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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 11.09.2001
Aktenzeichen: 4 U 206/00
Rechtsgebiete: BUZ
Vorschriften:
BUZ § 2 Abs. 3 | |
BUZ § 5 | |
BUZ § 7 |
War der Versicherte sechs Monate ununterbrochen zu mindestens 50 % außerstande, seinen Beruf oder eine zumutbare Verweisungstätigkeit auszuüben und wird deshalb nach § 2 Abs. 3 BUZ die Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit unwiderleglich vermutet, so ist der Versicherer nach § 5 BUZ verpflichtet zu erklären, dass und ab wann er seine Leistungspflicht anerkennt.
2.
Unterläßt der Versicherer diese Erklärung, ist er so zu behandeln, als habe er den Anspruch umfassend anerkannt, und kann sich vor dem zu unterstellenden bedingungsgemäßen Anerkenntnis nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens nach § 7 BUZ lösen.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 11. September 2001
In Sachen
pp.
hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21. August 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. W sowie der Richterin am Landgericht F
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26. Oktober 2000 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 1. November 1997 längstens bis zum 1. November 2006 eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von 400 DM zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass dem Kläger ferner für den Zeitraum der Rentenzahlung ein Anspruch auf Auszahlung der Überschussanteile zusteht und der Kläger für diesen Zeitraum von der Prämienzahlungsverpflichtung für den Lebensversicherungsvertrag Nr. nebst Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung befreit ist.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist begründet.
1.
Klage und Berufung scheitern nicht schon an § 12 Abs. 3 VVG. Die Klage ist bei Gericht noch vor Ablauf der mit Ablehnungsschreiben der Beklagten vom 17. März 1998 (GA 10) gesetzten 6-Monatsfrist am 18. September 1998 (GA 1) eingegangen. Die Zustellung der Klage nach Fristablauf am 30. Oktober 1998 (GA 19) war noch fristwahrend "demnächst" i.S. des § 270 Abs. 3 ZPO. Der Kläger durfte zunächst untätig bleiben, bis er die Gerichtskostenrechnung vom 24. September 1998 (GA 13) am 28. September 1998 (GA 70) erhalten hatte (vgl. BGH VersR 1995, 361/362). Alsdann stand ihm für die Einzahlung eine Bearbeitungszeit von mindestens einer Woche zur Verfügung, ferner wäre eine - zusätzliche - Verzögerung von bis zu 14 Tagen unschädlich gewesen (vgl. BGH VersR 1992, 433/434). Tatsächlich sind die Gerichtskosten dann schon am 13. Oktober 1998 (GA I) eingegangen, also weniger als drei Wochen nach dem 28. September 1998.
Vor am 30. Oktober 1998 erfolgter Zustellung brauchte der Kläger nichts mehr zu unternehmen. Er hatte das seinerseits Erforderliche mit Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses grundsätzlich getan. Eine Spanne von weniger als drei Wochen zwischen Einzahlung und Zustellung gab auch keinen Anlass, Unregelmäßigkeiten zu vermuten, denen man hätte nachgehen müssen (vgl. BGH VersR 1992, 433/434). Jedenfalls ist unter Berücksichtigung einer angemessenen Frist, binnen deren der Kläger untätig bleiben konnte, im vorliegenden Fall allenfalls von einer unerheblich kurzen schuldhaften Verzögerung auszugehen, die unschädlich bleibt.
2.
Die Berufung ist auch in der Sache gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die geltend gemachten Ansprüche sind erfüllt.
Es steht fest, dass der Kläger schon vor November 1997 - dem Zeitpunkt, von dem ab er Zahlung der Berufsunfähigkeits-Rente beansprucht - infolge Krankheit voraussichtlich dauernd außerstande war, seinen Beruf oder eine Verweisungstätigkeit auszuüben (§ 1 u. § 2 BUZ). Dabei kann offenbleiben, ob der Kläger im Jahre 1999, als er sowohl von dem durch das Sozialgericht Düsseldorf beauftragten medizinischen Sachverständigen Prof. J wie auch von den vom Landgericht bestellten Gutachtern Prof. M/Dr. V mit konträren Ergebnissen untersucht worden war, zu mindestens 50 % dauerhaft beeinträchtigt war, was das Landgericht nicht hat feststellen können. Denn das Dauermoment wird gem. § 2 Abs. 3 BUZ unwiderleglich vermutet, wenn der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit ... vollständig oder teilweise außerstande gewesen ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Als Beruf des Klägers ist dessen Betätigung bei der Firma K M und A GmbH (GA 38) in ihrer konkreten Ausgestaltung zu betrachten, wo der Kläger, der bereits seit dem 23. August 1996 arbeitsunfähig geschrieben war (vgl. GA 3 und GA 80), am 15. Oktober 1996 infolge betriebsbedingter Kündigung ausgeschieden ist. Das Ausscheiden stand ersichtlich in Zusammenhang mit seiner Erkrankung. Schon deshalb bleibt auch für die Zeit der Arbeitslosigkeit der "alte" Beruf maßgeblich (vgl. im übrigen auch Prölss/Voit, VVG, 26. Aufl., § 2 BUZ Rdn. 65).
Welche Arbeiten der Kläger als Schweißer zuletzt zu verrichten hatte, ist seinen Angaben anläßlich seiner Anhörung vor dem Landgericht (GA 106) zu entnehmen, die in der Folgezeit nicht in Zweifel gezogen worden sind und die vor dem Hintergrund der Darstellung des vom Sozialgericht Düsseldorf eingeholten berufskundlichen Gutachtens des Sachverständigen K (GA 148 ff.) plausibel und glaubhaft sind.
Für diese Tätigkeit war der Kläger ab Krankschreibung am 23. August 1996 länger als sechs Monate zu mindestens 50 % berufsunfähig. Die Fortdauer dieses Zustandes über sechs Monate hinaus hat gem. § 2 Abs. 3 BUZ Berufsunfähigkeit ausgelöst.
Von einem mindestens 50 %igen Unvermögen, seinem bisherigen Aufgabenbereich gerecht zu werden, ist nicht nur für den Zeitraum vom 23. August 1994 bis zur Ausheilung der Folgen der am 1. April 1997 vorgenommenen Impingement-Operation (GA 83) auszugehen. Infolge des Impingement-Syndroms litt der Kläger an erheblichen Schulterschmerzen, die Zwangshaltungen und insbesondere Überkopfarbeiten verboten. Für den genannten Zeitraum, aber auch noch über das Jahr 1997 hinweg ist dem Kläger von sämtlichen Ärzten und Gutachtern, von denen in jener Zeit Stellungnahmen vorliegen, bescheinigt worden, als Schweißer könne er überhaupt nicht tätig sein. So ergibt sich aus dem Bericht des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen vom 17. Januar 1997 (GA 80 ff.), der Kläger leide an persistierenden Beschwerden im linken Schultergelenk bei cervikobrachialem Syndrom, eine wesentliche Besserung sei nicht eingetreten, es müsse eine Nachuntersuchung stattfinden. Arbeitsunfähigkeit als Schweißer wird ausdrücklich auch für die Zeit nach der Operation vom 1. April 1997 an der Schulter von Dr. N unter dem 28. August 1997 (GA 88) attestiert, ferner von dem behandelnden Orthopäden Dr. H unter dem 19. September 1997 (GA 79) und dem 27. Dezember 1997 (GA 49/56). Auch der Entlassungsbericht der Reha-Klinik vom 17. Oktober 1997 (GA 39/43) sowie das ausführliche L-Gutachten der Ärztin Dr. H vom 27. November 1997 (GA 44/48) attestieren dem Kläger Arbeitsunfähigkeit als Schweißer. Diese Einschätzungen sind überzeugend. Denn aufgrund der Schulter- und Armbeschwerden konnte der Kläger nicht mehr schwer heben und unter Zwangshaltungen arbeiten. Als Schweißer gehörte die Einsatzfähigkeit auch für solche Arbeiten zu den prägenden Merkmalen, deshalb war er seinerzeit für seinen Beruf zu mehr als 50 % eingeschränkt.
Die Annahme, sämtliche der genannten Gutachter und Ärzte hatten sich 1997 von Aggravationen des Klägers täuschen lassen, welche die gerichtlichen Sachverständigen Prof. M/Dr. V im Jahre 1999 (GA 162 ff., Anhörung GA 293 ff.) festgestellt haben (wollen), liegt fern. Es ist deshalb von einer mindestens 50%igen ununterbrochenen Berufsunfähigkeit des Klägers in seinem Beruf als Schweißer bei der Firma K für die Zeit vom 24. August 1996 bis mindestens Ende 1997 auszugehen. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 06. September 2001 gibt zu einer abweichenden Würdigung keinen Anlass.
Die Beklagte hat den Kläger auch nicht auf andere zumutbare Tätigkeiten verwiesen. Die im Ablehnungsschreiben vom 17. März 1998 (GA 10/11) genannten Tätigkeiten als Staplerfahrer, Lagerarbeiter, Maschinenführer, Produktionsarbeiter und Kurierdienstfahrer scheiden sämtlich als Verweisungsmöglichkeiten aus. Soweit zu diesen Berufen später überhaupt nähere Angaben seitens der Beklagten gemacht worden sind, erschließt sich daraus, dass diese Tätigkeiten den Status des Klägers als Schweißer nicht wahren. Das berufskundliche Gutachten des Sachverständigen K (GA 148 ff.) belegt, dass der Kläger einem Facharbeiter gleichstehende qualifizierte Arbeiten verrichtet hat und auch dementsprechend mit einem Stundenlohn von über 25 DM entlohnt worden ist (GA 151). Die Tätigkeit als Lagerarbeiter oder Produktionsarbeiter entspricht nicht dem Status eines Facharbeiters. Auch der Beruf eines Maschinenführers und eines Staplerfahrers sind nicht adäquate Anlerntätigkeiten. Einem Einsatz als Kurierdienstfahrer - Berufskraftfahrer - stünde auf der Grundlage der von der Beklagten selbst vorgelegten Anforderungsprofile (A 68) dessen Schwerhörigkeit auf beiden Ohren (vgl. GA 44) entgegen. Welche beruflichen Erfahrungen und Fähigkeiten den Kläger für eine Tätigkeit als Hausmeister qualifizieren sollen, ist nicht ersichtlich. Auf der kommunikativen Ebene verfügt der Kläger über keinerlei berufliche Erfahrung. Es kann nach alledem auch unentschieden bleiben, ob die Beklagte den Kläger auch jetzt noch verweisen könnte. Denn an einer zumutbaren Verweisung fehlt es auch jetzt noch.
Wie sich der gesundheitliche Zustand des Klägers in der Folgezeit entwickelt hat, ist wegen der nachgewiesenen fiktiven Berufsunfähigkeit irrelevant. Auf der Grundlage ihrer Vertragsbedingungen wäre die Beklagte gem. § 5 BUZ verpflichtet gewesen zu erklären, dass und ab wann sie ihre Leistungspflicht anerkennt. Diese Erklärungspflicht trifft die Beklagte auch dann, wenn es (nur) um die "fiktive" Berufsunfähigkeit geht (vgl. BGH VersR 1990, 605/606 sowie VersR 1993, 562/564). Diese nach den Versicherungsbedingungen gebotene Erklärung hat die Beklagte nicht abgegeben. Unterläßt es der Versicherer jedoch wie hier, die bedingungsgemäß gebotene Feststellung vorzunehmen, so ist er so zu behandeln, als habe er den Anspruch umfassend anerkannt (vgl. BGH VersR 1989, 1182; VersR 1997, 436/437; OLG Oldenburg VersR 1996, 486). Von einem hier zu unterstellenden bedingungsgemäßen Anerkenntnis hätte sich die Beklagte nur im Wege des Nachprüfungsverfahrens (§ 7 BUZ) lösen können. Dieses Verfahren ist an bestimmten Formalien geknüpft, nämlich insbesondere an eine förmliche Mitteilung, dass dieses Verfahren eingeleitet worden ist, samt Gegenüberstellung des vom Versicherer angenommenen Ist-Zustands gegenüber dem zur Zeit des Anerkenntnisses zugrundegelegten Zustand (vgl. dazu Senat NVersZ 1999, 563 m.w.N.). In dieses Nachprüfungsverfahren ist die Beklagte ersichtlich nicht eingetreten, sie bestreitet nämlich die ursprüngliche Berechtigung des Anspruchs.
Mit dem Rentenanspruch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung sind bedingungsgemäß auch ein Anspruch auf Überschussanteile und Prämienfreiheit verbunden (GA 7). Der Senat hat das Begehren des Klägers bezüglich der Überschussanteile und der Prämienfreiheit als Feststellungsbegehren ausgelegt und in dieser Form zuerkannt.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt.
Berufungsstreitwert und Beschwer der Beklagten entsprechend der vorläufigen Festsetzung des Senats vom 5. März 2001: 28.292,48 DM.
Ende der Entscheidung
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