der infolge überhöhter Geschwindigkeit in einer Kurve von der Fahrbahn abkam und gegen einen Baum prallte.

Die Beklagte verweigerte Versicherungsschutz mit Schreiben vom 19. September 1998 (GA 27) mit der Begründung, der Versicherungsschutz sei gemäß § 3 (2) AUB ausgeschlossen, weil der Sohn des Klägers den Unfall erlitten habe, als er mit einem Fahrer unterwegs gewesen sei, der keinen Führerschein gehabt habe.

Der Kläger verlangt nunmehr Unfall-Krankenhaustagegeld (40 DM pro Tag) sowie Genesungsgeld (ebenfalls 40 DM pro Tag) für die Zeit des unfallbedingten Krankenhausaufenthalts, ferner Feststellung des Anspruchs auf Invaliditätsleistungen. Er hat behauptet, zu dem Unfall l sei es gekommen, nachdem der Wagen quasi schon wieder abgestellt gewesen sei, T A dann jedoch absprachewidrig und ungeachtet des Protestes des M zu einer erneuten Spritztour gestartet sei. Der Kläger hat gemeint, ab diesem Zeitpunkt seien seinem Sohn die Geschehnisse auch unter versicherungsrechtlichem Aspekt nicht mehr zurechenbar.

Der Kläger hat (zuletzt) beantragt,

1.

den Beklagten zu verurteilen an ihn 3.300 DM nebst 4 % Zinsen ab Zustellung der Klage zu zahlen, sowie

2.

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an ihn aus dem Versicherungsvertrag Nr. Invaliditätsleistungen gemäß Nr. 7 Ziff. 1 der AUB wegen der aufgrund des Unfalles vom 27. Juli 1997 beim Versicherten M K bestehenden Invalidität in der nach dem Versicherungsvertrag vorgesehenen Höhe zu erbringen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, auch auf der Grundlage der Darstellung des Klägers greife der Ausschlußtatbestand ein.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, selbst dann, wenn der Zeuge A die Fahrt eigenmächtig fortgesetzt habe, sei dieser Exzess noch zurechenbare Folge der zuvor einverständlich verwirklichten Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis.

Mit seiner Berufung greift der Kläger die rechtliche Wertung des Landgerichts an.

Der Kläger beantragt,

die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und

1.

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.300 DM nebst 4 % Zinsen ab Zustellung der Klage zu zahlen, sowie

2.

festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, an ihn aus dem Versicherungsvertrag Nr. Invaliditätsleistungen gemäß § 8 Nr. 2 der AUB 61 wegen der aufgrund des Unfalls vom 27. Juli 1997 beim Versicherten M K bestehenden Invalidität in der nach dem Versicherungsvertrag vorgesehenen Höhe zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie bestreitet den behaupteten Exzess und schließt sich der Auffassung des Landgerichts an.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung bleibt erfolglos.

1.

Der Feststellungsantrag mit Blick auf die Invaliditätsleistung ist zwar - ausnahmsweise - zulässig, weil die Möglichkeit, den Ärzteausschuß anzurufen (§ 12 AUB 61), noch nicht ausgeschöpft ist (vgl. OLG Hamm NVersZ 1999, 3.80).

2.

Das Landgericht ist indes zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß die Leistungsverpflichtung der Beklagten gemäß § 3 (2) AUB 61 ausgeschlossen ist. Denn der Sohn des Klägers hat den Unfall infolge vorsätzlicher Ausführung eines Vergehens erlitten.

a) Unerheblich ist dabei, ob der Versicherte an der Straftat als Täter oder ob er als Teilnehmer mitgewirkt hat (vgl. Grimm, AUB, 2. Aufl., § 2 Rdn. 29 m.w.N.). Hier war der Sohn nicht nur selbst Täter des Vergehens des Fahrens ohne Fahrerlaubnis (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG), sondern auch Gehilfe bei der Verwirklichung dieser Straftat durch den Zeugen A. Darüber hinaus war der Sohn auch noch gemeinsam mit A Mittäter eines Vergehens nach § 248 b StGB, nämlich des unbefugten Gebrauchs eines Kraftfahrzeugs. Denn beide hatten sich abends gegen 22.00 Uhr entsprechend einer schon vormittags getroffenen Verabredung (vgl. Aussage des Sohns des Klägers BA 9 Js 1574/97 StA Kleve Bl. 51) hinter dem Rücken des Vaters A dessen Fahrzeugs bemächtigt. Daß eine Bestrafung wegen Verletzung des § 248 b StGB nicht hätte erfolgen können - es handelt sich um ein Antragsdelikt, ein Strafantrag war nicht gestellt -, spielt im Rahmen des § 3 (2) AUB keine Rolle (vgl. Grimm a.a.O., § 2 Rdn. 28), weil die mit der Verwirklichung einer Straftat einhergehende besondere Gefahrensituation unabhängig davon ist, ob später ein Strafantrag gestellt wird oder nicht.

b) Ursächlich geworden für den Unfall ist nicht nur der unbefugte Kfz-Gebrauch, sondern auch das Wechselspiel von eigener Verwirklichung der Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis durch den Sohn des Klägers und der psychischen Beihilfe dazu, soweit der Zeuge A gefahren ist. Der Unfall war auch im einen wie dem anderen Fall adäquate Folge (vgl. BGH NVersZ 1999, 27) der vorgenannten Straftaten und noch Ausfluß des Gefahrenbereichs der Verwirklichung dieser Tagen (vgl. zum letzteren BGH VersR 1990, 1268), selbst wenn A mit Fortsetzung der Fahrt über den gemeinsamen Tatplan und den vom Sohn des Klägers vorsätzlich unterstützter. Geschehensablauf hinausgegangen ist ("Exzeß"). Denn der Umstand, daß sich ein Mittäter verselbständigt oder der Täter über das vom Gehilfen geförderte Maß der Tat hinausgeht, ist Folge einer durch die Ursprungstat geschaffenen erhöhten Gefahrenlage und damit innerlich mit der Ursprungstat verknüpft, so daß kein bloß zufälliger Zusammenhang besteht. Hier war auch - anders als im vom OLG Celle (VersR 1999, 1403) entschiedenen Fall - die inhaltliche und zeitliche Verknüpfung zwischen zurechenbarer Straftat und Unfallereignis nicht derart, daß die kausale Verknüpfung bei wertender Betrachtung als nicht mehr relevant anzusehen wäre. Gerade dann, wenn junge Leute ohne Fahrerlaubnis nächtliche Spritztouren mit einem fremden Wagen unternehmen, liegt die Gefahr besonders nahe, daß dem Fahrenden "die Gäule durchgehen".

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.

Berufungsstreitwert und Beschwer des Klägers: 21.300 DM (entsprechend der vorläufigen Festsetzung vom 29. März 2000).

Ende der Entscheidung

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