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Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Urteil verkündet am 31.08.2009
Aktenzeichen: II-2 UF 48/09
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1578 b
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Duisburg-Ruhrort vom 25.02.2009 - AZ.: 14 F 293/05 - in der Hauptsache dahin abgeändert, dass die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung nachehelichen Unterhalts ab dem 01.07.2008 entfällt.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin, geboren am ..., und der Beklagte, geboren am ..., streiten um nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab 28.02.2006. Ihre am 27.09.1990 geschlossene Ehe ist seit dem 14.06.2005 rechtskräftig geschieden.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung wird auf das Urteil des Amtsgerichts Bezug genommen, durch das der Beklagte zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt ab 28.02.2006 in Höhe von monatlich rund 300,00 € verurteilt worden ist.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung.

Er ist der Ansicht, ein Unterhaltsanspruch der Klägerin bestehe bereits deshalb nicht, weil auf ihrer Seite kein ehebedingter Nachteil vorliege. Dass sie nicht mehr in der Lage sei, ein so hohes Einkommen wie früher zu erzielen, sei schicksalhaft und nicht in der Ehe begründet. Die Zuerkennung eines Unterhaltsanspruchs sei auch deshalb unbillig, weil im Scheidungsverfahren der Versorgungsaugleich zu Gunsten der ausgleichverpflichteten Klägerin nicht durchgeführt wurde.

Im Übrigen sei der Klägerin ein höheres Einkommen zuzurechnen als geschehen. Selbst als ungelernte Kraft sei ein Bruttostundenlohn von 8,00 € bis 9,00 € anzusetzen. Die Klägerin könne sogar 14,00 € erzielen. Jedenfalls müsse der Anspruch entfallen, wenn die Klägerin nunmehr Altersrente beziehen könne.

Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet weiterhin, aufgrund ihres Alters und der vorhandenen Erkrankungen nicht mehr in der Lage zu sein, am Erwerbsleben teilzunehmen. Da die Beschwerden bereits während der Ehe vorlagen, habe auch keine Verpflichtung bestanden, sich nach der Trennung um eine Erwerbstätigkeit zu bemühen.

Jedenfalls sei es ihr nicht möglich, einen Stundenlohn von 7,50 € zu erzielen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist nur insoweit begründet, als der Unterhaltsanspruch der Klägerin bis zum 30.06.2008 zu befristen ist.

Für die Zeit vom 28.02.2006 bis 30.06.2008 hat die Klägerin Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt) in der vom Amtsgericht ausgeurteilten Höhe.

Nach den in erster Instanz eingeholten insgesamt drei Sachverständigengutachten, kommen der internistisch-sozialmedizinische Sachverständige, der orthopädische Sachverständige und der psychiatrische Sachverständige übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin in der Lage ist, leichte Tätigkeiten in vollschichtiger Tätigkeit auszuüben. Obwohl eine Verpflichtung der Klägerin zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit daher seit Anfang 2004 bestand, hat sie keinerlei Bemühungen um Aufnahme einer Tätigkeit unternommen. Zwar war die Klägerin damals bereits 57 Jahre alt, gleichwohl muss man davon ausgehen, dass eine reale Beschäftigungschance bestanden hat. Allerdings ist die mögliche Erwerbstätigkeit der Klägerin im unteren Lohnsektor anzusiedeln. Das Amtsgericht hat daher vollkommen zu Recht der Klägerin ein fiktives Einkommen aufgrund einer Stundenlohnvergütung von 7,50 € zugerechnet. Davon, dass die Klägerin - wie der Beklagte meint - ein höheres Einkommen hätte erzielen können, kann nicht ausgegangen werden.

Soweit die Klägerin in der Berufungserwiderung erneut vorträgt, aufgrund ihres Alters und der vorhandenen Erkrankungen nicht mehr am Erwerbsleben teilnehmen zu können, kommt dem heute keine Bedeutung mehr zu. Zum einen fehlt es an konkreten Einwendungen, die das Ergebnis der Begutachtung in Frage stellen könnten. Zum anderen kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht mehr darauf an, nachdem das Amtsgericht ein fiktives Erwerbseinkommen der Klägerin für die Unterhaltsberechnung angesetzt hat und das Urteil von der Klägerin nicht angegriffen wird.

Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ist allerdings zeitlich zu begrenzen bis zum 30.06.2008.

Nach § 1578 b BGB kann ein Unterhaltsanspruch dann auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt (Abs. 1) bzw. befristet (Abs. 2) werden, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhaltsanspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.

Nach den neueren Entscheidungen des BGH (FamRZ 2007, 793, 800; 2007, 1232, 1236; 2007, 2049, 2050 f.) ist auch bei einer Ehe von langer Dauer eine Begrenzung der Unterhaltsansprüche nicht ausgeschlossen. Entscheidend ist darauf abzustellen, ob sich eine nacheheliche Einkommensdifferenz als ehebedingter Nachteil darstellt, der einen dauerhaften unterhaltsrechtlichen Ausgleich zugunsten des bedürftigen Ehegatten rechtfertigt (BGH FamRZ 2008, 1325, 1328; 2008, 1508 ff.). Der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB bietet deswegen keine - von ehebedingten Nachteilen unabhängige - Lebensstandardgarantie im Sinne einer fortwirkenden Mitverantwortung. Ist die nacheheliche Einkommensdifferenz daher nicht auf ehebedingte Nachteile, sondern darauf zurückzuführen, dass beide Ehegatten schon vorehelich bzw. vor Übernahme der Familienarbeit infolge ihrer Berufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten, kann es im Einzelfall dem unterhaltsberechtigten Ehegatten nach einer Übergangszeit zumutbar sein, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu verzichten und sich mit dem Lebensstandard zu begnügen, den er auch ohne die Ehe erreicht hätte ("angemessener Bedarf"; BGH FamRZ 2007, 2052).

Eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards kommt daher nur dann noch in Betracht, wenn der Bedürftige - sei es wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder aber wegen der langen Dauer der Ehe und der hiermit verbundenen gemeinschaftlichen Lebensplanung - erhebliche berufliche Nachteile auf sich genommen hat, die auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der nachehelichen Eigenverantwortung nicht mehr ausgeglichen werden können, oder aber wenn sonstige Gründe wie Alter oder Gesundheitszustand für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie sprechen (BGH FamRZ 2008, 1325, 1328; 2008, 1508 ff.).

Übertragen auf den vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für eine Befristung des Anspruchs der Klägerin gegeben. Denn die Einkommensdifferenz der Parteien beruht nicht darauf, dass die Klägerin durch ihre Ehe berufliche Nachteile erlitten hat. Der Grund dafür, dass sie heute nicht mehr ein so hohes Einkommen wie noch im Jahr 1993 - in dem sie 80.662,00 DM brutto verdiente - erzielen kann, liegt vielmehr allein in ihrer gesundheitlichen Verfassung begründet. Krankheitsbedingt hat sie in 1994 ihre Arbeitsstelle verloren, wobei die Erkrankung nach Angaben der Klägerin bereits seit langer Zeit vorhanden war. Es liegen auch keine Gründe vor, die trotz des Fehlens ehebedingter Nachteile eine dauerhafte Unterhaltsverpflichtung des Beklagten rechtfertigen würden. Die Ehe dauerte etwa 14 Jahre, bis zur Trennung vergingen 12 Jahre. Um eine außergewöhnlich lange Ehe, in der sich die Ehegatten in besonderer Weise auf eine lebenslange eheliche Solidarität einstellen, handelt es sich damit nicht. Gegen eine Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung jedenfalls bis zum Rentenbeginn spricht zudem, dass der Beklagte seinerseits nicht an den von der Klägerin erworbenen Rentenanwartschaften beteiligt ist, nachdem der Versorgungsausleich - sicherlich zu Recht - ausgeschlossen wurde.

Nach einer Übergangszeit ist es der Klägerin daher zuzumuten, auf den Lebensstandard nach den ehelichen Lebensverhältnissen zu verzichten.

Unter Berücksichtigung aller Umstände erachtet der Senat eine Übergangszeit von drei Jahren ab Rechtskraft der Scheidung, die im Juni 2005 eingetreten ist, als angemessen. Damit entfällt der Anspruch mit Ablauf des 30.06.2008.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Berufungsstreitwert: 3.652,00 €

Ende der Entscheidung

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