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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 17.11.2008
Aktenzeichen: I-24 U 51/08
Rechtsgebiete: BGB, InsO
Vorschriften:
BGB § 535 | |
BGB § 546 | |
InsO § 112 |
2. Bei einem "Mietkauf" gebührt der Mehrerlös aus der Verwertung des Mietobjekts dem Mietkäufer, wenn alle Ansprüche des Mietverkäufers befriedigt sind und danach das Eigentum an der Sache auf den Mietkäufer übergehen sollte.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In Sachen
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Der Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Der für den 16. Dezember 2008 geplante Senatstermin findet nicht statt.
Gründe:
Die Berufung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen der Beklagten in der Berufungsbegründung rechtfertigen keine von dem landgerichtlichen Urteil abweichende Entscheidung.
Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist schon nicht ersichtlich, ob die von der Beklagten mit Schreiben vom 29. Juni 2006 erklärte außerordentliche Kündigung der als "Mietkaufverträge" bezeichneten Vertragsverhältnisse vom 08. Juni 2001 / 02. September 2002, 08. Juni / 18. Dezember 2001, 20. November 2001 / 26. März 2003 und 10. Juli 2002 überhaupt wirksam war. Letztlich bedarf dies jedoch keiner Entscheidung, weil der Mehrerlös aus der Verwertung jedenfalls dem Mieter (oder Leasingnehmer) zusteht.
I.
Die Beklagte macht geltend, aufgrund der fristlosen Kündigungen aller Mietkaufverträge vom 29. Juni 2006 zum Einbehalt des Mehrerlöses aus dem Verkauf der Maschinen berechtigt gewesen zu sein. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann schon nicht festgestellt werden, dass die Kündigung wirksam war.
1.
Das vorläufige Insolvenzverfahren über das Vermögen der vom Kläger vertretenen Gemeinschuldnerin wurde am 30. Juni 2006 um 12:59 Uhr eröffnet (vgl. die Veröffentlichung in www.insolvenzbekanntmachungen.de). Der Eingang des Eröffnungsantrags, welcher nach § 112 InsO maßgeblich ist, ist ebenfalls am 30. Juni 2006 erfolgt, wie dem Eröffnungsbeschluss des Amtsgerichts Meiningen vom 11. August 2006 zu entnehmen ist. Das Kündigungsschreiben der Beklagten datiert indes auf den 29. Juni 2006. Eine Kündigung wird als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung erst dann wirksam, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. BGHZ 67, 271; BGH NJW 1980, 990; 2004, 1320; Palandt/Heinrichs/Ellenberger, BGB, 67. Auflage, § 130 Rn. 5 m.w.N.). Dass der Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin vor der Antragstellung bzw. bis spätestens 12:59 Uhr am 30. Juni 2006 die Möglichkeit hatte, die Kündigung zur Kenntnis zu nehmen, erscheint dem Senat sehr zweifelhaft. Es ist schon unklar und lässt sich dem Vorbringen der Beklagten auch nicht entnehmen, ob das auf den 29. Juni 2006 datierte Schreiben von der Beklagten an diesem Tag überhaupt zum Versand gegeben wurde. Gerade die organisatorischen Abläufe innerhalb von Unternehmen führen nicht selten zu Verzögerungen beim Versandablauf, weil Schreiben nicht direkt vom Sachbearbeiter zur Postversendung gelangen. Es erscheint somit nicht fernliegend, dass der Versand erst an einem der darauf folgenden Tage erfolgt ist. Selbst wenn am 29. Juni 2006 eine Weitergabe an einen Postzusteller erfolgt wäre, ist offen, ob das Schreiben vor dem maßgeblichen Zeitpunkt der Gemeinschuldnerin in der beschriebenen Weise zugegangen ist. Es fehlt in der vorgelegten Kopie des Kündigungsschreibens jeder Hinweis darauf, ob das Schreiben per Boten am selben Tage zugestellt werden sollte und ob dies erfolgt ist. Nur eine vor Antragseingang zugegangene (und materiell-rechtlich begründete) Kündigung ist wirksam und wird von einer nachfolgenden Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt (Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 5. Auflage, Kap. P Rn. 6 am Ende). Wurde die (sachlich berechtigte) Kündigung vor Antragstellung abgeschickt, so bleibt sie wirkungslos, wenn sie dem Schuldner erst nach Antragstellung zugeht (MünchKomm/Eckert, InsO, 2. Auflage, § 112 Rn. 23).
Aufgrund der dargelegten zeitlichen Zusammenhänge geht der Senat unter Anwendung des § 286 ZPO davon aus, dass die Kündigungserklärung der Beklagten den Schuldner vor der Antragstellung nicht erreicht hat. Bislang hat die Beklagte zum Zugang nichts vorgetragen. Sie ist jedoch darlegungs- und beweisbelastet für den Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens, da sie ihre Rechte aus der Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung ableitet (vgl. hierzu auch MünchKomm/Eckert, a.a.O., § 112 Rn. 18 m.w.N.).
2.
Der Zugang und damit das Wirksamwerden der außerordentlichen Kündigung sind im Hinblick auf die Vorschrift des § 112 InsO wesentlich. Ein Vermieter kann das Mietverhältnis nach einem gegen den Mieter gestellten Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen wegen Verzugs mit der Zahlung der Miete oder wegen der Verschlechterung von dessen Vermögensverhältnissen nicht kündigen (Kündigungssperre). Sinn dieser Bestimmung ist es, in der durch den Insolvenzeröffnungsantrag öffentlich indizierten wirtschaftlichen Krise des Mieters im Interesse der dem künftigen Insolvenzverwalter vorbehaltenen Prüfung einer in Betracht kommenden Betriebsfortführung nicht durch die Entziehung von Betriebsmitteln vorzugreifen, was im Interesse der Insolvenzmasse und damit im Interesse aller Gläubiger ist (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2008, Az. I-24 U 86/07, MDR 2008, 1267; Kurzwiedergabe in BB 2008, 2077; veröffentlicht ferner bei juris und NRWE; siehe auch Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 9. Auflage Rn. 1483 f. m.w.N.). Die Kündigung von Miet- und Pachtverträgen zu diesem Zeitpunkt würde vielfach die Prüfung der Betriebsfortführung obsolet machen. Die Kündigungssperre gilt auch für Fälle wie den hier zu entscheidenden, in denen der Schuldner verfügungsbefugt bleibt (MünchKomm/Eckert, a.a.O., § 112 Rn. 17 m.w.N.).
Ob es sich im zu entscheidenden Fall tatsächlich um einen Mietkauf handelt oder vielmehr ein Finanzierungsleasingvertrag auf Vollamortisationsbasis vorliegt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Anwendbarkeit der insolvenzrechtlichen Kündigungssperre auch auf Leasingverträge, die materiell atypische Mietverträge sind (vgl. BGH NJW 1988, 198), ist ausdrücklich gesetzgeberisches Anliegen gewesen (vgl. BT-Drucksache 12/2443, S. 148) und ist in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein anerkannt (vgl. BGH NJW 2002, 3326 (3327); Senat, a.a.O. m.w.N., Graf von Westphalen, a.a.O., Kap. P Rn. 1 ff.; Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rn. 1483).
3.
Die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung hat grundsätzlich zur Folge, dass die Entziehung und Verwertung der Maschinen ein schuldhaftes, vertragswidriges Verhalten der Beklagten darstellt, mit welchem sie ihren Anspruch auf die Zahlung der weiteren Mieten bzw. Raten verliert (vgl. zum Leasingvertrag: BGHZ 82, 121; BGH NJW 1988, 198; 2000, 3133 (3135); vgl. auch Senat, Beschluss vom 08. September 2008, Az. I-24 U 40/08). Entsprechendes gilt, wenn der Mieter oder Leasingnehmer unter Berufung auf eine fristlose Kündigung, die die Beteiligten irrtümlich für wirksam halten, zur vorzeitigen Rückgabe des Vertragsgegenstandes veranlasst wird (BGH NJW 2000, 3133 (3135)) oder wenn - wie hier - der den Gemeinschuldner vertretende Insolvenzverwalter die Objekte irrtümlich heraus- und zur Verwertung frei gibt (so erfolgt im Schreiben vom 20. September 2006, Anlage K 9, GA 36 f.).
4.
Letztlich kann im zu entscheidenden Fall offen bleiben, ob die außerordentliche Kündigung der Beklagten wirksam war. Denn selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, steht der streitige Mehrerlös aus dem Verkauf der Maschinen der von dem Kläger zu verwalteten Insolvenzmasse zu.
a.
Die "Mietkaufbedingungen" der Beklagten (im folgenden: AGB) enthalten keine ausdrückliche Regelung dazu, wem ein erzielter Mehrerlös im Falle einer vorzeitigen Vertragsbeendigung zusteht.
Geht man von der Variante aus, dass die Kündigung der Beklagten entsprechend den obigen Ausführungen unwirksam war und deshalb ein Fall vorliegen könnte, der mit den in § 6 Nr. 1 AGB geregelten Fällen des unverschuldeten Verlusts des Vertragsgegenstands vergleichbar ist, so lässt sich anhand der AGB nicht ermitteln, was bei Erzielung eines Mehrerlöses zu geschehen hat bzw. wem dieser zusteht. Die in § 6 Nr. 5 enthaltene Regelung, dass die aus dem Ereignis herrührenden Versicherungs- oder Schadensersatzansprüche in Höhe der dem Mietkäufer bereits erbrachten Leistungen auf diesen zurückzuübertragen seien, ist mehrdeutig und unklar.
Geht man davon aus, dass die außerordentliche Kündigung der Beklagten wirksam war, so lässt sich den Regelungen in § 9 Ziffer 2. AGB ebenfalls nicht entnehmen, wem ein Mehrerlös zusteht. Denn dieser Fall ist dort nicht geregelt.
b.
Es folgt jedoch bereits aus allgemeinen schadensersatzrechtlichen Grundsätzen, dass der Mehrerlös bei der hier vorliegenden Vertragsgestaltung, die eine Vollamortisation der Beklagten sicherstellen sollte, dem Mieter oder Leasingnehmer zusteht.
Soweit die Beklagte meint, wegen der vorzeitigen Beendigung der Verträge allein aufgrund ihrer Eigentümerstellung den entstandenen Mehrerlös beanspruchen zu können, greift diese Argumentation zu kurz. Sie lässt nämlich vollständig außer Acht, dass der Mieter oder Leasingnehmer nach Vertragsablauf Eigentümer der Vertragsobjekte geworden wäre. Das Verwertungsrisiko hätte also bei ordnungsgemäßer Vertragsdurchführung allein dem Mieter oder Leasingnehmer oblegen. Demgegenüber hat die Beklagte nur ein Interesse an der vollen Amortisation ihres Finanzierungsaufwands einschließlich des kalkulierten Gewinns. Dies lässt sich der vereinbarten Vertragsgestaltung zweifelsfrei entnehmen. Denn mit vollständiger Vertragserfüllung geht das Eigentum am jeweiligen Vertragsgegenstand auf den Mieter oder Leasingnehmer über, ohne dass es weiterer Willensentschlüsse bedarf.
Diese Fallkonstellation ist insoweit vergleichbar mit jener in der Entscheidung des Senats vom 14. Januar 2003 (Az. 24 U 13/02; NJW-RR 2003, 775 = OLGR Düsseldorf 2003, 173). Dort hatten die Parteien ein individuelles Erwerbsrecht am Leasinggegenstand vereinbart, weshalb der Senat die streitgegenständliche Versicherungsleistung dem Leasingnehmer zuerkannte, soweit sie nicht zur Deckung des Vollamortisationsanspruchs des Leasinggebers benötigt wurde (vgl. Senat a.a.O.). In beiden Fällen hat der Mieter oder Leasingnehmer nach Vertragserfüllung als Eigentümer das Recht zur Verwertung des Vertragsgegenstandes, wobei er im hier zu entscheidenden Fall unmittelbar Eigentümer wird, während er im damals zu entscheidenden Verfahren sein Erwerbsrecht erst ausüben musste. Für die rechtliche Beurteilung eines entstandenen Anspruchs auf Vollamortisation einerseits und darüber hinausgehenden Mehrerlös andererseits bedeutet dies allerdings keinen Unterschied.
Die Zuweisung eines Mehrerlöses an den Mieter oder Leasingnehmer ist auch im Hinblick darauf sachgerecht, dass der Vertragsgegenstand bereits mit Vertragsschluss im Hinblick auf § 39 Abs. 2 AO steuerrechtlich vollständig dessen Vermögen zugewiesen wird. Hierauf weist die Beklagte selbst in § 11 S. 2 AGB auch ausdrücklich hin. Zudem wird dem Mieter oder Leasingnehmer nach § 6 Ziffer 1. AGB die vollständige Sach- und Preisgefahr überbürdet.
Wird - wie hier - der Vertrag infolge einer vom Mieter oder Leasingnehmer zu vertretenden, außerordentlichen Kündigung vorzeitig beendet, so ist die Frage der Zuweisung des Mehrerlöses nicht anders zu beurteilen. Zwar hatte der Senat in dem genannten Urteil über einen Fall zu entscheiden gehabt, in dem der außerordentlichen Kündigung ein Diebstahl eines Kraftfahrzeuges vorausgegangen war, für welchen der Leasingnehmer nicht verantwortlich war. Demgegenüber beruht im hier zu entscheidenden Fall die - unterstellt wirksame - außerordentliche Kündigung auf einem (schuldhaften) Verzug mit der Zahlung der geschuldeten Raten. Eine unterschiedliche Behandlung dieser Fallvarianten ist jedoch nicht angezeigt. Denn auch in Fällen vom Leasingnehmer verschuldeter Vertragsauflösung darf der Leasinggeber bei der Schadensabrechnung nicht besser gestellt werden, als wenn der Leasingvertrag planmäßig erfüllt worden wäre (ständige Rechtsprechung des BGH, NJW 2002, 2713 ff. = BGHReport 2002, 805 ff.; siehe auch Senat, a.a.O.). Von diesen Grundsätzen ist auch das Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgegangen. Die vom Bundesgerichtshof abweichend beurteilten Fälle beruhten auf Fallgestaltungen ohne Erwerbsrecht des Leasingnehmers und Zuweisung des höheren Zeitwerts an den Leasinggeber (vgl. BGH NJW 2007, 290 ff.) bzw. einem Andienungsrecht des Leasinggebers ohne Mehrerlösbeteiligung (vgl. BGH NJW 2008, 989 ff.). Sie sind mit der hier zur Entscheidung stehenden Vertragsgestaltung auch deshalb nicht vergleichbar, weil in diesen Fällen der Leasingnehmer nicht Eigentümer werden sollte. Sieht der Vertrag aber vor, dass der Leasinggeber stets und uneingeschränkt Eigentümer des Leasingobjekts bleiben soll, so behält er auch den Anspruch auf alle Arten von Surrogatsleistungen für dieses Eigentum.
II.
Die weiteren in § 522 Abs. 2 Ziffer 2 und 3 ZPO genannten Voraussetzungen liegen ebenfalls vor.
Der Senat weist darauf hin, dass die Rücknahme der Berufung vor Erlass einer Entscheidung nach § 522 Abs. 2 ZPO gemäß GKG KV 1222 S. 1, 2 kostenrechtlich privilegiert ist; statt vier fallen nur zwei Gerichtsgebühren an.
Ende der Entscheidung
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