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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 09.12.2005
Aktenzeichen: I-4 U 133/04
Rechtsgebiete: InsO, VVG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 105
VVG § 39
VVG § 39 Abs. 2
VVG § 39 Abs. 3 S. 3
ZPO § 531
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. Juni 2004 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf - Einzelrichter - abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 6.234 EUR nebst 5 % Zinsen seit dem 30. September 2003 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe: Die Berufung hat Erfolg. Die Beklagte ist vertraglich zur Erstattung der mit der Klage zurückverlangten Versicherungsprämien verpflichtet, die der Kläger unter Vorbehalt (vgl. Schreiben vom 17. Juni 2003, GA 46) gezahlt hat und derentwegen die Parteien eine gerichtliche Klärung der zwischen ihnen umstrittenen Frage vereinbart haben. Bei dieser Streitfrage geht es im Kern darum, ob es der Begleichung der in Rede stehenden Prämienrückstände aus vorinsolvenzlicher Zeit bedurfte, um den Versicherungsschutz für die Fortführung des Hotelbetriebs durch den klagenden Insolvenzverwalter sicherzustellen. Dies ist entsprechend der Rechtsauffassung des Klägers zu verneinen. Die Beklagte - und die von ihr vertretenen Konsortialversicherer - waren zur Gewährung von Versicherungsschutz verpflichtet, weil der klagende Insolvenzverwalter die Erfüllung des Versicherungsvertrages gewählt hatte. Dies hatte gem. § 105 InsO zur Folge, dass der Versicherungsvertrag aufgespalten wurde in einen auf die Zeit vor Insolvenzeröffnung entfallenden Teil bezüglich dessen der Prämienanspruch nur als einfache Insolvenzforderung geltend zu machen ist und den nach Insolvenzeröffnung angefallenen Teil, der vom Kläger erfüllt worden ist und um den es hier nicht geht. § 105 InsO ist anwendbar, weil die versicherungsvertraglich geschuldeten Leistungen teilbar sind (vgl. Kübler/Prütting, Tintelnot § 105 InsO Rdn. 12, Uhlenbruck/ Berscheid, 12. Aufl., § 105 InsO Rdn. 20 m.w.N.). Prämienzahlungsverpflichtung einerseits sowie auf der anderen Seite die Verpflichtung, Versicherungsschutz zu gewähren, lassen sich in vor Insolvenzeintritt und nach Insolvenzeintritt zu erbringende (Teil-)Leistungen abschichten und verselbständigt sehen. Einem beliebigen Prämienanteil nämlich entspricht ein bestimmter Zeitraum der Risikoübernahme durch den Versicherer (Deckung und Prämie pro rata temporis). Dabei kann die Ausformung der geschuldeten Risikoübernahme variieren, etwa beim Versicherungsfall in Form der Verpflichtung, Versicherungsleistungen zu erbringen, aber auch umgekehrt, wenn etwa die Einstandspflicht des Versicherers ruht. Das eine wie das andere ist zeitlich festgelegt und kann somit der Zeit vor oder nach Insolvenzeröffnung zugeordnet und damit abgeschichtet werden. Die zeitanteilige Prämie deckt jedwede der vorgenannten "Leistungen" ab. Dass Versicherungsverhältnisse als Dauerschuldverhältnisse in besonderem Maße von in der Person des Versicherungsnehmers begründeten Einschätzungen geprägt werden, steht einer Teilbarkeit der Leistungen i.S. des § 105 InsO nicht entgegen. Für zahlreiche Dauerschuldverhältnisse trifft die Insolvenzordnung besondere Regelungen, für Versicherungsverträge hingegen nicht. Demnach hat der Gesetzgeber dem personalen Element bei Versicherungsverträgen keine solche Bedeutung beigemessen, dass eine von normalen gegenseitigen Verträgen abweichende insolvenzrechtliche Behandlung geboten erschiene. Kalkulatorische Vergünstigungen für den späteren Insolvenzschuldner sollen nach der Entstehungsgeschichte des § 105 InsO dem Insolvenzverwalter zugutekommen (vgl. Kübler/Prütting/Tintelnot, § 105 InsO Rdn. 2; HK/Marotzke, 2. Aufl., § 105 InsO Rdn. 3 und 10; MK/Kreft, § 103 InsO Rdn. 47, jeweils m.w.N.). Das Erfüllungsverlangen des Klägers mit Schreiben vom 20. Mai 2003 (GA 36), mit welchem der "unbeschränkte Eintritt in die ... Versicherungsverträge" erklärt worden ist, kann der Sache nach nur auf Versicherungsschutz nach Insolvenzeröffnung gerichtet gewesen sein, weil die Beklagte ihren Versicherungsschutz bis dahin voll erbracht hatte. Die Erklärung ist entsprechend dem Gedanken des Masseschutzes nur insoweit wirksam (vgl. BGHZ 135, 25/27) und auch nur so zu verstehen (MK/Kreft § 103 InsO Rdn. 47). Zu Recht wendet sich die Berufung gegen die Annahme des angefochenen Urteils, der Kläger habe nur in einen "belasteten" Versicherungsvertrag eintreten können, weil die Versicherung infolge des Mahnschreibens vom 12. Februar 2003 (GA 33/34) gem. § 39 Abs. 2 VVG leistungsfrei gestellt gewesen sei. Wäre dies richtig, so hätte es zur Wiederherstellung der Leistungsverpflichtung in entsprechender Anwendung des § 39 Abs. 3 S. 3 VVG in der Tat der Nachzahlung sämtlicher aufgelaufener einschließlich der vor Insolvenzeröffnung erwachsenen Prämien bedurft. Leistungsfreiheit war jedoch nicht eingetreten. Die Beklagte hat nämlich nicht in einer den förmlichen Anforderungen des § 39 VVG entsprechenden Weise gemahnt. Von Bedeutung ist insoweit nur das Mahnschreiben vom 12. Februar 2003 (GA 33/34). Das spätere Schreiben vom 30. Mai 2003 (GA 41) konnte zur Leistungsfreiheit schon deshalb nicht mehr führen, weil der Kläger die dort gestellte Forderung innerhalb der gesetzten Frist - einverständlich unter Vorbehalt - beglichen hat. Die Mahnung vom 12. Februar 2003 ist aus zwei Gründen nicht korrekt und deshalb ohne rechtliche Wirkung: a) Zum einen sind für Gebäudeversicherung und Inhaltsversicherung unterschiedlich lange Zahlungsfristen (2 Wochen bzw. 1 Monat) gesetzt, ohne dass aus dem Mahnschreiben hervorginge, welche Teilbeträge der drei mit jeweils 2.799,28 EUR bezifferten Rückstandspositionen auf das eine und auf das andere entfielen. Wegen der einschneidenden Folgen der qualifizierten Mahnung müssen bei Prämienrückständen aus mehreren Versicherungen die Einzelrückstände gesondert ausgewiesen werden, damit der Versicherungsnehmer ggf. differenziert reagieren kann und etwa den einen Rückstand zur Erhaltung des Versicherungsschutzes begleichen und bezüglich des anderen Vertrags Leistungsfreiheit in Kauf zu nehmen in der Lage ist (vgl. BGH VersR 1985, 447, 449), ohne die Einzelrückstände auf eigenes Risiko selbst ermitteln zu müssen (vgl. Römer in: Römer/Langheid, 2. Aufl., § 39 VVG Rdn. 9; Prölss/Knappmann, 27. Aufl., § 39 VVG, Rdn. 18). b) Dieselben Erwägungen gelten erst recht, als sich - wie sich aus den im Berufungsrechtszug vom Kläger zu den Akten gereichten Unterlagen (GA 153 ff.) ergibt - die bei der Beklagten und deren Konsortialversicherern genommene Deckung als ein Bündel verschiedener Einzelversicherungen darstellt, was die Angabe von Einzelprämien aus den genannten Gründen noch weitergehend erfordert haben würde (vgl. auch Prölss, a.a.O.). Die erst in der Berufungsinstanz im Detail erkennbare Zusammensetzung des Versicherungsschutzes ist der Entscheidung des Senats zugrundezulegen, weil sich das Berufungsvorbringen nicht als neues Vorbringen i.S. des § 531 ZPO darstellt. Es handelt sich vielmehr lediglich um eine Vertiefung des erstinstanzlichen Sachvortrags zum näheren Inhalt der seinerzeit schon als Gebäude- und Inhaltsversicherung (GA 2) bezeichneten Vertragsbeziehungen, die der Sache nach unstreitig sind (vgl. BGH VersR 2004, 1177, 1179). Eine andere Sichtweise ist nicht etwa deshalb geboten, weil die Globalpolice auf einem Konzept der von der Insolvenzschuldnerin eingeschalteten Maklerfirma W... beruht, die Police vom Makler ausgestellt ist und insbesondere unbeanstandet von vornherein nur eine Gesamtprämie ausgewiesen war, die nicht erkennen lässt, welcher Prämienanteil auf welchen Versicherungsvertrag entfällt. Auch unter Berücksichtigung dieser besonderen Umstände hat der Versicherungsnehmer keineswegs wirksam auf eine Detail-Aufschlüsselung der Prämienschuld "verzichtet". Soweit es nämlich um die Rechtsfolgen des § 39 VVG geht, kann sich der Versicherungsnehmer auf ihm nachteilige Abweichungen von der gesetzlichen Regelung gar nicht wirksam einlassen (§ 42 VVG). Zu den gesetzlichen Voraussetzungen einer qualifizierten Mahnung gehört eben bei Bestehen verschiedener Versicherungen auch die abgeschichtete Angabe der geschuldeten Einzelprämien (vgl. BGH VersR 1986, 54), und dies überdies "pfenniggenau" zutreffend (vgl. BGH VersR 1985, 533). Das Mahnschreiben der Beklagten (GA 33) lässt nicht einmal erkennen, ob und inwieweit in den angemahnten Beträgen auch Prämienforderungen des nicht in den von der Beklagten vertretenen Konsortialverbund eingeschlossenen Haftpflichtversicherers - der Haftpflichtkasse D... VVaG - eingeflossen sind. Auch die Haftpflicht-Prämie war ununterscheidbarer Bestandteil der Globalprämie der W...-H...-Police. Die Zinsforderung ist unbestritten. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Berufungsstreitwert: 6.234 EUR.

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