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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 16.07.2001
Aktenzeichen: 9 U 3/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 543 Abs. 1
ZPO § 91
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
BGB § 535
BGB § 125
BGB § 313
BGB § 313 Satz 2
BGB § 873
BGB § 139
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

9 U 3/01

Verkündet am 16. Juli 2001

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2001 durch den Richter am Oberlandesgericht G., die Richterin am Oberlandesgericht S. sowie den Richter am Landgericht F.

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. November 2000 verkündete Urteil der 17. Kammer des Landgerichts Wuppertal (17 O 381/98) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

Tatbestand:

Die Kläger fordern von den Beklagten Mietzinszahlungen für die Zeit Januar bis September 1998 für gewerblich genutzte Räume (Steuerberaterpraxis) in einer Eigentumsanlage. In dem am 29.11.1989 für zehn Jahre abgeschlossenen Mietvertrag heißt es unter § 26 B.:

"Der Mieter erhält das Vorkaufsrecht."

Ende 1995 kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Ab März 1997 zahlten die Beklagten keine Miete mehr. Entsprechend einer Ankündigung im Schreiben vom 01.05.1997 räumten sie das Mietobjekt zum 30.06.1997 und verlegten ihre Steuerberaterpraxis in eine andere Wohnung desselben Objekts, die zwischenzeitlich im Eigentum der Beklagten zu 1) stand.

Die Kläger haben die Beklagten zunächst auf Zahlung der ausstehenden Mieten für 1997 in Anspruch genommen. Als die Beklagten sich in jenem Verfahren auf im Hinblick auf das vereinbarte Vorkaufsrecht auf die Formnichtigkeit des Mietvertrags beriefen, haben die Kläger sofort die Eintragung eines dinglichen Vorkaufsrechts zugunsten der Beklagen veranlasst.

Im jetzigen Verfahren haben sich die Kläger darauf berufen, die Beklagten handelten treuwidrig, wenn sie sich nach wie vor auf den Formverstoß beriefen.

Eine abändernde Vereinbarungen zum Mietvertrag von 1989 habe es im übrigen nie gegeben.

Die Beklagten haben sich auf die Formnichtigkeit des Vertrags berufen und im wesentlichen eingewandt, die Kläger hätten ihnen 1989 zunächst den Erwerb der Mietwohnung günstig angeboten, was ihnen zunächst mangels ausreichender finanzieller Mittel nicht möglich gewesen sei, weshalb das Vorkaufsrecht in den seinerzeitigen Mietvertrag aufgenommen worden sei. Im März 1990 seien die Kläger dann nicht mehr bereit gewesen, diese Wohnung an sie zu veräußern; allerdings habe der Kläger zu 1) seine über seine Maklerfirma eine andere, vermietete Wohnung im I. OG angeboten, die sie schließlich erworben hatten. Seinerzeit sei vereinbart worden, dass, sobald sie die neue Wohnung beziehen konnten, das bisherige Mietvertragsverhältnis der Parteien beendet sei.

Das Landgericht hat die Beklagten zur Zahlung der geforderten Mieten verurteilt, weil es das Berufen auf die Formnichtigkeit als treuwidrig und eine abändernde Vereinbarung des Vertrags im Jahre 1990 als nicht bewiesen sah.

Die Berufung der Beklagten hatte Erfolg.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Die Klage ist abzuweisen, denn den Klägern steht kein Anspruch auf Zahlung von Mietzins in Höhe von 26.325 DM für die Räumlichkeiten in der zweiten Etage des Hauses H. in W. gemäß § 535 BGB zu.

Zwar haben die Parteien 1989 einen Mietvertrag mit einer Laufzeit von zehn Jahren geschlossen, so dass die Beklagten grundsätzlich auch für die von den Klägern geltend gemachte Zeit Januar 1998 bis September 1998 den entsprechenden Mietzins in Höhe von mtl. 2.925 DM einschließlich Nebenkostenvorauszahlung schulden würden. Der Mietvertrag ist indes - wie im Senatstermin bereits dargelegt - gemäß §§ 125, 313 BGB nichtig. Die notarielle Form ist nicht eingehalten.

Die Parteien hatten unter § 26 B des Mietvertrages vorgesehen, dass die Beklagten hinsichtlich der angemieteten Räumlichkeiten ein Vorkaufsrecht erhalten sollten. Diese Vereinbarung bedurfte der notariellen Beurkundung im Sinne von § 313 BGB. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein schuldrechtliches oder dingliches Vorkaufsrecht handeln sollte. Selbst bei der Vereinbarung nur eines schuldrechtlichen Vorkaufsrechtes, d.h. für den Fall, dass die Parteien keine Eintragung im Grundbuch wollten, hätte es der Vereinbarung durch einen notariellen Vertrag bedurft (vgl. Palandt-Heinrichs Rdnr. 11 zu § 313 sowie Rdnr. 1 zu § 504 BGB). Auch soweit die Parteien seinerzeit darunter ein Ankaufsrecht verstanden haben sollten, hätte es der notariellen Beurkundung bedurft.

Der Vertrag wurde nicht gemäß § 313 Satz 2 BGB geheilt. Zwar haben die Kläger 1998 noch die Eintragung eines dinglichen Vorkaufsrechtes zugunsten der Beklagten bewilligt. Die Beklagten hatten durch ihre Klageerwiderung im Vorprozess 17 O 218/97 LG Wuppertal, zu diesem Zeitpunkt aber bereits deutlich zu erkennen gegeben, dass sie an der Bestellung eines solchen Vorkaufsrechtes nicht mehr interessiert waren. Damit fehlte es aber an der gemäß § 873 BGB erforderlichen dinglichen Einigung der Parteien über die Bestellung eines derartigen Rechtes.

Der Formmangel dieser Klausel bewirkt gemäß § 139 BGB die Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Durch diese Klausel sollten die Beklagten im Hinblick auf ihre Investitionen sowie insbesondere hinsichtlich des Standorts ihrer Steuerberaterpraxis durch die Vereinbarung einer zehnjährigen Mietzeit gesichert werden.

Auch die in den Vertrag vorhandene salvatorische Klausel (§ 27 Nr. 1), wonach bei Unwirksamkeit einer Klausel die Gültigkeit der übrigen nicht berührt werden, rechtfertigt nicht die Annahme, der Vertrag habe ohne die Klausel/26 B Bestand haben sollen. Bei der Bedingung des § 27 Nr. 1 des Mietvertrages handelt es sich um eine Standardformulierung des Mietvertrages für Gewerberaum. Sie ist nicht in Bezug auf die besonderen Vereinbarungen unter § 26 des Mietvertrages zugeschnitten worden. Gerade bei der Klausel § 26 B handelt es sich aber offensichtlich um eine für die Beklagten wichtige Klausel, die individuell ausgehandelt wurde. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Parteien seinerzeit beabsichtigten, die in § 27 des Mietvertrages enthaltene salvatorische Klausel auf die Vereinbarung des Vorkaufsrechtes zu erstrecken. Die Beklagten waren seinerzeit nicht damit einverstanden, den Vertrag ohne die entsprechende Klausel über die Einräumung des Vorkaufsrechtes abzuschließen; sie hätten die Einheit gerne 1989 selbst erworben, so sie bereits damals über ausreichende Geldmittel verfügt hätten. Das vereinbarte Vorkaufsrecht sollte sie deshalb - ähnlich wie bei Eigentumserwerb - vor dem Verlust der Gewerberäume schützen. Auch wenn die Klausel nachträglich für die Beklagten - spätestens seit 1998 für die Kläger erkennbar - unwichtig wurde, lässt dies nicht Schlußfolgerung zu, der Vertrag habe dann von Anfang an wirksam ohne die Klausel § 26 B geschlossen werden sollen. Im übrigen machen sich die Kläger ausdrücklich den Vortrag der Beklagten hinsichtlich einer den Mietvertrag 1990 abändernden Vereinbarung hinsichtlich des Vorkaufsrechts gerade nicht zu eigen.

Den Beklagten ist es gemäß § 242 BGB nicht verwehrt, sich auf die Nichtigkeit des Vertrages zu berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. etwa die in NJW 1980, 451, NJW 1987, 1069 f. oder NJW 1999, 2892 f. abgedruckten Entscheidungen) ist ein an sich formnichtiger Grundstückskaufvertrag im Interesse der Rechtssicherheit nur in besonderen Ausnahmefällen dann als wirksam zu behandeln, wenn die Nichtigkeitsfolge mit Treu und Glauben unvereinbar wäre. An solche Ausnahmefallgestaltungen werden strenge Anforderungen gestellt. Dass die Nichtigkeit den einen Vertragsteil hart trifft, reicht nicht aus, das Ergebnis muss vielmehr schlechthin untragbar sein (vgl. Hagen/Brambring, Der Grundstückskauf, Rdnr. 83; Erman-Palm, § 125 BGB, Rdnrn. 23 ff.). Im Ergebnis haben sich zwei Fallgruppen herausgebildet, in denen es gerechtfertigt erscheint, unter Rückstellung des Vorrangs Rechtssicherheit das Rechtsgeschäft dennoch als formgültig zu behandeln. Es handelt sich dabei zum einem um den Fall der Existenzgefährdung des einen Teils bei bestehender Fürsorgepflicht (vgl. etwa: BGHZ 20, 173) und um die Fallgruppe der besonders schweren Treuepflichtverletzung des anderen Teils (vgl. BGH NJW 1996, 2503, 2504).

Für eine Existenzgefährdung der Kläger ist vorliegend weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich.

Aber auch eine besondere schwere Treuepflichtverletzung der Beklagten ist nach dem Vortrag der Kläger nicht gegeben.

Üblicherweise beruft sich eine Partei erst dann auf die Formnichtigkeit des geschlossenen Vertrages, wenn sie sich von dem Vertrag lösen möchte. Dabei erfolgt das Aufkündigen des Vertrages nicht um der Formnichtigkeit Willen. Regelmäßig geben andere Gründe den Ausschlag. Sich in dieser Situation auf die Formnichtigkeit zu berufen, ist nicht von vornherein treuwidrig (vgl. etwa BGH NJW 1999, 2892, 2893, für den Fall, dass das aufgrund nichtigen Vertrag erworbene Grundstück nicht bebaut werden kann). Ansonsten mussten nahezu alle Verträge trotz ihrer Formnichtigkeit Bestand haben und bedürfte es der Vorschrift des § 313 BGB nicht. Es müssen also weitere Umstände hinzutreten, die das Berufen auf die Formnichtigkeit treuwidrig erscheinen lassen. Der Bundesgerichtshof hat eine solche Fallgestaltung z.B. dann als gegeben angesehen, wenn bei einem Grundstückskaufvertrag der Vertragseintritt auf der Verkäuferseite nur in privatschriftlicher Form erklärt wird, um den Rangrücktritt der Auflassungsvormerkung des Käufers zu erreichen, und der Verkäufer sich nach dem Vollzug des Rangrücktritts unter dem Aspekt der Formnichtigkeit von der Vereinbarung lösen möchte (BGH NJW 1996, 2503, 2504).

Vergleichbare Umstände sind vorliegend nicht ersichtlich. Die fehlende Mitwirkung der Beklagten bei der Bestellung des Vorkaufsrechts im Jahre 1998 reicht für die Annahme von Treuwidrigkeit nicht aus. Denn die Bestellung des Vorkaufsrechts, die den gesamten Vertrag gemäß § 313 Satz 2 BGB wirksam werden lassen sollte, ist für die Beklagten keinesfalls nur vorteilhaft gewesen. Durch die Heilung wären sie weiterhin an den 1989 abgeschlossenen Vertrag einschließlich der Laufzeit bis zum Jahre 1999 gebunden gewesen. Im übrigen haben die Beklagten die Leistungen, die sie von den Klägern in Anspruch genommen haben, auch tatsächlich bezahlt. Die Kläger behaupten auch nicht, die Beklagten hätten sie bewußt von einer Beurkundung abgehalten, weil sie von Anfang an beabsichtigten, sich auf die ihnen bekannte Formnichtigkeit zu berufen, sobald für sie eine günstigere Möglichkeit gegeben sein sollte, Gewerberäume im Haus H. zu erwerben.

Soweit der 24. Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 23.11.1999 (24 U 187/98) davon ausgegangen ist, die Beklagten konnten sich nach Treu und Glauben nicht auf die Formnichtigkeit des Mietvertrages berufen, ist der jetzt erkennende Senat an die vorausgegangene Entscheidung nicht gebunden. Gegenstand der seinerzeitigen Klage waren nur die Mieten für das Jahr 1997, Nur insoweit ist jene Entscheidung in Rechtskraft erwachsen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 ZPO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Streitwert und Beschwer der Kläger: 26.325,-- DM.

Ende der Entscheidung

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