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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 15.10.2007
Aktenzeichen: I-1 U 215/06
Rechtsgebiete: BGB, ZPO, EGBGB


Vorschriften:

BGB § 197 Abs. 1 a.F.
BGB § 218 Abs. 2
BGB § 252
BGB § 286
BGB § 288
ZPO § 287 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 6
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 1. September 2006 verkündete Urteil des Einzelrichters der 14. d Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 17.374,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26. November 2003 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz trägt der Kläger 57 % und die Beklagte 43 %.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist bis auf einen Teil der Zinsforderung begründet.

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte für den mit der Berufung nur noch geltend gemachten Zeitraum ab Januar 2000 einen Anspruch auf Ersatz eines weiteren Verdienstausfalls gemäß § 252 BGB in der tenorierten Höhe. Ohne Einfluss hierauf bleibt, dass der Kläger in dem maßgeblichen Zeitraum die für seine Schadensberechnung mögliche, günstigere Steuerklasse (Steuerklassse III statt Steuerklasse IV) nicht gewählt hat, sondern erst ab dem 1. November 2003. Für den Zeitraum ab dem Jahr 2000 ist der Anspruch auch nicht verjährt.

Im einzelnen ist noch folgendes auszuführen:

Die Parteien haben sich bei der Berechnung des Verdienstausfalls auf die sogenannte modifizierte Nettomethode geeinigt. Hierbei besteht der zu ersetzende Schaden in dem fiktiven Nettogehalt des Klägers als technischen Zeichners (Bruttoeinkommen abzüglich nicht anfallender Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zzgl. der darauf zu entrichtenden Steuern). Insoweit wird die Steuerlast, die sich aus der am fiktiven Nettogehalt orientierten Schadensersatzleistung ergibt, als zusätzlicher Teil des Schadens begriffen. Bei Anwendung dieser Methode wird - wie auch hier - praktischerweise so verfahren, dass zunächst eine Schadensersatzleistung erbracht wird, die sich am fiktiven Nettogehalt orientiert. Wenn diese dem Geschädigten zugeflossen ist, wird das Steuerverfahren durchgeführt, und danach hat der Verpflichtete den Geschädigten von der aus der Schadensersatzleistung resultierenden Steuerlast freizustellen (vgl. OLG Hamm, R + S 1999, 347; SP 2001, 374).

In welchem Umfang Steuern in Abzug zu bringen sind, hängt grundsätzlich von der Steuerklasse ab, wobei sich die Berechnung der Beklagten für den hier maßgeblichen Zeitraum an der von dem Kläger gewählten Steuerklasse IV orientiert hat.

Im Rahmen der Ermittlung des zu ersetzenden Erwerbsschadens sind allerdings gemäß § 287 Abs. 1 ZPO zu Gunsten des Verletzten solche Umstände heranzuziehen, die sich mit überwiegender Wahrscheinlichkeit - ohne den Unfall - auf sein Arbeitseinkommen ausgewirkt hätten. Hätte der Kläger aber seinen Beruf als technischer Zeichner tatsächlich ausgeübt, so wären ihm im Ergebnis die Steuervorteile der Klasse III jedenfalls zugeflossen, unabhängig davon, ob er diese Steuerklasse gewählt hätte.

Seit seiner Heirat am 26. Mai 1992 und der damit verbundenen gemeinsamen steuerlichen Veranlagung mit seiner Ehefrau hatte der Kläger die Möglichkeit, einen Wechsel in der Steuerklasse zu beantragen, indem er die Kombination IV/IV aufgab und eine Kombination III/V wählte. Dies war unter den gegebenen Umständen (kein steuerpflichtiges Einkommen der Ehefrau in der Zeit von Januar 2000 bis November 2003) auch sinnvoll, da er nach Steuerklasse III deutlich geringere Steuern als bei der Steuerklasse IV zu zahlen gehabt hätte. Soweit der Kläger diese für ihn günstige Kombinationsmöglichkeit - ohne den Unfall und damit bei tatsächlicher Ausübung seiner Berufs als technischer Zeichner - aber versäumt hätte, so wäre ihm daraus kein Nachteil entstanden. Denn im Anschluss an die Einkommenssteuererklärung wären die von den Eheleuten zu zahlenden Steuern anhand der Splittingtabelle ermittelt worden. Der Umstand, dass der Kläger die Steuerklasse nicht gewechselt hätte, hätte also letztlich keinen Einfluss auf sein Jahresnettoeinkommen gehabt.

Dies ist jedoch grundlegend anders bei der hier gewählten Abrechnungsweise im Schadensfall. Denn insoweit wurden dem Kläger von der Beklagten die um die Steuern nach Klasse IV verminderten Nettobezüge gezahlt, so dass insoweit ein späterer Ausgleich im Steuerverfahren nicht stattfinden konnte. Ein weiterer Ausgleich erfolgte lediglich dadurch, dass die Beklagte noch die Steuern auf die gezahlten (nach Steuerklasse IV ohnehin reduzierten) Nettobezüge als Schadensersatzleistung zahlte.

Der Kläger hat daher einen Anspruch auf die geltend gemachte Differenz der nach Steuerklasse III berechneten Nettobezüge zu den nach Steuerklasse IV berechneten Nettobezügen. Denn - ohne den Unfall - hätte er (unabhängig von der Wahl seiner Steuerklasse) nach der Heirat diesen Betrag mehr als Nettoerwerbseinkommen bezogen.

Dem Umstand, dass es der Kläger "versäumt" hat, die ihm mögliche Änderung auf der Lohnsteuerkarte durch einen Antrag bereits 1992 zu erreichen, kommt für den Schadenersatzanspruch grundsätzlich nur unter den Gesichtspunkten der Verwirkung und der Verjährung Bedeutung zu sowie bei der Frage, ob der Beklagten wegen der nachträglichen Anmeldung eines Ausgleichs nach Steuerklasse III im Hinblick auf die tatsächlich erfolgte Regulierung nach Steuerklasse IV ein Nachteil entstanden ist.

Im Hinblick auf einen auszugleichenden Nachteil ist die Beklagte in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich befragt worden und ihr Gelegenheit zu einer weiteren Stellungnahme gegeben worden, die jedoch ausgeblieben ist.

Auf eine Verwirkung kann sich die Beklagte nicht erfolgreich berufen. Insoweit ist schon nicht ersichtlich, dass der Kläger durch seine Verhaltensweise ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten im Hinblick auf eine abschließende Berechnung nach der Steuerklasse IV hervorgerufen hat. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Beklagte sich aufgrund des Verhaltens des Klägers in bestimmter Weise darauf eingerichtet hat, dass dieser an der Abrechnung auch dann festhalten werde, wenn sich nachträglich für ihn noch schadenserhöhende Umstände erkennbar machten und die Geltendmachung dieser Schadenspositionen nunmehr als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheint.

In Bezug auf die Verjährung der Forderung wird auf den Beschluss des Senats vom 30. Juli 2007 verwiesen, mit dem festgestellt worden ist, dass die Zahlungsansprüche lediglich für den Zeitraum von Januar 1993 bis einschließlich des Jahres 1999 gemäß § 218 Abs. 2, 197 Abs. 1 BGB a.F. in Verbindung mit Art. 229 § 6 EGBGB verjährt sind, nicht jedoch die Ansprüche für den Zeitraum ab dem Jahr 2000.

Bei der Berechnung der Höhe des Anspruchs hat der Senat die Abrechnung des Klägers aus der Klageschrift (Bl. 6 ff. GA) zugrundegelegt; diese ist von der Beklagten nicht substantiiert bestritten worden. Zudem hat der Kläger darauf verwiesen, dass die Beklagte die Bruttogehälter, die der Klageforderung zugrundegelegt worden seien, für ihre Berechnung ebenfalls zugrundegelegt habe (Bl. 60 GA). Insoweit ist auch die Richtigkeit der Berechnung in dem Berufungsverfahren nicht mehr thematisiert worden.

Der Zinsanspruch folgt aus § 286, 288 BGB. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht. Die Beklagte war nicht ohne weiteres von sich aus zu einer abändernden Berechnung und Zahlung verpflichtet. Die für die Wahl der Steuerklasse maßgeblichen Umstände lagen in der Sphäre des Klägers, dem es insoweit oblag, seinen weiteren Schaden bei der Beklagten anzumelden. Erst mit der Ablehnung der weiteren Forderungen gemäß ihrem Schreiben vom 25. November 2003 ist die Beklagte in Verzug geraten (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ein Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 17.374,01 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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