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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 23.11.1999
Aktenzeichen: 4 U 202/98
Rechtsgebiete: AKB


Vorschriften:

AKB § 12 Abs. 1 Nr. I b
AKB § 13 Abs. 5
§§ 12 Abs. 1 Nr. I b, 13 Abs. 5 AKB

Ein behaupteter Diebstahl eines nicht ungewöhnlich wertvollen, serienmäßig mit elektronischer Wegfahrsperre und Alarmanlage ausgerüsteten PKW von einem gut einsehbaren Flughafen - Kurzzeitparkplatz mit Schranke und 1,90 m Durchfahrtshöhe, auf dem der Wagen während einer dreiwöchigen Flugreise gegen eine Gebühr von 1 DM je 15 Minuten abgestellt gewesen sein soll, ist mir erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht.

Urteil des 4. Zivilsenats des OLG Düsseldorf vom 23. November 1999 - (4 U 202/98) - rechtskräftig


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

9 U 202/98 3 O 530/97 LG Kleve

Verkündet am: 23. November 1999

T, Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

des Herrn N A

Klägers und Berufungsklägers,

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

die

Versicherungs - AG, vertreten durch den Vorstand

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 1999 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. W und des Richters am Landgericht O für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 22. September 1998 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kleve wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat seine Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann den Wiederbeschaffungswert für seinen angeblich entwendeten PKW VW - Sharan nicht gemäß §§ 1 Abs. 1 S. 1, 49 VVG i.V.m.. §§ 12 Abs. 1 Nr. I b), 13 AKB von der Beklagten ersetzt verlangen.

I.

1. Dem Kläger stehen für den Beweis des äußeren Bildes der von ihm behaupteten Fahrzeugentwendung keine Zeugen zur Verfügung. Allerdings kann den Angaben eines nach § 141 ZPO angehörten Versicherungsnehmers, an dessen Glaubwürdigkeit keine schwerwiegende Zweifel bestehen, im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Verhandlungsergebnisses (§ 286 ZPO) auch dann geglaubt werden, wenn dieser ihre Richtigkeit sonst nicht beweisen kann (vgl. BGH r + s 96, 125 = VersR 96, 575; r + s 93, 169 = VersR 93, 571; Senat, r + s 99, 143). Ob das äußere Bild der behaupteten Fahrzeugentwendung im Sinne des § 12 Nr. 1 Ziff. I b) AKB (vgl. Römer in Römer/Langheid, VVG, § 49, Rn. 17 ff. m.w.Nw.) im Entscheidungsfall aufgrund der Angaben des in erster Instanz angehörten Klägers als bewiesen angesehen werden kann, bedarf jedoch keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst wenn das äußere Bild bewiesen wäre, stünde damit der Diebstahl des Fahrzeugs als solcher noch nicht fest. Mit dem Beweis des äußeren Bildes einer bedingungsgemäßen Fahrzeugentwendung stünden vielmehr lediglich Tatsachen fest, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf eine Wegnahme gegen den Willen des Klägers schließen ließen (vgl. BGH, NJW 1993, 2678; 1995, 2169). Zwar ist bei einem redlichen Versicherungsnehmer nach den von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung des Versicherungsvertrages entwickelten Grundsätzen davon auszugehen, daß die Vertragsparteien damit den versicherten Entwendungsfall schon als nachgewiesen ansehen wollen (vgl. Römer, NJW 1996, 2329 m.w.N.). Dies gilt aber nur im Regelfall, wenn nicht aufgrund konkreter Tatsachen, die entweder unstreitig oder bewiesen sind, nach der Lebenserfahrung der Schluß gezogen werden kann, der Versicherungsnehmer habe den Diebstahl mit erhebliche Wahrscheinlichkeit nur vorgetäuscht (vgl. BGH, a.a.O.; Senat, a.a.O.). So liegen die Dinge aber im Entscheidungsfall zum Nachteil des Klägers, der deshalb den Vollbeweis für die behauptete Fahrzeugentwendung führen müßte.

2. Der PKW des Klägers war sowohl mit einer Alarmanlage als auch mit einer Wegfahrsperre ausgerüstet. Aus dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Sachverständigen Göth vom 24. Juni 1997 ergibt sich, daß es sich dabei um eine elektronische Wegfahrsperre handelte. Die vom Kläger vorgelegten Schlüssel verfügen in ihrer Reide über einen Transponder zur Deaktivierung der Wegfahrsperre. Eine derartige Wegfahrsperre bietet einen erheblichen Diebstahlsschutz. Es soll bisher kein technischer Weg bekannt sein, elektronische Wegfahrsperren zu überwinden (vgl. Günther, NVersZ 1999, 57, 58 unter Berufung auf Informationen des Allianz - Zentrums für Technik a.a.O., Fn. 12). Ob dies auch für die serienmäßige elektronische Wegfahrsperre des im November 1995 erstmals zugelassenen PKW VW - Sharan des Klägers gilt, mag dahinstehen. Jedenfalls hält es der Senat für äußerst unwahrscheinlich, daß einer der wenigen gegebenenfalls in Betracht kommenden professionellen Täter seine besonderen Kenntnisse und Spezialwerkzeuge zum Diebstahl des Fahrzeugs des Klägers eingesetzt hätte, das auf einem gut einsehbaren, nicht überdachten Parkplatz vor einem Eingang zum Abflugbereich des Flughafens Düsseldorf abgestellt war (vgl. die Fotos GA 52).

Nach Auffassung des Senats ist es auszuschließen, daß der PKW des Klägers durch einen oder mehrere Diebe abgeschleppt und auf diese Weise ohne Zuhilfenahme eines Original- oder Nachschlüssels entwendet wurde. Diese Möglichkeit kommt aufgrund der Besonderheiten des angegebenen Abstellortes, eines nur über ein Parkhaus zu erreichenden Parkplatzes, nicht ernsthaft in Frage, zumal die Durchfahrthöhe der Parkhauseinfahrt ausweislich der auf den von der Beklagten vorgelegten Fotos erkennbaren Beschilderung lediglich 1,90 Meter betrug. Außerdem erscheint es wenig wahrscheinlich, daß ein auf diese Weise vorgehender Dieb statt eines höherwertigen Fahrzeugs den damals bereits über eineinhalb Jahre alten VW - Sharan des Klägers auswählte, um ihn zu entwenden.

Das Fahrzeug des Klägers kann deshalb nach Überzeugung des Senats von seinem Abstellplatz nur mit einem Originalschlüssel oder mit Hilfe eines nachgefertigten Schlüssels fortbewegt worden sein, wobei der Nachschlüssel mit einem "geklonten" Transponder hätte ausgerüstet sein müssen, auf den zuvor die Daten eines der Originalschlüssel - Transponder übertragen worden sein müßten. Zwar weist einer der von dem Kläger vorgelegten Schlüssel Kopierspuren auf und nach den Ausführungen des Sachverständigen Göth in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 1997 hätte auch durch "Klonen" ein an der Schließanlage des Fahrzeugs des Klägers funktionsfähiger Schlüssel hergestellt werden können. Ein Nachschlüsseldiebstahl erscheint im Entscheidungsfall aber äußerst unwahrscheinlich, weil das Fahrzeug nicht von seinem gewöhnlichen Abstellort, sondern von einem Kurzzeit - Parkplatz am Düsseldorfer Flughafen gestohlen worden sein soll, wo der Kläger es vor Antritt einer dreiwöchigen Ägypten - Reise abgestellt haben will. Ein Nachschlüsseldiebstahl hätte deshalb die genaue Information des Diebs über den Abstellort des Fahrzeugs vorausgesetzt, über die nach Lage der Dinge aber nur der Kläger selbst verfügte. Daß ein mit einem Nachschlüssel ausgerüsteter Dieb den Kläger bei dem Abstellen des Fahrzeugs am Düsseldorfer Flughafen gezielt oder zufällig beobachtete und so über den Abstellort des Fahrzeugs informiert wurde, erscheint derart unwahrscheinlich, daß auch diese Möglichkeit nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden kann.

3. Nach alledem besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Fahrzeug unter Einsatz eines der später von dem Kläger vorgelegten Originalschlüssel von seinem Abstellort am Düsseldorfer Flughafen fortbewegt wurde. Zu diesem Umstand treten weitere Anhaltspunkte hinzu, die die Annahme rechtfertigen, daß die Entwendung des Fahrzeugs mit erheblicher Wahrscheinlichkeit vorgetäuscht wurde.

So ist davon auszugehen, daß der Kläger sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten hatte er Schwierigkeiten, nach Abschluß des Leasing - Vertrages die Anzahlung für das entwendete Fahrzeug aufzubringen. Außerdem hat er selbst eingeräumt, daß gegen ihn drei Haftanordnungen zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nach §§ 899 ff. ZPO ergangen sind. Sein Erklärungsversuch, die gegen ihn ergangenen Haftanordnungen beruhten nicht auf wirtschaftlichen Schwierigkeiten, sondern auf seiner Weigerung, die titulierte Schadensersatzforderung eines Nachbarn über 5.000 DM zu bezahlen, überzeugt den Senat nicht. Es ist nicht glaubhaft, daß ein Geschäftsmann seine Kreditwürdigkeit, die für den Erfolg im Geschäftsleben entscheidend ist, derart leichtfertig gefährdet. Nicht plausibel ist auch die Angabe des Klägers, mit der er zu erklären versucht hat, wieso er vor Antritt seiner dreiwöchigen Reise einen teuren Kurzzeitparkplatz zum Abstellen seines Fahrzeugs auswählte, dessen Nutzung nach dem nicht zu übersehenden Hinweises an der Parkhauseinfahrt pro 15 Minuten 1,-- DM kostete. Der Kläger hat zur Erklärung darauf hingewiesen, er könne als in Deutschland lebender Ausländer nur schlecht deutsche Texte lesen und habe überdies das erste Mal selbst sein Fahrzeug am Düsseldorfer Flughafen abgestellt. Daß der Kläger als Inhaber von zwei Pizzerien nicht in der Lage sein will, selbst derart einfache schriftliche Informationen wie die Preisangabe am Parkhauseingang zu lesen, erscheint dem Senat aber wenig glaubhaft. Im übrigen hat er den PKW nach seinen eigenen Angaben direkt gegenüber der Abfertigung der Fluggesellschaft abgestellt, bei der er seinen Flug gebucht hatte. Dies spricht dafür, daß er sehr wohl in der Lage war, sich am Flughafen zu orientieren und den Abstellort seines Fahrzeugs mit Bedacht zu wählen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Begründeter Anlaß zur Zulassung der Revision (§ 546 Abs. 1 S. 2 ZPO) besteht nicht.

Streitwert für die Berufungsinstanz und Beschwer der Beklagten: 38.743,48 DM.



Ende der Entscheidung

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