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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 29.02.2000
Aktenzeichen: 4 U 77/99
Rechtsgebiete: AStB 68, VVG


Vorschriften:

AStB 68 § 12 Nrn. 1 b und 3
AStB 68 § 14
VVG § 6 Abs. 3
VVG § 62
VVG § 66
VVG § 96
Leitsätze:

1.

Der Versicherer ist aus einer Gebäude- sowie Geschäftsversicherung, die eine Versicherung gegen Sturmschäden nach den AStB 68 einschließt, bezüglich des Inhaltsschadens und der Kosten der Ermittlung des Schadens an den in einer Halle in Kartons und Kisten eingelagerten Waren im Wert von angeblich 3 Mio. DM wegen Verletzung der Obliegenheit zur Schadensminderung nach § 12 Nrn. 1 b, 3 AStB i. V. m. §§ 62, 6 Abs. 3 VVG leistungfrei, wenn der Versicherungsnehmer nach einem Sturmschaden an dem Ziegeldach, durch das ungehindert Wasser in die Halle eindringen kann, nicht unverzüglich von sich aus für eine provisorische Abdichtung des Dachs und Trocknungsmaßnahmen sorgt, sondern sich mit der unzureichenden Teilabdeckung der durchnässten Kartons mit Folien begnügt.

2.

Die Leistungspflicht des Versicherers aus der Gebäudeversicherung für die Kosten der Reparatur des Dachs wird dadurch nicht berührt.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

4 U 77/99 11 O 224/98 LG Düsseldorf

Verkündet am 29. Februar 2000

T., Justizangestellte als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. S, des Richters am Oberlandesgericht Dr. R und des Richters am Landgericht O

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers und die damit erweiterte Klage wird das am 9. Februar 1999 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aufgrund des Gebäudeversicherungsvertrages vom 20. August 1987 Versicherungsschutz wegen der in der Zeit vom 11. bis 13. Februar 1997 durch Sturm eingetretenen Beschädigung des Daches der Lagerhalle M straße, W zu gewähren.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000 DM abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Sicherheit kann auch durch die Bürgschaft einer Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand:

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten eine Gebäude- sowie eine Geschäftsversicherung einschließlich einer Versicherung gegen Sturmschäden nach den AStB 68 (GA 176 ff.) für eine Lagerhalle in Worms, in der er von 1983 bis 1987 erstandene Ersatzteile und Materialien aus ehemaligen Bundeswehrbeständen eingelagert hatte.

In der Zeit vom 11. bis 13. Februar 1997 trat ein Sturm auf, der die Windstärke 8 Beaufort überschritt. Dadurch wurden teilweise, vornehmlich auf der linken Dachhälfte der Lagerhalle an mehreren Stellen Dachziegel abgetragen, so daß in der Folgezeit Regenwasser ungehindert in das Halleninnere eindringen konnte.

Von dem Sturmschaden wurde ein Mitarbeiter des Klägers, der Zeuge P, am 16. Februar 1997 durch einen Angestellten einer benachbarten Spedition unterrichtet. P nahm daraufhin den Schaden am folgenden Tag in Augenschein. Seine Nachricht leitete der Kläger am 27. Februar 1997 telefonisch an die Beklagte weiter. Dabei gab er an, daß das Dach der Lagerhalle beschädigt worden sei und es in die Halle hineinregne. Nachdem der Kläger die Beklagte am 1. April 1997 telefonisch darauf aufmerksam gemacht hatte, daß auch die in der Halle lagernden Warenbestände zu Schaden gekommen seien, fand am 3. April 1997 erstmals ein Ortstermin statt, an dem Mitarbeiter der Beklagten und ein von ihr beauftragter Sachverständiger teilnahmen. Ebenfalls am 3. April 1997 holte der Kläger einen Kostenvoranschlag für die Dachreparatur in Höhe von 11.268 DM ein (GA 11).

Mit Schreiben vom 16. Mai 1997 forderte die Beklagte den Kläger auf, bis zum 16. Juni 1997 ein Verzeichnis der am Schadentag vorhandenen sowie der vom Schaden betroffenen Sachen vorzulegen und dabei Angaben zum Anschaffungspreis, Anschaffungsdatum und zum Veräußerungswert zu machen. Daraufhin beauftragte der Kläger im Juli 1997 den Versicherungsberater Vollgraf mit der Feststellung des Schadens. Dieser teilte der Beklagten mit Schreiben vom 22. Juli 1997 mit, aufgrund der Vielzahl der betroffenen Objekte und der Art der Lagerung müßten diese zur Feststellung des Schadens ausgeräumt, entpackt und begutachtet werden. Deshalb seien Schadensfeststellungskosten in Höhe von 1.500000.- DM realistisch.

Mit Schreiben vom 28. August 1997 forderte der Kläger die Beklagte auf, verbindlich zuzusagen, daß sie alle zur Schadensfeststellung notwendigen Kosten übernehme. Das lehnte die Beklagte, die bereits unter dem 21. August 1997 die Inhaltsversicherung gekündigt hatte, mit Schreiben vom 15. September 1997 ab, weil der Kläger bisher den ersatzpflichtigen Schaden nicht nachvollziehbar dargelegt habe und er aufgrund der Unterlassung schadenmindernder Maßnahmen die Verantwortung für die Ausweitung des Schadens trage.

Der Kläger hat behauptet: Die eingelagerten Waren, die einen Verkehrswert von 3 Mio. DM hätten, seien am 17. Februar 1997 mit Folien abgedeckt worden, da sich kein Dachdecker in der Lage gesehen habe, den Schaden sofort zu beheben. Daß die Abdeckung von den Mitarbeitern der Beklagten anläßlich des Ortstermins am 3. April 1997 nicht bemerkt worden sei, liege daran, daß die Planen vor der Besichtigung weggeräumt worden seien.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Kosten der Ermittlung und Feststellung des ihr aufgrund des Schadensereignisses vom 11. bis 13. Februar 1997 (Wassereintritt aufgrund sturmbedingter Beschädigung am Dach der Lagerhalle M str. in W mit der Folge der jedenfalls teilweise eingetretenen Beschädigung des eingelagerten Gutes) zur Last fallenden Schadens zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet: Die Beschädigung des Hallendachs habe keinen Sturmschaden an den eingelagerten Gegenständen verursacht. Bei den eingelagerten Materialien habe es sich im wesentlichen um verpackte Metallteile gehandelt, die nicht innerhalb weniger Tage unter Feuchtigkeitseinfluß verderben könnten. Soweit bei dem Ortstermin an ausgepackten Einzelteilen Korrosionsschäden festgestellt worden seien, seien diese darauf zurückzuführen, daß die einzelnen Teile während der 14-jährigen Einlagerungszeit erheblichen Temperaturschwankungen ausgesetzt gewesen seien, die zu Kondenswässerbildung geführt hätten. Außerdem habe die Klägerin nach dem Sturmschaden am Dach nichts unternommen, um eine weitere Schädigung der eingelagerten Güter abzuwenden.

Das Landgericht hat die Klage nach Vernehmung von Zeugen durch Urteil vom 9. Februar 1999 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe in mehrfacher Hinsicht gegen Obliegenheiten verstoßen. Zum einen sei eine geregelte Kontrolle der Halle nicht gewährleistet gewesen. Deshalb sei es dem Zufall überlassen geblieben, ob ihm der aufgetretene Sturmschaden bekannt geworden sei. Zum anderen sei das durch den Sturm beschädigte Hallendach bis April 1997 unverschlossen geblieben. Dadurch habe der Kläger zu einer signifikanten Vergrößerung des Schadens beigetragen.

Dagegen wendet sich der Kläger am 9. April 1999 mit der Berufung, mit der er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens geltend macht: Ihm könne keine Verletzung der Schadensminderungspflicht vorgeworfen werden, weil die weitflächige Abdeckung der Ware durch Folien ausgereicht habe, um eine Verschlimmerung des Schadensbildes zu verhindern.

Unter gleichzeitiger Klageerweiterung, die er mit der drohenden Gefahr der Verjährung begründet, beantragt er,

das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, daß

1.

die Beklagte verpflichtet ist, ihm die Kosten der Ermittlung und Feststellung des ihr - der Beklagten - aufgrund des Schadensereignisses vom 11. bis 13. Februar 1997 (Wassereintritt aufgrund sturmbedingter Beschädigung am Dach der Lagerhalle M str. in W mit der Folge der jedenfalls teilweise eingetretenen Beschädigung des eingelagerten Gutes) zur Last fallenden Schaden zu erstatten;

2.

die Beklagte verpflichtet ist, ihm wegen des Schadensereignisses vom 11. bis 13 Februar 1997 (Wassereintritt aufgrund sturmbedingter Beschädigung am Dach der Lagerhalle M str. in W mit der Folge der jedenfalls teilweise eingetretenen Beschädigung des eingelagerten Gutes) Versicherungsleistungen gemäß dem Gebäudeversicherungsvertrag vom 20. August 1987 und dem Geschäfts-/Betriebsversicherungsvertrag vom 3. September 1987 zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt auf ihr erstinstanzliches Vorbringen Bezug und rügt die Unzulässigkeit der Klageerweiterung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung bleibt ohne Erfolg. Ebenso ist auch die im Berufungsrechtszug erweiterte Klage überwiegend unbegründet.

I.

Kosten der Schadenermittlung (Berufung)

1.

Ob der Kläger, dem - soweit ersichtlich - bisher keine Kosten der Schadenermittlung und -feststellung erwachsen sind, gleichwohl ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung seines Erstattungsanspruchs hat, weil die Beklagte sein Recht ernstlich bestreitet (BGH NJW 1986, 2507; Zöller/Greger, ZPO, 2l. Aufl., § 256 Rn. 7) und möglicherweise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit künftig ein Schaden eintreten wird (BGH NJW 1996, 1062, 1063; NJW 1993, 648, 654; Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Rn. 8 b), kann hier dahinstehen, da das Feststellungsinteresse eine echte Prozeßvoraussetzung nur bei einer begründeten Klage ist (OLG Köln, OLGR 1995, 62, 63; Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Rn 7). Der Feststellungsantrag ist im Streitfall jedoch nicht gerechtfertigt.

2.

Der Kläger hat keinen Ersatzanspruch gemäß § 66 Abs. 1 VVG für die ihm entstehenden Kosten der Schadensermittlung und -feststellung. Ein Erstattungsanspruch ist nur dann gegeben, wenn ein vom Versicherer zu entschädigender Versicherungsfall eingetreten ist. Die Ausgleichspflicht entfällt daher, wenn der Versicherer wegen einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei ist (OLG Köln, r + s 1993, 71; Römer in: Römer/Langheid, VVG, § 66 Rn. 3; Voit in: Prölss/Martin VVG, 26. Aufl., § 66 Rn. 12). Zur Entschädigung des nach der Behauptung des Klägers in der Geschäftsversicherung eingetretenen Sturmschadens ist die Beklagte aber nach § 12 Nr. 3 AStB i.V.m. §§ 62 Abs. 2, 6 Abs. 3 VVG nicht verpflichtet, da der Kläger die ihm nach § 12 Nr. 1 b) AStB i.V.m. § 62 Abs. 1 VVG obliegende Verpflichtung zur Schadensminderung verletzt hat.

3.

Nach § 12 Nr. 1 b) AStB, die unstreitig dem Versicherungsverhältnis zugrunde liegen, sowie gemäß § 62 Abs. 1 VVG hat der Versicherungsnehmer nach Möglichkeit für die Abwendung öder Minderung des Schadens zu sorgen. Welche konkreten Maßnahmen er zu diesem Zweck zu ergreifen hat, richtet sich nach dem pflichtgemäßen Ermessen eines ordentlichen Versicherungsnehmers. Ein solcher ist zwar nicht zu Rettungsversuchen verpflichtet, deren Sinnlosigkeit zutage liegt. Er darf jedoch Maßnahmen, die sich nach den Umständen anbieten, ihm zumutbar und generell zur Schadensabwendung geeignet sind, nicht unversucht lassen, und verletzt objektiv seine Rettungsobliegenheit, wenn er das danach Gebotene nicht veranlaßt (BGH VersR 1972, 1039, 1040; Langheid in: Römer/Langheid, a.a.O., § 62 Rn. 6; Voit, a.a.O., § 62 Rn. 12). Gegen diese Verpflichtung hat der Kläger verstoßen. Angesichts der Beschädigung des Daches, durch das Regenwasser ungehindert in die Lagerhalle eindringen konnte, hätte sich nämlich für einen ordentlichen Versicherungsnehmer von selbst verstanden, daß bei einem Inventar, das nach Angaben des Klägers einen Wert von 3 Mio. DM hatte, unverzüglich eine provisorische Abdichtung des Daches geboten war. In Anbetracht der Tatsache, daß die in der Halle lagernden Materialien durchnäßt waren, mußte sich dem Kläger ferner aufdrängen, daß er umgehend - z.B. durch Aufstellung von Heizgebläsen - für die Austrocknung des Lagerraums zu sorgen hatte, weil bei den zahlreichen Metallteilen, die sich zumindest teilweise in nicht feuchtigkeitsbeständigen Pappkartons befanden, anderenfalls mit Korrosionsschäden zu rechnen war.

Gegen diese Obliegenheit hat der Kläger - wenn nicht vorsätzlich - so doch jedenfalls grob fahrlässig verstoßen. Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht läßt und nicht beachtet, was an sich jedem einleuchten muß (BGH VersR 1989, 469, 470; Senat, r + s 1999, 229; 230). Daß unter den gegebenen Umständen zur Verhinderung weiterer Durchnässungsschäden schnelles Handeln erforderlich war, lag aber auf der Hand und mußte jedem, erst recht einem Kaufmann, bewußt sein. Wenn der Kläger dennoch von den gebotenen Schutzmaßnahmen absah, war sein Handeln daher auch subjektiv unentschuldbar.

Zwar hat er geltend gemacht, daß unmittelbar nach dem Schadensereignis kein Dachdeckerunternehmen in der Lage gewesen sei, den Schaden am Dach sofort zu beheben. Das ist indes unsubstantiiert. Abgesehen davon, daß er in Widerspruch dazu mit Schriftsatz vom 5. Oktober 1998 behauptet hat, die Beauftragung eines Dachdeckers sei an der mangelnden Kostenübernahmebereitschaft der Beklagten gescheitert, trägt er nämlich nicht vor, welche Unternehmer er angesprochen und um die Durchführung einer Notreparatur gebeten haben will. Näheres ergibt sich dazu auch nicht aus der Aussage des Zeugen P der zu dem Thema bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht lapidar bekundet hat, "man habe keinen Dachdecker bekommen", obwohl - ausweislich der Angaben des Zeugen N - gerade er damit beauftragt gewesen sein soll, sich darum zu kümmern.

Den Kläger kann auch nicht entlasten, daß die Beklagte ihm keine Weisung zur Abdichtung des Daches erteilt hat. Abgesehen davon, daß zumindest zweifelhaft ist, ob der Kläger im Rahmen der Geschäftsversicherung seiner Obliegenheit zur unverzüglichen Schadenanzeige gemäß § 12 Nr. 1 a AStB nachgekommen ist, weil er die Beklagte unstreitig erst am 1. April 1997 darüber unterrichtet hat, daß infolge des Sturmschadens nicht nur das Dach der Lagerhalle, sondern auch das Inventar geschädigt worden ist, und daß den Umständen nach nicht jede Schadensanzeige zugleich die Bitte um die Erteilung von Weisungen zur Schadensminderung einschließt (vgl. Langheid, a.a.O., § 62 Rn. 9), ist der Versicherer nämlich nicht verpflichtet, Weisungen zur Geringhaltung des Schadens zu erteilen (Langheid, a.a.O., § 62 Rn. 10). Zwar kann sowohl das Ergreifen von Maßnahmen als auch deren Unterlassung entschuldigt sein, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherer ersucht, ihm Verhaltensmaßregeln zu erteilen, und er dabei insbesondere mitteilt, welche Schritte er (anderenfalls) einzuleiten gedenkt (Volt, a.a.O., § 62 Rn. 25). Daß der Kläger der Beklagten offenbart hätte, daß er bis zu dem von der Versicherung anzuberaumenden Ortstermin mit der Erteilung eines Auftrags zur Abdichtung des Daches zuwarten werde, hat er jedoch nicht geltend gemacht. Im übrigen mußte die Beklagte auch nicht damit rechnen, daß der Kläger ohne entsprechende Weisung selbst von der naheliegendsten Maßnahme - hier einer provisorischen Dachabdichtung - absehen werde.

Unerheblich ist ferner, daß der Kläger sich an einer Notreparatur gehindert gesehen haben will, weil die Beklagte noch nicht ihre Zustimmung zur Veränderung der Schadensstelle erteilt hatte. Abgesehen davon, daß nichts dafür sprach, daß durch eine provisorische Abdichtung des Daches - z. B. durch das Aufbringen einer wasserundurchlässigen, die Schadensstellen im Dach vollständig abdichtenden Plane - ein Zustand geschaffen worden wäre, der das Aufklärungsinteresse der Beklagten beeinträchtigen konnte, hätte für den Kläger - wäre er insofern im Zweifel gewesen - nichts näher gelegen, als mit der Beklagten Rücksprache zu halten.

Der Vorwurf grober Fahrlässigkeit entfällt auch nicht deshalb, weil der Kläger für die Abdeckung des Lagerbestands Sorge getragen haben will. Ob er diese Maßnahme tatsächlich veranlaßt hat, erscheint nicht unzweifelhaft, zumal die Mitarbeiter der Beklagten beim Ortstermin am 3. April 1997 - unstreitig - keine Abdeckung bemerkt haben. Das mag indes dahinstehen, da das Landgericht die diesbezüglichen Bekundungen der Zeugen P und N nicht in Frage gestellt hat. Entscheidend ist vielmehr, daß eine solche Vorkehrung - wenn sie denn ergriffen wurde - ersichtlich unzureichend war.

Dabei ist zum einen zu berücksichtigen, daß der Zeuge P zur Abdeckung Folien von unterschiedlicher Größe verwandt haben will, so daß eine nahtlose Abdeckung an den Rändern kaum gewährleistet gewesen sein kann. Hinzu kommt, daß er den Lagerbestand nach eigenen Angaben nicht Vollständig bedeckt hat. Systematisch will er nur 3/4 der auf der linken Hallenhälfte lagernden Waren zugedeckt haben. Auf der rechten Hälfte soll dagegen nur ein großer Stapel eingedeckt worden sein. Dadurch war aber kein zureichender Schutz gegen das durch die Dachöffnungen ungehindert eindringende Regenwasser gewährleistet, weil - wie die vorliegenden Lichtbilder erkennen lassen - sich jedenfalls ein großer Teil der durch den Sturm am Dach verursachten Schäden in der Nähe des Firstes befand, so daß - je nach Windrichtung - der Regen weiterhin in alle Richtungen der Lagerhalle gelangen und damit auch nicht abgedeckte Ware durchnässen konnte. Dementsprechend trägt der Kläger, der von einem wirtschaftlichen Totalschaden des gesamten Inventars ausgeht (GA 21), auch nicht vor, daß sich die Sturmschäden auf die auf der linken Hallenhälfte lagernden Waren beschränkt hätten.

Ferner lieferte die behauptete Folienabdeckung - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - keinen Schütz gegen Feuchtigkeit, die sich bereits zuvor in der Halle ausgebreitet hatte und die nur durch die Austrocknung der gesamten Halle beseitigt werden konnte. Das war auch für den Zeugen P, der die durch den Sturm hervorgerufenen Schäden alsbald in Augenschein genommen hat, offenkundig. Bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung hat er nämlich angegeben, daß die Ware sich teilweise in aufgeweichten und in sich zusammengefallenen Kartons befunden habe. Darüber hat er auch den Zeugen N, den Sohn des Klägers, unterrichtet, der ausweislich seiner Aussage vor dem Landgericht trotzdem nur angeordnet hat, daß das Inventar abgedeckt werden solle.

6.

Ungeachtet des damit feststehenden grob fahrlässigen Verstoßes gegen die Rettungspflicht bleibt der Versicherer allerdings insoweit zur Entschädigung - und damit auch zur Tragung der Kosten der Schadensermittlung und -feststellung - verpflichtet, als der Umfang des Schadens selbst bei gehöriger Erfüllung der Obliegenheit nicht geringer gewesen wäre, §§ 62 Abs. 2 Satz 2, 6 Abs. 3 Satz 2 VVG. Dabei obliegt dem Versicherungsnehmer der Nachweis, daß der Schaden mit Sicherheit auch bei korrektem Verhalten entstanden wäre (BGH VersR 72, 1039, 1040; Römer, a.a.O., § 62 Rn. 15; Voit, a.a.O., § 62 Rn. 36). Diesen Nachweis hat der Kläger jedoch nicht geführt. Zwar hat der Zeuge P nach Inaugenscheinnahme der beim Ortstermin am 3. April 1997 aufgenommenen Lichtbilder bei seiner Vernehmung bekundet, die Bilder gäben den Zustand der Halle so wieder, wie er sich ihm am 17. Februar 1997 dargestellt habe. Dabei kann es sich indes nur um einen groben äußerlichen Eindruck gehandelt haben. Keinesfalls läßt die Aussage den Schluß zu, daß sich der Zustand der eingelagerten Güter durch das Eindringen von weiteren Regenfällen und durch die Ausbreitung von Feuchtigkeit in der Folgezeit bis zum Ortstermin nicht mehr verschlechtert habe. Dem steht schon entgegen, daß die Waren zu großen Teilen in Kisten und Kartons verpackt waren. Daß die Waren vordem Ortstermin auch nur stichprobenartig ausgepackt worden wären, macht aber der Kläger selbst nicht geltend.

Ebenso kann der Kläger den Nachweis, daß sich der Schaden durch das Unterlassen von Schutzvorkehrungen nicht vergrößert hat, nicht durch die von ihm beantragte Einholung eines Sachverständigengutachtens führen. Angesichts der relativ vagen Angaben der Zeugen zum Umfang der Abdeckung des Lagerbestandes - der Zeuge N hat nach eigenen Angaben die Lagerhalle nicht einmal ganz abgeschritten - kann nämlich kein Sachverständiger mehr feststellen, ob und inwieweit Ursache der Rostschäden und der Durchnässung der Kartonage der Eintritt von Regenwasser und die Ausbreitung von Feuchtigkeit vor oder nach dem 17. Februar 1997, dem Zeitpunkt der Aufbringung der Folienabdeckung, war.

7.

Der danach eintretenden Leistungsfreiheit steht nicht entgegen, daß die Beklagte ihre Eintrittspflicht mit Schreiben vom 21. August 1997 "im Rahmen der Versicherung" bestätigt und den Vertrag zugleich "anläßlich des Schadenfalles" gemäß § 96 VVG gekündigt hat (GA 23). Zwar ist Voraussetzung für die Ausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts, das auch in der Sturmversicherung besteht (Langheid, a.a.O., § 96 Rn. 5; Kollhosser in: Prölss/Martin, a.a.O., § 96 Rn. 2), daß der Versicherungsfall eingetreten ist (Langheid, a.a.O., § 96 Rn. 12 ff.; Kollhosser, a.a.O., § 96 Rn. 10). Selbst wenn mit Rücksicht darauf davon auszugehen sein sollte, daß die Beklagte mit der von ihr erklärten Kündigung den Eintritt des Versicherungsfalles anerkannt hätte, folgt daraus aber nicht, daß sie zugleich auf den Einwand der Leistungsfreiheit verzichtet hat. Allerdings sind an ein Anerkenntnis, das die Berufung auf eine Obliegenheitsverletzung ausschließt, grundsätzlich nur relativ geringe Anforderungen zu stellen (Kollhosser, a.a.O., § 55 Rn. 82). Die Reichweite eines solchen Anerkenntnisses bleibt jedoch regelmäßig eine Frage der Auslegung (Palandt/Sprau, BGB, 58. Aufl., § 781 Rn. 4). Dabei ist hier zu berücksichtigen, daß die Beklagte keine Veranlassung hatte, sich vertraglicher Befugnisse zu begeben, soweit dies zur Erreichung ihres Ziels, der Vertragsauflösung für die Zukunft, nicht unumgänglich war. Eines Verzichts auf die Leistungsfreiheit bedürfte es dazu aber nicht, da das Kündigungsrecht aus § 96 VVG selbst dann entsteht, wenn der Versicherer wegen einer Obliegenheitsverletzung leistungsfrei ist (Langheid, a.a.O., § 96 Rn. 13; Kollhosser, a.a.O., § 96 Rn. 10). Eine weitergehende Bedeutung kommt dem Kündigungsschreiben auch nicht deshalb zu, weil die Beklagte zugleich erklärt hat, daß sie für den Schaden "im Rahmen der Versicherung" eintreten werde, da sich aus dem in Bezug genommenen Versicherungsvertrag gerade auch die Befugnis der Beklagten ergibt, sich auf ihre Leistungsfreiheit zu berufen.

II.

Klageänderung

1.

Der weitere, erstmals in der Berufungsinstanz gestellte Antrag des Klägers, mit dem er die Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten im Rahmen der Gebäude- und der Inhaltsversicherung begehrt, beinhaltet eine Klageänderung, deren Zulässigkeit davon abhängig ist, ob sie als sachdienlich betrachtet werden kann (§§ 523, 263 ZPO). Dabei kommt es maßgeblich auf die Prozeßwirtschaftlichkeit an. Der Zulässigkeit einer Klageänderung steht regelmäßig nicht entgegen, daß der Beklagte eine Tatsacheninstanz verliert (BGH NJW 1951, 311; 1985, 1841, 1842). Zu verneinen ist die Sachdienlichkeit vielmehr nur dann, wenn völlig neuer Prozeßstoff in den Rechtsstreit eingeführt wird, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozeßführung nicht verwertet werden kann (BGH NJW 1985, 1841, 1842). Daran gemessen kann im Streitfall die Sachdienlichkeit der Klageänderung nicht verneint werden.

2.

Durch den auf Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten in der Inhaltsversicherung gerichteten Antrag, dessen Zulässigkeit aus den oben unter I. 1. dargelegten Gründen offen bleiben kann, wird schön deshalb kein wesentlicher neuer Prozeßstoff in den Rechtsstreit eingeführt, weil sich das Begehren des Klägers aus denselben Gründen als unbegründet erweist wie der Anspruch des Klägers auf Erstattung der Schadensermittlungs- und Feststellungskosten. Die Verletzung der Rettungsobliegenheit läßt nämlich in gleicher Weise die Entschädigungspflicht der Beklagten entfallen

3.

Ebenso ist auch der Antrag auf Feststellung der Eintrittspflicht der Beklagten im Rahmen der Gebäudeversicherung entscheidungsreif.

a) Das Feststellungsinteresse kann dem Kläger ungeachtet der Tatsache, daß er einen Kostenvoranschlag für die Dachreparatur bereits mit der Klageschrift vorgelegt hat und ihm nach Aufnahme der Arbeiten im April 1997 die Bezifferung seines Entschädigungsanspruchs eigentlich längst möglich sein müßte, nicht abgesprochen werden, da er nach § 14 AStB, die auch dem Gebäudeversicherungsvertrag zugrunde liegen, die Feststellung der Höhe des Schadens durch Sachverständige verlangen kann. In einem solchen Fall darf der Kläger aber nicht zur Erhebung einer Leistungsklage gezwungen werden, da das Sachverständigenverfahren im allgemeinen eine schnellere Feststellung der Höhe des Schadens ermöglicht (BGH, VersR 1966, 673; Senat, OLGR 1995, 3, 4) und nicht ersichtlich ist, daß der Kläger seine Befugnis zur Einleitung dieses Verfahrens in der Zwischenzeit eingebüßt hätte.

b) Bezogen auf den Gebäudeschaden ist der Entschädigungsanspruch des Klägers auch gerechtfertigt, da hier der Eintritt des Versicherungsfalles unstreitig ist (GA 39) und die von der Beklagten im Rahmen der Inhaltsversicherung gerügte Verletzung der Rettungs- und Aufklärungsobliegenheit insoweit keine Rolle spielt. Zwar hat der Kläger auch in Bezug auf den Gebäudeschaden gegen seine Verpflichtung verstoßen, den Eintritt des Versicherungsfalles gemäß § 12 Nr. 1 a) AStB innerhalb dreier Tage nach Kenntniserlangung schriftlich oder mündlich anzuzeigen, weil er die Nachricht von dem Sturmschaden erst am 27. Februar 1997 an die Beklagte weitergeleitet hat, obwohl er davon bereits spätestens seit dem 16. oder 17. Februar 1997 Kenntnis besaß. Die Verletzung dieser Obliegenheit führt indes nicht zur Leistungsfreiheit der Beklagten.

Da im Streitfall eine vorsätzliche Pflichtverletzung von vornherein ausscheidet, weil sich kein vernünftiger Versicherungsnehmer durch vorsätzliche Nichterfüllung seiner Anzeigeobliegenheit Rechtsnachteilen aussetzt (BGH VersR 1981, 321, 322; OLG Hamm, OLGR 1997, 76), kommt allenfalls ein grob fahrlässiger Obliegenheitsverstoß in Betracht. Ein solcher führt nach § 6 Abs. 3 Satz 2 VVG aber schon deshalb nicht zur Leistungsfreiheit, weil nichts dafür spricht, daß die Verzögerung der Anzeige Einfluß auf die Feststellung der Beschädigungen am Dach der Lagerhalle oder den Umfang der der Beklagten obliegenden Leistung gehabt haben könnte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Soweit die Revision nicht ohnehin wegen der Erreichung der Revisionssumme zulässig ist, besteht kein Grund, das Rechtsmittel zuzulassen.

Berufungsstreitwert:

Kosten der Schadenermittlung 100.000,-- DM, Eintrittspflicht der Beklagten in der Inhaltsversicherung 1.000.000,-- DM, Eintrittspflicht der Beklagten in der Gebäudeversicherung (11.268 DM x 0,8 =) 9.014,40 DM 1.109.014,40 DM.

Beschwer des Klägers: 1.100.000,-- DM, der Beklagten: 9.014,40 DM.

Ende der Entscheidung

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