Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluss verkündet am 25.06.2004
Aktenzeichen: I-3 Wx 148/04
Rechtsgebiete: WEG, BGB


Vorschriften:

WEG § 22 Abs. 1
WEG § 14 Nr. 1
BGB § 242
1. Das nachträgliche Anbringen eines Fenstergitters an die Hausfassade durch den Inhaber der Erdgeschosswohnung eine Wohnanlage kann eine die übrigen Miteigentümer beeinträchtigende bauliche Veränderung darstellen.

2. Eine solche Maßnahme kann gleichwohl nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gerechtfertigt sein, wenn sich aus konkreten Umstände eine gesteigerte Einbruchsgefahr ergibt, der nicht mit weniger beeinträchtigenden Maßnahmen (Sicherheitsglas; "Pilzköpfe", Verstärkung der Fensterbeschläge, Schutz des Rolladens gegen Hochschieben) begegnet werden kann.


OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF BESCHLUSS

I-3 Wx 148/04

In dem Wohnungseigentumsverfahren

hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den am 31. März 2004 verkündeten Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg unter Mitwirkung der Richter am Oberlandesgericht Dr. S. und W-L. und der Richterin am Oberlandesgericht Dr. L.

am 25. Juni 2004

beschlossen:

Tenor:

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt die Beteiligte zu 1.

Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 2.000,- €.

Gründe:

I.

Die Beteiligten zu 1 bis 4 sind Mitglieder der o.a. Wohnungseigentümergemeinschaft, die der Beteiligte zu 5 verwaltet.

Die Beteiligte zu 1, deren Wohnung im Erdgeschoss der Wohnungseigentumsanlage gelegen ist, hatte zunächst um Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zur Anbringung von Gittern an ihre zur Straße K. hin befindlichen Fenster gebeten. Dieser Antrag wurde durch Beschluss zu TOP 7 in der Eigentümerversammlung vom 11. März 2003 auf Grund der Gegenstimme der Beteiligten zu 2 abgelehnt. Auch ein danach eingeleiteter Umlaufbeschluss bezüglich der Vergitterung lediglich des von der Straßenseite aus gesehen rechts vom Eingang gelegenen Fensters des Vorratsraumes kam nicht zustande.

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, ein einstimmiger Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft sei nicht erforderlich. Das vorgesehene Fenstergitter stelle eine optische Beeinträchtigung nicht dar, außerdem sei eine solche in Hinblick auf ihr Sicherungsinteresse hinzunehmen. In der Wohngegend bestehe eine hohe Einbruchsgefährdung.

Sie hat beantragt,

1. den in der Wohnungseigentümergemeinschaft der WEG K. 17, in Mülheim an der Ruhr vom 11.03.03 gefassten Beschluss zu TOP 7, mit dem der Antrag der Antragstellerin' die Fenster zur K. hin mit Gittern zu versehen, abgelehnt wurde, für ungültig zu erklären.

2. der Antragstellerin zu gestatten, das zur K. hin befindliche Fenster vom Vorratsraum (von der Straße aus gesehen rechts neben der Haustür) mit einem verzinkten Gitterschutz von 1 mal 1 m als Einbruchschutz zu versehen.

Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit am 18. Dezember 2003 verkündetem Beschluss den Anträgen stattgegeben.

Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde haben die Beteiligten zu 2 die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und Ablehnung der Anträge der Beteiligten zu 1 begehrt, weil die Vergitterung des Fensters den Gesamteindruck der Fassade störe und das Schutzbedürfnis der Antragstellerin auch durch anderweitige Sicherungsmaßnahmen gewahrt werden könne.

Das Landgericht hat nach mündlicher Verhandlung mit am 31. März 2004 verkündetem Beschluss die Entscheidung des Amtsgerichts geändert und die Anträge der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der sofortigen weiteren Beschwerde, der die Beteiligten zu 2 entgegentreten.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1.

Das Landgericht hat ausgeführt, der amtsgerichtliche Beschluss sei zu ändern. Der Antragstellerin stehe ein einklagbarer Anspruch auf positive Beschlussfassung dahingehend, dass alle anderen Wohnungseigentümer einem Fenstergitter vor ihrem Vorratsraum zustimmen, nicht zu. Der ablehnende Beschluss zu TOP 7 der Eigentümerversammlung vom 11. März 2003 sei daher auch nicht dieses Fenster betreffend für ungültig zu erklären.

Die nachträgliche Montage eines Fenstergitters an die Hausfassade stelle eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG dar. Dies habe zur Folge, dass grundsätzlich auch die hier fehlende Zustimmung der Antragsgegner erforderlich sei. Diese sei auch nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich, denn die beabsichtigte bauliche Veränderung - das Fenstergitter - beeinträchtige die Rechte der Beteiligten zu 2 über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus. Unter einem Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG sei jede nicht ganz unerhebliche konkrete und objektive Beeinträchtigung zu verstehen. Entscheidend sei, ob ein Wohnungseigentümer sich nach der Verkehrsanschauung in der entsprechenden Lage verständlicherweise beeinträchtigt fühlen kann.

Dass die Vergitterung eines Fensters eine optische Veränderung gegenüber dem früheren Zustand bewirke, reiche zwar allein nicht aus. Auf der Grundlage der vorgelegten Fotos sehe die Kammer aber in der Anbringung des vorgesehenen Fenstergitters im Gegensatz zum Amtsgericht eine Beeinträchtigung des architektonisch-ästhetischen Gesamteindruckes der Wohnanlage. Das entsprechende Fenster werde durch die davor befindlichen Büsche nur aus bestimmten Blickwinkeln verdeckt. Darüber hinaus sei die rechte Seite des Hauses, von der Straße aus betrachtet, durch Eingang, Balkon und Garage ohnehin schon unruhig gestaltet. Dies würde durch ein Gitter vor dem Fenster, das bislang als einziges eine Einheit zwischen linker und rechter Seite herstelle, da es symmetrisch zu dem Fenster auf der anderen Seite des Einganges angeordnet sei, noch verstärkt. Hinzu komme, dass das vorgesehene Gitter farblich und auch gestalterisch nicht zu den ohnehin schon verschiedenen Gittern am Eingangsbereich und Balkon passe, wodurch ein unruhiger, unharmonischer Anblick der Hausfront entstehen würde. Das Fenstergitter würde daher eine nicht unerhebliche objektive optische Beeinträchtigung darstellen, die die Beteiligten zu 2 bei jedem Betreten des Hauses vor Augen hätten.

Es bestehe auch keine Duldungspflicht der Beteiligten zu 2 hinsichtlich der Vergitterung. Eine solche Duldungspflicht könne sich trotz Benachteiligung aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) herleiten lassen. Auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls, die mit den Interessen der Gemeinschaft auf Bestandsschutz abzuwägen seien, könne die Gemeinschaft zur Duldung verpflichtet sein, so dass ein Nachteil im Sinne des § 14 Nr. 1 WEG insoweit zu verneinen wäre. Dies werde teilweise bei besonderer Einbruchgefahr hinsichtlich der Anbringung von Fenstergittern bejaht. Ein genereller Anspruch auf Anbringung von Fenstergittern vor Erdgeschosswohnungen bestehe jedoch nicht. Es bedürfe vielmehr konkreter Feststellung einer Risikoerhöhung und einer sorgfältigen Abwägung der gegenläufigen Interessen.

Zwar habe die Beteiligte zu 1 vorgetragen, dass in der Nachbarschaft bereits mehrfach eingebrochen worden sei, vermehrt in den letzten zwei Jahren. Diese generelle Einbruchsgefährdung könne indes - den entsprechenden Vortrag als wahr unterstellt - allein nicht die Anbringung eines Fenstergitters rechtfertigen. In der Wohnungsanlage selbst seien keine Einbrüche erfolgt und die Vorfälle in den letzten zwei Jahren hätten hauptsächlich nachts stattgefunden. Nachts sei das streitgegenständliche Fenster jedoch durch die sich davor befindliche Rollladeneinrichtung zu sichern. Hinzu komme, dass tagsüber die zur Straßenfront befindlichen Fenster weniger einbruchgefährdet seien und auch andere für die Miteigentümer weniger nachteilige Maßnahmen zur Sicherheit ergriffen werden könnten, so z.B. ein Zurückschneiden der vor dem Fenster befindlichen Büsche und insbesondere die Anbringung von Sicherheitsbeschlägen und sogenannter Pilzköpfe. Auf diese Weise habe die Antragstellerin selbst das ebenfalls zu ihrer Wohnung gehörende, auf der anderen Seite des Eingangs gelegene und je nach Blickwinkel ebenfalls teilweise durch Büsche verdeckte Fenster gesichert. Die Antragstellerin hat auch nicht vorgetragen, inwieweit die des weiteren von den Antragsgegnern vorgetragenen Sicherungsmöglichkeiten konkret nicht möglich oder tauglich seien. Darüber hinaus könne ein Gitter vor dem Vorratsraumfenster auch eventuell als Kletterhilfe zu dem darüber gelegenen Balkon genutzt werden.

2.

Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung stand.

Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend einen Anspruch der Beteiligten zu 1 auf positive Beschlussfassung dahingehend, dass die anderen Wohnungseigentümer, insbesondere die Beteiligten zu 2, der Anbringung eines Fenstergitters vor dem Vorratsraum der Antragstellerin zustimmen, verneint.

a)

Zunächst ist nicht zu beanstanden, dass die Kammer in der beanspruchten Vergitterung des von der Straße aus gesehen rechts neben der Haustür gelegenen Fensters des Vorratsraumes zum Zwecke des Einbruchschutzes eine bauliche Veränderung im Sinne des § 22 Abs. 1 WEG gesehen hat, mit der Folge, dass grundsätzlich die - hier fehlende - Zustimmung aller übrigen Wohnungseigentümer erforderlich wäre. Dass die Anbringung eines Fenstergitters an der Außenwand des Gebäudes über die ordnungsgemäße Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht, bedarf keiner weiteren Darlegung.

b)

Beanstandungsfrei hat die Kammer auch die Zustimmung nicht gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG für entbehrlich gehalten und in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die beabsichtigte bauliche Veränderung - das Fenstergitter - die Rechte der Beteiligten zu 2 über das in § 14 Nr. 1 WEG bestimmte Maß hinaus beeinträchtige.

Die Beantwortung der Frage, ob die bauliche Maßnahme zu einer Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer führt, ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten (BayObLG ZWE 2000, 575; MK-Engelhardt 4. Auflage WEG § 22 Rdz. 11). Die Tatsachenwürdigung des Landgerichts ist vom Senat als Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin überprüfbar, ob es den maßgeblichen Sachverhalt ausreichend erforscht, bei Erörterung des Beweisstoffs alle wesentlichen Umstände berücksichtigt und hierbei nicht gegen gesetzliche Beweisregeln und Verfahrensvorschriften sowie gegen Denkgesetze oder feststehende Erfahrungssätze verstoßen hat (vgl. Keidel/Meyer-Holz FGG, 15. Auflage § 27 Rdz. 42). Die Überprüfung nach diesen Maßstäben zeigt keine Rechtsverletzung auf. Das Landgericht hat zwar eine Ortsbesichtigung nicht durchgeführt; eine solche ist indes auch nicht zwingend erforderlich (vgl. OLG Hamm NZM 2000, 910; MK-Engelhardt a.a.O.). Denn die Kammer ist anhand der zu den Akten gereichten durchaus aussagekräftigen Lichtbilder auf einwandfreiem Wege zu der Bewertung gelangt, dass durch die in Aussicht genommene Veränderung ein unruhiger, unharmonischer Anblick der Hausfront entstehen würde, das Fenstergitter daher eine nicht unerhebliche objektive optische Beeinträchtigung darstellen würde, die die Beteiligten zu 2 bei jedem Betreten des Hauses vor Augen hätten. Hieran ändert sich nichts dadurch, dass das betreffende Fenster aus bestimmtem Blickwinkel, insbesondere von der gegenüber liegenden Straßenseite, wegen des derzeit vorhandenen Bewuchses "äußerst schlecht zu sehen wäre". Ob darüber hinaus ein Gitter vor dem Vorratsraumfenster auch eventuell als Kletterhilfe zu dem darüber gelegenen Balkon genutzt werden und hieraus eine zusätzliche Beeinträchtigung in Gestalt einer Gefährdung der Sicherheit anderer Wohnungseigentümer entstehen könnte, mag offen bleiben.

c)

Auch aus einem Bedürfnis der Antragstellerin, die eigene - im Erdgeschoss gelegene - Wohnung gegen Einbrüche besser abzusichern, ist - so zutreffend die Kammer - eine Duldungspflicht der Beteiligten zu 2 hinsichtlich der Vergitterung trotz Benachteiligung aus dem Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht herzuleiteten. Die insoweit im Einzelfall zu fordernde Abwägung der gegenläufigen Interessen (vgl. KG NJW-RR 1994, 401), hat die Kammer ebenfalls rechtsfehlerfrei vorgenommen.

Ergänzend sei hierzu noch ausgeführt, dass die Antragstellerin zum Einen nicht dargetan hat, dass die geschilderten Einbrüche bzw. Einbruchsversuche an anderen Objekten überhaupt durch entsprechende - unvergitterte - Fenster der zur Straßenfront gelegenen Fassade erfolgten. Im Übrigen hat die Antragstellerin auch lediglich unzulässigerweise mit Nichtwissen bestritten, dass das in Rede stehende Fenster bereits durch eine Verglasung nach DIN 5290 A3 gesichert ist. Hierbei handelt es sich um eine durchwurfhemmende Verglasung, deren Prototyp immerhin einen Test zu bestehen hatte, bei dem eine 4110 g schwere Stahlkugel dreimal aus einer Höhe von 9,50 m auf ein Scheibendreieck mit 130 mm Seitenlänge fällt, wobei die Kugel die Scheibe nicht durchschlagen darf. Im Zusammenwirken mit einer unter relativ geringem Aufwand herzustellenden zusätzlichen Sicherung des Fensters gegen Aufhebeln (u.A. Pilzköpfe) und Sicherung des vorhandenen Rollladens gegen Hochschieben, wäre ein die übrigen Wohnungseigentümer nicht beeinträchtigender, der in Aussicht genommenen lediglich angeschraubten Vergitterung vergleichbarer - überdies preiswerterer - Sicherungserfolg zu erzielen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 47 WEG.

Eine Erstattungsanordnung in Bezug auf die notwendigen außergerichtlicher Kosten war nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

Zurück