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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 01.03.2005
Aktenzeichen: I-3 W 335/04
Rechtsgebiete: EuGVVO, AVAG
Vorschriften:
EuGVVO Art. 43 | |
EuGVVO Art. 45 Abs. 1 | |
AVAG § 12 Abs. 1 |
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS
In dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines niederländischen Urteils
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der stellvertretenden Vorsitzenden der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach vom 14. Oktober 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Dr. G. sowie der Richter am Oberlandesgericht von W-L. und B. am 1. März 2005 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Das Gesuch des Antragstellers, das Urteil des Amtsgerichts Venlo vom 26. Juni 2002 zu dem Aktenzeichen 87608/CV EXPL 02-126 für vollstreckbar zu erklären, wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Wert des Beschwerdegegenstands: bis 900,00 EUR.
Gründe:
I.
Der Antragsteller beabsichtigt, aus dem Urteil des Amtsgerichts Venlo vom 26.06.2002 gegen den Antragsgegner in Deutschland zu vollstrecken, und zwar wegen einer dort ausgeurteilten Hauptforderung von 313,20 EUR zuzüglich der gesetzlichen Zinsen ab dem 30.11.2001 und der festgestellten Kosten des Rechtsstreits in Höhe von 495,07 EUR.
Auf Antrag des Antragstellers vom 14.04.2004 hat die stellvertretende Vorsitzende der 6. Zivilkammer des Landgerichts Mönchengladbach in dem angefochtenen Beschluss angeordnet, das Urteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen und zugleich den Inhalt des zu vollstreckenden Titels festgestellt.
Gegen diesen ihm am 22.11.2004 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 22.12.2004 eingegangenen Beschwerde vom selben Tag.
Der Antragsgegner macht geltend:
Er habe am 25.09.2002 an den Antragsteller 843,71 EUR überwiesen und damit dessen Forderungen aus dem Urteil vollständig erfüllt.
Diesem Vorbringen ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
1. Grundlage der Prüfung ist neben dem AVAG das Kapitel III der am 01.03.2002 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Das ergibt sich allerdings nicht aus dem Art. 66 Abs. 1 EuGVVO, der für die Anwendbarkeit der Verordnung allein auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abstellt. Denn dem Akteninhalt lässt sich nicht entnehmen, wann die dem Titel zugrunde liegende Klage erhoben wurde. Die Anwendbarkeit dieser Vorschriften folgt jedoch aus Art. 66 Abs. 2 a) EuGVVO). Die Niederlande und Deutschland sind Ursprungsmitgliedsstaaten im Sinne dieser Norm. Ferner ist die Klage nach Inkrafttreten des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) erhoben worden und das niederländische Urteil ist nach Inkrafttreten der EuGVVO ergangen.
2. Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts eingegangene Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß Artikel 43 EuGVVO; § 11 AVAG zulässig.
3. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsgegner hat die ausgeurteilte Forderung des Antragstellers nach Urteilserlass vollständig erfüllt, weshalb letzterer keinen Anspruch auf Erteilung einer Klausel zur Betreibung der bereits erloschenen Forderung hat.
a) Offen bleiben kann hierbei, ob bei einer unstreitigen Erfüllung der im ausländischen Urteil titulierten Forderung bereits das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers an der Erteilung einer Vollstreckungsklausel zur Betreibung des ausgeurteilten Betrags in Deutschland fehlt. Das nimmt das OLG Köln an und verweist darauf, in diesem Zusammenhang könne nichts anderes gelten als etwa bei der Handlungsvollstreckung nach den §§ 887, 888 ZPO, bei der ebenfalls in den Fällen, in denen die dem Erfüllungseinwand zu Grunde liegenden Tatsachen unstreitig seien, nach zutreffender Auffassung einem Vollstreckungsantrag des Gläubigers bereits das Rechtsschutzbedürfnis fehle (NJOZ 2004, 3448 f.). Ob dem zu folgen ist, muss nicht entschieden werden, weil das Begehren des Antragstellers, wie noch darzulegen sein wird, jedenfalls sachlich nicht gerechtfertigt ist, weshalb die Prüfung, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für seinen Antrag besteht, entbehrlich ist. Dagegen spricht nicht, dass grundsätzlich in die Sachprüfung erst eingetreten werden darf, wenn feststeht, dass die Prozessvoraussetzungen gegeben sind. Das Rechtsschutzbedürfnis hat als Prozessvoraussetzung die Funktion, zu verhindern, dass Gegner und Gericht ohne ausreichendes Interesse an gerichtlichem Rechtsschutz durch ein Verfahren belastet werden. Diesem Zweck entspricht es nicht, die Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses als Zulässigkeitsvoraussetzung auch dann zu fordern, wenn die Unbegründetheit eines Antrags bereits feststeht (vgl. BGH NJW 1996, 193, 195; Zöller-Greger, ZPO, 25. A., vor § 253 Rn. 10; jew. m.w.N.).
b) Aufgrund der nach dem Erlass des niederländischen Urteils erfolgten Erfüllung der ausgeurteilten Forderung, die der Antragsgegner dem Antragsteller nach § 12 Abs. 1 AVAG entgegenhalten kann, ist das Begehren des Antragstellers, das Urteil nach Art. 38 Abs. 1 EuGVVO für vollstreckbar zu erklären, unbegründet.
aa) Die Anwendbarkeit des § 12 AVAG, der es dem Schuldner ermöglicht, dem titulierten Anspruch nachträglich entstandene materiell-rechtliche Einwendungen entgegenzuhalten, wird für Vollstreckbarerklärungen aufgrund des Art. 38 EuGVVO allerdings in der Literatur von einigen mit dem Argument verneint, § 12 AVAG werde durch Art. 45 EuGVVO verdrängt, weil hierin ausdrücklich bestimmt sei, dass auf einen Rechtsbehelf nach Art. 43 EuGVVO die Vollstreckbarerklärung nur aus einem der in den Art. 34 und 35 aufgeführten Gründe versagt werden dürfe. Hiezu gehörten nach Urteilserlass entstandene Einwendungen materiell-rechtlicher Art aber gerade nicht (Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 26. Aufl., Art. 45 EuGVVO Rn. 3; MünchKomm-ZPO- Gottwald, 2. Aufl., Aktualisierungsband, Art. 45 EuGVVO Rn. 4; Hub NJW 2001, 3145, 3147). Die Gegenmeinung hingegen geht davon aus, dass, da die Behandlung nachträglich entstandener materiell-rechtlicher Einwendungen gegen einen Titel in der EuGVVO nicht geregelt sei, es dem nationalen Gesetzgeber überlassen bleibe, eigenständig zu regeln, wie diese Lücke zu füllen sei. Daher könne der Schuldner vor deutschen Gerichten solche Einwände weiterhin nach § 12 AVAG im Rechtsbehelfsverfahren geltend machen (Wagner IPRax 2002, 75, 82). Zum Teil wird auch angenommen, dass es der Beschleunigungseffekt, dem Art. 45 EuGVVO diene, erfordere, § 12 AVAG gemeinschaftsrechtskonform dahin auszulegen, dass materiell-rechtliche Einwendungen nur zuzulassen seien, wenn sie unbestritten oder rechtskräftig festgestellt worden seien. Nur andere Einwendungen müsste der Antragsgegner mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen (Zöller-Geimer, ZPO, 25. A., Art. 45 EuGVVO Rn. 1; ders. in Geimer, Internationales Zivilprozessrecht, 5. A., Rn. 3152 a).
bb) Der letztgenannten Auffassung schließt sich der Senat jedenfalls insoweit an, als zumindest eine unstreitige Erfüllung nach Erlass des ausländischen Urteils vom Schuldner im Rahmen des § 12 AVAG auch nach Inkrafttreten der EUGVVO dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung entgegengehalten werden kann. Es ist hierbei davon auszugehen, dass eine Beschränkung der Einwendungen nach Artikel 45 Abs. 1 EuGVVO dazu dienen soll, das Verfahren der Vollstreckbarerklärung zu beschleunigen und dem Gläubiger die Möglichkeit zu geben, einen bereits erwirkten Titel rasch auch im EU-Ausland zu vollstrecken, ohne sich auf langwierige Auseinandersetzungen mit dem Schuldner einlassen zu müssen. Dieser Schutzzweck erfordert es nicht, nachträglich entstandene Einwendungen, die ohne jede zeitliche Verzögerung berücksichtigt werden können, weil der Gläubiger selbst sie zugesteht, in dem Beschwerdeverfahren gemäß Art. 43 EuGVVO, §§ 11 ff. AVAG auszuschließen. Es ist kein vernünftiger Grund ersichtlich, auch bei solchen Einwendungen den Schuldner auf die Möglichkeit eines Vollstreckungsschutzantrags zu verweisen bis über einen anderen Rechtsbehelf, etwa eine Vollstreckungsgegenklage, entschieden ist. Denn es steht ja bereits fest, dass die titulierte Forderung endgültig nicht mehr beigetrieben werden darf. Somit ist in den Fällen einer unstreitig nachträglich entstandenen Einwendung gegen den titulierten Anspruch selbst die gebotene gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung des § 12 AVAG in der dargestellten Art ausreichend, um den Regelungen der EuGVVO Rechnung zu tragen.
cc) Damit kann der Antragsgegner dem Antragsteller entgegenhalten, die zu dessen Gunsten am 26.06.2002 titulierte Forderung sei durch Erfüllung bereits im September 2002 erloschen. Denn dieses Vorbringen ist unstreitig, da der Antragsteller ihm nicht entgegengetreten ist, obwohl ihm hierzu Gelegenheit gegeben worden ist.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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